Allgemeines Gebührengesetz
Allgemeines Gebührengesetz (GebührG) Vom 19. September 2023 (Stand 1. Juli 2024) Der Grosse Rat des Kantons Aargau, gestützt auf die §§ 78 Abs. 1 und 82 Abs. 1 lit. f der Kantonsverfassung, beschliesst:
1. Allgemeines
§ 1 Gegenstand und Geltungsbereich
1 Dieses Gesetz regelt die Grundsätze, nach denen die dem Kanton zukommenden Gebühren beziehungsweise zu ersetzenden Auslagen zu bemessen und festzusetzen sowie im Einzelfall zu erheben und zu beziehen sind.
2 Vorbehalten bleiben abweichende Bestimmungen des übergeordneten Rechts und des besonderen kantonalen Gesetzesrechts.
3 Für die Gebühren im Zivil- und Strafprozess gelangen die §§ 7–11 zur Anwen - dung; die übrigen Bestimmungen sind nur anwendbar, wenn das Zivil- und Strafpro - zessrecht keine Regelung enthält.
4 In den Gemeinden kann die Gemeindeordnung die Anwendbarkeit der allgemeinen kantonalen Gebührengrundsätze vorsehen.
§ 2 Gebührentatbestände
1 Als Gebühren im Sinne dieses Gesetzes gelten: a) Entgelte für Entscheide, Schlichtungsverfahren und weitere Leistungen von Gerichtsbehörden (Gerichtsgebühren), b) Entgelte für Entscheide, Dienstleistungen und weitere Leistungen von Ver - waltungsbehörden (Verwaltungsgebühren), c) Entgelte für die Benutzung von öffentlichen Sachen oder Einrichtungen (Be - nutzungsgebühren). * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
§ 3 Grundsätze der Gebührenpflicht
1 Leistungen von Gerichts- und Verwaltungsbehörden sowie Benutzungen von öf - fentlichen Sachen oder Einrichtungen sind dann entgeltlich, wenn das Gesetz hierfür keine Unentgeltlichkeit vorsieht und soweit der Grosse Rat gemäss § 10 eine Gebühr festgesetzt hat.
2 Gebührenpflichtig ist, wer derartige Leistungen veranlasst beziehungsweise verur - sacht oder derartige öffentliche Sachen oder Einrichtungen benutzt.
3 Sind mehrere Personen für dieselbe Leistung oder Benutzung gebührenpflichtig, haften sie solidarisch.
§ 4 Ausnahmen von der Gebührenpflicht
1 Von der Gebührenpflicht sind ausgenommen: a) Gesuchsverfahren für kantonale Beiträge, b) Einwendungs- beziehungsweise Einspracheverfahren, c) Erläuterungen und Berichtigungen von Entscheiden, d) einfache Auskünfte, Beratungen und Informationen ohne besonderen Auf - wand, e) kantonale Leistungen zur gesetzlich vorgesehenen Förderung oder Unterstüt - zung von Dritten, f) kantonale Leistungen zugunsten des Kantons, des Bunds und der Gemeinden, soweit diese nicht wie Private auftreten, g) kantonale Leistungen zugunsten anderer Kantone, soweit sie Gegenrecht gewähren.
§ 5 Auslagen
1 Auslagen sind Ausgaben, die Behörden zur Erfüllung ihrer Leistungen oder zur Benutzung von öffentlichen Sachen oder Einrichtungen durch Dritte tatsächlich zu tätigen haben, namentlich a) Kosten für Mitwirkungen anderer Behörden, b) Kosten für Sachverhaltsabklärungen, Beweiserhebungen und die Beschaffung von Unterlagen, c) Entschädigungen für Sachverständige, Beauftragte sowie Zeuginnen und Zeu - gen, d) Entschädigungen für amtlich angeordnete Rechtsvertretungen oder Rechtsver - beiständungen, e) Reise- und Transportkosten, f) Kosten für Veröffentlichungen und Übersetzungen, g) besondere Übermittlungskosten.
2 Auslagen sind separat auszuweisen.
3 Auslagen werden vollumfänglich der gebührenpflichtigen Person auferlegt, wenn keine besondere Bestimmung des kantonalen Rechts etwas anderes vorsieht. Die Be - stimmungen für die Erhebung und den Bezug von Gebühren im Einzelfall sowie zum Rechtsschutz finden sinngemäss Anwendung.
§ 6 Mehrwertsteuer
1 Unterliegen gebührenpflichtige Leistungen und Benutzungen von öffentlichen Sa - chen oder Einrichtungen der Mehrwertsteuer, ist diese zusätzlich in Rechnung zu stellen.
2. Bemessung und Festsetzung von Gebühren
§ 7 Kostendeckungsprinzip
1 Gebühren sind so zu bemessen, dass ihr Gesamterlös die durchschnittlichen Ge - samtkosten der im jeweiligen Aufgabenbereich erbrachten und sachlich zusammen - hängenden Leistungen beziehungsweise stattfindenden Benutzungen von öffentli - chen Sachen oder Einrichtungen nicht übersteigt.
2 Bei kommerziellen Benutzungen von öffentlichen Sachen oder Einrichtungen darf der Gesamterlös die durchschnittlichen Gesamtkosten angemessen übersteigen.
§ 8 Äquivalenzprinzip
1 Bei der Gebührenbemessung sind die Bedeutung der betreffenden Angelegenheit, die Kosten und der Nutzen der staatlichen Leistung beziehungsweise der wirtschaft - liche Vorteil für die gebührenpflichtige Person zu berücksichtigen.
2 Die Gerichtsgebühren dürfen die Rechtsverwirklichung und die Rechtsverfolgung, insbesondere im Rechtsmittelverfahren, nicht beeinträchtigen.
§ 9 Vergleichbarkeit
1 Gebühren sind in leicht vergleichbarer Form festzusetzen.
2 Für Personen, die ihren Wohnsitz oder Sitz ausserhalb des Kantons haben, kann die Benutzungsgebühr höher festgesetzt werden, wenn a) der Gesamterlös die Gesamtkosten der Sache oder Einrichtung nicht deckt und sich durch deren Benutzung höhere Kosten ergeben oder b) die öffentliche Sache oder Einrichtung aus allgemeinen Staatsmitteln mitfi - nanziert wird.
§ 10 Gebührenfestsetzung
1 Der Grosse Rat regelt die Gebührenrahmen für die gebührenpflichtigen Leistungen und Benutzungen von öffentlichen Sachen oder Einrichtungen durch Dekret. Er kann zugleich die Berechnungsgrundlagen oder die Kriterien zur Bemessung im Einzelfall regeln. Leistungen und Benutzungen von öffentlichen Sachen oder Ein - richtungen, die durch private Organisationen zu öffentlichen oder gemeinnützigen Zwecken veranlasst werden beziehungsweise erfolgen, kann er ganz oder teilweise von der Gebührenpflicht ausnehmen.
2 Der Regierungsrat regelt, soweit erforderlich, die gebührenpflichtigen Leistungen und Benutzungen von öffentlichen Sachen oder Einrichtungen durch Verordnung näher und setzt innerhalb der Gebührenrahmen die einzelnen Gebührenansätze fest.
3 Der Regierungsrat kann bei der Gebührenfestsetzung gemäss Absatz 2 veränderli - che Gebührenansätze oder feste Pauschalbeträge vorsehen.
4 Bei veränderlichen Gebührenansätzen sind Mindest- und Höchstbeträge sowie die Berechnungsgrundlagen oder die Kriterien zur Bemessung im Einzelfall festzulegen.
5 Der Regierungsrat kann vorsehen, dass Mindest- und Höchstbeträge bei veränderli - chen Gebührenansätzen oder feste Pauschalbeträge ausnahmsweise unter- bezie - hungsweise überschritten werden dürfen, wenn ein offensichtliches Missverhältnis zu den verursachten Kosten besteht.
§ 11 Anpassungen
1 Der Grosse Rat und der Regierungsrat nehmen in der Regel alle 8 Jahre eine um - fassende Prüfung ihrer Gebührenfestsetzungen vor.
2 Der Grosse Rat kann durch Dekret vorsehen, dass der Regierungsrat die gemäss § 10 festgesetzten Gebühren ganz oder teilweise der Preisentwicklung anpassen kann.
3. Erhebung und Bezug von Gebühren im Einzelfall
§ 12 Grundsätze
1 Gebühren sind in der Regel zu erheben, sobald die Leistung erbracht beziehungs - weise die Benutzung der öffentlichen Sache oder Einrichtung beendet ist.
2 Die erhobenen Gebühren sind in der Regel sofort oder mit Rechnung, wiederkeh - rende Verwaltungsgebühren und Verwaltungsgebühren für andere Leistungen als Entscheide mit Rechnung zu beziehen.
3 Gebühren für Entscheide der Verwaltungsbehörden und Gerichtsgebühren sind in der Regel gleichzeitig im entsprechenden Entscheid beziehungsweise Urteil zu erhe - ben und zu beziehen.
4 Periodisch fällige Gebühren können jeweils zu Beginn der Periode für mehrere Jahre gesamthaft als einmalige Gebühr bezogen werden.
5 Die zuständige Stelle kann die zu erhebenden Gebühren mit rechtskräftigen oder mit im selben Entscheid beziehungsweise Urteil festgesetzten Gegenforderungen der gebührenpflichtigen Person verrechnen.
§ 13 Zuständigkeiten
1 Der Regierungsrat bestimmt die für Erhebung und Bezug von Verwaltungs- und Benutzungsgebühren jeweils zuständige Stelle durch Verordnung, die Justizleitung jene für Erhebung und Bezug von Gerichtsgebühren zuständige Stelle durch Regle - ment.
2 Für einzelne Erhebungs- beziehungsweise Bezugshandlungen können jeweils ver - schiedene Stellen zuständig erklärt werden.
3 Sind mehrere Behörden, Verwaltungseinheiten oder Amtspersonen beteiligt, ist die in der Sache federführende Stelle zuständig.
§ 14 Verzicht auf die Gebührenerhebung
1 Gebühren sind nicht zu erheben, wenn a) sie die Kosten des Bezugs nicht decken würden oder b) die Bezugsbemühungen von vornherein aussichtslos erscheinen.
§ 15 Kostenvorschuss
1 Die erstinstanzliche Verwaltungsbehörde kann von der gesuchstellenden Person einen die mutmasslichen Gebühren und Auslagen deckenden Kostenvorschuss erhe - ben.
2 Der Kostenvorschuss ist innert gesetzter Frist zu leisten. Wird der Kostenvorschuss trotz schriftlicher Androhung des Rechtsnachteils nicht fristgerecht geleistet und auch kein Gesuch um Gebührenerlass gestellt, ist auf das Begehren nicht einzutre - ten, die verlangte Leistung zu unterlassen beziehungsweise die Benutzung der öf - fentlichen Sache oder Einrichtung zu verweigern, wenn es das öffentliche Interesse nicht erfordert.
3 Kostenvorschüsse sind nicht zu verzinsen. Vorbehalten bleiben Rechtsverzögerun - gen.
§ 16 Fälligkeit
1 Gebühren werden grundsätzlich mit Beginn der Leistungserbringung oder der Be - nutzung der öffentlichen Sache oder Einrichtung fällig.
2 Bei Rechnungsstellung tritt die Fälligkeit mit der Zustellung der Rechnung ein.
3 Die Erhebung eines Rechtsmittels schiebt die Fälligkeit nicht auf.
§ 17 Bezug mit Rechnung ohne Gebührenentscheid
1 Wird die Gebühr in Rechnung gestellt, ist in der Regel eine Zahlungsfrist von
30 Tagen seit Zustellung anzusetzen.
2 Die gebührenpflichtige Person kann innert 10 Tagen seit Zustellung der Rechnung unentgeltlich einen beschwerdefähigen Gebührenentscheid verlangen.
§ 18 Mahnung
1 Wird die Rechnung nicht innert der Zahlungsfrist beglichen, ist die gebührenpflich - tige Person erstmals unentgeltlich zu mahnen und eine Nachfrist von 10 Tagen seit Zustellung der Mahnung anzusetzen.
2 Nach erfolgloser erster Mahnung ist die gebührenpflichtige Person erneut zu mah - nen und eine Nachfrist von 10 Tagen seit Zustellung dieser zweiten, gebührenpflich - tigen Mahnung anzusetzen.
3 Nach erfolgloser zweiter Mahnung leitet die zuständige Stelle die Betreibung ein.
4 Liegt noch kein Vollstreckungstitel vor, erlässt die zuständige Stelle vor Einleitung der Betreibung einen beschwerdefähigen und gebührenpflichtigen Gebührenent - scheid.
§ 19 Verzugs- und Vergütungszinsen
1 Nach Ablauf der Zahlungsfrist ist ein Verzugszins zu bezahlen. In Härtefällen kann auf den Verzugszins ganz oder teilweise verzichtet werden. Verzugszinsen sind nicht zu erheben, wenn sie die Kosten des Bezugs nicht decken würden oder die Be - zugsbemühungen von vornherein aussichtslos erscheinen.
2 Zu Unrecht eingeforderte und bezahlte Gebühren werden mit Vergütungszins zu - rückerstattet, wenn dieser Fr. 35.– übersteigt.
3 Die Erhebung eines Rechtsmittels hemmt den Zinsenlauf nicht.
4 Der Regierungsrat legt für jedes Kalenderjahr einen Vergütungs- und einen Ver - zugszins durch Verordnung fest. Vergütungs- und Verzugszins dürfen nicht mehr als
5 Prozentpunkte auseinanderliegen.
§ 20 Zahlungserleichterungen
1 Die zuständige Stelle kann auf Gesuch hin in begründeten Fällen die Zahlungsfrist erstrecken oder Ratenzahlungen bewilligen.
2 Zahlungserleichterungen können von einer angemessenen Sicherheitsleistung ab - hängig gemacht werden.
3 Die zuständige Stelle kann für die Dauer solcher Zahlungserleichterungen ganz oder teilweise auf den Verzugszins verzichten.
4 Zahlungserleichterungen werden widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen wegfal - len oder die Bedingungen, an die sie geknüpft sind, nicht erfüllt werden.
§ 21 Erlass und nachträglicher Verzicht
1 Gebührenpflichtigen Personen, für welche die Bezahlung der fälligen Gebühr eine unzumutbare Härte bedeuten würde, kann diese auf Gesuch hin ganz oder teilweise erlassen werden.
2 Das Erlassgesuch ist schriftlich zu begründen und mit den nötigen Beweismitteln einzureichen.
3 Die Einreichung eines Erlassgesuchs hemmt den Bezug nicht.
4 Die Behandlung von Erlassgesuchen erfolgt in der Regel unentgeltlich. Bei offen - sichtlich unbegründeten Gesuchen können Verwaltungs- oder Gerichtsgebühren er - hoben werden.
5 Liegen die Voraussetzungen gemäss § 14 vor, kann auf den Bezug fälliger Gebüh - ren verzichtet werden.
§ 22 Verjährung
1 Das Recht, die Gebühr zu erheben und zu beziehen, verjährt innert 10 Jahren, bei periodischen Gebühren innert 5 Jahren nach Beendigung der Leistungserbringung oder Benutzung der öffentlichen Sache oder Einrichtung.
2 Die Verjährung wird durch jede Handlung, mit der die Gebührenforderung bei der gebührenpflichtigen Person geltend gemacht wird, unterbrochen. Mit der Unterbre - chung beginnt die Verjährung von neuem.
3 Die Verjährung steht während eines Rechtsmittelverfahrens oder eines Verfahrens um Gebührenerlass still. Sie läuft einen Tag nach Eintritt der Rechtskraft weiter.
4 Die Verjährung ist von Amtes wegen zu beachten.
4. Rechtsschutz
§ 23 Rechtsmittel
1 Eine Gebühr ist grundsätzlich mit dem Entscheid in der Sache anfechtbar. Wird nur sie angefochten, hemmt ihre Anfechtung den Eintritt der Rechtskraft des Entscheids in der Sache nicht.
2 Während eines Rechtsmittelverfahrens gegen einen Gebührenentscheid unterbleibt der Gebührenbezug.
5. Schlussbestimmungen
§ 24 Übergangsrecht
1 Gebühren und Auslagen für Vorgänge, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits begonnen haben, werden nach altem Recht erhoben und bezogen.
2 Bisher festgesetzte Gebührenansätze, die den Bestimmungen dieses Gesetzes wi - dersprechen, behalten längstens während zweier Jahre nach Inkrafttreten ihre Gültig - keit.
§ 25 Inkrafttreten
1 Der Regierungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.
Aarau, 19. September 2023 Präsident des Grossen Rats P FISTERER Protokollführerin O MMERLI Datum der Veröffentlichung: 27. Oktober 2023 Ablauf der Referendumsfrist: 25. Januar 2024 Inkrafttreten: 1. Juli 2024 1 )
1) RRB 2024-000284 vom 13. März 2024
Änderungstabelle - Nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung AGS Fundstelle
19.09.2023 01.07.2024 Erlass Erstfassung 2024/04-01
Änderungstabelle - Nach Paragraph Element Beschluss Inkrafttreten Änderung AGS Fundstelle Erlass 19.09.2023 01.07.2024 Erstfassung 2024/04-01
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