Gesetz über die Palliative Care und die Rahmenbedingungen für Beihilfe zum Suizid in Institutionen und Einrichtungen
über die Palliative Care und die Rahmenbedingungen für Beihilfe zum Suizid in Institutionen und Einrichtungen (GPCBSIE) vom 10.03.2022 (Stand 01.03.2023) Der Grosse Rat des Kantons Wallis eingesehen die Artikel 7, 8 Absatz 1 und 10 Absatz 2 der Bundesverfas - sung; eingesehen die Artikel 3, 4, 19, 31 und 42 der Kantonsverfassung; eingesehen das kantonale Gesundheitsgesetz vom 12. März 2020 (GG); auf Antrag des Staatsrates, verordnet:
1 Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 Menschenwürde und persönliche Freiheit
1 Die Würde des Menschen ist unantastbar. Im Zusammenhang mit dem Lebensende wird unter Würde ein Lebensende verstanden, bei dem die kör - perliche und geistige Integrität gewahrt und die Diskretion sichergestellt wer - den. Der Staat und seine Organe sind verpflichtet, sie zu achten und zu schützen.
2 Jede Person hat das Recht auf Palliative Care, die es ihr ermöglicht, ihre Lebensqualität aufrechtzuerhalten.
3 Jede volljährige und urteilsfähige Person hat das Recht, von ihrer persönli - chen Freiheit, ihr Leben zu beenden, Gebrauch zu machen. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
Art. 2 Anwendungsbereich
1 Das vorliegende Gesetz fördert die Unterstützung und die Entwicklung der Palliative Care.
2 Es definiert die Bedingungen der Beihilfe zum Suizid in Gesundheitsinstitu - tionen und Sozialeinrichtungen mit öffentlichem Auftrag.
2 Palliative Care
Art. 3 Definition
1 Unter Palliative Care versteht man einen Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Angehörigen bei Problemen im Zu - sammenhang mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung, und zwar durch Vorbeugung und Linderung von Leiden, durch die Identifizierung der Situa - tionen, gewissenhafte Einschätzung und Behandlung von Schmerzen und anderen Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.
Art. 4 Anwendungsmodalitäten
1 Menschen in ihrer letzten Lebensphase haben in Würde und wenn möglich an ihrem gewohnten Lebensort ein Anrecht auf ihren Bedürfnissen entspre - chende Pflege, namentlich Palliative Care, auf Linderung, Betreuung und Trost.
2 Der Staat gewährleistet im Rahmen der Gesundheitsplanung die Entwick - lung und Unterstützung der Palliative Care im Kanton. Ergänzend zu den Sozialversicherungen stellt er Mittel für die Umsetzung eines kantonalen Palliative-Care-Konzepts zur Verfügung.
3 Der Staat sorgt für die Sensibilisierung des Personals der Sozialeinrichtun - gen und die Aus- und Weiterbildung der Gesundheitsfachpersonen im Be - reich Palliative Care, um eine frühzeitige Identifizierung von Palliativsituatio - nen zu fördern und deren Betreuung zu verbessern.
4 Der Staat unterstützt die Information der Bevölkerung über Palliative Care.
Art. 5 Institutionelle Palliative Care
1 Jede Gesundheitsinstitution oder Sozialeinrichtung muss über ein Konzept zur Betreuung von Palliativsituationen verfügen und für dessen Umsetzung sorgen.
2 Das Departement legt die Mindestanforderungen in Richtlinien fest und er - nennt einen kantonalen Delegierten für Palliative Care.
3 Beihilfe zum Suizid
Art. 6 Grundsätze
1 Gesundheitsinstitutionen und Sozialeinrichtungen mit öffentlichem Auftrag müssen die Wahl einer Person, sei sie Patient oder Bewohner, Beihilfe zum Suizid durch eine institutions- oder einrichtungsexterne Hilfe in Anspruch zu nehmen, respektieren.
Art. 7 Bedingungen für Beihilfe zum Suizid in einer Institution oder
Einrichtung
1 Beihilfe zum Suizid in Gesundheitsinstitutionen und Sozialeinrichtungen mit öffentlichem Auftrag muss folgende Bedingungen erfüllen: a) die Person ist urteilsfähig und hält an ihrem Entscheid fest; b) die Person leidet an einer schweren und unheilbaren Krankheit oder an schweren und unheilbaren Folgen eines Unfalls; c) jede in Anbetracht ihres Gesundheitszustands vorstellbare Therapie, insbesondere im Zusammenhang mit Palliative Care, wurde ihr vorge - schlagen und sie hat explizit Stellung dazu bezogen; d) die Person hat kein Zuhause ausserhalb der Gesundheitsinstitution oder Sozialeinrichtung mehr oder ihre Rückkehr nach Hause ist nicht vernünftig zumutbar.
2 Das involvierte Personal der Institution oder Einrichtung und der Vertrau - ensarzt oder behandelnde Arzt dürfen sich berufsmässig nicht an der Beihil - fe zum Suizid beteiligen.
3 In einer Sozialeinrichtung, die Bewohner mit schweren psychischen Er - krankungen oder schweren psychischen Behinderungen aufnimmt, kann Beihilfe zum Suizid an einem anderen Ort als ihrem Lebensort geleistet wer - den, falls diese Beihilfe die anderen Bewohner stören kann. Die Einrichtung muss einen angemessenen Ort zur Verfügung stellen.
Art. 8 Überprüfung der Bedingungen
1 Die Person, die Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen möchte, informiert ihren behandelnden Arzt, der überprüft, ob die in Artikel 7 genannten rechtli - chen Bedingungen erfüllt sind. Zudem muss sie die Institution oder Einrich - tung, in der sie sich aufhält, über ihren Willen informieren.
2 Der behandelnde Arzt, der diese Aufgabe nicht wahrnehmen kann oder will, kann sie innerhalb einer Frist von höchstens einer Woche ablehnen. In diesem Fall wird ein anderer vom Patienten oder Bewohner bezeichneter Arzt mit Berufsausübungsbewilligung hinzugezogen.
3 Der Arzt, der überprüft, ob die rechtlichen Bedingungen erfüllt sind, kann die Meinung eines anderen Arztes mit Berufsausübungsbewilligung im Kanton Wallis einholen. Vermutet der Arzt, dass der Wunsch des Patienten oder Bewohners von einer psychischen Störung oder durch Druck von aus - sen beeinflusst wird, kann er die Beurteilung eines Psychiaters einholen.
4 Der Arzt, der die rechtlichen Bedingungen überprüft, muss dem Patienten oder Bewohner so rasch wie möglich, jedoch innert maximal drei Wochen schriftlich Bescheid geben.
5 Die Gesundheitsinstitutionen und Sozialeinrichtungen führen anonymisierte Statistiken über die Anzahl Anfragen und durchgeführter Fälle von Beihilfe zum Suizid in ihrer Institution oder Einrichtung zuhanden der zuständigen Behörden.
Art. 9 Grenzen
1 Gesundheitsinstitutionen und Sozialeinrichtungen ohne öffentlichen Auftrag müssen die Patienten oder Bewohner bei der Aufnahme klar über ihre inter - ne Politik betreffend Beihilfe zum Suizid informieren.
2 Jegliche gewinnbringende Beihilfe zum Suizid ist verboten.
3 Werbung für Beihilfe zum Suizid ist auf öffentlichem Grund und auf von öf - fentlichem Grund aus sichtbarem Privatgrund verboten.
4 Schlussbestimmungen
Art. 10 Sanktionen und Verfahren
1 Die Sanktionen und Verfahren des Gesundheitsgesetzes gelten auch für das vorliegende Gesetz.
Änderungstabelle - Nach Beschlussdatum Beschlussdat um Inkrafttreten Element Änderung Quelle Publikation
10.03.2022 01.03.2023 Erlass Erstfassung RO/AVS 2023-018
Änderungstabelle - Nach Artikel Element Beschlussdat um Inkrafttreten Änderung Quelle Publikation Erlass 10.03.2022 01.03.2023 Erstfassung RO/AVS 2023-018
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