Reglement über die Funktion und die Organisation der Untersuchungsrichter (311.100)
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Reglement über die Funktion und die Organisation der Untersuchungsrichter

- 1 - Reglement über die Funktion und die Organisation der U n tersuchungsrichter (RUR) vom 22. Dezember 1992 Das Kantonsgericht des Kantons Wallis eingesehen die Artikel 5 und 6 bis des Gesetzes vom 13. Mai 1960 über die Gerichtsbehörden (OG); eingesehen Arti kel 26 des Vollzugsdekretes vom 28. Mai 1980 zum Gesetz vom 13. Mai 1960 über die Gerichtsbehörden (DOG); eingesehen die Artikel 37 bis 115 der Strafprozessordnung vom 22. Februar
1962 (StPO), beschliesst:
1. Kapitel: Grundregeln

Art. 1 Leitsatz

1 In ihre r Tätigkeit lässt sich die Untersuchungsbehörde vom Grundsatz der Gesetzmässigkeit leiten, der allein einen wirksamen Schutz der Bevölkerung vor dem Verbrechen mit der Achtung der Rechte des Beschuldigten und mit der Wahrung der berechtigten Interessen des Geschädigten zu vereinbaren vermag.
2 Sobald ein Untersuchungsrichter von Tatsachen Kenntnis erhält, die sich als strafbar erweisen können und in seine Zuständigkeit fallen, ist er für deren ordentliche, methodische und rechtmässige Abklärung verantwortli ch.
2. Kapitel: Organisatorische Vorschriften

Art. 2 Name und Sitz

1 In jedem Strafgerichtskreis gemäss Artikel 6 OG bilden die Untersuchung s- richter ein Untersuchungsrichteramt.
2 Der Sitz der Untersuchungsrichterämter ist: a) für das Untersuchungsrichtera mt Oberwallis in Visp; b) für das Untersuchungsrichteramt Mittelwallis in Sitten; c) für das Untersuchungsrichteramt Unterwallis in Saint - Maurice.
3 Die Räumlichkeiten und deren Ausstattung werden vom Kantonsgericht im Einvernehmen mit den Gemeindebehörden am Sitz und mit den betroffenen Richtern festgelegt.
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Art. 3 Interne Zuteilungskriterien

1 Bei der Zuteilung der Fälle an die Untersuchungsrichter eines Kreises sind Kriterien nach Herkunft oder Wohnort nicht zulässig.
2 In jedem Untersuchungsrichteramt w ird ein spezialisierter Richter mit der Verfolgung komplexer Finanzdelikte betraut.

Art. 4 Verteilung unter den Ämtern

1 Die Verfolgung von Straftaten, die im französischen Wallis von deutschspr a- chigen Personen begangen wurden, kann Gegenstand einer Abtre tungsverf ü- gung, erforderlichenfalls mittels Trennungsverfügung, zugunsten des Unters u- chungsrichteramts Oberwallis bilden.
2 Die allfällige Überweisungsverfügung ergeht an die örtlich zuständige G e- richtsbehörde im französischen Wallis. Dasselbe gilt für Mit teilungen an die Staatsanwaltschaft.
3 Je nach der Natur der Angelegenheit und den besonderen Umständen des Falles kann der Präsident des Kreisgerichtes oder der Bezirksrichter den Pr ä- sidenten des Kantonsgerichtes ersuchen, einen Ersatzrichter, der aus den B e- zirksrichtern mit Amtssitz im Oberwallis gewählt wird, zu bezeichnen.

Art. 5 Pikettdienst und Führung

1 Neue Fälle und dringende Untersuchungshandlungen bei Abwesenheit des angegangenen Richters werden von den Richtern abwechslungsweise während festen Zeiten übernommen, die sie gemeinsam bestimmen.
2 Für jedes Amt hat ausserhalb der Bürostunden sowie an Wochenenden und Feiertagen ein Richter Bereitschaftsdienst.
3 Die Geschäftsführung des Gerichtes sowie der periodische Ausgleich der Geschäftslast oblie gt den Richtern gemeinsam; besteht Uneinigkeit, so en t- scheidet der delegierte Kantonsrichter.

Art. 6 Arbeitsort

In der Regel erledigen die Untersuchungsrichter ihre Arbeiten in den Räu m- lichkeiten des Amtssitzes.

Art. 7 Abhaltung von Sitzungen

1 Einvernah men erfolgen grundsätzlich am Sitze des Untersuchungsrichtera m- tes oder eines Bezirksgerichtes.
2 In der Regel wird der Richter von einem Sekretär verbeiständet.
3 Ausser bei Ortsschauen und Hausdurchsuchungen finden die auswärtigen Sitzungen in einem öffen tlichen Verwaltungsgebäude statt, zu dem Dritte keinen freien Zugang haben.

Art. 8 Kanzlei

1 Die Kanzleiaufgaben werden vom Sekretariat besorgt.
2 Die Arbeit der Sekretärinnen wird von den Richtern gemeinsam in einem Pflichtenheft entsprechend den Aufgabe n der Kanzlei festgelegt.
3 Die Pflichtenhefte sind dem Kantonsgericht mit Antrag auf Einreihung in die Besoldungstabelle zur Genehmigung zu unterbreiten.
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3. Kapitel: Untersuchungsvorschriften

Art. 9 Dringliche Feststellungen

Zu Beginn der Untersuchung e ines Amtsdeliktes erhebt der angegangene Richter vor Abklärung der Tatsachen betreffend Zuständigkeit jene Beweise, die Gefahr laufen, verloren zu gehen.

Art. 10 Beschlagnahme

1 Jede Beschlagnahme bildet Gegenstand einer Prozessverfügung des Unters u- chungs richters sowie eines Vollzugsprotokolls mit Verzeichnis.
2 Der Richter kann die beschlagnahmte Sache dem Inhaber überlassen mit dem ausdrücklichen schriftlichen Verbot, sich ihrer zu entledigen.
3 Sind Sachen beschlagnahmt worden, die zur Begehung eines Ve rbrechens gedient haben oder davon herrühren, und lassen sich die Geschädigten nicht ermitteln, so sind diese Sachen grundsätzlich der Kantonspolizei zu überg e- ben, damit sie nach Ablauf der in Artikel 59 Abs. 3 StGB vorgesehenen Frist von fünf Jahren zugun sten des Staates verwertet werden können.

Art. 11 Kinder und Jugendliche

1 Vom Untersuchungsrichter oder von einer aufgrund besonderer Ausbildung beauftragten Person können in der Regel einvernommen werden: a) die Kinder als Auskunftspersonen; b) die Juge ndlichen als Zeugen, es sei denn, ihre Reife erlaube es ihnen nicht, die Tragweite einer Zeugenaussage zu erfassen.
2 Die Vorladung eines Kindes oder Jugendlichen ist an den gesetzlichen Ve r- treter zu richten.

Art. 12 Ergänzung der Untersuchung

Nach Rückwe isung zur Ergänzung der Untersuchung im Sinne von Artikel
134 StPO entscheidet bei Meinungsverschiedenheit zwischen dem urteilenden Richter und dem Untersuchungsrichter die Strafkammer des Kantonsgerichtes über den Umfang und die Art der Beweisaufnahmen, u nd zwar auf Antrag des Magistraten, der das Gesuch zuerst gestellt hat.
4. Kapitel: Behandlung der Gerichtsakten

Art. 13 Register und Aktenordnung

1 Im Register für Strafsachen werden nur jene Fälle aufgeführt, die Gegen s- tand einer Eröffnungsverfügung im S inne der Artikel 42 und 46 Ziff. 2 StPO bilden. In diesen Fällen ist eine Strafakte zu eröffnen, die über die Art ihrer Erledigung Auskunft gibt.
2 Jedes Gericht führt überdies je ein Register der erhaltenen und erlassenen Rechtshilfegesuche.
3 Ausserdem w erden alle Dokumente von Angelegenheiten, die bei einem Untersuchungsrichteramt eingehen und die nicht zu einer Eröffnung der U n- tersuchung führen oder durch Abschreibung erledigt werden, gemäss besond e- ren Weisungen getrennt und chronologisch geordnet aufbe wahrt.
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4 Die Strafbefehle sowie Einstellungsverfügungen werden gesammelt und jährlich gebunden.

Art. 14 Vernichtung von Aufzeichnungen und Belegen

Die Protokolle über die Vernichtung von Aufzeichnungen und Belegen im Sinne von Artikel 103 g und k StPO sin d aufzubewahren und gesammelt bei der jährlichen Inspektion zur Verfügung zu halten.

Art. 15 Akteneinsicht

1 Die vom Richter gestattete Einsichtnahme in die Akten ist in der Regel in den Räumlichkeiten des eigenen oder auf Antrag des Anwaltes einer Partei in denen eines anderen Untersuchungsrichteramtes oder beim Schreibamt eines nahe gelegenen Bezirksgerichtes zu gewähren.
2 Wenn eine hängige Angelegenheit Tatsachen beschlägt, für die eine Vers i- cherung einzustehen hat, kann ihr der Richter ohne Einwand de s Beschuldi g- ten Einsicht in die Akten gewähren.
5. Kapitel: Abschluss der Untersuchung, Administratives

Art. 16 Strafbefehl

1 Die Verurteilung mit Strafbefehl darf weder eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten noch eine Busse von 10 000 Franken übersteigen.
2 Erfolgt eine Einsprache, so wird die Untersuchung in der Regel vom Richter wieder aufgenommen, der den Strafbefehl erlassen hat.

Art. 17 Gerichtskosten

1 Jedes Untersuchungsrichteramt erhält für die Deckung der Ausgaben laufe n- der Untersuchungsverfahr en ein Betriebskapital, das vom Kantonsgericht im Einvernehmen mit der Finanzverwaltung und den Untersuchungsrichtern j e- des Kreises festgelegt wird.
2 Wird ein Verfahren abgeschlossen mit Strafbefehl, mit Einstellungsverf ü- gung oder mit Beschluss, keine Str afuntersuchung anzuheben, so sind die Kosten entweder bei den Parteien, gegebenenfalls gemäss Artikel 21 Abs. 2 DOG, oder bei der Staatskasse zu erheben.
3 Ergeht ein Überweisungsbeschluss, wird den Akten, die an das zuständige Gericht weitergeleitet werde n, die Gerichtskostenabrechnung für die Buchha l- tung des übernehmenden Gerichtes beigelegt; entsprechend erfolgt die Übe r- weisung des verbleibenden Aktiv - oder das Inkasso eines Passivsaldos.

Art. 18 Buchhaltung

1 Jede Kanzlei eines Untersuchungsrichteramte s führt unter der Verantwortung der Richter eine klare, vollständige und genaue Buchhaltung.
2 Die Buchführung besteht aus: a) der Eintragung aller geldwerten Operationen gemäss Kontenplan; b) der Führung einer zentralen Kontenkartei für jede hängige Straf unters u- chung.
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Art. 19 Weisungen

Das Kantonsgericht erlässt zusammen mit diesem Reglement zum Zwecke einer einheitlichen Anwendung gestützt auf Artikel 26 Abs. 2 DOG Weisu n- gen insbesondere über: a) die Register, Ordner und Akten; b) die Verwendung einheitl icher Formulare für Untersuchungshandlungen und Verwaltung; c) die Geschäftsführung und die Buchhaltung.

Art. 20 Inkrafttreten

Das vorliegende Reglement tritt am 1. Januar 1993 in Kraft. So beschlossen im Kantonsgericht zu Sitten, den 22. Dezember 1992. D er Präsident des Kantonsgerichtes: Victor Gillioz Die Kantonsgerichtsschreiberin: Ambre Veuillet Im Grossen Rat genehmigt am 26. Januar 1993.
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