Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (0.211.213.01)
CH - Schweizer Bundesrecht

Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Abgeschlossen in Den Haag am 2. Oktober 1973 von der Bundesversammlung genehmigt am 4. März 1976² Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 18. Mai 1976 In Kraft getreten für die Schweiz am 1. Oktober 1977 (Stand am 12. September 2016) ¹ Der französische Originaltext befindet sich unter der gleichen Nummer in der entsprechenden Ausgabe dieser Sammlung. ² Art. 1 Abs. 1 des BB vom 4. März 1976 ( AS 1976 1557 )
Die Unterzeichnerstaaten dieses Übereinkommens,
in dem Wunsch, gemeinsame Bestimmungen über das auf Unterhaltspflichten gegen­über Erwachsenen anzuwendende Recht aufzustellen,
in dem Wunsch, diese Bestimmungen an die des Übereinkommens vom 24. Oktober 1956³ über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht anzupassen,
haben beschlossen, zu diesem Zweck ein Übereinkommen zu schliessen, und haben die folgenden Bestimmungen vereinbart:
³ SR 0.211.221.431

Abschnitt I Anwendungsbereich des Übereinkommens

Art. 1
Dieses Übereinkommen ist auf Unterhaltspflichten anzuwenden, die sich aus Beziehungen der Familie, Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft ergeben, einschliesslich der Unterhaltspflicht gegenüber einem nichtehelichen Kind.
Art. 2
Dieses Übereinkommen regelt das Kollisionsrecht nur auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht.
Die in Anwendung dieses Übereinkommens ergangenen Entscheidungen greifen dem Bestehen einer der in Artikel 1 genannten Beziehungen nicht vor.
Art. 3
Das von diesem Übereinkommen bestimmte Recht ist unabhängig vom Erfordernis der Gegenseitigkeit anzuwenden, auch wenn es das Recht eines Nichtvertragsstaates ist.

Abschnitt II Anzuwendendes Recht

Art. 4
Für die in Artikel 1 genannten Unterhaltspflichten ist das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht massgebend.
Wechselt der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an das innerstaatliche Recht am neuen gewöhn­lichen Aufenthalt anzuwenden.
Art. 5
Kann der Berechtigte nach dem in Artikel 4 vorgesehenen Recht vom Verpflichteten keinen Unterhalt erhalten, so ist das Recht des Staates, dem sie gemeinsam angehören, anzuwenden.
Art. 6
Kann der Berechtigte nach den in den Artikeln 4 und 5 vorgesehenen Rechten vom Verpflichteten keinen Unterhalt erhalten, so ist das innerstaatliche Recht der angerufenen Behörde anzuwenden.
Art. 7
Bei Unterhaltspflichten zwischen Verwandten in der Seitenlinie oder Verschwägerten kann der Verpflichtete dem Anspruch des Berechtigten entgegenhalten, dass nach dem Recht des Staates, dem sie angehören, oder, mangels einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit, nach dem innerstaatlichen Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verpflichteten eine solche Pflicht nicht besteht.
Art. 8
Abweichend von den Artikeln 4 bis 6 ist in einem Vertragsstaat, in dem eine Ehescheidung ausgesprochen oder anerkannt worden ist, für die Unterhaltspflichten zwischen den geschiedenen Ehegatten und die Änderung von Entscheidungen über diese Pflichten das auf die Ehescheidung angewandte Recht massgebend.
Der vorstehende Absatz ist auch im Fall einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und im Fall einer für nichtig oder als ungültig erklärten Ehe anzuwenden.
Art. 9
Für das Recht einer öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtung auf Erstattung der dem Unterhaltsberechtigten erbrachten Leistungen ist das Recht mass­gebend, dem die Einrichtung untersteht.
Art. 10
Das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmt insbesondere,
1. ob, in welchem Ausmass und von wem der Berechtigte Unterhalt verlangen kann;
2. wer zur Einleitung des Unterhaltsverfahrens berechtigt ist und welche Fristen für die Einleitung gelten;
3. das Ausmass der Erstattungspflicht des Unterhaltsverpflichteten, wenn eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung die Erstattung der dem Berechtigten erbrachten Leistungen verlangt.
Art. 11
Von der Anwendung des durch dieses Übereinkommen bestimmten Rechtes darf nur abgesehen werden, wenn sie mit der öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar ist.
Jedoch sind bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrages die Bedürfnisse des Berechtigten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten zu berücksichtigen, selbst wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt.

Abschnitt III Verschiedene Bestimmungen

Art. 12
Dieses Übereinkommen ist nicht auf Unterhalt anzuwenden, der in einem Vertragsstaat für die vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens in diesem Staat liegende Zeit verlangt wird.
Art. 13
Jeder Vertragsstaat kann sich gemäss Artikel 24 das Recht vorbehalten, dieses Übereinkommen nur anzuwenden auf Unterhaltspflichten
1. zwischen Ehegatten und zwischen früheren Ehegatten;
2. gegenüber einer Person, die das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat und unverheiratet ist.
Art. 14
Jeder Vertragsstaat kann sich gemäss Artikel 24 das Recht vorbehalten, dieses Übereinkommen nicht anzuwenden auf Unterhaltspflichten
1. zwischen Verwandten in der Seitenlinie;
2. zwischen Verschwägerten;
3. zwischen geschiedenen oder ohne Auflösung des Ehebandes getrennten Ehegatten oder zwischen Ehegatten, deren Ehe für nichtig oder als ungültig erklärt worden ist, wenn das Erkenntnis auf Scheidung, Trennung, Nichtigkeit oder Ungültigkeit der Ehe in einem Versäumnisverfahren in einem Staat ergangen ist, in dem die säumige Partei nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Art. 15
Jeder Vertragsstaat kann gemäss Artikel 24 einen Vorbehalt anbringen, dass seine Behörden sein innerstaatliches Recht anwenden werden, wenn sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete Staatsangehörige dieses Staates sind und der Verpflichtete dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Art. 16
Kommt das Recht eines Staates mit zwei oder mehr Rechtsordnungen mit räum­licher oder personeller Anwendung auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht in Betracht – beispielsweise, wenn auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Berechtigten oder des Verpflichteten oder auf das Recht des Staates, dem sie gemeinsam angehören, verwiesen wird – so ist die Rechtsordnung anzuwenden, die durch die in diesem Staat geltenden Vorschriften bestimmt wird, oder mangels solcher Vorschriften die Rechtsordnung, zu der die Beteiligten die engsten Bindungen haben.
Art. 17
Ein Vertragsstaat, in dem verschiedene Gebietseinheiten ihre eigenen Rechtsvorschriften über die Unterhaltspflicht haben, ist nicht verpflichtet, dieses Übereinkommen auf Kollisionsfälle anzuwenden, die nur seine Gebietseinheiten betreffen.
Art. 18
Dieses Übereinkommen ersetzt in den Beziehungen zwischen den Staaten, die Vertragsparteien sind, das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht.
Jedoch ist der vorstehende Absatz nicht auf Staaten anzuwenden, die durch einen Vorbehalt nach Artikel 13 die Anwendung dieses Übereinkommens auf Unterhaltspflichten gegenüber Personen ausgeschlossen haben, die das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben und unverheiratet sind.
Art. 19
Dieses Übereinkommen berührt nicht andere internationale Übereinkünfte, deren Vertragspartei ein Vertragsstaat des Übereinkommens ist oder wird und die Bestimmungen über die durch dieses Übereinkommen geregelten Angelegenheiten enthalten.

Abschnitt IV Schlussbestimmungen

Art. 20
Dieses Übereinkommen liegt für die Staaten zur Unterzeichnung auf, die Mitglieder der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht zur Zeit ihrer Zwölften Tagung waren.
Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung; die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden sind beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande zu hinterlegen.
Art. 21
Jeder Staat, der erst nach der Zwölften Tagung Mitglied der Konferenz geworden ist oder der Mitglied der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderinstitutionen ist oder der Satzung des Internationalen Gerichtshofs⁴ angehört, kann diesem Übereinkommen beitreten, nachdem es nach Artikel 25 Absatz 1 in Kraft getreten ist.
Die Beitrittsurkunde ist beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande zu hinterlegen.
⁴ SR 0.193.501
Art. 22
Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt erklären, dass sich dieses Übereinkommen auf alle Gebiete, deren internationale Beziehungen er wahrnimmt, oder auf eines oder mehrere dieser Gebiete erstreckt. Diese Erklärung wird wirksam, sobald das Übereinkommen für den betreffenden Staat in Kraft tritt.
Jede spätere Erstreckung dieser Art ist dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande zu notifizieren.
Art. 23
Ein Vertragsstaat, der aus zwei oder mehr Gebietseinheiten besteht, in denen verschiedene Rechtsordnungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gelten, kann bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt erklären, dass sich dieses Übereinkommen auf alle diese Gebietseinheiten oder nur auf eine oder mehrere dieser Gebietseinheiten erstreckt; er kann diese Erklärung jederzeit durch Abgabe einer neuen Erklärung ändern.
Diese Erklärungen sind dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande unter ausdrücklicher Bezeichnung der Gebietseinheit, für die das Übereinkommen gilt, zu notifizieren.
Art. 24
Jeder Staat kann spätestens bei der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt einen oder mehrere der in den Artikeln 13 bis 15 vorgesehenen Vorbehalte anbringen. Andere Vorbehalte sind nicht zulässig.
Jeder Staat kann ferner, wenn er eine Erstreckung des Übereinkommens nach Artikel 22 notifiziert, die Wirkung eines oder mehrerer dieser Vorbehalte auf alle oder einige der von der Erstreckung erfassten Gebiete beschränken.
Jeder Vertragsstaat kann einen von ihm angebrachten Vorbehalt jederzeit zurückziehen. Ein solcher Rückzug ist dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande zu notifizieren.
Die Wirkung des Vorbehalts endet am ersten Tag des dritten Kalendermonats nach der in Absatz 3 genannten Notifikation.
Art. 25
Dieses Übereinkommen tritt am ersten Tag des dritten Kalendermonats nach der in Artikel 20 vorgesehenen Hinterlegung der dritten Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft.
Später tritt das Übereinkommen in Kraft
– für jeden Unterzeichnerstaat, der es später ratifiziert, annimmt oder genehmigt, am ersten Tag des dritten Kalendermonats nach Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde;
– für jeden beitretenden Staat am ersten Tag des dritten Kalendermonats nach Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde;
– für die Gebiete, auf die das Übereinkommen nach Artikel 22 erstreckt worden ist, am ersten Tag des dritten Kalendermonats nach der im genannten Artikel vorgesehenen Notifikation.
Art. 26
Dieses Übereinkommen gilt für die Dauer von fünf Jahren, vom Tag seines Inkrafttretens nach Artikel 25 Absatz 1 an gerechnet, und zwar auch für die Staaten, die es später ratifiziert, angenommen oder genehmigt haben oder ihm später beigetreten sind.
Die Geltungsdauer des Übereinkommens verlängert sich, ausser im Fall der Kündigung, stillschweigend um jeweils fünf Jahre.
Die Kündigung ist spätestens sechs Monate vor Ablauf der fünf Jahre dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande zu notifizieren. Sie kann sich auf bestimmte Gebiete beschränken, für die das Übereinkommen gilt.
Die Kündigung wirkt nur für den Staat, der sie notifiziert hat. Für die anderen Vertragsstaaten bleibt das Übereinkommen in Kraft.
Art. 27
Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande notifiziert den Mitgliedstaaten der Konferenz sowie den Staaten, die nach Artikel 21 beigetreten sind:
1. jede Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme und Genehmigung nach Arti­kel 20;
2. den Tag, an dem dieses Übereinkommen nach Artikel 25 in Kraft tritt;
3. jeden Beitritt nach Artikel 21 und den Tag, an dem der Beitritt wirksam wird;
4. jede Erstreckung nach Artikel 22 und den Tag, an dem sie wirksam wird;
5. jede Erklärung nach Artikel 23 und jede Änderung derselben sowie den Tag, an dem diese Erklärung und ihre Änderung wirksam werden;
6. jede Kündigung nach Artikel 26;
7. jeden Vorbehalt nach den Artikeln 13-15 und 24 sowie den Rückzug von Vorbehalten nach Artikel 24.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die gehörig Bevollmächtigten dieses Übereinkommen unterzeichnet.
Geschehen in Den Haag am 2. Oktober 1973 in französischer und englischer Sprache, wobei beide Texte in gleicher Weise massgebend sind, in einer Urschrift, die im Archiv der Regierung der Niederlande hinterlegt wird; diese übermittelt jedem Staat, der Mitglied der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht zur Zeit ihrer Zwölften Tagung war, auf diplomatischem Weg eine beglaubigte Abschrift.
(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 12. September 2016 ⁵

⁵ AS 1977 1620 , 1982 666 , 1983 1435 , 1987 428 836 , 1993 2436 , 2004 3221 , 2016 3247 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Beitritt (B)

Inkrafttreten

Albanien

29. August

2011 B

  1. November

2011

Deutschland*

28. Januar

1987

  1. April

1987

Estland

22. Oktober

2001 B

  1. Januar

2002

Frankreich

19. Juli

1977

  1. Oktober

1977

Griechenland*

25. Juni

2003

  1. September

2003

Italien*

  2. Oktober

1981

  1. Januar

1982

Japan

  5. Juni

1986

  1. September

1986

Litauen*

11. Juni

2001 B

  1. September

2001

Luxemburg*

13. Oktober

1981

  1. Januar

1982

Niederlande*

12. Dezember

1980

  1. März

1981

    Aruba*

12. Dezember

1980

  1. März

1981

    Curaçao*

12. Dezember

1980

  1. März

1981

    Karibische Gebiete (Bonaire,     Sint Eustatius und Saba)*

12. Dezember

1980

  1. März

1981

    Sint Maarten*

12. Dezember

1980

  1. März

1981

Polen*

13. Februar

1996 B

  1. Mai

1996

Portugal*

17. Dezember

1975

  1. Oktober

1977

Schweiz*

18. Mai

1976

  1. Oktober

1977

Spanien*

  4. Juli

1986

  1. Oktober

1986

Türkei*

23. August

1983

  1. November

1983

* Vorbehalte und Erklärungen.
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht, mit Ausnahme jener der Schweiz. Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite der Haager Konferenz: www.hcch.net/index_de.php eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern bezogen werden.

Vorbehalt

Schweiz ⁶
1.  …⁷
2.  Die Schweiz behält sich nach Artikel 24 das in Artikel 15 vorgesehene Recht vor, das schweizerische Recht auf Unterhaltspflichten anzuwenden, wenn der Unterhaltsberechtigte und der Unterhaltspflichtige Schweizer Bürger sind und der Unterhaltspflichtige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat.
⁶ Art. 1 Abs. 1 des BB vom 4. März 1976 ( AS 1976 1557 )
⁷ Art. 1 Abs. 1 des BB vom 17. Dez. 1992 ( AS 1993 2434 )
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