Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik
Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik
1 ) vom 25.10.2007 (Stand 01.04.2009)
1 Zweck und Grundsätze der Vereinbarung
Art. 1 Zweck
1 Die Vereinbarungskantone arbeiten im Bereich der Sonderpädagogik zu - sammen mit dem Ziel, den in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmoni - sierung der obligatorischen Schule und im Bundesgesetz über die Beseiti - gung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen statuierten Verpflichtungen nachzukommen. Insbesondere a) legen sie das Grundangebot fest, welches die Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Bildungsbedarf garan - tiert, b) fördern sie die Integration dieser Kinder und Jugendlichen in der Re - gelschule, c) verpflichten sie sich zur Anwendung gemeinsamer Instrumente.
Art. 2 Grundsätze
1 Die Bildung im Bereich der Sonderpädagogik basiert auf folgenden Grund - sätzen: a) die Sonderpädagogik ist Teil des öffentlichen Bildungsauftrages; b) integrative Lösungen sind separierenden Lösungen vorzuziehen, un - ter Beachtung des Wohles und der Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes oder des Jugendlichen sowie unter Berücksichtigung des schulischen Umfeldes und der Schulorganisation; c) für den Bereich der Sonderpädagogik gilt der Grundsatz der Unent - geltlichkeit; für Verpflegung und Betreuung kann von den Erziehungs - berechtigten eine finanzielle Beteiligung verlangt werden;
1) Beitritt des Kantons Wallis am 08.10.2008. Inkrafttreten am 01.04.2009. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
d) die Erziehungsberechtigten sind in den Prozess betreffend die Anord - nung sonderpädagogischer Massnahmen mit einzubeziehen.
2 Anspruch auf sonderpädagogische Massnahmen
Art. 3 Berechtigte
1 Kinder und Jugendliche ab Geburt bis zum vollendeten 20. Lebensjahr, die in der Schweiz wohnen, haben unter folgenden Voraussetzungen ein Recht auf angemessene sonderpädagogische Massnahmen: a) vor der Einschulung: Wenn festgestellt wird, dass ihre Entwicklung eingeschränkt oder gefährdet ist oder sie dem Unterricht in der Regel - schule ohne spezifische Unterstützung nicht werden folgen können, b) während der obligatorischen Schulzeit: Wenn festgestellt wird, dass sie in ihren Entwicklungs- und Bildungsmöglichkeiten so stark beein - trächtigt sind, dass sie dem Unterricht in der Regelschule ohne spezi - fische Unterstützung nicht beziehungsweise nicht mehr folgen können oder wenn ein anderer besonderer Bildungsbedarf festgestellt worden ist.
3 Festlegung des sonderpädagogischen Grundangebots
Art. 4 Grundangebot
1 Das sonderpädagogische Grundangebot umfasst: a) Beratung und Unterstützung, heilpädagogische Früherziehung, Logo - pädie und Psychomotorik, b) sonderpädagogische Massnahmen in einer Regelschule oder in einer Sonderschule, sowie c) Betreuung in Tagesstrukturen oder stationäre Unterbringung in einer sonderpädagogischen Einrichtung.
2 Die Kantone sorgen für die Organisation notwendiger Transporte und übernehmen deren Kosten für Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihrer Behinderung den Weg zwischen Wohnort, Schule und/ oder Therapiestelle nicht selbstständig bewältigen können.
Art. 5 Verstärkte Massnahmen
1 Erweisen sich die vor der Einschulung oder die in der Regelschule getrof - fenen Massnahmen als ungenügend, ist aufgrund der Ermittlung des indivi - duellen Bedarfs über die Anordnung verstärkter Massnahmen zu entschei - den.
2 Verstärkte Massnahmen zeichnen sich durch einzelne oder alle der fol - genden Merkmale aus: a) lange Dauer, b) hohe Intensität, c) hoher Spezialisierungsgrad der Fachpersonen, sowie d) einschneidende Konsequenzen auf den Alltag, das soziale Umfeld oder den Lebenslauf des Kindes oder des Jugendlichen.
Art. 6 Anordnung der Massnahmen
1 Die Vereinbarungskantone bezeichnen die für die Anordnung sonderpäda - gogischer Massnahmen zuständigen Behörden.
2 Die für die Anordnung sonderpädagogischer Massnahmen zuständigen Behörden bestimmen die Leistungsanbieter.
3 Die Ermittlung des individuellen Bedarfs gemäss Artikel 5 Absatz 1 er folgt im Rahmen eines standardisierten Abklärungsverfahrens durch die von den zuständigen Behörden betrauten Abklärungsstellen, die nicht identisch sind mit den Leistungsanbietern.
4 Die Zweckmässigkeit der angeordneten Massnahmen ist periodisch zu überprüfen.
4 Harmonisierungs- und Koordinationsinstrumente
Art. 7 Gemeinsame Instrumente
1 Die Vereinbarungskantone benutzen im kantonalen Recht, im kantonalen Konzept für den Bereich der Sonderpädagogik sowie in den entsprechen - den Richtlinien a) eine einheitliche Terminologie, b) einheitliche Qualitätsstandards für die Anerkennung der Leistungsan - bieter und
c) ein standardisiertes Abklärungsverfahren zur Ermittlung des individu - ellen Bedarfs gemäss Artikel 6 Absatz 3.
2 Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) ist verantwortlich für die wissenschaftliche Entwicklung und Validie - rung der gemeinsamen Instrumente gemäss Absatz 1. Sie konsultiert zu diesem Zweck die nationalen Dachverbände der Lehrpersonen, der Erzie - hungsberechtigten und der Institutionen für Kinder und Jugendliche mit ei - ner Behinderung.
3 Die gemeinsamen Instrumente werden von der Plenarversammlung der EDK mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder verabschiedet. Die Revision erfolgt durch die Vereinbarungskantone in einem analogen Verfah - ren.
4 Das sonderpädagogische Grundangebot ist Gegenstand des nationalen Bildungsmonitorings.
Art. 8 Lernziele
1 Die Anforderungsniveaus für den Bereich der Sonderpädagogik werden auf der Basis der in den Lehrplänen festgelegten Lernziele und der Bil - dungsstandards der Regelschule angepasst; sie berücksichtigen die indivi - duellen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Kindes oder des Jugendlichen.
Art. 9 Ausbildung der Lehrpersonen und des sonderpädagogischen
Fachpersonals
1 Die Grundausbildung der Lehrpersonen in Schulischer Heilpädagogik und des sonderpädagogischen Fachpersonals für Kinder und Jugendliche wird in den Anerkennungsreglementen der EDK oder im Bundesrecht geregelt.
2 Die Vereinbarungskantone arbeiten in der Entwicklung eines geeigneten Weiterbildungsangebots zusammen.
Art. 10 Kantonale Kontaktstelle
1 Jeder Vereinbarungskanton bezeichnet gegenüber der EDK eine kantona - le Kontaktstelle, die für sämtliche den Bereich der Sonderpädagogik betref - fenden Fragen zuständig ist.
Art. 11 Ausserkantonale Leistungen
1 Die Finanzierung von Leistungen ausserkantonaler stationärer Einrichtun - gen und ausserkantonaler Einrichtungen der externen Sonderschulung richtet sich nach der Interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtun - gen (IVSE).
5 Schlussbestimmungen
Art. 12 Beitritt
1 Der Beitritt zu dieser Vereinbarung wird dem Vorstand der EDK gegen - über erklärt.
Art. 13 Austritt
1 Der Austritt aus der Vereinbarung muss dem Vorstand der EDK gegen - über erklärt werden. Er tritt auf Ende des dritten der Austrittserklärung fol - genden Kalenderjahres in Kraft.
Art. 14 Umsetzungsfrist
1 Die Kantone, die der Vereinbarung nach dem 1. Januar 2011 beitreten, müssen diese innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Ratifi - zierung umsetzen.
Art. 15 Inkrafttreten
1 Der Vorstand der EDK setzt die Vereinbarung in Kraft, wenn ihr mindes - tens zehn Kantone beigetreten sind, jedoch frühestens auf den 1. Januar
2011.
2 Das Inkrafttreten ist dem Bund zur Kenntnis zu geben.
Art. 16 Fürstentum Liechtenstein
1 Das Fürstentum Liechtenstein kann der Vereinbarung beitreten. Ihm ste - hen alle Rechte und Pflichten eines Vereinbarungskantons zu.
Änderungstabelle - Nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung Quelle Publikation
25.10.2007 01.04.2009 Erlass Erstfassung BO/Abl. 45/2008,
13/2009
Änderungstabelle - Nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Quelle Publikation Erlass 25.10.2007 01.04.2009 Erstfassung BO/Abl. 45/2008,
13/2009
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