Gesetz über die öffentliche Statistik (150.400)
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Gesetz über die öffentliche Statistik

Gesetz über die öffentliche Statistik (Statistikgesetz, StatG) Vom 28. November 2023 (Stand 1. Mai 2024) Der Grosse Rat des Kantons Aargau, gestützt auf die §§ 78 Abs. 1 und 94 Abs. 1 der Kantonsverfassung, beschliesst:

1. Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Gegenstand und Zweck

1 Dieses Gesetz regelt die öffentliche Statistik des Kantons.
2 Es bezweckt, a) dem Kanton die statistischen Ergebnisse bereitzustellen, die dieser als Ent - scheidungsgrundlage zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt (Kantonsstatis - tik), b) die Mitwirkung des Kantons an der Bundesstatistik sicherzustellen, c) der Öffentlichkeit, den Gemeinden, der Wirtschaft und den Sozialpartnern sta - tistische Ergebnisse zur Verfügung zu stellen oder den Zugang zu diesen zu gewährleisten, d) die Organisation der Kantonsstatistik auf eine effiziente und für die Betroffe - nen schonende Erhebung und Bearbeitung der Daten auszurichten, e) die Zusammenarbeit mit den Gemeinden, den Kantonen, dem Bund und dem Ausland auf dem Gebiet der öffentlichen Statistik zu fördern, f) den Datenschutz betreffend die öffentliche Statistik sicherzustellen.

§ 2 Geltungsbereich

1 Dieses Gesetz gilt für den Kanton und für Personen, Organisationen sowie öffent - lich-rechtliche Körperschaften und Anstalten, die im Auftrag des Kantons statisti - sche Tätigkeiten ausführen. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
2 Es findet keine Anwendung auf a) Tätigkeiten, die unter Einsatz statistischer Methoden unmittelbar der Planung, der Steuerung, der Erfüllung oder der Überprüfung öffentlicher Aufgaben die - nen, b) wissenschaftliche Tätigkeiten von Lehr- und Forschungsinstituten.

§ 3 Begriffe

1 In diesem Gesetz bedeuten a) Einzeldaten: Merkmale einer einzelnen Beobachtungseinheit, die neben natür - lichen und juristischen Personen jegliche mit Daten erfassbare Einheit umfas - sen, b) Einzelperson: Natürliche oder juristische Person des Privatrechts, c) statistische Ergebnisse: Erkenntnisse über Eigenschaften und Zusammenhänge von Massenerscheinungen, die aus der Analyse und Verdichtung von Einzel - daten gewonnen werden, d) statistische Daten: Einzeldaten, aggregierte Daten oder Ergebnisse, die für sta - tistische Tätigkeiten benötigt oder durch diese erzeugt werden, e) statistische Tätigkeit: Jede Tätigkeit, die darauf ausgerichtet ist, statistische Ergebnisse zu erzeugen, zu veröffentlichen, aufzubewahren und zu dokumen - tieren. Dazu gehören insbesondere die Erhebung, Aufbereitung, Verdichtung, Speicherung, Analyse und Interpretation von Daten mit statistischen Metho - den, f) öffentliches Organ: Behörde oder Organisationseinheit des Kantons, der Gemeinden, anderer selbständiger öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten sowie Private, soweit sie Staats- oder Gemeindeaufgaben erfüllen.

§ 4 Wissenschaftliche Grundsätze und Methoden

1 Statistische Tätigkeiten werden nach anerkannten fachlichen Grundsätzen und wis - senschaftlichen Methoden ausgeführt.

2. Aufgaben, Organisation und Finanzen

§ 5 Aufgaben

1 Die statistische Tätigkeit des Kantons umfasst einerseits die Mitwirkung des Kantons an der Bundesstatistik und andererseits die Kantonsstatistik.
2 Die Kantonsstatistik stellt statistische Ergebnisse über Zustand und Entwicklung wichtiger Lebensbereiche, insbesondere über Bevölkerung, Wirtschaft, Gesellschaft, Gesundheit, Bildung, Kultur, Raum und Umwelt, bereit.

§ 6 Statistisches Amt

1 Das Statistische Amt ist die zentrale und unabhängige Statistikstelle des Kantons. Es ist zuständig für die Kantonsstatistik, berät die Verwaltungseinheiten des Kantons und erbringt statistische Dienstleistungen.
2 Es führt alle statistischen Tätigkeiten aus, die sich aus der Mitwirkungspflicht des Kantons an der Bundesstatistik ergeben und für die nicht die weiteren Statistikpro - duzenten gemäss § 7 zuständig sind.
3 Es koordiniert die statistischen Tätigkeiten des Kantons, wenn eine Erhebung der Bundesstatistik Daten aus mehreren Aufgabenbereichen erfordert.
4 Es kann Sachverständige beiziehen, wenn die Erfüllung seiner Aufgaben besondere Fachkenntnisse erfordert oder mit seinem Personal nicht gewährleistet werden kann.

§ 7 Weitere Statistikproduzenten

1 Die öffentlichen Organe des Kantons sind selbst statistisch tätig, soweit sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben auf statistische Ergebnisse angewiesen sind.
2 Sie wirken an der Durchführung von Erhebungen der Bundesstatistik mit, wenn die jeweilige Statistik auf Daten aus ihrem Aufgabenbereich angewiesen ist.

§ 8 Kosten Mitwirkung Bundesstatistik

1 Kanton und Gemeinden tragen die aus ihrer Mitwirkung an der Bundesstatistik ent - stehenden Kosten selbst.

3. Datenerhebung

§ 9 Verwendung von Verwaltungs- und Registerdaten

1 Für die Kantonsstatistik sind die beim Kanton durch den Rechtsvollzug angefalle - nen Daten (Verwaltungs- und Registerdaten) sowie öffentlich zugängliche Datenbe - stände zu verwenden.
2 Das Statistische Amt kann Verwaltungs- und Registerdaten, einschliesslich beson - ders schützenswerte Personendaten, aus den entsprechenden Datensammlungen und Informatikanwendungen abrufen oder sich per Stichtag zustellen lassen. Die Dauer des Abrufs auf Personendaten ist auf ein notwendiges Minimum und auf einen mög - lichst kleinen Personenkreis zu beschränken.

§ 10 Indirekterhebung

1 Soweit keine Daten gemäss § 9 Abs. 1 vorliegen, erhebt das Statistische Amt die für die Kantonsstatistik benötigten Daten bei den öffentlichen Organen.

§ 11 Direkterhebung, Beobachtung und Messung

1 Lassen sich die erforderlichen Daten nicht aus Datenbeständen gemäss den §§ 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand beschaffen und ist dies zur Vollständigkeit, Repräsentativität, Vergleichbarkeit oder Aktualität einer Statistik erforderlich, kann das Statistische Amt sie durch Befragung von natürlichen und juristischen Personen (Direkterhebung), durch Beobachtung oder durch Mes - sung erheben.
2 Der Kreis und die Anzahl der Befragten darf nicht grösser sein, als es für Zweck und Aussagekraft der zu erstellenden Statistiken notwendig ist.
3 Die Befragten sind über den Zweck und die Rechtsgrundlage der Erhebung sowie über eine allfällige Entschädigung zu informieren.

§ 12 Auskunfts- und Mitwirkungspflicht

1 Die öffentlichen Organe sind zur Auskunftserteilung und zur Mitwirkung ver - pflichtet. Die bei den Gerichten eingeholten Auskünfte dürfen nicht geeignet sein, die Unabhängigkeit der Justiz zu beeinträchtigen. Die Justizleitung ist vorgängig zu konsultieren.
2 Natürliche und juristische Personen können bei Direkterhebungen zur Auskunftser - teilung und Mitwirkung verpflichtet werden, wenn die Methode der Erhebung und die Bedeutung der Statistik dies erfordern. Der Regierungsrat erlässt entsprechende Anordnungen.
3 Der Entscheid über die angeordnete Auskunfts- und Mitwirkungspflicht kann mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden.

§ 13 Wahrheitspflicht

1 Öffentliche Organe sowie natürliche und juristische Personen sind zur wahrheitsge - treuen Auskunftserteilung verpflichtet.

§ 14 Entschädigung

1 Auskunftserteilung und Mitwirkung werden nicht entschädigt.
2 Bei Direkterhebungen kann für aussergewöhnlich grossen Aufwand eine angemes - sene Entschädigung ausgerichtet werden.

4. Bearbeitung, Aufbewahrung und Schutz der Daten

§ 15 Grundsätze

1 Die Statistikproduzenten schützen die Daten durch die erforderlichen und verhält - nismässigen organisatorischen und technischen Massnahmen gegen unbefugtes Be - arbeiten. Für den Schutz von Personendaten gilt § 12 des Gesetzes über die In - formation der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (IDAG) vom

24. Oktober 2006 1 ) .

2 Das Statistische Amt darf die zur Vorbereitung, Durchführung und Koordination von Erhebungen erstellten Namens- und Adresslisten nur so lange aufbewahren, als diese für die genannten Zwecke bearbeitet werden müssen.
3 Material aus Direkterhebungen, das neben den erfragten Angaben Namen oder per - sönliche Identifikationsnummern der Betroffenen enthält, darf nur vom Statistischen Amt bearbeitet werden. Es ist zu vernichten, sobald die Bearbeitung abgeschlossen ist.
4 Das Statistische Amt darf unter Vorbehalt von § 16 Daten nur aufbewahren und ar - chivieren, wenn sie keine Namen oder persönliche Identifikationsnummern der Betroffenen enthalten.

§ 16 Bearbeitung von Einzeldaten

1 Das Statistische Amt kann für die Vervollständigung, die Kontrolle und die Aufbe - reitung erhobener Einzeldaten die erforderlichen personenidentifizierenden Merk - male verwenden.
2 Es bearbeitet die aufbereiteten Einzeldaten in pseudonymisierter Form. Es pseudo - nymisiert sie, indem die Personenbezeichnungen durch einen nichtsprechenden Identifikator ersetzt werden.
3 Das Statistische Amt anonymisiert die Einzeldaten, sobald deren Bearbeitungs - zweck dies zulässt, spätestens jedoch 30 Jahre nach ihrer Erhebung. Es anonymisiert sie, indem es personenidentifizierende Angaben und den Identifikator löscht.
4 Sind mit einer Statistik Entwicklungen über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren zu untersuchen, anonymisiert das Statistische Amt die Einzeldaten, sobald der Zweck der Statistik erreicht ist. Der Regierungsrat legt diese Statistiken durch Ver - ordnung fest.

§ 17 Datenverknüpfungen

1 Das Statistische Amt darf Daten miteinander verknüpfen.
2 Es verwendet hierfür systematisch die Versichertennummer gemäss Art. 50c des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) vom

20. Dezember 1946

2 ) oder andere Identifikatoren als Verbindungsschlüssel.
1) SAR 150.700
2) SR 831.10
3 Vor der Verknüpfung von Personendaten, die unterschiedliche Bereiche oder Zeit - punkte abdecken, ersetzt das Statistische Amt Personenangaben durch einen nicht - sprechenden Identifikator.
4 Werden besonders schützenswerte Personendaten verknüpft, oder ergeben sich aus der Verknüpfung Persönlichkeitsprofile, sind die verknüpften Daten nach Abschluss der statistischen Auswertungsarbeiten zu löschen.

§ 18 Zweckbindung

1 Zu statistischen Zwecken erhobene Daten gemäss den §§ 9–11 dürfen ausschliess - lich für die Bundes- und Kantonsstatistik verwendet werden. Sie sind dem Staatsar - chiv nicht anzubieten.
2 Die Verwendung zu einem anderen Zweck ist nur zulässig, wenn sie in einem Ge - setz ausdrücklich vorgesehen ist oder die betroffenen Personen zustimmen.
3 Stellt das Statistische Amt an den erhobenen Daten Mängel fest, meldet es diese dem öffentlichen Organ, bei dem diese Daten ihren Ursprung haben.

§ 19 Statistikgeheimnis

1 Mit statistischen Tätigkeiten betraute Personen müssen alle Daten über natürliche und juristische Personen geheim halten, die sie bei ihrer Arbeit wahrnehmen. Diese Pflicht gilt auch nach Beendigung der Tätigkeit.
2 Werden verwaltungsexterne Personen mit statistischen Tätigkeiten betraut, sind sie vertraglich auf die Wahrung des Statistikgeheimnisses gemäss Absatz 1 zu ver - pflichten.

§ 20 Weitergabe von Einzeldaten

1 Das Statistische Amt kann für nichtkommerzielle Zwecke der Forschung und Wis - senschaft Einzeldaten in anonymisierter Form an Organisationen und Institutionen ausserhalb der kantonalen Verwaltung weitergeben, wenn daraus keine Rückschlüs - se auf Einzelpersonen möglich sind.
2 Das Statistische Amt darf mit Genehmigung des Regierungsrats Adressdaten für Befragungen zu statistischen Zwecken weitergeben.
3 Den Organisationen und Institutionen sind durch Vertrag sinngemäss die Pflichten gemäss den §§ 15 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 2, 19 Abs. 1, 21 sowie 22 Abs. 1 aufzuerle - gen. Zudem sind sie vertraglich zur unwiderruflichen Löschung der Daten nach Er - füllung des Bearbeitungszwecks, spätestens aber nach fünf Jahren, zu verpflichten.

5. Veröffentlichungen und Dienstleistungen

§ 21 Veröffentlichungen

1 Die Statistikproduzenten veröffentlichen ihre statistischen Ergebnisse objektiv und unparteilich. Nicht veröffentlichte Ergebnisse werden auf geeignete Weise zugäng - lich gemacht.
2 Unter Vorbehalt einer gesetzlich vorgeschriebenen Veröffentlichung dürfen die Er - gebnisse keine Rückschlüsse auf die Verhältnisse von Einzelpersonen ermöglichen, welche die betroffene Person nicht schon allgemein zugänglich gemacht hat.
3 Die Statistikproduzenten geben bei statistischen Ergebnissen Begriffsdefinitionen an und dokumentieren Erhebungs- und Auswertungsmethoden.

§ 22 Verwendung

1 Veröffentlichte oder zugänglich gemachte statistische Ergebnisse können mit Quel - lenhinweis ohne urheberrechtliche Bewilligung unentgeltlich verwendet und wieder - gegeben werden.
2 Der Grosse Rat kann durch Dekret für die Verwendung oder Weitergabe zu Er - werbszwecken eine Bewilligungs- und Gebührenpflicht vorsehen.

§ 23 Übrige Dienstleistungen

1 Das Statistische Amt kann im Auftrag der Verwaltungseinheiten des Kantons und für öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen sowie für vom Kanton beherrschte privatrechtliche Institutionen statistische Tätigkeiten gegen kostendeckende Entgelte erbringen.
2 Es kann im Rahmen seiner Möglichkeiten und mit Zurückhaltung für Personen und Organisationen ausserhalb der Kantonsverwaltung bereits bei ihm vorhandene Daten gegen Gebühr auswerten.

6. Schlussbestimmung

§ 24 Inkrafttreten

1 Der Regierungsrat bestimmt das Inkrafttreten. Aarau, 28. November 2023 Präsident des Grossen Rats P FISTERER Protokollführerin O MMERLI
Datum der Veröffentlichung: 15. Dezember 2023 Ablauf der Referendumsfrist: 14. März 2024 Inkrafttreten: 1. Mai 2024 1 )
1) RRB 2024-000380 vom 27. März 2024
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