Rahmenabkommen
zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien über die humanitäre Hilfe sowie technische und finanzielle Zusammenarbeit Abgeschlosssen am 15. Juli 2015 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 28. Juli 2016 (Stand am 28. Juli 2016)
Der Schweizerische Bundesrat (nachfolgend «die Schweiz») und die Regierung der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien (nachfolgend Äthiopien), gemeinsam als «Vertragsparteien» bezeichnet,
in der Absicht, die Freundschaftsbande zwischen den beiden Ländern enger zu knüpfen;
unter Hinweis auf das Abkommen vom 27. November 2008 über Kapazitätsbildung und Forschungspartnerschaften zwischen schweizerischen und äthiopischen Institutionen im Bereich Wissenschaft und Technologie;
vom Wunsch geleitet, die Beziehungen und die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zu stärken;
in Anerkennung der ergänzenden Aktivitäten, die durch regionale Projekte – insbesondere durch die Abkommen der Vertragsparteien mit der IGAD – und/oder durch globale Projekte in Äthiopien durchgeführt werden;
in Anerkennung der Tatsache, dass die Umsetzung dieses Abkommens zur Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Äthiopien beitragen wird, und im Bewusstsein, dass die äthiopische Regierung entschlossen ist, die dazu notwendigen Reformen weiterzuführen;
haben Folgendes vereinbart:
Art. 1 Grundlagen der Zusammenarbeit
Die Achtung der Menschenrechte und der demokratischen Grundsätze, wie sie insbesondere in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt sind, bestimmt die Innen- und Aussenpolitik der beiden Vertragsparteien und bildet einen wesentlichen Bestandteil dieses Rahmenabkommens (nachfolgend «das Abkommen»), der gleichzusetzen ist mit dessen Zielen.
Art. 2 Ziele
2.1 Die Vertragsparteien fördern im Rahmen ihrer jeweiligen nationalen Gesetzgebung die Durchführung von Projekten der humanitären Hilfe sowie der technischen und finanziellen Zusammenarbeit in Äthiopien. Diese Projekte sollen zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung, zur Sicherheit und zur Reduktion der Armut der schwächsten Gruppen der äthiopischen Gesellschaft beitragen.
2.2 Dieses Abkommen soll einen Rahmen mit Vorschriften und Verfahren für die Planung und Durchführung dieser Projekte festlegen.
Art. 3 Bereiche der Zusammenarbeit
3.1 Ernährungssicherheit und Ernährung
Verbesserung der Ernährungssicherheit und der Ernährung ländlicher Gemeinschaften durch Steigerung ihrer Anpassungsfähigkeit im Umgang mit Dürren und anderen Ereignissen, die zu Ernährungsunsicherheit führen; Verbesserung bedarfsgerechter Dienstleistungen für die Land- und Viehwirtschaft und für die Akteure der lokalen Wertschöpfungsketten mit einem Schwergewicht auf verletzliche Personen einschliesslich Frauen und Jugendliche.
3.2 Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen
Schaffung eines sicheren und gerechten Zugangs zu natürlichen Ressourcen für ländliche Gemeinschaften, insbesondere durch die nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung von Land, Weideland und Wasserressourcen.
3.3 Soziale Entwicklung
Verbesserung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung, beispielsweise durch den Ausbau der Kapazitäten von Gesundheitsfachleuten; Unterstützung bei der Umsetzung von Programmen zur Entwicklung des Gesundheitswesens durch Modelle für die medizinische Grundversorgung, etwa Dienstleistungen im Bereich der Gesundheitsfürsorge für Mutter und Kind und der Prävention.
3.4 Schutz
Verbesserung der Lebensgrundlagen durch die Stärkung der Präventions- und Abhilfemassnahmen zur Reduktion der Bedrohungen, denen verletzliche Bevölkerungsgruppen ausgesetzt sind, wobei der Schwerpunkt insbesondere auf der Migration (Migranten, Flüchtlinge, Binnenvertriebene usw.) und den Aufnahmegemeinschaften liegt. Verbesserung der Wirkung der menschlichen Mobilität auf die Entwicklung.
Art. 4 Formen der Zusammenarbeit
4.1 Die Zusammenarbeit kann in Form von humanitärer Hilfe einschliesslich Nothilfe sowie in Form von technischer und finanzieller Zusammenarbeit erfolgen. Dabei gilt insbesondere Folgendes:
a) Die von der Schweiz an Äthiopien geleistete humanitäre Hilfe wird in Form von Gütern, Dienstleistungen, Expertenwissen und finanziellen Beiträgen erbracht. Die nicht rückzahlbaren Beiträge der humanitären Hilfe werden fallweise gewährt und richten sich nach den international anerkannten dringlichen Bedürfnissen der betroffenen Bevölkerung.
b) Die technische Zusammenarbeit der Schweiz mit Äthiopien erfolgt in Form von Wissenstransfer durch Ausbildung und Beratung sowie in Form von Dienstleistungen und durch die Bereitstellung der für die erfolgreiche Projektdurchführung erforderlichen Ausrüstung und des nötigen Materials.
c) Die Bestimmungen dieses Abkommens gelten auch für Projekte der finanziellen Zusammenarbeit.
4.2 Die Zusammenarbeit kann bilateral oder gemeinsam mit anderen Entwicklungspartnern und humanitären Partnern erfolgen: öffentliche oder private Akteure, staatliche oder nichtstaatliche Akteure, nationale, regionale, internationale oder multilaterale Organisationen oder Institutionen, andere Geberländer.
Art. 5 Verpflichtungen
5.1 Äthiopien anerkennt das von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) errichtete und betriebene Büro in Addis Abeba als integralen Bestandteil der Schweizer Botschaft. Äthiopien gewährt dem Büro der DEZA und seinen Vertreterinnen und Vertretern und deren Begleitpersonen, sofern sie nicht äthiopische Staatsangehörige sind, die Vorrechte und Immunitäten gemäss dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen.
5.2 Um die Durchführung der Kooperationsprojekte zu erleichtern, befreit Äthiopien die Ausrüstung, die Fahrzeuge, die Dienstleistungen und das Material, das die Schweiz unentgeltlich bereitstellt, sowie die zur Durchführung von Projekten im Rahmen des vorliegenden Abkommens eingeführte Ausrüstung von Steuern, Zollgebühren, Abgaben und anderen obligatorischen Gebühren.
5.3 Äthiopien erteilt die erforderlichen Bewilligungen für die Einfuhr der Ausrüstung zur Durchführung von Projekten im Rahmen dieses Abkommens.
5.4 Äthiopien ist einverstanden damit, dass die Partner der einzelnen Projekte für die Zahlungsverfahren im Zusammenhang mit Projekten zur finanziellen Zusammenarbeit gemeinsam Finanzakteure bestimmen können, die im Namen der jeweiligen Projektpartner handeln. Für Zahlungen in Gegenwertmitteln in äthiopischen Birr können im Rahmen der äthiopischen Gesetzgebung spezielle Konten bei diesen Finanzakteuren eröffnet werden. Über die Verwendung der einbezahlten Mittel entscheiden die Partner des Projekts gemeinsam.
5.5 Ausländische Expertinnen und Experten und das mit der Durchführung von Projekten im Rahmen dieses Abkommens beauftragte Personal sowie deren Familien werden von Zollabgaben und anderen Abgaben für die Einfuhr ihres persönlichen Besitzes befreit. Es ist ihnen gestattet, ihren persönlichen Besitz (Hausrat, Fahrzeuge und Ausrüstung für den beruflichen und persönlichen Gebrauch) einzuführen und am Ende ihres Einsatzes wieder auszuführen.
5.6 Äthiopien stellt den ausländischen Expertinnen und Experten und dem für die Umsetzung der Projekte entsandten Personal alle von Gesetzes wegen verlangten Arbeitsbewilligungen sowie Aufenthaltsbewilligungen aus, die auch die Familienmitglieder umfassen.
5.7 Äthiopien ist für die Sicherheit der Vertreterinnen und Vertreter des DEZA-Büros, der ausländischen Expertinnen und Experten und das mit der Durchführung von Projekten beauftragte Personal sowie ihrer Familien verantwortlich und gewährt ihnen Erleichterungen in Bezug auf die Rückkehr in ihre Heimat.
5.8 Äthiopien erteilt im Rahmen der nationalen Gesetzgebung die Einreisevisa für die in Artikel 5.1 und 5.5 erwähnten Personenkategorien.
5.9 Äthiopien unterstützt die ausländischen Expertinnen und Experten, die beauftragten Projektdurchführungsorganisationen und das Personal bei der Ausführung ihrer Aufgaben und stellt ihnen die notwendigen Unterlagen und Informationen zur Verfügung.
5.10 Äthiopien erleichtert die Abwicklung von internationalen Devisentransfers, die im Rahmen der Projekte und durch ausländische Expertinnen und Experten getätigt werden.
5.11 Die Umsetzung dieser Bestimmungen wird durch das äthiopische Ministerium für Finanzen und Wirtschaftsentwicklung sichergestellt.
5.12 Die Vertreterinnen und Vertreter des DEZA-Büros, die ausländischen Expertinnen und Experten und das Personal und ihre Familien, die für die Durchführung von Projekten im Rahmen dieses Abkommens nach Äthiopien entsandt werden, respektieren das Landesrecht und die Bestimmungen Äthiopiens und mischen sich nicht in interne Angelegenheiten des Landes ein.
5.13 Äthiopien macht ausländische Expertinnen und Experten und das Personal nicht verantwortlich für Schäden, die sie bei der Ausführung ihrer Aufgabe verursachen, ausser bei Vorsätzlichkeit oder grober Fahrlässigkeit.
5.14 Die mit der Durchführung beauftragten Organisationen sind befugt, für die Umsetzung der Projekte direkt äthiopische Staatsangehörige als Mitarbeitende für lang- und kurzfristige Aufträge anzustellen.
Art. 6 Antikorruptionsklausel
Die Vertragsparteien bieten im Rahmen des vorliegenden Abkommens weder direkt noch indirekt Zuwendungen irgendwelcher Art an. Sie nehmen solche Angebote nicht an. Jedes korrupte oder widerrechtliche Verhalten bedeutet eine Verletzung dieses Abkommens und rechtfertigt dessen Beendigung und/oder das Ergreifen weiterer Massnahmen im Einklang mit dem anwendbaren Recht.
Art. 7 Geltungsbereich und Anwendung
Die Bestimmungen dieses Abkommens gelten für:
a) Projekte, die durch die Schweizerische Regierung und durch die äthiopische Regierung im gegenseitigen Einvernehmen beschlossen wurden.
b) Projekte, die von Organisationen und Institutionen der Schweizer Regierung und äthiopischen Organisationen oder Institutionen mit der Zustimmung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaftsentwicklung im gegenseitigen Einvernehmen beschlossen wurden.
c) Bei schriftlicher Zustimmung beider Vertragsparteien kann dieses Abkommen auch auf gegenseitig vereinbarte laufende Projekte und auf Projekte angewendet werden, die vor dem Inkrafttreten dieses Abkommens in Vorbereitung standen.
d) Sollte ein spezifisches Projektabkommen zwischen den Vertragsparteien Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit definieren, die über dieses Abkommen hinausgehen, sollte das spezifische Projektabkommen gegenüber dem vorliegenden Abkommen Vorrang haben.
Art. 8 Koordination und Vorgehen
8.1 Jedes Projekt wird auf der Grundlage des vorliegenden Abkommens Gegenstand eines Sonderabkommens zwischen den Projektpartnern, das die Rechte und Pflichten jedes Projektpartners im Detail bestimmt und festhält.
8.2 Um Doppelspurigkeiten oder Überschneidungen mit Projekten anderer Geber zu vermeiden und die grösstmögliche Wirkung der Projekte zu sichern, stellen sich die Vertragsparteien gegenseitig alle Informationen zur Verfügung, die für eine effiziente Koordination erforderlich sind.
8.3 Auf äthiopischer Seite stellt das Ministerium für Finanzen und Wirtschaftsentwicklung die Koordination sicher.
8.4 Auf schweizerischer Seite stellt die offizielle Schweizer Vertretung in Äthiopien die Koordination sicher. Das zuständige DEZA-Büro ist der Ansprechpartner der äthiopischen Behörden bei der Umsetzung und Überwachung der Projekte.
8.5 Die schweizerische Vertragspartei ist befugt, die Erfüllung ihrer Verpflichtungen einer Projektdurchführungsorganisation zu übertragen, dessen Name vorgängig der äthiopischen Vertragspartei mitgeteilt wird.
8.6 Die Vertragsparteien halten einander vollumfänglich auf dem Laufenden über die Projekte, die im Rahmen dieses Abkommens durchgeführt werden. Sie orientieren einander während der Umsetzungsphase auf sämtlichen Stufen regelmässig über den Fortschritt der im Rahmen dieses Abkommens finanzierten Projekte.
Art. 9 Dauer
9.1 Dieses Abkommen tritt am Tag in Kraft, an dem sich die beiden Vertragsparteien darüber in Kenntnis gesetzt haben, dass die für den Abschluss und das Inkrafttreten von internationalen Abkommen erforderlichen nationalen verfassungsmässigen Bedingungen erfüllt sind.
Das Abkommen bleibt in Kraft, bis eine der beiden Vertragsparteien der anderen Partei unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten schriftlich mitteilt, dass sie das Abkommen kündigen will.
9.2 Im Falle einer Kündigung des Abkommens haben dessen Bestimmungen weiterhin für alle Projekte Gültigkeit, die vor der Kündigung vereinbart wurden.
9.3 Dieses Abkommen ist rückwirkend anwendbar auf die bisherigen Abkommen / laufenden Projekte zwischen den beiden Vertragsparteien und/oder auf die Projekte, die vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Abkommens vorbereitet wurden und die nicht von einem anderen Abkommen zwischen den beiden Vertragsparteien abgedeckt werden.
Art. 10 Änderungen und Streitigkeiten
10.1 Änderungen und Ergänzungen des vorliegenden Abkommens erfordern die schriftliche Zustimmung beider Vertragsparteien.
10.2 Streitigkeiten in Zusammenhang mit dem vorliegenden Abkommen sind auf diplomatischem Weg beizulegen.
Unterzeichnet in Addis Abeba am 15. Juli 2015 in zwei Ausfertigungen in englischer Sprache.
Für den Manuel Sager | Für die Regierung der Ahmed Shide |
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