Gesetz zum Schutz der Persönlichkeit (211.2)
CH - NW

Gesetz zum Schutz der Persönlichkeit

Gesetz zum Schutz der Persönlichkeit * (Persönlichkeitsschutzgesetz, PSchG) vom 25. Juni 2008 (Stand 1. Januar 2022) Der Landrat von Nidwalden, gestützt auf Art. 60 der Kantonsverfassung, in Ausführung von Art. 28 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 (ZGB) 1 ) , beschliesst: 1 Allgemeine Bestimmung

Art. 1 Gegenstand

1 Dieses Gesetz bestimmt die zuständigen Instanzen gemäss der Art. 28ff. ZGB und regelt das anwendbare Verfahren. 2 Es regelt die Massnahmen zur Verminderung von Gewalt, Drohungen und Nachstellungen sowie die Zusammenarbeit der damit befassten Stellen. 2 Zuständigkeit

Art. 2 * Kantonsgericht

1. Kollegialgericht 1 Das Kantonsgericht als Kollegialgericht ist zuständig für die Beurtei - lung von Klagen zum Schutz der Persönlichkeit gemäss Art. 28a und 28b ZGB 2 ) . 1) SR 210 2) SR 210 * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses 1

Art. 3 * 2. Einzelgericht

1 Das Kantonsgericht als Einzelgericht ist zuständig für: 1. die gerichtliche Beurteilung einer nach Art. 8 angeordneten sofor - tigen Ausweisung; 2. die Beurteilung von Klagen betreffend das Recht auf Gegendar - stellung gemäss Art. 28l ZGB 3 ) .

Art. 4 Kantonspolizei

1 Die Kantonspolizei ist zuständig für die sofortige Ausweisung gemäss

Art. 28b Abs. 4 ZGB 4

) .

Art. 4a * Amt

1 Das Amt ist zuständig für den Vollzug einer gerichtlich angeordneten elektronischen Überwachung. Es kann mit Dritten zusammenarbeiten. 3 Verfahren 3.1 Gerichtsverfahren

Art. 5 * Grundsatz

1 Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, richtet sich das Ver - fahren vor den zivilgerichtlichen Behörden nach der Schweizerischen Zi - vilprozessordnung (ZPO) 5 ) .

Art. 6 * ...

Art. 7 * Anordnung einer Pflichtberatung

1 Mit der Anordnung von vorsorglichen Massnahmen wegen widerrecht - licher Verletzung der Persönlichkeit oder von Massnahmen gemäss

Art. 28b ZGB 6

) kann die verletzende Person richterlich verpflichtet wer - den, sich einer Beratung von bestimmter Dauer über den Umgang mit Gewalt zu unterziehen. 3) SR 210 4) SR 210 5) SR 272 6) SR 210 2
3.2 Sofortige Ausweisung (Art. 28b Abs. 4 ZGB)

Art. 8 Polizeiliche Anordnung

1 Die Polizei stellt den Sachverhalt fest und kann die verletzende Person sofort aus der Wohnung oder dem Haus ausweisen. 2 Die Ausweisung ist schriftlich anzuordnen. Die Polizei händigt die Ver - fügung den Betroffenen persönlich aus. Die Polizei nimmt der ausgewiesenen Person alle Schlüssel zur Woh - nung oder zum Haus ab. Die ausgewiesene Person erhält die Gelegen - heit, die nötigen Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen. 3 Die Ausweisung gilt während 14 Tagen ab Mitteilung an die verletzen - de Person. Sie ergeht unter der Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB 7 ) .

Art. 9 Information

1 Die Polizei informiert bei der Aushändigung der Ausweisungsverfü - gung über den Inhalt und die Dauer der Anordnung. 2 Zudem informiert sie: 1. die verletzende Person schriftlich über: a) die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der polizeili - chen Anordnung; b) geeignete Beratungsstellen; 2. die verletzte Person schriftlich über: a) das Dahinfallen der Ausweisungsmassnahme nach Ablauf der festgelegten Dauer; b) die Möglichkeit zur Anrufung des Zivilgerichts; c) geeignete Beratungsstellen. 3 Ist eine persönliche Aushändigung an die ausgewiesene Person trotz sachdienlicher Nachforschung nicht möglich, wird sie durch geeignete Bekanntmachung am Ort, wo sie wohnt oder sich gewöhnlich aufhält, aufgefordert, sich sofort bei der Polizei zu melden. Meldet sie sich bin - nen drei Tagen nicht, wird die Verfügung zusammen mit einem Hinweis auf Abs. 4 Satz 2 im Amtsblatt veröffentlicht. 4 Die ausgewiesene Person hat der Polizei eine Zustelladresse für be - hördliche Mitteilungen zu bezeichnen. Unterlässt sie dies, können Vorla - dungen und Verfügungen nach diesem Gesetz während der Dauer der Ausweisung bei der Polizei hinterlegt werden und gelten als zugestellt. 7) SR 311.0 3

Art. 10 * Gerichtliche Beurteilung

1 Die ausgewiesene Person kann binnen 5 Tagen seit Eröffnung der Ausweisungsverfügung diese beim Kantonsgericht als Einzelgericht auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen lassen. Das Gesuch um gerichtliche Beurteilung der polizeilichen Ausweisung ist, unter Beilage der Verfü - gung, schriftlich und begründet einzureichen. Dem Gesuch kommt keine aufschiebende Wirkung zu. 2 Der Entscheid erfolgt aufgrund der Akten und der Vorbringen. Die er - forderlichen Massnahmen zur Feststellung des Sachverhaltes sind von Amtes wegen zu treffen. Es kann eine mündliche Verhandlung durchge - führt werden. Das Kantonsgericht als Einzelgericht erlässt seinen Ent - scheid binnen 4 Arbeitstagen seit Eingang des Gesuches. * 3 Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts als Einzelgericht kann bin - nen 5 Tagen Beschwerde beim Obergericht erhoben werden. *

Art. 11 * Verlängerung

1 Hat die verletzte Person binnen 10 Tagen seit Eröffnung der Auswei - sungsverfügung um Anordnung einer vorsorglichen Massnahme wegen widerrechtlicher Verletzung der Persönlichkeit beziehungsweise wäh - rend des Scheidungsverfahrens, einer Massnahme nach Art. 28b oder
Art. 175 ff. ZGB ersucht oder ist ein solches Verfahren bereits hängig, verlängert sich die Ausweisung bis zum Entscheid des Gerichts, jedoch längstens um 14 Tage. 2 Das Kantonsgericht informiert die Polizei und die Betroffenen über die Verlängerung der Ausweisung.

Art. 12 Verhältnis zu anderen Massnahmen

1 Die polizeiliche Ausweisungsverfügung fällt dahin, wenn gerichtliche Massnahmen rechtskräftig angeordnet und vollzogen sind. 2 Massnahmen der Zivilrechtspflegeorgane werden durch die Anord - nung strafprozessualer Zwangsmassnahmen nicht aufgehoben. 3.3 Mitteilungspflichten

Art. 13 * Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde

1 Leben Minderjährige im Haushalt der betroffenen Person, teilt die Poli - zei die angeordnete Massnahme der Kindes- und Erwachsenenschutz - behörde unverzüglich mit. 4

Art. 14 * Kantonsgericht

1 Die Polizei übermittelt die Ausweisungsverfügung unverzüglich dem Kantonsgericht. 2 Wird kein Gesuch nach Art. 10 oder 11 beim Kantonsgericht einge - reicht, werden die übermittelten Unterlagen vernichtet.

Art. 15 Beratungsstelle für verletzende Personen

1 Die Polizei übermittelt die Ausweisungsverfügung der zuständigen Be - ratungsstelle. 2 Das Kantonsgericht informiert die Beratungsstelle über getroffene Massnahmen, sofern nicht vorgängig eine polizeiliche Ausweisung ge - mäss Art. 8 erfolgt ist. * 3 Nach Eingang der Mitteilung kontaktiert die Beratungsstelle umgehend je die betroffenen Personen. Lehnen die kontaktierten Personen eine Beratung ab, werden die übermittelten Unterlagen vernichtet. 3.4 Elektronische Überwachung *

Art. 15a * Anordnung

1 Das Gericht prüft vor Anordnung einer elektronischen Überwachung gemäss Art. 28c ZGB 8 ) zusammen mit dem Amt deren Vollziehbarkeit. 2 Die angeordneten Überwachungsmassnahmen ergehen unter der Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB 9 ) . 3 Das Gericht stellt dem Amt und der Polizei den rechtskräftigen Anord - nungsentscheid zu.

Art. 15b * Meldepflichten bei Verstössen

1 Das Amt teilt dem die elektronische Überwachung anordnenden Ge - richt die Verstösse gegen die angeordneten Verbote gemäss Art. 28b ZGBB 10 ) . beziehungsweise gegen angeordnete Überwachungsmass - nahmen gemäss Art. 28c ZGB spätestens am ersten Werktag nach Kenntnisnahme mit. 2 Das Gericht bringt diese Verstösse bei der Strafverfolgungsbehörde zur Anzeige. Es informiert die Parteien und die Polizei darüber. 8) SR 210 9) SR 311.0 10) SR 210 5

Art. 15c * Datenschutz

1 Die aufgezeichneten Daten über die beteiligten Personen dürfen nur zur Durchsetzung der angeordneten Verbote verwendet werden. 2 Das Amt sorgt dafür, dass die Daten spätestens zwölf Monate nach Abschluss der angeordneten Überwachungsmassnahme gelöscht wer - den. 4 Beratungsstellen

Art. 16 Bezeichnung

1 Der Regierungsrat bezeichnet spezialisierte Beratungsstellen für die betroffenen Personen. Er kann die Beratungsstellen mit anderen Kanto - nen führen oder Dritte damit beauftragen. 2 Die Dienstleistungen werden in einem Leistungsauftrag festgelegt.

Art. 17 Aufgaben

1 Die Beratungsstellen beraten die betroffenen Personen. Sie leisten oder vermitteln weitere Hilfe, soweit dies nach den konkreten Umstän - den notwendig ist. 2 Sie informieren die Bevölkerung regelmässig zu Fragen von Gewalt, Drohung sowie Nachstellungen und fördern vorbeugende Massnahmen zu deren Verminderung.

Art. 18 Koordination

1 Das kantonale Sozialamt koordiniert die Zusammenarbeit der mit Gewalt, Drohung und Nachstellungen befassten Instanzen und Bera - tungsstellen. 5 Kosten

Art. 19 Sofortige Ausweisung

1 Die sofortige Ausweisung nach Art. 28b Abs. 4 ZGB ist kostenlos. 6

Art. 20 Gerichtsverfahren

1 Die Verlegung und Bemessung der Prozesskosten richten sich nach Massgabe der ZPO 11 und dem Prozesskostengesetz 12 ) . * 2 Das Verfahren nach Art. 10 ist kostenpflichtig. Es besteht keine Kostenvorschusspflicht.

Art. 21 Beratungsstellen

1 Der Kanton trägt die Kosten für die Grundleistungen der Beratungs - stellen. 2 Die verletzenden Personen tragen die Kosten für die Beratung selber. Der Kanton kann Beiträge leisten. 6 Schlussbestimmungen

Art. 22 Aufhebung bisherigen Rechts

1 Alle mit diesem Gesetz in Widerspruch stehenden Bestimmungen sind aufgehoben, insbesondere die Einführungsverordnung vom 29. Novem - ber 1985 zur Bundesgesetzgebung über den Persönlichkeitsschutz 13 ) .

Art. 23 Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum. 2 Es bedarf im Rahmen von Art. 52 Abs. 4 des Schlusstitels zum Zivilge - setzbuch der Genehmigung durch den Bund. 3 Der Regierungsrat legt den Zeitpunkt des Inkrafttretens 14 ) fest. 11) SR 272 12) NG 261.2 13) A 1985, 1291 14) Datum des Inkrafttretens: 1. Oktober 2008; vom Bund genehmigt am 23. September 2008 7
Änderungstabelle - Nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung Fundstelle 25.06.2008 01.10.2008 Erlass Erstfassung A 2008, 1421, 1845 09.06.2010 01.01.2011 Erlasstitel geändert A 2010, 1031, 1575 09.06.2010 01.01.2011 Art. 2 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575 09.06.2010 01.01.2011 Art. 3 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575 09.06.2010 01.01.2011 Art. 5 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575 09.06.2010 01.01.2011 Art. 6 aufgehoben A 2010, 1031, 1575 09.06.2010 01.01.2011 Art. 7 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575 09.06.2010 01.01.2011 Art. 10 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575 09.06.2010 01.01.2011 Art. 11 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575 09.06.2010 01.01.2011 Art. 14 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575 09.06.2010 01.01.2011 Art. 15 Abs. 2 geändert A 2010, 1031, 1575 09.06.2010 01.01.2011 Art. 20 Abs. 1 geändert A 2010, 1031, 1575 14.12.2011 01.01.2013 Art. 13 totalrevidiert A 2011, 1743; A 2012, 558 27.05.2015 01.01.2016 Art. 10 Abs. 2 geändert A 2015, 881, 1338 27.05.2015 01.01.2016 Art. 10 Abs. 3 geändert A 2015, 881, 1338 29.09.2021 01.01.2022 Art. 4a eingefügt A 2021, 1786, 2311 29.09.2021 01.01.2022 Titel 3.4 eingefügt A 2021, 1786, 2311 29.09.2021 01.01.2022 Art. 15a eingefügt A 2021, 1786, 2311 29.09.2021 01.01.2022 Art. 15b eingefügt A 2021, 1786, 2311 29.09.2021 01.01.2022 Art. 15c eingefügt A 2021, 1786, 2311 8
Änderungstabelle - Nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Fundstelle Erlass 25.06.2008 01.10.2008 Erstfassung A 2008, 1421, 1845 Erlasstitel 09.06.2010 01.01.2011 geändert A 2010, 1031, 1575

Art. 2 09.06.2010

01.01.2011 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575

Art. 3 09.06.2010

01.01.2011 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575

Art. 4a 29.09.2021

01.01.2022 eingefügt A 2021, 1786, 2311

Art. 5 09.06.2010

01.01.2011 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575

Art. 6 09.06.2010

01.01.2011 aufgehoben A 2010, 1031, 1575

Art. 7 09.06.2010

01.01.2011 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575

Art. 10 09.06.2010

01.01.2011 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575

Art. 10 Abs. 2 27.05.2015

01.01.2016 geändert A 2015, 881, 1338

Art. 10 Abs. 3 27.05.2015

01.01.2016 geändert A 2015, 881, 1338

Art. 11 09.06.2010

01.01.2011 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575

Art. 13 14.12.2011

01.01.2013 totalrevidiert A 2011, 1743; A 2012, 558

Art. 14 09.06.2010

01.01.2011 totalrevidiert A 2010, 1031, 1575

Art. 15 Abs. 2 09.06.2010

01.01.2011 geändert A 2010, 1031, 1575 Titel 3.4 29.09.2021 01.01.2022 eingefügt A 2021, 1786, 2311

Art. 15a 29.09.2021

01.01.2022 eingefügt A 2021, 1786, 2311

Art. 15b 29.09.2021

01.01.2022 eingefügt A 2021, 1786, 2311

Art. 15c 29.09.2021

01.01.2022 eingefügt A 2021, 1786, 2311

Art. 20 Abs. 1 09.06.2010

01.01.2011 geändert A 2010, 1031, 1575 9
Markierungen
Leseansicht