Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (721.52)
CH - SO

Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen

1 Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 25. November 1994 Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen Art. 1. Zweck
1 Diese Vereinbarung regelt die gegenseitige Öffnung der Kantone bei der Vergabe ihrer öffentlichen Aufträge.
2 Sie will die kantonalen Vergaberegeln durch gemeinsam bestimmte Grundsätze und in Übereinstimmung mit den internationalen Verpflich- tungen der Schweiz harmonisieren. Ihre Ziele sind insbesondere: a) Förderung des wirksamen Wettbewerbs unter den Anbieterinnen und Anbietern; b) Gewährleistung der Gleichbehandlung aller Anbieterinnen und Anbie- ter sowie einer unparteiischen Vergabe; c) Sicherstellung der Transparenz der Vergab everfahren; d) wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel. Art. 2. Vorbehalt anderer Vereinbarungen Die beteiligten Kantone behalten sich das Recht vor: a) unter sich andere bilaterale oder multilaterale Vereinbarungen zur Erweiterung des Anwendungsbereiches dieser Vereinbarung zu schlies- sen oder ihre Zusammenarbeit auf anderem Weg weiterzuentwickeln; b) ähnliche Vereinbarungen mit den Grenzregionen und Nachbarstaaten zu schliessen. Art. 3. Durchführung Die zuständigen Behörden jedes Kantons erlassen Ausführungsbestim- mungen, die mit der Vereinbarung übereinstimmen müssen.
2 Zweiter Abschnitt Anwendung der Vereinbarung Art. 4. Interkantonales Organ
1 Die Mitglieder der an der Vereinbarung beteiligten Kantone in der Schweizerischen Bau-, Planungs- und Umweltschutzdirektorenkonferenz bilden das Interkantonale Organ.
2 Das Interkantonale Organ ist zuständig für: a) Änderung der Vereinbarung unter Vorbehalt der Zustimmung der beteiligten Kantone; b) Erlass von Vergaberichtlinien; c) Periodische Anpassung der Schwellenwerte gemäss den Vorgaben des GATT-Übereinkommens; d) Festlegung der generellen Bagatellklausel gemäss Artikel 7 Absatz 2 dieser Vereinbarung; e) Kontrolle über die Durchführung der Vereinbarung durch die Kantone, insbesondere Führung der notwendigen Dokumentationen, sowie die gütliche Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Kantonen über die Anwendung der Vereinbarung; f) Regelung der Organisation und des Verfahrens für die Anwendung der Vereinbarung.
3 Das Interkantonale Organ trifft seine Entscheide mit Dreiviertelmehrheit der Anwesenden, sofern mindestens die Hälfte der Kantone vertreten ist. Jeder beteiligte Kanton hat eine Stimme, die von einem Mitglied der zu- ständigen Kantonsregierung wahrgenommen werden muss.
4 Das Interkantonale Organ arbeitet mit den Konferenzen der Vorstehe- rinnen und Vorsteher der betroffenen kantonalen Direktionen, insbeson- dere mit der Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren zusammen, indem diese vorher konsultiert oder zu den Sitzungen eingeladen werden. Art. 5. Zusammenarbeit mit dem Bund Das Interkantonale Organ sucht mit dem Bund gemeinsame Lösungen für eine koordinierte Regelung der eidgenössischen und kantonalen Vergabe- verfahren. Dritter Abschnitt Anwendungsbereich Art. 6. Auftragsarten
1 Diese Vereinbarung findet Anwendung auf die Vergabe von: a) Bauaufträgen, das heisst Verträgen zwischen Auftraggeberin oder von Hoch- und Tiefbauarbeiten im Sinne von Ziffer 51 der zentralen
3 Produkteklassifikation (CPC-Liste) nach Anhang 1 Annex 5 des GATT- Übereinkommens; b) Lieferaufträgen, das heisst Verträge zwischen Auftraggeberin oder Auftraggeber und Anbieterin oder Anbieter über die Beschaffung be- weglicher Güter, namentlich durch Kauf, Leasing, Miete, Pacht oder Mietkauf; c) Dienstleistungsaufträgen, das heisst Verträge zwischen Auftraggeberin oder Auftraggeber und Anbieterin oder Anbieter über die Erbringung einer Dienstleistung nach Anhang 1 Annex 4 des GATT-Überein- kommens.
2 Ein Bauwerk ist das Ergebnis der Gesamtheit von Hoch- und Tiefbauar- beiten nach Absatz 1 Buchstabe a. Art. 7. Schwellenwerte
1 Diese Vereinbarung gilt für die Vergabe von Aufträgen, wenn der ge- schätzte Auftragswert folgenden Schwellenwert ohne Mehrwertsteuer erreicht: a) 10’070’000 Franken bei Bauwerken; b) 403’000 Franken bei Lieferungen und Dienstleistungen; c) 806’000 Franken bei Lieferungen und Dienstleistungen im Au ftrag einer Auftraggeberin oder eines Auftraggebers, die gemäss Artikel 8 dieser Vereinbarung in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrs- versorgung und im Telekommunikationsbereich vergeben werden.
2 Vergibt die Auftraggeberin oder der Auftraggeber für die Realisierung eines Bauwerkes mehrere Bauaufträge, so ist deren Gesamtwert massge- bend. Der prozentuale Anteil der einzelnen Bauwerke, welchen sie am Gesamtbauwerk ausmachen müssen, damit sie auf jeden Fall den Bestim- mungen dieser Vereinbarung unterliegen, richtet sich nach den generellen Festlegungen durch das Interkantonale Organ (Bagatellklausel). Art. 8. Auftraggeberin und Auftraggeber
1 Dieser Vereinbarung unterstehen als Auftraggeberin und Auftraggeber: a) der Staat und seine öffentlich-rechtlichen Anstalten und Regiebetrie- be, sowie die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, an denen er betei- ligt ist; b) die Gemeinden, die Gemeindeverbände und die anderen öffentlich- rechtlichen Körperschaften gegenüber jenen Kantonen und Vertrags- staaten des GATT-Übereinkommens, die Gegenrecht gewähren; c) Organisationen und Unternehmen, gleich welcher Rechtsform, die in den Sektoren Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Te- lekommunikationsbereich tätig sind und durch eine, bzw. einen oder mehrere, bzw. mehreren in Buchstabe a) oder b) – unabhängig vom Gegenrecht – genannte Auftraggeberin oder Auftraggeber mehrheit- lich beherrscht sind. Sie unterstehen dieser Vereinbarung nur für Auf- träge, die sie zur Durchführung ihrer in der Schweiz ausgeübten Tätig- keit in diesen Bereichen geben; d) andere Organisationen, die dem GATT-Übereinkommen oder anderen entsprechenden völkerrechtlichen Verträgen unterstellt sind.
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2 Dieser Vereinbarung ebenfalls unterstellt sind Objekte und Leistungen, die mit mehr als 50% der Gesamtkosten von Bund oder einer, bzw. einem oder mehreren in Absatz 1 Buchstabe a) und b) genannten Organisationen subventioniert werden. Art. 9. Anbieterin und Anbieter Diese Vereinbarung ist anwendbar auf Angebote von Anbieterinnen a) in einem beteiligten Kanton; b) in einem Vertragsstaat des GATT-Übereinkommens über das öffentli- che Beschaffungswesen, soweit diese Staaten Gegenrecht gewähren; c) in anderen Staaten in dem Ausmass, als entsprechende vertragliche Abmachungen eingegangen worden sind. Art. 10. Ausnahmen
1 Die Vereinbarung findet keine Anwendung auf: a) Aufträge an Behinderteninstitutionen, Wohltätigkeitseinrichtungen und Strafanstalten; b) Aufträge, die im Rahmen von Agrar- und Ernährungshilfsprogrammen erteilt werden; c) Aufträge, die aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen den Vertragsstaaten des GATT-Übereinkommens oder der Schweiz und an- deren Staaten über ein gemeinsam zu verwirklichendes und zu tragen- des Objekt vergeben werden; d) Aufträge, die aufgrund eines besonderen Verfahrens einer internatio- nalen Organisation vergeben werden; e) Aufträge für die Beschaffung von Waffen, Munition oder Kriegsmate- rial und für die Erstellung von Bauten der Kampf- und Führungsinfra- struktur von Gesamtverteidigung und Armee.
2 Die Auftraggeberin und der Auftraggeber brauchen einen Auftrag nicht nach den Bestimmungen dieser Vereinbarung zu vergeben, wenn: a) die Sittlichkeit, die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit gefährdet sind; b) der Schutz von Gesundheit und Leben von Mensch, Tier und Pflanzen dies erfordert; oder c) dadurch bestehende Schutzrechte des geistigen Eigentums verletzt würden. Vierter Abschnitt Vergabeverfahren Bei der Vergabe von Aufträgen werden folgende Grundsätze eingehalten: a) Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung der Anbieterinnen und Anbieter; b) wirksamer Wettbewerb; c) Verzicht auf Abgebotsrunden;
5 d) Beachtung der Ausstandsregeln; e) Beachtung der Arbeitsschutzbestimmungen und der Arbeitsbedingun- gen; f) Gleichbehandlung von Frau und Mann; g) Vertraulichkeit von Informationen. Art. 12. Verfahrensarten
1 Es sind folgende Verfahrensarten anwendbar. a) das offene Verfahren, bei dem die Auftraggeberin oder der Auftrag- geber den geplanten Auftrag öffentlich ausschreibt und alle Anbiete- rinnen und Anbieter ein Angebot einreichen können; b) das selektive Verfahren, bei dem die Auftraggeberin oder der Auftrag- geber den geplanten Auftrag öffentlich ausschreibt; alle Anbieterin- nen und Anbieter können einen Antrag auf Teilnahme einreichen. Die Auftraggeberin oder der Auftraggeber bestimmt aufgrund von Eig- nungskriterien die Anbieterinnen und Anbieter, die ein Angebot ein- reichen dürfen. Die Auftraggeberin oder der Auftraggeber kann die Zahl der zur Angebotsabgabe eingeladenen Anbieterinnen und Anbie- ter beschränken, wenn sonst die Auftragsvergabe nicht effizient ab- gewickelt werden kann. Dabei muss ein wirksamer Wettbewerb ge- währleistet sein. c) das freihändige Verfahren, bei dem die Auftraggeberin oder der Auf- traggeber einen Auftrag direkt vergibt ohne Ausschreibung.
2 Die Kantone regeln in den Ausführungsbestimmungen die Voraussetzun- gen nach GATT-Übereinkommen, unter denen die Verfahrensarten ent- sprechend gewählt werden dürfen. Art. 13. Kantonale Ausführungsbestimmungen Die Ausführungsbestimmungen gewährleisten: a) die notwendigen Veröffentlichungen, mindestens im zuständigen kantonalen Amtsblatt der Auftraggeberin oder des Auftraggebers ; b) die Bezugnahmen auf nichtdiskriminierende technische Spezifikatio- nen; c) die Bestimmung von ausreichenden Fristen für die Einreichung der Angebote; d) ein Verfahren zur Überprüfung der Eignung der Anbieterinnen und Anbieter nach objektiven und überprüfbaren Kriterien; e) die gegenseitige Anerkennung der Qualifikation der Anbieterinnen und Anbieter, die in ständigen Listen der beteiligten Kantone einge- tragen sind; f) geeignete Zuschlagskriterien, die den Zuschlag an das wirtschaftlich günstigste Angebot gewährleisten; g) den Zuschlag durch Verfügung; h) die Mitteilung und kurze Begründung des Zuschlages; i) die Beschränkung von Abbruch und Wiederholung des Vergabeverfah- rens auf wichtige Gründe.
6 Art. 14. Vertragsschluss
1 Der Vertrag mit der Anbieterin oder dem Anbieter darf nach dem Zu- schlag nach Ablauf der Beschwerdefrist abgeschlossen werden, es sei denn, die Beschwerdeinstanz habe der Beschwerde aufschiebende Wir- kung erteilt.
2 Ist ein Beschwerdeverfahren ohne aufschiebende Wirkung gegen den Zuschlag hängig, so teilt die Auftraggeberin oder der Auftraggeber den Vertragsschluss umgehend der Beschwerdeinstanz mit. Fünfter Abschnitt Rechtsschutz Art. 15. Beschwerderecht und Frist
1 Gegen Verfügungen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers ist die Beschwerde an eine unabhängige kantonale Instanz zulässig. Diese ent- scheidet endgültig.
2 Beschwerden sind schriftlich und begründet innert 10 Tagen seit Eröff- nung der Verfügungen einzureichen.
3 Fehlen kantonale Ausführungsbestimmungen, ist das Bundesgericht für Beschwerden, welche die Anwendung dieser Vereinbarung betreffen, zuständig. Art. 16. Beschwerdegründe
1 Mit der Beschwerde können gerügt werden: a) Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens; b) unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes.
2 Unangemessenheit kann nicht geltend gemacht werden.
3 Fehlen kantonale Ausführungsbestimmungen, können die Bestimmungen dieser Vereinbarung direkt geltend gemacht werden. Art. 17. Aufschiebende Wirkung
1 Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung
2 Die Beschwerdeinstanz kann auf Gesuch oder von Amtes wegen die auf- schiebende Wirkung erteilen, wenn die Beschwerde als ausreichend be- gründet erscheint und keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen.
3 Wird die aufschiebende Wirkung auf Gesuch der Beschwerdeführerin oder des Beschwerdeführers angeordnet und kann sie zu einem bedeu- tenden Nachteil führen, kann die Beschwerdeführerin oder der Beschwer- deführer innerhalb nützlicher Frist zur Leistung von Sicherheiten für die Verfahrenskosten und mögliche Parteientschädigungen verpflichtet wer- den. Wird die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet, wird der Entscheid über die aufschiebende Wirkung hinfällig.
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4 Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer sind verpflichtet, den Schaden, der aus der aufschiebenden Wirkung entstanden ist, wenn sie absichtlich oder grob fahrlässig gehandelt haben, zu ersetzen. Art. 18. Entscheid
1 Ist der Vertrag noch nicht abgeschlossen, kann die Beschwerdeinstanz die Aufhebung der Verfügung beschliessen und in der Sache selbst entschei- den oder sie an die Auftraggeberin oder den Auftraggeber mit oder ohne verbindliche Anordnungen zurückweisen.
2 Ist der Vertrag bereits abgeschlossen und erweist sich die Beschwerde als begründet, stellt die Beschwerdeinstanz fest, dass die Verfügung rechts- widrig ist. Sechster Abschnitt Überwachung Art. 19. Kontrolle und Sanktionen
1 Die Kantone überwachen die Einhaltung der Vergabebestimmungen vor und nach dem Zuschlag durch die Auftraggeberinnen oder Auftraggeber und die Anbieterinnen und Anbieter.
2 Sie sehen Sanktionen für den Fall der Verletzung der Vergabebestim- mungen vor. Siebter Abschnitt Schlussbestimmungen Art. 20. Beitritt und Austritt
1 Jeder Kanton kann der Vereinbarung beitreten, indem er seine Beitritts- erklärung dem Interkantonalen Organ übergibt, das sie dem Bund mitteilt.
2 Der Austritt kann auf das Ende eines Kalenderjahres erfolgen. Er ist 6 Monate im voraus dem Interkantonalen Organ anzuzeigen, das den Aus- tritt dem Bund mitteilt. Art. 21. Inkrafttreten
1 Die Vereinbarung tritt, sobald ihr zwei Kantone beigetreten sind, durch Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung der Bundesgesetze und für weitere Mitglieder mit der Veröffentlichung ihres Beitrittes im gleichen Organ in Kraft.
2 Gleiches gilt für Ergänzungen und Änderungen der Vereinbarung. Art. 22. Übergangsrecht
1 Die Vereinbarung gilt für die Vergabe von Aufträgen, die nach dem Inkrafttreten der Vereinbarung ausgeschrieben oder vergeben wurden.
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2 Im Fall eines Austrittes gilt die Vereinbarung für die Vergabe von Aufträ- gen, die vor dem Ende des Kalenderjahres, auf das der Austritt wirksam wird, ausgeschrieben werden.
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