Verordnung über das Vormundschaftswesen (210.122)
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Verordnung über das Vormundschaftswesen

Verordnung über das Vormundschaftswesen Vom 16. Februar 1994 (Stand 1. September 2009) Der Regierungsrat des Kantons Aargau, gestützt auf Art. 425 des Schweizerisc hen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember
1907 (ZGB)
1 ) und § 66 des Einführungsgesetzes vom 27. März 1911 zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch 2 ) , beschliesst:

1. Aufbewahrung des Mündelvermögens

§ 1 Grundsatz

1 Wertschriften, Kostbarkeiten, wich tige Dokumente und dergleichen (Art. 399 ZGB) sind in einem offenen Depot eine s im Kanton Aargau domizilierten, dem Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen 3 ) unterstehenden Geldinstituts aufzubewahren.
2 Das Depot lautet auf den Namen des Mündels.
3 Kleinere Depots mit leicht identifiz ierbaren Werten können zusammengelegt und auf den Namen der Vormundschaftsbehörde geführt werden.

§ 2 Hinterlegung in einem Archiv

1 Ausnahmsweise können Wertschriften, Kostbarkeiten, wichtige Dokumente und dergleichen in einem feuer- und diebstahlsicheren Archiv der Vormundschaftsbehörde aufbewahrt werden.
2 Über eine solche Hinterlegung ist ein Depositenbuch zu führen, in welches der Ein- und Ausgang der hinterlegten Werte einzutragen ist.
1) SR 210
2) SAR 210.100
3) SR 952.0
3 Der Eingang ist von der Vormundschafts behörde, der Ausgang vom Empfänger oder der Empfängerin zu bestätigen.

2. Kapitalanlagen

§ 3 Grundsatz

1 Bares Geld (Art. 401 ZGB) hat der Vormund ohne Verzug gemäss den nachfolgenden Bestimmungen zinstragend an zulegen, soweit er es nicht für das Mündel benötigt; für solche Zahlungen ist nach Möglichkeit vom bargeldlosen Zahlungsverkehr Gebrauch zu machen.
2 Ausnahmsweise kann die Anlage in Sachwerten erfolgen.

§ 4 Mündelsichere Anlagen

1 Vermögenswerte sollen vom Vormund si cher angelegt werden. Als sichere Anlagen gelten: a) festverzinsliche Obligationen des Bundes und der Kantone sowie der Banken und Institute gemäss lit. c dieser Bestimmung; b) Spar- und Anlagehefte von Bankinstitu ten, die dem Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen unterstellt und zur Entgegennahme von Spareinlagen ermächtigt sind, bis zu dem gemä ss Bankengesetz konkursprivilegierten Betrag je Institut; c) Spar- und Kontoeinlagen in unbeschr änkter Höhe bei Kantonalbanken, bei andern inländischen Banken mit Staatsgarantie oder bei Instituten mit schweizerischer Verbandhaftung sowie mit Nachschusspflicht und unbegrenzter Solidarhaftung der Mitglieder; d) Obligationen von Anstalten, Korpora tionen und Unternehmungen, für welche der Bund oder ein Kanton von Gesetzes wegen haftet; e) Grundpfandtitel (Grundpfandverschreibungen, Schuldbriefe, Gülten) an Grundstücken, mit Ausnahme von industr iellen Liegenschaften und Hotels, bis zum Betrag von 60 % des amtlich geschätzten Verkehrswertes; f) Pfandbriefe der Pfandbriefzentralen gemäss Bundesgesetz über die Ausgabe von Pfandbriefen vom 25. Juni 1930 1 ) .

§ 5 Andere Anlagen

1 Andere Kapitalanlagen wie namentlich: a) die Anlage in Sachwerten, b) die über § 4 lit. a und b hinausgehende Anlage in Obligationen, Sparheften und Konten von Bankinstituten, die dem Bundesgesetz über Banken und Sparkassen unterstehen, c) die Anlage in zinstragenden Sparversicherungen,
1) SR 211.423.4
d) die Anlage in Form von Darlehen an Gemeinden des Kant ons, an den Kanton und dessen Anstalten, mit einer Laufzeit bis zu 10 Jahren, e) die Anlage in Grundstücken auf dem Gebiet der Schweiz, sind nur, soweit es die Umstände r echtfertigen, mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde zulässig.

§ 6 Neuanlagen

1 Bei Neuanlagen ist auf eine ange messene Risikoverteilung zu achten.

§ 7 Bestehende Kapitalanlagen

1 Fällt dem Mündel aus Erbschaft, Sche nkung und dergleichen Vermögen zu oder besass es schon vor der Bevormundung Ve rmögen, so können mit Genehmigung der Vormundschaftsbehörde auch andere als die für Neuanlagen zulässigen Vermögenswerte in die vormundschaftl iche Verwaltung übernommen werden, soweit die Umstände es rechtfertigen.
2 Die §§ 3–6 über Neuanlagen finden entsprechende Anwendung.
3 Kapitalanlagen, die nicht genügende Sicherheit bieten, sind durch sichere Anlagen zu ersetzen. Die Umwandlung ist nicht zur Unzeit, sondern unter Wahrung der Mündelinteressen vorzunehm en (Art. 402 ZGB).

3. Rechnungsablage

§ 8 Allgemeines

1 Die Rechnungsablage durch den Vormund (Art. 423 ZGB) erfolgt alle zwei Jahre. Vorbehalten bleibt eine frühere Rec hnungsablage im Falle der Übertragung der Betreuung oder der Beendigung der Vormundschaft.
2 Die Fristen können mit Genehmigung de r Vormundschaftsbehörde verkürzt oder verlängert werden, sodass die Rechnungsablage auf den Beginn einer Steuerperiode fällt.
3 Die Vormundschaftsbehörde führt über die Fälligkeit der Berichte und Rechnungen (Art. 423 ZGB) Kontrolle.
4 Die Vormundschaftsbehörde hat den Vormund einen Monat vor Eintritt der Fälligkeit zur rechtzeitige n Berichterstattung und Rechnungsablage aufzufordern.

§ 9 Folgen der Säumnis

1 Versäumt der Vormund die Frist für di e Berichterstattung und Rechnungsablage länger als einen Monat über den Fälligke itstermin hinaus, so ist er der erstinstanzlichen Aufsichtsbehörde an zuzeigen, von dieser vorzuladen und unter Androhung einer Busse zur Berichterstattung und Rechnungsablage innert Monatsfrist zu verhalten.
2 Wird diese Frist versäumt, so ist die Busse auszufällen und die Vor- mundschaftsbehörde aufzufordern, dem Vo rmund alle von ihm verwalteten Akten und Gegenstände abzunehmen und die Rec hnung durch eine andere Person auf Kosten des Vormundes anfertigen zu lassen.
3 Vorbehalten bleiben die in Art. 448 und 449 ZGB genannten Massnahmen.

§ 10 Form und Inhalt

1 Der Vormund hat seine Vormundschafts rechnung in doppelter Ausfertigung mit den Belegen und der früheren Rechnung der Vormundschaftsbehörde einzureichen.
2 Zusammen mit dieser Vormundschaftsabre chnung ist auch der Bericht über die persönlichen Verhältnisse des Mündels einzureichen.

§ 11 Mitwirkung des Mündels

1 Sofern das Mündel zur Rechnungsablage zugezogen worden ist (Art. 413 Abs. 3 ZGB), hat es die Rechnung zu unterzeichne n, und es sind auch seine Bemerkungen einzutragen.

§ 12 Bekanntgabe an Verwandte

1 Soweit tunlich, kann die Vormundschafts behörde den nächsten Verwandten des Mündels von der Berichterstattung und Rechnungsablage Kenntnis geben mit der Einladung, innert Frist Einsicht zu nehmen und allfällige Bemerkungen anzubringen.

§ 13 Prüfungsentscheid

1 Die Vormundschaftsbehörde hat Rechnung und Bericht zu prüfen (Art. 423 und
452 ZGB) und ihren Prüfungsentscheid in beide Berichts- und Rechnungsdoppel einzutragen.

§ 14 Aufbewahrung

1 Ein Berichts- und Rechnungsexemplar mit den Belegen ist von der Vor- mundschaftsbehörde aufzubewahren, das an dere an den Vormund zurückzugeben.

4. Entschädigung von Vormund und Beistand

§ 15

1 ) Allgemeines
1 Die Vormundschaftsbehörde bemisst di e Entschädigung entweder nach dem ausgewiesenen zeitlichen Aufwand oder nach einem nach Schwierigkeit des Mandats zu bestimmenden Pauschalbetrag.
2 Der Stundenansatz beträgt Fr. 80.–.
3 Der Pauschalbetrag für eine zweijährige Rechnungsperiode beträgt für a) einfache Mandate Fr. 500.– bis Fr. 1'500.– b) mittelschwere Mandate Fr. 2'000.– c) schwierige Mandate Fr. 3'000.– bis Fr. 4'000.–
4 In begründeten Einzelfällen kann von den Ansätzen gemäss Absatz 2 und 3 abgewichen werden.
5 Die Entschädigung für ei ne zweijährige Rechnungsperiode beträgt maximal Fr. 20'000.–.
6 Ausgewiesene Spesen und Auslagen sind zu sätzlich zu ersetzen. Für Reisespesen gelten die §§ 4–10 der Verordnung über Spesen, Sitzungsgelder und übrige Entschädigungen vom 31. Januar 2001 2 ) . Bei geringfügigem Spesenaufwand kann eine Pauschale in der Höhe von Fr. 20.– bis Fr. 50.– gewährt werden.

§ 16

3 ) Kostentragung
1 Bei volljährigen Personen wird die Ents chädigung aus deren Vermögen entrichtet. Beträgt dieses nicht mindestens Fr. 15'000. –, trägt die Gemeinde die Entschädigung sowie den Spesen- und Auslagenersatz.
2 Bei minderjährigen Persone n bevorschusst die Gemeinde die Entschädigung sowie den Spesen- und Auslagenersatz. Sie kann diese von den Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zurückfordern.
3 Die Gemeinden können für de n Fall, dass ein ständige r Vormundschaftsverwalter oder eine ständige Vormundsch aftsverwalterin bestellt is t (§ 65 EG ZGB), diesen oder diese selbst besolden und die Entschädigung sowie den Spesen- und Auslagenersatz aus dem Mündelvermöge n für die Gemeinde vereinnahmen.
1) Fassung gemäss Verordnung vom 24. Juni 2009, in Kraft seit 1. September 2009 (AGS 2009 S. 180).
2) SAR 165.171
3) Fassung gemäss Verordnung vom 24. Juni 2009, in Kraft seit 1. September 2009 (AGS 2009 S. 180).

5. Weisungen

§ 17 Zuständigkeit

1 Die Kammer für Vormundschaftswesen des Obergerichts erlässt als Auf- sichtsbehörde zweiter Instanz (Art. 361 Abs. 2 ZGB, § 59 Abs. 1 EG ZGB) die zum Vollzug der Bestimmungen über «die Vormundschaft» (Art. 360 – 456 ZGB) erforderlichen Weisungen.

6. Schlussbestimmung

§ 18 Aufhebung bisherigen Rechts

1 Die Verordnung über das Vormundschaftswesen vom 9. Dezember 1911 1 ) ist aufgehoben.

§ 19 Inkrafttreten

1 Diese Verordnung ist in der Gesetzessamml ung zu publizieren. Sie tritt am 1. Juli
1994 in Kraft. Aarau, den 16. Februar 1994 Regierungsrat Aargau Landammann S IEGRIST Staatsschreiber G UT Vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement genehmigt am 5. April 1994.
1) AGS Bd. 1 S. 656
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