Einführungsgesetz zur Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung (251.300)
CH - AG

Einführungsgesetz zur Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung

* Änderungstabellen am Schluss des Erlasses Einführungsgesetz zur Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung (EG JStPO) Vom 16. März 2010 (Stand 1. Juli 2021) Der Grosse Rat des Kantons Aargau, gestützt auf § 78 Abs. 1 der Kantonsverfassung, beschliesst:

1. Gegenstand

§ 1 Gegenstand

1 Dieses Gesetz regelt insbesondere Wahl, Zusammensetzung, Organisation, Aufsicht und Befugnisse der Jugendstrafbehörden. Vorbehalten sind Bestimmungen anderer kantonaler Erlasse.
2 Die Bestimmungen des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessord- nung (E G StPO) vom 16. März 2010 1 ) gelten sinngemäss, wenn dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen enthält.
3 Die Bestimmungen der Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung (JStPO) vom

20. März 2009

2 ) und dieses Gesetzes gelten auch für die Verfolgung und die Beurtei- lung kantonaler Straftatbestände. Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen im kantonalen Ordnungsbussenverfahren und Steuerstrafverfahren.

2. Strafbehörden

2.1. Strafverfolgungsbehörden

§ 2 Polizei

1 Die strafprozessualen Aufgaben der P olizei werden von der Kantonspolizei wahrge- nommen.
1 ) SAR 251.200
2 ) SR 312.1
2 Sie kann nach den Bestimmungen der Polizeigesetzgebung zur Erfüllung ihrer Auf- gaben die Polizeikorps der Gemeinden beiziehen.

§ 3 Jugendanwaltschaft

1 Die Jugendanwaltschaft amtet als Untersuchungsbehör de.

§ 4 Leitung

1 Der Jugendanwaltschaft steht eine leitende Jugendanwältin oder ein leitender Ju- gendanwalt vor.
2 Der Grosse Rat wählt auf Antrag des Regierungsrats die Leitung.
3 Wählbar ist, wer stimmberechtigt ist, ein juristisches Studium mit dem Lizentiat oder dem Master abgeschlossen hat und mindestens fünf Jahre in Strafverfolgung, Verwal- tung, Rechtsprechung oder Advokatur tätig gewesen ist.
4 Die Leitung beaufsichtigt die Jugendanwaltschaft und sorgt für die einheitliche Ge- setzesanwendung sowie die sachgerechte Aufgabenerfüllung der Jugendanwaltschaft.
5 Der Leitung obliegen neben den ordentlichen Tätigkeiten einer Jugendanwältin oder eines Jugendanwalts die Besorgung der nicht fallbezogenen Geschäfte, die Geschäfts- zuteilung und die Geschäftskon trolle.
6 Sie erlässt in Absprache mit der Leitung der Oberstaatsanwaltschaft generelle Wei- sungen für die Zusammenarbeit mit der Polizei.
7 Sie ist Meldebehörde gemäss Art. 13 Abs. 3 der interkantonalen Vereinbarung über die computergestützte Zusammenarbei t der Kantone bei der Aufklärung von Gewalt- delikten (ViCLAS - Konkordat) vom 2. April 2009 1 ) . Die Meldungen erfolgen an die für die Koordination zuständige Person bei der Kantonspolizei.

§ 5 Jugendanwältinnen und Jugendanwälte

1 Der Regierungsrat stellt di e Jugendanwältinnen und Jugendanwälte an.
2 Angestellt werden kann, wer über ein mit dem Lizentiat oder dem Master abge- schlossenes juristisches Studium verfügt und stimmberechtigt ist.
3 Die Jugendanwältinnen und Jugendanwälte führen die einzelnen Strafverfahren im Rahmen der generellen Weisungen der Leitung.

§ 6 Mitarbeitende

1 Die Leitung der Jugendanwaltschaft stellt die Mitarbeitenden mit einer Ausbildung oder mit ausreichender Erfahrung im Bereich der Pädagogik oder Jugendsozialarbeit an.
1 ) SAR 253.050

2.2. Strafrichterliche Behörden

§ 7 Zwangsmassnahmengericht

1 ... *
2 Das Zwangsmassnahmengericht ist zuständig für die Verlängerung der Löschungs- frist gemäss Art. 13 Abs. 1 lit. b des ViCLAS - Konkordats.

§ 8 Jugendgericht

1 Das Jugendgericht entscheidet als er stinstanzliches Gericht.
2 ... *
3 ... *

§ 9 Obergericht

1 Das Obergericht ist Beschwerdeinstanz und Berufungsgericht in Jugendstrafsachen.
2 ... *

2.3. Aufsichtsbehörde

§ 10 Grundsatz

1 Der Regierungsrat beaufsichtigt die Jugendstrafverfolgungsbehörden.

§ 11 Jugendanwaltschaft

1 Die Aufsicht des Regierungsrats über die Jugendanwaltschaft umfasst insbesondere folgende Aufgaben: a) Erlass administrativer Weisungen betreffend die Amtsführung der Jugendan- waltschaft, b) Vorgaben betreffend Schwerpunkte der Tätigkeiten der Jugendanwaltschaft, c) Kontrolle des Geschäftsgangs, d) Entgegennahme des Jahresberichts, e) Behandeln von Aufsichtsbeschwerden betreffend die Amtsführung, f) Durchführung von Disziplinarverfahren gegen die Jugendanwältinnen und Ju- gendanwäl te.
2 Für die Behandlung von Aufsichtsbeschwerden und die Durchführung von Diszip-
3 Er kann eine in der Strafrechtspflege erfahrene Person mit der Instruktion des Auf- sichtsbeschwe rdeverfahrens oder des Disziplinarverfahrens beauftragen. Diese erstat- tet dem Regierungsrat Bericht und gibt eine Empfehlung ab.
4 Anordnungen oder Weisungen betreffend die Führung einzelner Strafverfahren sind unzulässig.

3. Verfahren

§ 12 Zustellung

1 V orladungen und Verfügungen werden der oder dem urteilsfähigen Jugendlichen und der gesetzlichen Vertretung zugestellt.

§ 13 Information an sorgeberechtigte Personen

1 Die sorgeberechtigten Personen sind über die Eröffnung von Strafverfahren und wichtige Massnahmen unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
2 Die Jugendlichen können jederzeit verlangen, dass die sorgeberechtigten Personen umgehend über ihren Aufenthaltsort und – soweit es die Ermittlungen zulassen – die an sie gerichteten Vorhaltungen informiert werden.

§ 14 Information an Zivilbehörden

1 ... *
2 Erscheinen zivilrechtliche Schutzmassnahmen geboten, beantragen die Untersu- chungsbehörden und die Gerichtsbehörden den zuständigen Behörden deren Anord- nung beziehungsweise die Änderung oder Aufhebung beste hender Schutzmassnah- men. Aus wichtigen Gründen können die Zivilbehörden auch mit der Anordnung strafrechtlicher Schutzmassnahmen beauftragt werden.
3 Den Zivilbehörden wird Einsicht in die Akten gewährt, soweit es zu ihrer Aufgaben- erfüllung notwendig ist.

§ 15 Information an Schulbehörden

1 Wird gegen eine Schülerin oder einen Schüler ein Jugendstrafverfahren wegen Ver- brechen oder Vergehen eingeleitet, informiert die Jugendanwaltschaft die zuständige Schulleitung, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorlieg t. Die Schulleitung ist über Verfahrenseröffnung, ambulante oder stationäre Abklärungen, Anordnung vorsorgli- cher Schutzmassnahmen und sämtliche verfahrensabschliessende Entscheide in Kenntnis zu setzen.
2 Die Schulleitung bestimmt aufgrund der Umstände des Einzelfalls, in welchem Um- fang die ihr bekannt gegebenen Daten an Lehrpersonen weiterzugeben sind.
3 Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten zu Aufbewahrung und Vernichtung der Daten durch Verordnung.

§ 16 Information an weitere Behörden

1 Weitere Behö rden können auf Verlangen oder von Amtes wegen über das Ergebnis der Untersuchung informiert werden, wenn es das öffentliche Interesse oder die Inte- ressen der Jugendlichen erfordern.

§ 17 Mediationsverfahren

1 Die zuständige Behörde bestimmt die mit der M ediation beauftragte Organisation oder Person nach vorheriger Anhörung der Beteiligten.
2 Sie erteilt den Auftrag zur Durchführung der Mediation schriftlich und setzt eine Frist bis zum Vorliegen des Ergebnisses der Mediation. Diese Frist beträgt in der Re- gel sechs Monate und kann auf begründeten Antrag der beauftragten Organisation oder Person hin auf längstens zwei Jahre verlängert werden.
3 Die mit der Mediation beauftragte Organisation oder Person erstattet regelmässig schriftlich Bericht über ihre Bemü hungen. Sie übermittelt der auftraggebenden Be- hörde das Ergebnis der Mediation in einem Protokoll zusammen mit der Kopie der allenfalls getroffenen Vereinbarung.
4 Nimmt die oder der Jugendliche unentschuldigt nicht an den Gesprächen teil, ver- weigert sie oder er trotz Mahnung auf andere Weise die Mitarbeit oder begeht sie oder er während der Dauer der Mediation weitere Straftaten, wird die Mediation abgebro- chen und das Strafverfahren fortgesetzt. Die mit der Mediation beauftragte Organisa- tion oder Person o rientiert die auftraggebende Behörde unverzüglich über die Verwei- gerung der Mitarbeit.
5 Die Mediation ist gelungen, sobald die zustande gekommene Vereinbarung vollstän- dig erfüllt worden ist.
6 Keine der beteiligten Personen kann sich im späteren Straf - od er Zivilverfahren auf Äusserungen berufen, die vor der Mediatorin oder dem Mediator gemacht worden sind, wie auch immer die Mediation ausgegangen ist.

4. Vollzug

§ 18 Disziplinierung in der Unterbringung, Untersuchungs - oder Sicherheitshaft

und im Freihei tsentzug
1 Schuldhafte Pflichtverletzungen von Jugendlichen, die zum Vollzug der Unterbrin- gung, der Untersuchungshaft oder der Sicherheitshaft oder des Freiheitsentzugs in eine Einrichtung oder eine Anstalt eingewiesen worden sind, können mit bis zu sieben Tagen Arrest oder anderen durch Verordnung festgelegten Disziplinarstrafen oder - massnahmen geahndet werden. *
1bis Als Sicherungsmassnahme, namentlich bei Verdunklungsgefahr, kann vor Erlass des Disziplinarentscheids die Unterbringung in einem Einschlies sungszimmer bis höchstens 24 Stunden angeordnet werden. *
2 Arrest und Sicherungsmassnahme dürfen nur von der Leitung der Einrichtung oder der Anstalt beziehungsweise deren Stellvertretung angeordnet werden. Die Anord- nung anderer Disziplinarstrafen oder - m assnahmen kann an andere Mitarbeitende der Einrichtung oder der Anstalt delegiert werden. *
4 bis Bearbeitung von Personendaten *

§ 18a * Datenbearbeitungs - und Informationssysteme

1

§ 55d EG StPO gilt auch für die Jugendanwaltschaft.

5. Übergangs - und Sch lussbestimmungen

§ 19 Publikation und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz ist nach unbenütztem Ablauf der Referendumsfrist beziehungsweise nach Annahme durch das Volk in der Gesetzessammlung zu publizieren. Der Regie- rungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Aarau, 16. März 2010 Präsident des Grossen Rats S CHOLL Protokollführer S CHMID Datum der Veröffentlichung: 26. April 2010 Ablauf der Referendumgsfrist: 26. Juli 2010 Inkrafttreten: 1. Januar 2011 1 )
1 ) RRB vom 23. Juni 2010
Änderungstabelle - Nach Beschluss Besc hluss Inkrafttreten Element Änderung AGS Fundstelle

06.12.2011 01.01.2013 § 7 Abs. 1 aufgehoben 2012/5 - 02

06.12.2011 01.01.2013 § 8 Abs. 2 aufgehoben 2012/5 - 02

06.12.2011 01.01.2013 § 8 Abs. 3 aufgehoben 2012/5 - 02

06.12.2011 01.01.2013 § 9 Abs. 2 aufgehoben 2012/5 - 02

02.06.2015 01.07.2015 § 14 Abs. 1 aufgehoben 2015/3 - 19

13.12.2016 01.03.2017 § 18 Abs. 1 geändert 2017/1 - 06

13.12.2016 01.03.2017 § 18 Abs. 1

bis eingefügt 2017/1 - 06

13.12.2016 01.03.2017 § 18 Abs. 2 geändert 2017/1 - 06

08.12.2020 01.07.2021 Titel 4

bis eingefügt 2021/07 - 03

08.12.2020 01.07.2021 § 18a eingefügt 2021/07 - 03

Änderungstabelle - Nach Paragraph Element Beschluss Inkrafttreten Änderung AGS Fundstelle

§ 7 Abs. 1 06.12.2011 01.01.2013 aufgehoben 2012/5 - 02

§ 8 Abs. 2 06.12.2011 01.01.2013 aufgehoben 2012/5 - 02

§ 8 Abs. 3 06.12.2011 01.01.2013 aufgehoben 2012/5 - 02

§ 9 Abs. 2 06.12.2011 01.01.2013 aufgehoben 2012/5 - 02

§ 14 Abs. 1 02.06.2015 01.07.2015 aufgehoben 2015/3 - 19

§ 18 Abs. 1 13.12.2016 01.03.2017 geändert 2017/1 - 06

§ 18 Abs. 1

bis 13.12.2016 01.03.2017 eingefügt 2017/1 - 06

§ 18 Abs. 2 13.12.2016 01.03.2017 geändert 2017/1 - 06

Titel 4 bis 08.12.2020 01.07.2021 eingefügt 2021/07 - 03

§ 18a 08.12.2020 01.07.2021 eingefügt 2021/07 - 03

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