Protokoll zur Änderung des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über die Überstellung... (0.343.11)
CH - Schweizer Bundesrecht

Protokoll zur Änderung des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen

Abgeschlossen in Strassburg am 22. November 2017 Von der Bundesversammlung genehmigt am 21. Juni 2019¹ Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 21. November 2019 Provisorisch anwendbar ab 1. Januar 2020 (Stand am 18. Juli 2023) ¹ AS 2019 5023
Die Mitgliedstaaten des Europarats und die anderen Staaten, die dieses Protokoll unterzeichnen,
in dem Wunsch, die Anwendung des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen (SEV-Nr. 167), das am 18. Dezember 1997² in Strassburg zur Unterzeichnung aufgelegt wurde (im Folgenden als «Zusatzprotokoll» bezeichnet), zu erleichtern und insbesondere seine anerkannten Ziele zu verfolgen, nämlich den Interessen der Rechtspflege zu dienen und die soziale Wiedereingliederung verurteilter Personen zu fördern;
in der Erwägung, dass es wünschenswert ist, das Zusatzprotokoll unter Berücksichtigung der seit seinem Inkrafttreten erfolgten Weiterentwicklung der internationalen Zusammenarbeit bei der Überstellung verurteilter Personen zu aktualisieren und zu verbessern,
sind übereingekommen, das Zusatzprotokoll wie folgt zu ändern:
² SR 0.343.1
Art. 1
Die Überschrift des Artikels 2 sowie Artikel 2 Absatz 1 erhalten folgende Fassung:
«Art. 2 Personen, die den Urteilsstaat vor Abschluss der Vollstreckung der gegen sie verhängten Sanktion verlassen haben
1. Wurde gegen einen Staatsangehörigen einer Vertragspartei eine Sanktion rechtskräftig verhängt, so kann der Urteilsstaat den Staat, dessen Staatsangehörigkeit diese Person besitzt, unter folgenden Voraussetzungen ersuchen, die Vollstreckung der Sanktion zu übernehmen:
a) wenn diese Person in den Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, geflohen oder auf andere Weise zurückgekehrt ist, wobei sie Kenntnis von dem im Urteilsstaat gegen sie anhängigen Strafverfahren hatte; oder
b) wenn diese Person in den Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, geflohen oder auf andere Weise zurückgekehrt ist, wobei sie Kenntnis davon hatte, dass ein Urteil gegen sie ergangen ist.»
Art. 2
Artikel 3 Absatz 1, 3 Buchstabe a und 4 erhält folgende Fassung:
«Art. 3 Verurteilte Personen, die der Ausweisung oder Abschiebung unterliegen
1.  Auf Ersuchen des Urteilsstaats kann der Vollstreckungsstaat vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Artikels in die Überstellung einer verurteilten Person ohne deren Zustimmung einwilligen, wenn die gegen diese Person verhängte Sanktion oder eine gegen diese Person ergangene Verwaltungsentscheidung eine Ausweisungs- oder Abschiebungsanordnung oder eine andere Massnahme enthält, aufgrund deren es dieser Person nicht gestattet sein wird, nach der Entlassung aus der Haft im Hoheitsgebiet des Urteilsstaats zu bleiben.
2.  [unverändert]
3.  Zur Anwendung dieses Artikels stellt der Urteilsstaat dem Vollstreckungsstaat Folgendes zur Verfügung:
a) eine Erklärung, aus der die Meinung der verurteilten Person zu ihrer vorgesehenen Überstellung hervorgeht, oder eine Erklärung, dass die verurteilte Person sich weigert, ihre Meinung dazu zu äussern; und
b) [unverändert]
4.  Eine nach diesem Artikel überstellte Person darf wegen einer anderen vor der Überstellung begangenen Handlung als derjenigen, die der zu vollstreckenden Sanktion zugrunde liegt, nur dann verfolgt, abgeurteilt, zur Vollstreckung einer Strafe oder sichernden Massnahme³ in Haft gehalten oder einer sonstigen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden:
a) wenn der Urteilsstaat dies genehmigt; zu diesem Zweck ist ein Ersuchen zu stellen, dem alle zweckdienlichen Unterlagen und ein gerichtliches Protokoll über alle Erklärungen der verurteilten Person beizufügen sind; die Genehmigung wird erteilt, wenn die strafbare Handlung, derentwegen darum ersucht wird, nach dem Recht des Urteilsstaats zur Auslieferung Anlass geben könnte oder die Auslieferung nur wegen des Strafmasses ausgeschlossen wäre. Die Entscheidung wird so bald wie möglich, spätestens jedoch 90 Tage nach Eingang des Ersuchens um Zustimmung getroffen. Ist es dem Urteilsstaat nicht möglich, die in diesem Absatz vorgesehene Frist einzuhalten, so teilt er dies dem Vollstreckungsstaat mit und gibt dabei die Gründe für die Verzögerung und die Zeit, die voraussichtlich für die Entscheidung benötigt wird, an;
b) wenn die verurteilte Person, obwohl sie dazu die Möglichkeit hatte, das Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats innerhalb von 30 Tagen nach ihrer endgültigen Freilassung nicht verlassen hat oder wenn sie nach Verlassen dieses Gebiets dorthin zurückgekehrt ist.»
Schlussbestimmungen
³ Deutschland und Österreich: «Massregel der Besserung und Sicherung»
Art. 3 Unterzeichnung und Ratifikation
1.  Dieses Protokoll liegt für die Vertragsparteien des Zusatzprotokolls zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.
2.  Nach Auflegung dieses Protokolls zur Unterzeichnung und vor dessen Inkrafttreten kann eine Vertragspartei des Übereinkommens das Zusatzprotokoll nur ratifizieren, annehmen, genehmigen oder ihm beitreten, wenn sie gleichzeitig dieses Protokoll ratifiziert, annimmt oder genehmigt.
Art. 4 Inkrafttreten
Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem alle Vertragsparteien des Zusatzprotokolls nach Artikel 3 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein.
Art. 5 Vorläufige Anwendung
Bis zum Inkrafttreten dieses Protokolls nach den in Artikel 4 festgelegten Bedingungen kann eine Vertragspartei des Zusatzprotokolls bei der Ratifikation, der Annahme oder der Genehmigung des Protokolls oder jederzeit danach erklären, dass sie das Protokoll vorläufig anwenden wird. In diesen Fällen findet das Protokoll nur in Bezug auf die anderen Vertragsparteien Anwendung, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben. Eine solche Erklärung wird am ersten Tag des zweiten Monats nach ihrem Eingang beim Generalsekretär des Europarats wirksam.
Art. 6 Dauer der vorläufigen Anwendung
Die vorläufige Anwendung dieses Protokolls endet mit dem Tag seines Inkrafttretens.
Art. 7 Notifikationen
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats, jedem Unterzeichner, jeder Vertragspartei und jedem anderen Staat, der eingeladen worden ist, dem Übereinkommen beizutreten:
a) jede Unterzeichnung;
b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde;
c) den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach Artikel 4;
d) jede Erklärung nach Artikel 5;
e) jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Protokoll.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.
Geschehen zu Strassburg am 22. November 2017 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats, den anderen Vertragsparteien des Übereinkommens und jedem Staat, der eingeladen worden ist, dem Übereinkommen beizutreten, beglaubigte Abschriften.
(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 18. Juli 2023 ⁴

⁴ AS 2019  5025 ; 2023 401 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereichs ist auf der Publikationsplattform des Bundesrechts «Fedlex» unter folgender Adresse veröffentlicht www.fedlex.admin.ch/de/treaty
Die folgenden Staaten haben gemäss Artikel 5 des Protokolls erklärt, dass die Bestimmungen des Protokolls für sie in ihren Beziehungen zu Staaten, die eine ähnliche Erklärung zu diesem Zweck abgegeben haben, provisorisch anwendbar sind.

Provisorisch anwendbar zwischen den folgenden Staaten:

seit:

Italien

15.06.2021

Litauen

01.01.2020

Österreich

08.07.2020

Heiliger Stuhl

01.01.2020

Schweiz

01.01.2020

Ungarn

13.02.2023

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