Rahmenabkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Lettland über die Umsetzung des zweiten Schweizer Beitrags an ausgewählte Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der Europäischen Union
Abgeschlossen am 19. Juni 2023 Vorläufig angewendet ab dem 19. Juni 2023 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 16. August 2023 (Stand am 16. August 2023)
Art. 1 Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieses Rahmenabkommens bezeichnet der Ausdruck:
«Beitrag» den von der Schweiz im Rahmen dieses Rahmenabkommens gewährten, nicht rückzahlbaren finanziellen Beitrag an Lettland;
«länderspezifische Vereinbarung» (Anhang¹) die vereinbarte thematische und geografische Aufteilung des Beitrags und die spezifischen Regeln zwischen der Schweiz und Lettland sowie die Zuweisung von Zuständigkeiten und Aufgaben an Einrichtungen, die an der Umsetzung des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms bzw. an Unterstützungsmassnahmen beteiligt sind;
«Vereinbarung» die am 30. Juni 2022 unterzeichnete Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und der Schweiz über einen Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten und zur Zusammenarbeit im Bereich Migration in der Europäischen Union über einen Gesamtbetrag von 1 302 000 000 Schweizer Franken (eine Milliarde dreihundertzwei Millionen Schweizer Franken) an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten für die Zusammenarbeit in den Bereichen Kohäsion und Migration;
«Nationale Koordinationsstelle» die nationale öffentliche Behörde von Lettland, die für die Umsetzung des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms zuständig ist;
«Programm» ein kohärentes Paket von Programmkomponenten, die im Einklang mit den nationalen Prioritäten, Politiken und Strategien des Partnerstaats mithilfe des Beitrags umgesetzt werden und einen einzigen umfassenden Durchführungs- und Haushaltsrahmen mit übergeordneten Zielen bilden; die Programme können von einem politischen Dialog begleitet werden;
«Projekt» eine Gesamtheit von Aktivitäten, die mithilfe des Beitrags durchgeführt werden, um vereinbarte Ziele und Ergebnisse zu erreichen, und die nicht Teil eines Programms sind;
«Regelwerk» die von der Schweiz erlassenen Bestimmungen zur Umsetzung des zweiten Schweizer Beitrags im Bereich Kohäsion, die die allgemeinen Vorschriften und Verfahren für die Umsetzung des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms umfassen;
«Unterstützungsmassnahme» einen Oberbegriff für ein spezifisches Projekt oder Programm bzw. eine spezifische technische Hilfe im Rahmen des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms;
«Abkommen über Unterstützungsmassnahmen» ein Abkommen zwischen den Parteien und gegebenenfalls weiteren Vertragsparteien über die Durchführung einer Unterstützungsmassnahme;
«schweizerisch-lettisches Zusammenarbeitsprogramm» das bilaterale Programm zur Umsetzung dieses Rahmenabkommens;
«technische Hilfe» den Teil des Beitrags, der im Rahmen des Zusammenarbeitsprogramms für die Vorbereitung von Unterstützungsmassnahmen und die effiziente und wirksame Durchführung des Zusammenarbeitsprogramms bereitgestellt wird.
¹ Der Inhalt dieses Anhangs wird in der AS und in der SR nur durch Verweis veröffentlicht. Er kann abgerufen werden unter https://fedlex.data.admin.ch/eli/oc/2023/557 > Allgemeine Informationen > Umfang der Veröffentlichung > Veröffentlichung eines Textteils durch Verweis.
Art. 2 Rechtsrahmen
1. Dieses Rahmenabkommen bildet zusammen mit den folgenden Dokumenten den rechtlichen Rahmen für die Umsetzung des zweiten Schweizer Beitrags im Bereich der Kohäsion:
a) das Regelwerk und seine späteren Änderungen;
b) die Abkommen über Unterstützungsmassnahmen oder andere Vereinbarungen zwischen den Parteien, die sich aus dem Rahmenabkommen ergeben; und
c) alle von der Schweiz nach Anhörung von Lettland beschlossenen operativen Verfahren oder Leitlinien.
2. Im Falle von Konflikten oder Widersprüchen zwischen den Bestimmungen dieser Rechtsakte gilt die vorgenannte Rangfolge.
Art. 3 Ziele und Grundsätze
1. Das übergeordnete Ziel des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms ist es, zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten innerhalb der EU und in Lettland beizutragen und dabei auf den bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sowie deren Mitgliedstaaten aufzubauen und sie weiter zu stärken.
2. Die Parteien wählen Unterstützungsmassnahmen aus, die zur Erreichung des übergeordneten Ziels und, mit Ausnahme der technischen Hilfe, zu mindestens einem der fünf Ziele des zweiten Schweizer Beitrags beitragen, das heisst:
a) Förderung des Wirtschaftswachstums und der Sozialpartnerschaft, Verringerung der (Jugend-)Arbeitslosigkeit;
b) Migrationsmanagement und Unterstützung der Integration; Erhöhung der öffentlichen Sicherheit;
c) Umwelt- und Klimaschutz;
d) Stärkung der Sozialsysteme;
e) Bürgerengagement und Transparenz.
3. Die Unterstützungsmassnahmen werden mit Ausnahme der technischen Hilfe und sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, mindestens einem der im Regelwerk festgelegten thematischen Kooperationsbereichen zugeordnet. Die Parteien legen einen thematischen Schwerpunkt für den Beitrag fest. Zu diesem Zweck bestimmen die Parteien gemeinsam eine begrenzte Zahl von Themenbereichen, die im Rahmen des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms gemäss der länderspezifischen Vereinbarung unterstützt werden sollen.
4. Die Parteien fördern Partnerschaften und den Wissensaustausch zwischen Akteuren aus der Schweiz und Lettland.
5. Die Unterstützungsmassnahmen müssen der sozialen Inklusion Rechnung tragen und ökologische Nachhaltigkeit gewährleisten.
6. Alle Aktivitäten im Rahmen des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms werden im Einklang mit den Zielen, Grundsätzen, Strategien sowie geografischen und thematischen Schwerpunkten durchgeführt, die in der länderspezifischen Vereinbarung und im Regelwerk festgelegt sind.
Art. 4 Finanzrahmen
1. Die Schweiz gewährt Lettland einen Beitrag in der Höhe von bis zu 40 400 000 Schweizer Franken (vierzig Millionen vierhunderttausend Schweizer Franken) unter Bezugnahme auf die vereinbarten Themenbereiche und die vereinbarte geografische Aufteilung sowie entsprechend der vorläufigen Aufteilung gemäss der länderspezifischen Vereinbarung.
2. Der Beitrag nach Absatz 1 umfasst nicht die Aufwendungen der Schweiz für die Verwaltung des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms und den Schweizer Expertise- und Partnerschaftsfonds Kohäsion. Dieser von der Schweiz verwaltete Fonds dient dazu, ausgewählten EU-Mitgliedstaaten Schweizer Fachwissen zur Verfügung zu stellen, die Qualität und Nachhaltigkeit der Unterstützungsmassnahmen sicherzustellen, die bilateralen Beziehungen zu stärken und Partnerschaften zwischen der Schweiz und Lettland zu fördern.
3. Der Zeitraum, in dem Ausgaben für die Durchführung von Unterstützungsmassnahmen gemäss Kapitel 6 des Regelwerks geltend gemacht werden können, endet mit dem 3. Dezember 2029. Mittel, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht verwendet wurden, stehen Lettland nicht länger zur Verfügung.
4. Der Beitrag im Rahmen des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms sollte mit Ausnahme der für den Schweizer Verwaltungsaufwand und den Schweizer Expertise- und Partnerschaftsfonds Kohäsion reservierten Beträge in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen oder Finanzierungsinstrumenten mit Vorzugsbedingungen wie Kreditlinien, Garantien, Kapital- und Schuldenbeteiligungen sowie Darlehen geleistet werden.
5. Die Finanzmittel aus dem Beitrag dürfen 60 Prozent der zuschussfähigen Ausgaben der Unterstützungsmassnahme nicht übersteigen; dies gilt nicht für:
a) Projekte oder Programme, die im Übrigen von öffentlichen Stellen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene aus Haushaltsmitteln finanziert werden; in diesem Fall kann er bis zu 85 Prozent der Gesamtkosten betragen;
b) Projekte oder Programme, die von nichtstaatlichen Organisationen durchgeführt werden; sie können zu mehr als 60 Prozent oder vollständig aus dem Beitrag finanziert werden;
c) die technische Hilfe, die zu mehr als 60 Prozent oder vollständig aus dem Beitrag finanziert werden kann;
d) Unterstützungsmassnahmen in Form von Kreditlinien, Garantien, Kapital- und Schuldenbeteiligungen sowie Darlehen an den Privatsektor, die zu mehr als 60 Prozent oder vollständig aus dem Beitrag finanziert werden können.
6. Lettland gewährleistet die Einhaltung der für staatliche Beihilfen und das öffentliche Beschaffungswesen geltenden Vorschriften.
Art. 5 Grundsätze für Unterstützungsmassnahmen
1. Unterstützungsmassnahmen werden im Einklang mit den Bestimmungen von Artikel 2 umgesetzt.
2. Lettland ist verantwortlich für die Bestimmung von Unterstützungsmassnahmen, die:
a. relevant sind und im Einklang mit den nationalen Prioritäten stehen;
b. dem ermittelten Bedarf gerecht werden;
c. durchführbar sind und effizient umgesetzt werden können;
d. geeignet sind, Wirkung zu entfalten;
e. auf einen nachhaltigen Nutzen abzielen.
3. Lettland vermeidet Doppelspurigkeiten und/oder Überschneidungen mit Komponenten einer Unterstützungsmassnahme, die aus anderen Struktur- und/oder Kohäsionsmitteln, wie dem Europäischen Fonds, dem Finanzierungsmechanismus des Europäischen Wirtschaftsraums oder dem Norwegischen Finanzierungsmechanismus, gefördert werden.
4. Jede Unterstützungsmassnahme wird zuerst von Lettland und dann von der Schweiz genehmigt.
5. Für jede Unterstützungsmassnahme wird ein entsprechendes Abkommen abgeschlossen.
6. Die Parteien messen dem Monitoring, der Evaluierung und der Rechnungsprüfung der Unterstützungsmassnahmen und des Beitrags eine hohe Bedeutung bei. Jede Partei teilt der anderen Partei alle von ihr angeforderten nützlichen Informationen unverzüglich mit. Die Parteien gewährleisten die wirksame Koordination und Überwachung des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms.
7. Die Schweiz oder Drittparteien, die in ihrem Auftrag ein Mandat ausführen, können bei sämtlichen Aktivitäten und Verfahren im Zusammenhang mit der Durchführung von Unterstützungsmassnahmen Besuche durchführen, Monitoring-Aufgaben wahrnehmen oder Überprüfungen, Audits und Evaluationen vornehmen, wenn die Schweiz dies für erforderlich hält. Lettland stellt jegliche Informationen, Unterstützung und Unterlagen bereit, die für die Ausübung dieses Rechts durch die Schweiz erforderlich und relevant sind.
8. Zur Sicherstellung einer wirksamen Durchführung des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms halten die zuständigen Behörden gemäss Artikel 6 jährliche Treffen ab. Zweck dieser Treffen ist es, die im Rahmen des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms erzielten Fortschritte zu überprüfen, gegebenenfalls notwendige Massnahmen zu vereinbaren und ein Forum für die Erörterung von Fragen von bilateralem Interesse bereitzustellen.
Art. 6 Zuständige Behörden
1. Lettland hat eine nationale öffentliche Stelle ermächtigt, in seinem Namen als Nationale Koordinationsstelle zu handeln (siehe länderspezifische Vereinbarung). Die Nationale Koordinationsstelle trägt die Gesamtverantwortung für die Erreichung der Ziele des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms und für dessen Umsetzung im Einklang mit diesem Rahmenabkommen.
2. Die Schweiz hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten, vertreten durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung, vertreten durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), ermächtigt, im Rahmen der Durchführung des schweizerisch-lettischen Zusammenarbeitsprogramms in ihrem Namen zu handeln. Die Unterstützungsmassnahmen werden entsprechend den Zuständigkeitsbereichen der DEZA oder dem SECO zugewiesen.
Art. 7 Haftung
Die Verantwortung der Schweiz in Bezug auf das schweizerisch-lettische Zusammenarbeitsprogramm beschränkt sich auf die Bereitstellung von Mitteln im Einklang mit den einschlägigen Abkommen über Unterstützungsmassnahmen. Die Schweiz übernimmt keine Haftung gegenüber Lettland, gegenüber öffentlichen oder privaten Einrichtungen, die an einer Unterstützungsmassnahme beteiligt sind, oder gegenüber Dritten.
Art. 8 Gemeinsames Anliegen
Zwischen den Parteien besteht Konsens betreffend die Prävention und Bekämpfung von Korruption, da diese einer guten Regierungsführung im Wege steht, den zweckdienlichen Einsatz der für die Entwicklung notwendigen Ressourcen behindert und zudem den freien, auf Qualität und Preis basierenden Wettbewerb hemmt. Die Parteien vereinbaren, Korruption gemeinsam zu bekämpfen, und kommen namentlich überein, dass alle Angebote, Geschenke, Zahlungen, Vergütungen und Vorteile jeglicher Art, die jemandem direkt oder indirekt angeboten werden, um einen Auftrag oder einen Vertrag im Rahmen dieses Rahmenabkommens oder während dessen Umsetzung zu erhalten, als widerrechtliche Handlung oder Korruptionspraxis ausgelegt werden. Jedes Verhalten dieser Art ist hinreichender Grund für die Auflösung dieses Rahmenabkommens, des entsprechenden Abkommens über Unterstützungsmassnahmen, der Beschaffung und der erfolgreichen Auftragsvergabe oder zum Ergreifen anderer im anwendbaren Recht vorgesehenen Korrekturmassnahmen. Die Parteien informieren sich gegenseitig unverzüglich, sobald begründeter Verdacht auf eine widerrechtliche Handlung oder Korruptionspraxis besteht.
Art. 9 Änderungen
1. Jede Änderung dieses Rahmenabkommens erfolgt schriftlich und im gegenseitigen Einvernehmen der Parteien.
2. Unbeschadet von Absatz 1 kann die länderspezifische Vereinbarung von den zuständigen Behörden nach Artikel 6 im gegenseitigen Einvernehmen durch einen Briefwechsel geändert werden.
Art. 10 Schlussbestimmungen
1. Die länderspezifische Vereinbarung (Anhang) bildet einen integralen Bestandteil dieses Rahmenabkommens.
2. Dieses Rahmenabkommen tritt nach seiner Unterzeichnung am Tag des Eingangs der letzten schriftlichen Notifikation in Kraft, die bestätigt, dass die jeweiligen Genehmigungsverfahren der beiden Parteien erfolgreich durchlaufen wurden. Es bleibt in Kraft, bis beide Parteien alle ihre Verpflichtungen erfüllt haben. Die Parteien wenden dieses Rahmenabkommen und seinen Anhang ab dem Tag der Unterzeichnung durch beide Parteien vorläufig an.
3. Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Rahmenabkommens sind auf diplomatischem Weg zu lösen.
4. Dieses Rahmenabkommen kann jederzeit von einer der beiden Parteien mit einer sechs Monate vor der Auflösung verfassten schriftlichen Mitteilung beendet werden. Bevor eine solche Entscheidung getroffen wird, führen die Parteien Konsultationen über die Kündigungsgründe.
5. Im Falle seiner Auflösung gelten die Bestimmungen dieses Rahmenabkommens weiterhin für die jeweiligen Abkommen über Unterstützungsmassnahmen, die vor der Beendigung dieses Rahmenabkommens abgeschlossen wurden. Die Parteien entscheiden in gegenseitigem Einvernehmen über weitere Folgen der Beendigung.
Unterzeichnet in Riga am 19. Juni 2023 in zwei Ausfertigungen in englischer Sprache.
Für den Dominique Paravicini | Für die Arvils Ašeradens |
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