Vertrag zwischen der Schweiz und der Türkei über den Rechtsverkehr in Zivil‑ u... (0.274.187.631)
CH - Schweizer Bundesrecht

Vertrag zwischen der Schweiz und der Türkei über den Rechtsverkehr in Zivil‑ und Handelssachen

Abgeschlossen am 1. Juni 1933 Von der Bundesversammlung genehmigt am 12. Oktober 1933² Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 8. Mai 1935 In Kraft getreten am 8. Juni 1935 ¹ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ² AS 51 304
Der Schweizerische Bundesrat und der Präsident der Türkischen Republik
haben zum Zwecke, den Rechtsverkehr in Zivil‑ und Handelssachen zwischen der Schweiz und der Türkei zu regeln, beschlossen, hierüber einen Vertrag zu schliessen und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
Diese Bevollmächtigten haben nach Mitteilung ihrer Vollmachten, die in guter und gehöriger Form befunden worden sind, folgende Bestimmungen vereinbart:

I. Sicherheitsleistung für die Prozesskosten ³

³ Zwischen der Schweiz und der Türkei ist heute auch das Haager Übereink. vom 1. März 1954 über das Zivilprozessrecht ( SR 0.274.12 ) anwendbar.
Art. 1
Treten Angehörige des einen Vertragsstaates vor den Gerichten des andern als Kläger oder Intervenienten auf, so darf, sofern sie in der Schweiz oder in der Türkei ihren Wohnsitz haben, ihnen wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder deswegen, weil sie keinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Inlande haben, eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Benennung es auch sei, nicht auferlegt werden.
Die gleiche Regel findet Anwendung auf die Vorauszahlung, die von den Klägern oder Intervenienten zur Deckung der Gerichtskosten einzufordern wäre.
Art. 2
Im einen der beiden Vertragsstaaten gefällte Entscheidungen, wodurch der Kläger oder Intervenient, der nach Artikel 1 oder nach den im Staate der Klagerhebung geltenden Gesetzen von der Sicherheitsleistung, Hinterlegung oder Vorauszahlung befreit war, in die Prozesskosten verurteilt wird, sind im andern Staate auf Antrag, der auf diplomatischem Wege zu stellen ist, durch die zuständige Behörde kostenfrei vollstreckbar zu erklären.
Die gleiche Regel findet Anwendung auf gerichtliche Entscheidungen, durch die der Betrag der Kosten des Prozesses später festgesetzt wird.
Art. 3
Die Kostenentscheidungen werden ohne Anhörung der Parteien, jedoch unbeschadet eines späteren Rekurses der verurteilten Partei, gemäss der Gesetzgebung des Landes, wo die Vollstreckung betrieben wird, vollstreckbar erklärt.
Die für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zuständige Behörde hat ihre Prüfung darauf zu beschränken:
a. ob nach dem Gesetze des Landes, wo die Verurteilung erfolgt ist, die Entscheidung die Rechtskraft erlangt hat;
b. ob das Dispositiv der Entscheidung von einer Übersetzung in die Sprache der ersuchten Behörde begleitet ist, die durch einen diplomatischen oder konsularischen Vertreter des ersuchenden Staates oder durch einen beeidigten Dolmetscher des ersuchenden oder ersuchten Staates beglaubigt ist.
Dem Erfordernisse des Abs. 2 Buchstabe a dieses Artikels wird genügt durch eine Erklärung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates, dass die Entscheidung die Rechtskraft erlangt hat. Die Zuständigkeit dieser Behörde ist durch den höchsten Justizverwaltungsbeamten des ersuchenden Staates zu bescheinigen. Die mit dieser Bescheinigung versehene Erklärung muss nach Massgabe von Abs. 2 Buchstabe b übersetzt sein.
Die für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zuständige Behörde hat auf gleichzeitigen Antrag der Partei den Betrag der Kosten für die in Abs. 2 Buchstabe b vorgesehene Übersetzung und Beglaubigung festzusetzen. Diese Kosten sind als Kosten des Prozesses zu betrachten.

II. Armenrecht ⁴

⁴ Zwischen der Schweiz und der Türkei ist heute auch das Haager Übereink. vom 1. März 1954 über das Zivilprozessrecht ( SR 0.274.12 ) anwendbar.
Art. 4
Die Angehörigen des einen Vertragsstaates werden im andern unter denselben gesetzlichen Bedingungen und Voraussetzungen zum Armenrechte zugelassen wie die Angehörigen dieses Staates.
Art. 5
Das Armutszeugnis muss von den Behörden des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Antragstellers oder in Ermangelung solcher von den Behörden seines derzeitigen Aufenthaltsortes ausgestellt sein. Hält sich der Antragsteller nicht in einem der Vertragsstaaten auf, so genügt die Ausstellung des Zeugnisses durch einen diplomatischen oder konsularischen Vertreter des Landes, dem der Antragsteller angehört.
Hält der Antragsteller sich nicht in dem Lande auf, wo das Armenrecht nachgesucht wird, so ist das Armutszeugnis kostenfrei von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter des Landes, wo die Urkunde vorgelegt werden soll, zu beglaubigen.
Art. 6
Die für die Erteilung des Armutszeugnisses zuständige Behörde kann bei den Behörden des andern Staates Auskünfte über die Vermögensverhältnisse des Antragstellers einziehen.
Der Behörde, die über den Antrag auf Bewilligung des Armenrechts zu entscheiden hat, bleibt in den Grenzen ihrer Amtsbefugnisse das Recht gewahrt, das Armutszeugnis und die ihr von den Behörden des andern Staates erteilten Auskünfte einer Nachprüfung zu unterziehen und, sofern sie es für nötig hält, sich ergänzende Mitteilungen geben zu lassen.

III. Rechtshilfe ⁵

⁵ Zwischen der Schweiz und der Türkei sind heute auch das Haager Übereink. vom 15. Nov. 1965 über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil‑ oder Handelssachen ( SR 0.274.131 ) und das Haager Übereink. vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen ( SR 0.274.132 ) anwendbar.
Art. 7
In Zivil‑ oder Handelssachen erfolgt die Zustellung von Schriftstücken, die von den Behörden eines der vertragschliessenden Staaten ausgehen und für im Gebiet des andern Staates sich aufhaltende Personen bestimmt sind, auf ein Begehren, das der diplomatische oder konsularische Vertreter des ersuchenden Staates an eine vom ersuchten Staat zu bezeichnende Behörde richtet. Das Begehren hat die Behörde, von der das Schriftstück ausgeht, den Namen und die Stellung der Parteien, die Adresse des Empfängers sowie die Art des Schriftstückes anzugeben und muss in der Sprache der ersuchten Behörde abgefasst sein. Eine beglaubigte Übersetzung des zuzustellenden Schriftstückes muss dem Begehren beigefügt werden.
Die Behörde, an die das Begehren gerichtet ist, hat dem diplomatischen oder konsularischen Vertreter die Urkunde, welche die Zustellung nachweist oder den die Zustellung hindernden Umstand angibt, zu übersenden. Im Falle örtlicher Unzuständigkeit wird sie das Begehren von Amtes wegen an die zuständige Behörde weiterleiten und den diplomatischen oder konsularischen Vertreter davon benachrichtigen.
Art. 8
Die Zustellung liegt der zuständigen Behörde des ersuchten Staates ob. Diese Behörde kann sich, ausgenommen in den im zweiten Absatz dieses Artikels vorgesehenen Fällen, darauf beschränken, die Zustellung durch Übergabe des Schriftstückes an den Empfänger zu bewirken, sofern er zur Annahme bereit ist.
Auf Verlangen der ersuchenden Behörde wird die ersuchte Behörde die Zustellung in den durch ihre innere Gesetzgebung für gleichartige Zustellungen vorgeschriebenen Formen oder in einer besondern Form bewirken, sofern diese ihrer Gesetz­gebung nicht zuwiderläuft.
Art. 9
Der Nachweis der Zustellung erfolgt entweder durch ein mit Datum und Unterschrift versehenes Empfangsbekenntnis des Empfängers oder durch eine Bescheinigung der Behörde des ersuchten Staates, aus der sich die Tatsache, die Form und die Zeit der Zustellung ergeben.
Art. 10
In Zivil‑ oder Handelssachen kann sich die gerichtliche Behörde eines der beiden Vertragsstaaten nach Massgabe ihrer Gesetzgebung durch Ersuchsschreiben an die zuständige Behörde des andern Staates wenden, um innerhalb deren Geschäftskreises die Vornahme von Prozesshandlungen oder anderer gerichtlicher Handlungen zu verlangen.
Der diplomatische oder konsularische Vertreter des ersuchenden Staates übermittelt das Ersuchsschreiben der vom ersuchten Staat zu bezeichnenden Behörde. Er hat eine Übersetzung in die Sprache der ersuchten Behörde beizufügen. Diese Übersetzung muss von einem diplomatischen oder konsularischen Agenten des ersuchenden Staates oder durch einen vereidigten Übersetzer des ersuchenden oder ersuchten Staates beglaubigt sein.
Die Behörde, an die das Ersuchsschreiben gerichtet ist, übersendet dem diplomatischen oder konsularischen Vertreter die Urkunden, aus denen sich die Erledigung des Ersuchens ergibt, oder gibt ihm die Umstände bekannt, die die Erledigung hinderten. Im Falle örtlicher Unzuständigkeit wird sie das Ersuchsschreiben von Amtes wegen an die zuständige Behörde weiterleiten und den diplomatischen oder konsularischen Vertreter sofort davon benachrichtigen.
Art. 11
Die Gerichtsbehörde, an die das Ersuchsschreiben gerichtet ist, ist verpflichtet, ihm zu entsprechen und dabei dieselben Zwangsmittel anzuwenden wie bei der Erledigung eines Ersuchsschreibens der Behörden des eigenen Landes. Sie braucht diese Zwangsmittel nicht anzuwenden, wenn es sich um das persönliche Erscheinen streitender Parteien handelt.
Die ersuchte Behörde wird bei Erledigung eines Ersuchsschreibens hinsichtlich des zu beobachtenden Verfahrens die Gesetze ihres Landes anwenden. Sie kann jedoch, um dem Antrag des ersuchenden Staates zu entsprechen, nach besondern Regeln verfahren, sofern dieses Verfahren der Gesetzgebung des ersuchten Staates nicht zuwiderläuft.
Die ersuchende Behörde ist auf ihr Verlangen von der Zeit und dem Ort der Erledigung des Ersuchsschreibens zu benachrichtigen, damit die beteiligte Partei ihr beiwohnen kann.
Art. 12
Alle Schwierigkeiten, die sich aus einer vom diplomatischen oder konsularischen Vertreter verlangten Zustellung oder aus einem von diesem Vertreter übermittelten Ersuchsschreiben ergeben könnten, werden auf diplomatischem Wege erledigt.
Art. 13
Die Erledigung einer Zustellung oder eines Ersuchsschreibens kann abgelehnt werden, wenn der Staat, auf dessen Gebiet sie hätte erfolgen sollen, sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte, seine Sicherheit oder die öffentliche Ordnung zu verletzen. Ausserdem kann die Erledigung eines Ersuchsschreibens abgelehnt werden, wenn die Echtheit der Urkunde nicht feststeht oder wenn im ersuchten Staat die Erledigung nicht in den Bereich der Gerichtsgewalt fällt.
Art. 14
Für die Erledigung von Zustellungen und von Ersuchsschreiben dürfen Kosten oder Gebühren irgendwelcher Art nicht in Anrechnung gebracht worden.
Jedoch ist der ersuchte Staat berechtigt, vom ersuchenden Staat Ersatz zu verlangen:
a. für die den Zeugen und Sachverständigen bezahlten Entschädigungen;
b. für die Kosten, welche für die wegen Nichterscheinens eines Zeugen erforderlich gewordene Mitwirkung eines Vollziehungsbeamten entstanden sind;
c. für die Kosten, welche durch die allfällige Anwendung eines besondern Verfahrens für die Erledigung von Zustellungen oder von Ersuchsschreiben entstanden sind.
Art. 15
Jeder der vertragschliessenden Staaten ist berechtigt, durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter Zustellungen an seine, auf dem Gebiet des andern Staates sich aufhaltenden Angehörigen unmittelbar und ohne Anwendung von Zwang vornehmen zu lassen. Sofern sich aus der Anwendung dieses Artikels Schwierigkeiten ergeben, so wird nach den Vorschriften des Artikels 7 verfahren.

IV. Schlussbestimmungen

Art. 16
Dieser Vertrag soll ratifiziert werden und die Ratifikationsurkunden sollen baldmöglichst in Bern ausgetauscht werden.
Der Vertrag tritt einen Monat nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und bleibt nach der Kündigung, die jederzeit erfolgen kann, noch sechs Monate in Geltung.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.
So geschehen in Ankara, am 1. Juni 1933

Henri Martin

M. Numan

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