Reglement über das Disziplinarrecht für Personen in strafrechtlicher Einschliessung oder Unterbringung in geschlossenen Anstalten für Jugendliche
Reglement über das Disziplinarrecht für Personen in strafrechtlicher Einschliessung oder Unterbringung in geschlossenen Anstalten für Jugendliche 1 ) vom 31.10.2013 (Stand 01.01.2014) Die Konferenz des Konkordats über den Vollzug der strafrechtlichen Einschliessung jugendlicher aus den Westschweizer Kantonen (und teilweise aus dem Tessin) (nachfolgend: "Konferenz") Gestützt auf: die Artikel 1 Abs. 2 Bst. f bis h, 16 und 17 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über das Jugendstrafrecht (Jugendstrafgesetz, JStG); die Artikel 19 bis 32 des Konkordats vom 24. März 2005 über den Vollzug der strafrechtlichen Einschliessung Jugendlicher aus den Westschweizer Kantonen (und teilweise aus dem Kanton Tessin) (nachfolgend: das Kon - kordat); die Empfehlung CM/Rec (2008) 11 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten über die Europäischen Regeln für Sanktionen oder Massnahmen gegen jugendliche Straftäter (nachfolgend: die Empfehlung CM/Rec (2008) 11); beschliesst:
1 Gegenstand und Geltungsbereich
Art. 1
1 Dieses Reglement führt das Disziplinarrecht für Personen aus, die sich in strafrechtlicher Einschliessung befinden oder gemäss der Gesetzgebung über die strafrechtliche Einschliessung von Minderjährigen (vgl. Art. 19 bis
32 des Konkordats) in geschlossenen Einrichtungen für Minderjährige un - tergebracht sind.
1) Angenommen vom Kanton Wallis am 20.11.2013. Inkrafttreten am 01.01.2014. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
2 Dieses Reglement gilt auch für erwachsene Personen, die in Anwendung des Jugendstrafrechts verurteilt worden sind.
2 Reglement der Einrichtungen
Art. 2
1 Jede Konkordatseinrichtung erstellt ein internes Reglement, in dem die Modalitäten des Disziplinarwesens festgelegt sind. Das Reglement muss sich nach den Konkordatsbestimmungen und der Empfehlung CM/Rec (2008) 11 richten.
3 Disziplinarrecht
Art. 3 Allgemein
1 Jede gefangene oder eingewiesene Person, die gegen die Konkordatsbe - stimmungen oder das Reglement der Einrichtung sowie gegen die Anwei - sungen oder Befehle des Personals der Einrichtung verstösst oder die Ord - nung und die Sicherheit der Einrichtung bedroht, kann mit einer Disziplinar - strafe belegt werden. Je nach Fall kann die Person einer oder mehreren Er - ziehungsmassnahmen unterzogen werden, die im internen Reglement, in internen Bestimmungen oder im Erziehungskonzept vorgesehen sind.
2 Versuch, Gehilfenschaft und Anstiftung sind strafbar.
Art. 4 Disziplinarvergehen
1 Folgende Vergehen ziehen Disziplinarstrafen nach sich: a) Flucht oder Ausreissen sowie die Beihilfe dazu; b) die Herstellung, der Erwerb, der Handel und der Besitz von Waffen oder jeglichen anderen Materials, das verboten ist oder einen gefährli - chen Nutzen aufweist; c) kollektive Handlungen, die die Sicherheit beeinträchtigen oder die Ordnung der Einrichtung stören; d) die Herstellung, der Konsum, die Einfuhr, der Handel und der illegale Besitz von Betäubungsmitteln, alkoholischen Getränken oder nicht verschriebener psychotropischer Substanzen;
e) das Nichteinhalten der Urlaubsbedingungen, insbesondere im Zusam - menhang mit dem Konsum von Betäubungsmitteln oder Alkohol oder nicht verschriebener psychotropischer Substanzen; f) Arbeitsverweigerung und jegliche andere Unwillensbekundung bei der Arbeit; g) die willentliche oder fahrlässige Entfremdung oder Beschädigung der - den oder jeglicher Güter, die der Einrichtung, dem Personal oder anderen Gefangenen gehören oder die sich auf dem Gelände der Einrichtung befinden; h) verbotene Kommunikation mit anderen Inhaftierten oder mit Perso - nen, die nicht der Einrichtung angehören; i) die Verschwendung von Lebensmitteln oder anderer Dinge oder Ge - genstände; j) unhöfliches und unangemessenes Verhalten; k) jeglicher Verstoss gegen die im Reglement der Einrichtung oder im in - dividuellen Erziehungsprogramm vorgesehenen Verhaltensregeln; l) jegliche Handlung, die unter das Strafrecht fällt.
2 Die Disziplinarstrafen oder Erziehungsmassnahmen werden unter Vorbe - halt eventueller strafrechtlicher Schritte verhängt.
Art. 5 Disziplinarstrafen
1 Folgende Disziplinarstrafen können gemäss dem Grundsatz der Verhält - nismässigkeit und unter Berücksichtigung ihrer erzieherischen Wirkung ver - hängt werden: a) die Verwarnung; b) die zeitweilige, vollständige oder teilweise Aufhebung der Möglichkeit zur Teilnahme an den von der Einrichtung angebotenen Freizeitaktivi - täten, zum Zugang zu den eingerichteten Vorrichtungen und zur Nut - zung der zur Verfügung gestellten oder bewilligten Geräte (v. a. Ra - dio, Fernseher, Computer) für eine bestimmte Dauer von maximal 30 Tagen; c) die zeitweilige Unterbindung der Kontakte gegen Aussen; d) Einschluss in der Zelle für eine Dauer von einer Stunde bis zu sieben Tagen; e) Disziplinararrest bis zu sieben Tage.
2 Die Disziplinarstrafen können kumuliert werden, mit Ausnahme der Buch - staben a), d) und e).
3 Eine Strafe kann bedingt ausgesprochen werden.
4 Es kann auf eine Strafe verzichtet werden.
5 Die im Reglement der Einrichtung vorgesehenen Erziehungsmassnahmen bleiben vorbehalten.
Art. 6 Zuständigkeit
1 Die im kantonalen Recht vorgesehene Verwaltungsbehörde oder die Di - rektion der Einrichtung ist für die Verhängung von Disziplinarstrafen in der Einrichtung zuständig.
Art. 7 Vollzugsmodalitäten
1 Die Direktion kann aus Gesundheitsgründen oder im Zusammenhang mit dem Erziehungsprogramm den Vollzug der Strafe aufschieben, aussetzen oder aufteilen.
Art. 8 Erstinstanzliches Verfahren
1 Erhält ein Mitarbeiter Kenntnis von einem möglichen Disziplinarvergehen, erstellt er einen schriftlichen Bericht zuhanden der Direktion. Die minderjäh - rige Person wird auf der Grundlage des Berichts gebeten, zum Sachverhalt
2 Erachtet die Direktion es als notwendig, nimmt sie danach ergänzende Er - mittlungen vor. Über die Anhörungen wird Protokoll geführt und die Ermitt - lungstätigkeiten werden dokumentiert.
3 Die gesetzlichen Vertreter der gefangenen oder eingewiesenen Person werden über das Verfahren in Kenntnis gesetzt.
4 Nach Abschluss des Verfahrens werden die Disziplinarstrafen der betroffe - nen Person schriftlich mitgeteilt. Die Einweisungsbehörde und die gesetzli - chen Vertreter werden informiert. Die Direktion stellt in jedem Fall sicher, dass die minderjährige Person den Inhalt der Verfügung verstanden hat.
5 Die Disziplinarverfügung enthällt mindestens: a) eine Sachverhaltsdarstellung; b) die ihr zugrundeliegenden gesetzlichen und reglementarischen Be - stimmungen; c) eine kurze Begründung; d) die Angabe der Art der ausgesprochenen Strafe;
e) notwendigenfalls die Angabe des Strafmasses; f) gegebenenfalls die Angabe der bedingten Strafe, der Bewährungsfrist und der Bedingungen zu deren Widerruf; g) die Angabe der Fristen und Rechtsmittel.
4 Beschwerde
Art. 9 Grundsatz
1 Gegen die Disziplinarentscheide kann innerhalb von fünf Tagen ab Eröff - nung des Entscheids Beschwerde eingelegt werden.
2 Die Erziehungsmassnahmen sind nicht anfechtbar. Gegen sie kann nach dem kantonalen Recht, dem die Einrichtung untersteht, Beschwerde einge - legt werden.
3 Die Beschwerde ist schriftlich, mit Begründung und mit Unterschrift einzu - reichen. In Ausnahmefällen kann eine einfache Beschwerdeerklärung zuge - lassen werden.
4 Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Art. 10 Zuständigkeit und Verfahren
1 Die Beschwerde wird an den Präsidenten der Beschwerdeinstanz des Konkordats gerichtet.
2 Bei Erhalt der Beschwerde setzt der Präsident der Beschwerdeinstanz die Behörde, die den angefochtenen Entscheid getroffen hat, darüber in Kennt - nis und fordert sie auf, innerhalb von 20 Tagen eine Stellungnahme und das Dossier des Entscheids vorzulegen. Die Stellungnahme wird der beschwer - deführenden Person zur Kenntnis gebracht, die innerhalb von zehn Tagen Stellung nehmen kann.
3 Die Beschwerdeinstanz trifft ihren Entscheid auf dem Zirkulationsweg mit der Mehrheit der Stimmen, auf der Grundlage eines Entscheidentwurfs, der vom Präsidenten der Beschwerdeinstanz verfasst wird. Sie kann nach Be - darf beschliessen, sich am Gericht des Sitzes des Präsidenten zu versam - meln.
4 Der Einweisungsbehörde, der Direktion des für die Einrichtung zuständi - gen Amtes sowie dem Sekretariat der Konferenz wird eine Kopie des Be - schwerdeentscheids zugestellt.
Art. 11 Beschwerdeentscheid
1 Der Beschwerdeentscheid enthält: a) die Angabe der Beschwerdeinstanz und ihrer Zuständigkeit; b) die Namen der Parteien und ihrer Vertreter; c) die Begründung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht; d) die Entscheidungsformel; e) das Datum und die Unterschrift; f) die Rechtsmittel.
2 Wird die Beschwerde gutgeheissen, entscheidet die Beschwerdeinstanz des Konkordats über eine allfällige Art der Genugtuung.
Art. 12 Gebühren und unentgeltliche Rechtspflege
1 Unter Vorbehalt von missbräuchlichen Beschwerden ist das Verfahren kostenlos.
2 Die unentgeltliche Rechtspflege richtet sich nach dem kantonalen Recht am Standort der Einrichtung. Die Beschwerdeinstanz befindet über die un - entgeltliche Rechtspflege und legt die Entschädigung des bezeichneten An - walts fest; die Entschädigung wird vom Kanton übernommen, der für die Unterbringung der minderjährigen Person zuständig ist.
Art. 13 Rechtsmittel
1 Die Entscheide der Beschwerdeinstanz der Konkordatsbehörde werden letztinstanzlich gefällt. Der Beschwerdeweg in Strafsachen an das Bundes - gericht bleibt offen.
5 Schlussbestimmungen
Art. 14 Kantonale Ausführungsbestimmungen
1 Die betroffenen Kantone verfügen über eine Frist von sechs Monaten zur - glement, beziehungsweise zur Verabschiedung interner Reglemente.
Art. 15 Übergangsbestimmungen
1 Bis zum Inkrafttreten der von der LKJPD am 31. Oktober 2013 verab - schiedeten Änderungen des Konkordats gilt die Ad-hoc-Behörde für die Be - handlung von Beschwerden nach Artikel 29 Abs. 3 und 12 des Konkordats als Beschwerdeinstanz des Konkordats wie in Artikel 10-13 dieses Regle - ments bezeichnet. Die genannte Behörde verfügt über die in diesem Regle - ment festgelegten Zuständigkeiten.
Art. 16 Inkrafttreten
1 Dieses Reglement tritt in Kraft, nachdem es von den Kantonen gemäss den eigenen Regeln verabschiedet worden ist.
2 Es wird in den Gesetzessammlungen der Kantone und auf der Internetsei - te der Lateinischen Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren veröffent - licht.
Änderungstabelle - Nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung Quelle Publikation
31.10.2013 01.01.2014 Erlass Erstfassung BO/Abl. 51/2013
Änderungstabelle - Nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Quelle Publikation Erlass 31.10.2013 01.01.2014 Erstfassung BO/Abl. 51/2013
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