Gesetz über den Schutz bei häuslicher Gewalt
Gesetz über den Schutz bei häuslicher Gewalt vom 21. Mai 2010 (Stand 1. März 2015) Der Kantonsrat des Kantons Obwalden, in Ausführung von Artikel 28b Absatz 4 des Schweizerischen Zivilgesetz buches vom 10. Dezember 1907 (ZGB) 1 ) , gestützt auf Artikel 60 der Kantonsverfassung vom 19. Mai 1968 2 ) , beschliesst: 1. Allgemeines
Art. 1
Zweck 1 Zum Schutz gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen regelt die ses Gesetz die Zuständigkeit sowie das Verfahren bei der Ausweisung der verletzenden Person aus der gemeinsamen Wohnung. 2. Behörden
Art. 2
Aufsicht 1 Die Aufsicht wird durch das Sicherheits- und Sozialdepartement 3 ) ausge übt. 2 Das Sicherheits- und Sozialdepartement kann in Weisungen insbeson dere die Organisation, die Aufgaben sowie die Koordination der Bera tungsstellen regeln. 1) SR 220 2) GDB 101.0 3) Die Departementsbezeichnung wurde in Anwendung von Art. 11c Abs. 3 des Publi kationsgesetzes (GDB 131.1 ) auf den 1. Juli 2022 (OGS 2022, 20) angepasst. Die Anpassung wurde im ganzen Erlass vorgenommen. OGS 2010, 34
Art. 3
1. Polizei a. Interventionsbehörde 1 Die Polizei ist zuständig für die sofortige Ausweisung gemäss Art. 28b Abs. 4 ZGB. Sie informiert die ausgewiesene Person über den räumlichen Bereich, auf welchen sich die Ausweisung und das Betretungsverbot be ziehen, über die Folgen der Missachtung der polizeilichen Ausweisung (Art. 292 StGB 4 ) ) und über den Termin der Einvernahme bei der Staatsan waltschaft. 2 Die Polizei nimmt der ausgewiesenen Person die Schlüssel zur Woh nung ab. Die ausgewiesene Person erhält Gelegenheit, die nötigen Ge genstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen. Sie gibt der Polizei eine Zustelladresse an.
Art. 4
b. Informationspflichten 1 Die Polizei informiert die gefährdete Person über den unmittelbaren Fortgang des Verfahrens und über geeignete Beratungsstellen. 2 Die Polizei übermittelt die Verfügung betreffend die Ausweisung und das Betretungsverbot der zuständigen Beratungsstelle. Nach Eingang der Mit teilung kontaktiert die Beratungsstelle umgehend die verletzende Person. Lehnt diese eine Beratung ab, werden die übermittelten Unterlagen ver nichtet. *
Art. 5
2. Staatsanwaltschaft a. Entscheid über Ausweisung 1 Die ausgewiesene Person wird innert 48 Stunden von der Staatsanwalt schaft einvernommen. Diese überprüft die Verfügung der Polizei und ent scheidet so bald als möglich, spätestens aber innert 48 Stunden nach der Ausweisung, ob die Ausweisung und das Betretungsverbot aufgehoben, abgeändert oder verlängert werden. Die Ausweisung und das Betretungs verbot können längstens um 10 Tage verlängert werden. Die Staatsan waltschaft erlässt unter Hinweis auf die Straffolgen von Art. 292 StGB einen schriftlichen und begründeten Entscheid. 2 Erscheint die ausgewiesene Person nicht zur Einvernahme, so entschei det die Staatsanwaltschaft aufgrund der Aktenlage über die Ausweisung und das Betretungsverbot. 4) SR 311.0 2
3 Hat die ausgewiesene Person keine oder keine gültige Zustelladresse angegeben, so gilt die Verfügung betreffend die Ausweisung und das Betretungsverbot mit dem Erlass als eröffnet. 4 Weisungen im Sinne des Strafgesetzbuches, eine bestimmte Anzahl Be ratungsstunden über den Umgang mit Gewalt zu absolvieren, können nur im Rahmen eines Strafverfahrens verfügt werden.
Art. 6
b. Informationspflichten 1 Die Staatsanwaltschaft informiert die gefährdete Person unverzüglich über den Inhalt und die Dauer der Ausweisungsverfügung, über die Fol gen einer Missachtung der Verfügung durch die ausgewiesene Person, über geeignete Beratungsstellen und über ihre rechtlichen Möglichkeiten sowie insbesondere über die Möglichkeit zur Anrufung des Kantonsge richtspräsidiums nach Art. 7 dieses Gesetzes. 2 Die Staatsanwaltschaft informiert die ausgewiesene Person über geeig nete Beratungs- und Therapieangebote. 3 Sind Massnahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzes zu prüfen, so meldet die Staatsanwaltschaft die Ausweisung unverzüglich der zuständi gen Behörde oder bei Dringlichkeit der Behörde des Aufenthaltsorts der betroffenen Person. *
Art. 7
3. Kantonsgerichtspräsidium 1 Hat die gefährdete Person innert der von der Staatsanwaltschaft verlän gerten Frist, spätestens aber innert sieben Tagen nach Erlass des Ent scheids der Staatsanwaltschaft beim Kantonsgerichtspräsidium um An ordnung von Schutzmassnahmen nach Art. 28 ff., Art. 172 und 175 ff. ZGB oder Art. 275 f. der Zivilprozessordnung (ZPO) 5 ) ersucht, so verlän gern sich die Ausweisung und das Betretungsverbot bis zum Entscheid des Kantonsgerichtspräsidiums, längstens aber um zehn Tage. 2 Das Kantonsgerichtspräsidium informiert die Staatsanwaltschaft unver züglich über den Eingang des Gesuchs und teilt den Betroffenen die Ver längerung mit. 5) SR 272 3
3. Verfahren
Art. 8
Verweis 1 Das polizeiliche Verfahren sowie das Verfahren vor der Staatsanwalt schaft richtet sich nach dem Staatsverwaltungsgesetz 6 ) und der Verwal tungsverfahrensverordnung 7 ) . 2 Das Verfahren vor dem Kantonsgerichtspräsidium richtet sich nach der Zivilprozessordnung 8 ) , soweit nicht andere Verfahrensbestimmungen zur Anwendung gelangen.
Art. 9
Rechtsmittel 1 Gegen die Verfügung betreffend Ausweisung und Betretungsverbot der Staatsanwaltschaft können die ausgewiesene Person und die gefährdete Person beim Kantonsgerichtspräsidium Beschwerde erheben. Der Be schwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu. * 2 Der Entscheid des Kantonsgerichtspräsidiums kann beim Obergericht angefochten werden.
Art. 10
Verhältnis zu anderen Massnahmen 1 Die Schutzmassnahmen der Staatsanwaltschaft werden von den rechtskräftig angeordneten und vollzogenen zivilrechtlichen Massnahmen abgelöst. In diesen Fällen teilen die Organe der Zivilrechtspflege ihre Ent scheidungen der Staatsanwaltschaft mit. 2 Schutzmassnahmen werden durch die Anordnung strafprozessualer Zwangsmassnahmen nicht aufgehoben. 4. Schluss- und Übergangsbestimmungen
Art. 11
Hängige Verfahren 1 Dieses Gesetz findet auf alle Verfahren Anwendung, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens hängig sind. 6) GDB 130.1 7) GDB 133.21 8) SR 272 4
Art. 12
Inkrafttreten 1 Der Regierungsrat bestimmt, wann dieses Gesetz in Kraft tritt. 9 ) Es un terliegt dem fakultativen Referendum. Informationen zum Erlass Ursprüngliche Fundstelle: OGS 2010, 34 geändert durchden Anhang zum Nachtrag zum Gesetz betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 3. Mai 2012, in Kraft seit 1. Ja nuar 2013 (OGS 2012, 29 und 43),das Gesetz über die Anpassungen aufgrund der Evaluation der Justizre form vom 4. Dezember 2014, Botschaft und Vorlage des Regierungsrats und des Obergerichts vom 17. Juni 2014, Kantonsratssitzungen vom 23. Oktober und 4. Dezember 2014 (22.14.03), in Kraft seit 1. März 2015 (OGS 2014, 52 und 2015, 3) 9) Vom Regierungsrat auf den 1. Januar 2011 in Kraft gesetzt (OGS 2010, 42) 5
Änderungstabelle - Nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung Fundstelle 21.05.2010 01.01.2011 Erlass Erstfassung OGS 2010, 34 03.05.2012 01.01.2013
Art. 6 Abs. 3
geändert OGS 2012, 29 04.12.2014 01.03.2015
Art. 4 Abs. 2
geändert OGS 2014, 52 04.12.2014 01.03.2015
Art. 9 Abs. 1
geändert OGS 2014, 52 6
Änderungstabelle - Nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Fundstelle Erlass 21.05.2010 01.01.2011 Erstfassung OGS 2010, 34
Art. 4 Abs. 2
04.12.2014 01.03.2015 geändert OGS 2014, 52
Art. 6 Abs. 3
03.05.2012 01.01.2013 geändert OGS 2012, 29
Art. 9 Abs. 1
04.12.2014 01.03.2015 geändert OGS 2014, 52 7
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