Abkommen (0.192.121.71)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen (zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Interpartamentarischen Union zur Regelung der rechtlichen Stellung dieser Organisation in der Schweiz)

zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Interpartamentarischen Union zur Regelung der rechtlichen Stellung dieser Organisation in der Schweiz Abgeschlossen am 28. September 1971 In Kraft getreten am 1. Januar 1971 ¹ AS 1971 1602 ² Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe die­ser Sammlung.
Der Schweizerische Bundesrat einerseits, die Interparlamentarische Union anderseits,
haben zur Regelung der rechtlichen Stellung der Interparlamentarischen Union in der Schweiz die folgenden Bestimmungen vereinbart:
Art. 1 Persönlichkeit
Der Schweizerische Bundesrat anerkennt die Rechtspersönlichkeit und die Rechts­fähigkeit der Interparlamentarischen Union (im folgenden Union genannt), die ihr auf Grund ihrer rechtlichen Stellung zukommen.
Art. 2 Handlungsfreiheit
1.  Der Schweizerische Bundesrat gewährleistet der Union die ihr als internationale Institution zustehende Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit.
2.  Er erkennt ihr sowie ihren Mitgliedern in den Beziehungen mit ihr insbesondere die Versammlungs‑, Rede‑ und Beschlussfreiheit zu.
Art. 3 Unverletzbarkeit
1.  Die Räumlichkeiten und Archive der Union sind unverletzbar.
2.  Die Ein‑ und Ausfuhr der Veröffentlichungen der Union werden nicht eingeschränkt.
3.  Die amtliche Korrespondenz und die übrigen amtlichen Mitteilungen der Union, die als solche gebührend gekennzeichnet sind, können nicht zensuriert werden.
Art. 4 Steuerliche Behandlung
1.  Die Union ist von den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden befreit. Für Liegenschaften und ihren Ertrag gilt diese Befreiung indessen nur, soweit sie Eigentum der Union sind oder von ihrem Büro benützt werden.
2.  Die Union ist von den indirekten Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden befreit. Bei der eidgenössischen Warenumsatzsteuer, ob im Preise eingerechnet oder offen übertragen, gilt die Befreiung indessen nur für Anschaffungen, die für den amtlichen Gebrauch der Union erfolgen und wenn der Rechnungsbetrag für eine und dieselbe Anschaffung 100 Schweizerfranken übersteigt.
3.  Die Union ist von allen Gebühren des Bundes, der Kantone und Gemeinden befreit, ausser von denjenigen für besondere Dienstleistungen.
4.  Die erwähnten Befreiungen sind gegebenenfalls auf Antrag der Union auf dem Wege der Rückerstattung zu erwirken.
Art. 5 Zollbehandlung
Die zollamtliche Behandlung der für die Union bestimmten Gegenstände erfolgt gemäss dem auf die internationalen Organisationen anwendbaren Zollreglement des Bundesrates.
Art. 6 Freiheit der Einreise und des Autfenthalts
1.  Die schweizerischen Behörden treffen alle zweckdienlichen Massnahmen, um die Einreise in die Schweiz, die Ausreise und den Aufenthalt aller Personen zu erleichtern, die in amtlicher Eigenschaft zum Büro der Union berufen werden, und zwar ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit, nämlich:
a) die Mitglieder der Union;
b) der Generalsekretär und das Personal des Büros der Union;
c) die in amtlicher Eigenschaft vom Büro der Union berufenen Personen, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit.
2.  Alle fremdenpolizeilichen Massnahmen, die eine Einschränkung der Einreise von Ausländern in die Schweiz oder die Kontrolle ihrer Aufenthaltsverhältnisse bezwe­cken, sind auf die in diesem Artikel aufgeführten Personen nicht anwendbar.
Art. 7 Befreiung von der Gerichtsbarkeit
Alle Beamten des Büros der Union sind ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit und auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienste des Büros von jeglicher Gerichtsbarkeit für die bei der Ausübung ihrer Tätigkeit vollzogenen Handlungen, einschliesslich ihrer mündlichen und schriftlichen Äusserungen, befreit.
Art. 8 Befreiungen undErleichterungen für die nichtschweizerischen Mitglieder und Beamten der Union
Die Mitglieder der Union und die Beamten des Büros der Union, welche die schweizerische Staatsangehörigkeit nicht besitzen:
a) sind von allen Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden auf den von der Union bezahlten Gehältern, Bezügen und Entschädigungen befreit. Kapitalabfindungen, die aus irgendeinem Grunde von einer Pensionskasse oder Fürsorgeeinrichtung geschuldet werden, sind im Zeitpunkt ihrer Auszahlung ebenfalls befreit; für den Ertrag der ausbezahlten Kapitalabfindungen sowie für die den ehemaligen Beamten des Büros der Union ausbezahlten Renten und Pensionen gilt die Steuerbefreiung dagegen nicht;
b) in den Fällen, in denen die Erhebung einer bestimmten Steuer von der Wohnsitznahme des Betreffenden in der Schweiz abhängt, werden die Zeitabschnitte, in denen sich die Mitglieder der Union für die Ausübung ihrer dienstlichen Obliegenheiten in der Schweiz befinden, nicht als Zeitabschnitte der Wohnsitznahme betrachtet;
c) geniessen auf dem Gebiete des Zollwesens die Erleichterungen, die im Zollreglement des Bundesrates für internationale Organisationen vorgesehen sind;
d) sind von allen nationalen Dienstleistungen in der Schweiz ausgenommen;
e) sind, wie auch ihr Ehegatte und die von ihnen unterhaltenen Familienmitglieder, den die Einwanderung einschränkenden Bestimmungen und den Formalitäten bezüglich der Registrierung von Ausländern nicht unterstellt.
Art. 9 Legitimationskarten
1.  Das Eidgenössische Politische Departement übergibt dem Büro der Union für jeden Beamten eine mit der Photographie des Inhabers versehene Legitimationskarte. Diese vom Politischen Departement und vom Büro der Union beglaubigte Karte dient dem Inhaber zur Legitimation gegenüber allen eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Behörden. Eine gleiche Karte wird dem Büro der Union auch übergeben für die Familienmitglieder der Beamten, die von diesen unterhalten werden, im gleichen Haushalte leben und keine Erwerbstätigkeit ausüben.
2.  Das Büro der Union übergibt dem Eidgenössischen Politischen Departement regelmässig eine Liste seiner Beamten und ihrer Familienmitglieder, in derGeburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Wohnort in der Schweiz und Kategorie oder Funktionsklasse, der ein jeder angehört, aufgeführt sind.
Art. 10 Gegenstand der Immunitäten
1.  Die in diesem Abkommen vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten werden nicht eingeräumt, um den Beamten der Union persönliche Vorteile und Annehmlichkeiten zu verschaffen. Sie sind einzig und allein vorgesehen, um die freie Abwicklung der Tätigkeit der Union unter allen Umständen zu gewährleisten.
2.  Der Generalsekretär der Union hat das Recht und die Pflicht, die Immunität eines Beamten aufzuheben, wenn er der Auffassung ist, dass diese Immunität den normalen Gang der Justiz hindert, und wenn der Verzicht möglich ist, ohne dass dadurch die Interessen der Union betroffen werden.
Art. 11 Verhinderung von Missbräuchen
Die Union und die schweizerischen Behörden werden stets zusammenarbeiten, um eine gute Handhabung der Justiz zu erleichtern, die Einhaltung der Polizeivorschriften zu gewährleisten und jeden Missbrauch der in diesem Abkommen vorgesehenen Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen zu verhindern.
Art. 12 Nichtverantwortlichkeit der Schweiz
Der Schweiz erwächst aus der Tätigkeit der Union auf ihrem Gebiet keinerlei internationale Verantwortlichkeit, weder aus den Handlungen und Unterlassungen der Union noch aus den Handlungen oder Unterlassungen ihrer in Ausübung ihrer Funk­tionen tätigen Beamten.
Art. 13 Sicherheit der Schweiz
1.  Das Recht des Schweizerischen Bundesrates, zur Wahrung der Sicherheit der Schweiz zweckdienliche Vorsichtsmassnahmen zu treffen, wird durch dieses Abkommen nicht berührt.
2.  Das Büro der Union wird mit den schweizerischen Behörden zur Vermeidung jeglicher Nachteile, die sich aus seiner Tätigkeit für die Sicherheit der Schweiz ergeben könnten, zusammenarbeiten.
Art. 14 Vollzug des Abkommens durch die Schweiz
Das Eidgenössische Politische Departement wird mit dem Vollzug dieses Abkommens durch die Schweizerische Eidgenossenschaft beauftragt.
Art. 15 Inkrafttreten
Dieses Abkommen tritt rückwirkend auf den 1. Januar 1971 in Kraft.
Art. 16 Änderung des Abkommens
1.  Dieses Abkommen kann auf Verlangen der einen oder anderen Partei geändert werden.
2.  In diesem Falle werden sich die beiden Parteien über die vorzunehmenden Änderungen der Bestimmungen dieses Abkommens verständigen.
Art. 17 Kündigung des Abkommens
Dieses Abkommen kann jederzeit von der einen oder anderen Partei unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden.
Geschehen und unterzeichnet in Bern, am 28. September 1971, in doppelter Anfertigung.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für die
Interparlamentarische Union:

René Keller

Pio‑Carlo Terenzio

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