Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen
Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen vom 29. Oktober 2004 (Stand 1. Januar 2007) Die Kantone Zürich, Glarus, Schaffhausen, Appenzell A.Rh., Appenzell I.Rh., St.Gallen, Graubünden und Thurgau schliessen sich zum ostschweizerischen Straf - vollzugskonkordat zusammen mit dem Ziel, die Aufgaben bei der Planung, beim Bau und beim Betrieb der Vollzugseinrichtungen zu verteilen und zu koordinie - ren, einen grundrechtskonformen, effizienten und kostengünstigen Vollzug zu er - möglichen sowie den Vollzug zu vereinheitlichen, damit die Vollzugsziele best - möglich erreicht werden können. 1 I. Einleitung (1.)
Art. 1 Geltungsbereich
1 Das Konkordat findet Anwendung auf den Vollzug: a) der in den Konkordatskantonen ausgesprochenen unbedingten Strafen sowie der stationären therapeutischen Massnahmen und der Verwahrungen gegen - über erwachsenen Personen; b) von Sanktionen gegenüber Erwachsenen und Jugendlichen, soweit der Vollzug in Vollzugseinrichtungen durchgeführt wird, die dem gemeinsamen Vollzug dienen (Konkordatsanstalten).
2 Die beteiligten Kantone informieren sich gegenseitig über ihre Planungen und Bauten im gesamten Bereich des Freiheitsentzugs und stimmen die Angebote so - weit möglich und zweckmässig aufeinander ab. II. Organisation (2.)
Art. 2 Strafvollzugskommission
1 Oberstes Organ des Konkordats ist die Strafvollzugskommission. Sie besteht aus je einem Regierungsmitglied der beteiligten Kantone.
1 Zustimmung des Kantons St.Gallen zum revidierten Konkordat am 28. Februar 2006 (RRB
2006/117). In Vollzug ab 1. Januar 2007.
2 Die Strafvollzugskommission: a) übt die Aufsicht über die Anwendung und Auslegung des Konkordats aus und entscheidet in Streitfällen; b) bestellt die notwendigen Organe; c) erlässt Richtlinien zur Zusammenarbeit im Vollzugsbereich und zur Ausge - staltung des Vollzugs, die mit Zustimmung aller Beteiligten als verbindlich er - klärt werden können; d) entscheidet mit Zustimmung der Standortkantone, welche Vollzugseinrich - tungen als Konkordatsanstalten gemeinsame Vollzugsaufgaben erfüllen, und plant das notwendige Angebot an Vollzugsplätzen; e) legt die Kostgelder für die Konkordatsanstalten fest; f) kann privat geführten Einrichtungen die Bewilligung erteilen, Strafen in Form der Halbgefangenschaft und des Arbeitsexternats, stationäre Behandlungen von psychisch gestörten und von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängi - gen Tätern, Massnahmen für junge Erwachsene sowie Sanktionen des Jugend - strafgesetzes zu vollziehen; g) nimmt Stellung zu Gesetzesvorlagen oder Berichten des Bundes oder zu inter - nationalen Verträgen oder Berichten internationaler Organisationen.
3 Die Strafvollzugskommission tritt mindestens zweimal im Kalenderjahr zusam - men. Sie wählt aus ihrer Mitte die Präsidentin oder den Präsidenten und deren Stellvertretung. Entscheide werden mit einfachem Stimmenmehr getroffen. Jeder Kanton hat eine Stimme. Bei Stimmengleichheit steht der Präsidentin oder dem Präsidenten der Stichentscheid zu. Im Übrigen ordnet die Strafvollzugskommis - sion ihr Verfahren selbst.
Art. 3 Zentralstelle
1 Die Strafvollzugskommission bestellt als vollziehendes Organ die Zentralstelle. Diese besteht aus dem Konkordatssekretariat als Leitung sowie je einer Vertretung der Fachkonferenzen der Anstaltsleiter, der Einweisungs- und Vollzugsbehörden sowie der Bewährungshilfe.
2 Die Zentralstelle: a) erkennt und analysiert kantonsübergreifende Entwicklungen im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzugs, stellt der Strafvollzugskommission Antrag und vollzieht deren Beschlüsse; b) stellt die Vernetzung unter den Konkordatsgremien sicher; c) nimmt Anträge der Fachkonferenzen auf und bearbeitet sie; d) fördert die Zusammenarbeit zwischen den Konkordaten; e) stellt den Kantonen Angaben zu, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benö - tigen, und gibt Empfehlungen über die Anwendung und Auslegung des Kon - kordats und der Richtlinien ab.
3 Im Übrigen regelt die Strafvollzugskommission Aufgaben und Organisation der Zentralstelle mit Reglement.
Art. 4 Sekretariat
1 Die Strafvollzugskommission bestimmt das Konkordatssekretariat.
2 Das Konkordatssekretariat: a) leitet die Zentralstelle und nimmt nach Möglichkeit an den Sitzungen der Fachkonferenzen teil; b) bereitet die Sitzungen der Strafvollzugskommission vor; c) orientiert die Kantone über wichtige Neuerungen im Vollzugsbereich, berät sie in einzelnen Vollzugsfällen und gibt im Interesse einer gleichmässigen Be - legung der Konkordatsanstalten Empfehlungen ab; d) führt alle Aufgaben aus, die nicht einem anderen Organ zugewiesen sind.
3 Die Kosten des Konkordatssekretariates tragen die beteiligten Kantone im Ver - hältnis der Einwohnerzahl gemäss der jeweils letzten eidgenössischen Volkszäh - lung. Die Strafvollzugskommission kann einen Grundbeitrag festlegen.
Art. 5 Fachkonferenzen
1 Es bestehen Fachkonferenzen der: a) Anstaltsleiter; b) Einweisungs- und Vollzugsbehörden; c) Bewährungshilfe.
2 Die Fachkonferenzen dienen dem interkantonalen fachspezifischen Erfahrungs- und Informationsaustausch. Sie erkennen Entwicklungen und Tendenzen im Be - reich des Straf- und Massnahmenvollzuges sowie des Anstalts- und Gefängniswe - sens und stellen der Zentralstelle Antrag zuhanden der Strafvollzugskommission.
3 Sie ordnen ihr Verfahren selbst.
Art. 6 Fachkommission zur Überprüfung der Gemeingefährlichkeit
1 Die Strafvollzugskommission bestellt eine Fachkommission aus Vertretungen der Strafverfolgungsbehörden, der Vollzugsbehörden und der Psychiatrie zur Über - prüfung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern und Straftäterinnen und be - zeichnet den Vorsitz.
2 Die Fachkommission beurteilt auf Antrag des für den Vollzug zuständigen Kantons die Gefährlichkeit von Straftätern und Straftäterinnen und gibt Empfeh - lungen ab: a) in den vom Bundesrecht vorgeschriebenen Fällen;
b) falls die Gemeingefährlichkeit eines Straftäters oder einer Straftäterin von der Vollzugsbehörde nicht eindeutig beantwortet werden kann, Zweifel hinsicht - lich der zu treffenden Massnahme bestehen oder trotz Bejahung der Gemein - gefährlichkeit eine Vollzugslockerung in Erwägung gezogen wird.
3 Im Übrigen regelt die Strafvollzugskommission Aufgaben und Organisation der Fachkommission mit Reglement. Die Kosten der Beurteilung trägt der für den Vollzug zuständige Kanton. III. Konkordatsanstalten (3.)
Art. 7 Aufteilung der Vollzugsaufgaben
1 Die beteiligten Kantone verpflichten sich unter dem Vorbehalt der Bewilligung der erforderlichen Kredite durch die nach kantonalem Recht zuständigen Instan - zen, folgende Vollzugseinrichtungen für den gemeinsamen Vollzug der Freiheits - strafen, der freiheitsentziehenden Massnahmen sowie der Unterbringung von Ju - gendlichen und des jugendstrafrechtlichen Freiheitsentzugs bereitzustellen, auszu - bauen und zu führen: 2 a) Kanton Zürich
1. Strafanstalt Pöschwies (geschlossener Vollzug)
2. Zweigstellen der Strafanstalt Pöschwies (offener Vollzug)
3. Massnahmenzentrum Uitikon (Massnahmen für junge Erwachsene sowie Schutzmassnahmen und Freiheitsentzug für Jugendliche) b) Kanton Appenzell A.Rh.
1. Strafanstalt Gmünden (offener Vollzug) c) Kanton St.Gallen
1. Strafanstalt Saxerriet (offener Vollzug)
2. Massnahmenzentrum Bitzi (Massnahmenvollzug, insbesondere Behand - lung von psychischen Störungen und Suchtbehandlung) d) Kanton Graubünden
1. Strafanstalt Sennhof (geschlossener Vollzug)
2. Anstalt Realta (offener Vollzug) e) Kanton Thurgau
1. Massnahmenzentrum für junge Erwachsene Kalchrain (Massnahmen für junge Erwachsene sowie Schutzmassnahmen und Freiheitsentzug für Ju - gendliche)
2 Im ursprünglichen Erlasstext war die tabellarische Auflistung nicht mit Aufzählungszeichen versehen. Die Buchstaben wurden im September 2013 aus technischen Gründen hinzuge - fügt.
2 Die Strafvollzugskommission kann auf Antrag des Standortkantons weiteren Vollzugseinrichtungen gemeinsame Vollzugsaufgaben übertragen, sofern die Voll - zugseinrichtung die in diesem Konkordat und den Richtlinien aufgestellten Anfor - derungen und Regeln einhält.
3 Über die Änderung der Zweckbestimmung einer Konkordatsanstalt oder deren Entbindung von gemeinsamen Vollzugsaufgaben entscheidet die Strafvollzugs - kommission auf Antrag des Standortkantons.
Art. 8 Personal
1 Damit der gesetzliche Vollzugsauftrag erfüllt und die Vollzugsgrundsätze einge - halten werden können, sorgen die beteiligten Kantone für: a) die Anstellung einer ausreichenden Zahl geeigneter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Vollzugseinrichtungen; b) die gemeinsame Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals. IV. Durchführung der Vollzüge (4.)
Art. 9 Grundsatz
1 Die beteiligten Kantone verpflichten sich, die von ihnen zu vollziehenden Frei - heitsstrafen und freiheitsentziehenden Massnahmen in den Konkordatsanstalten zu vollziehen.
2 Der Vollzug richtet sich nach den Vorschriften für die einzelnen Vollzugsein - richtungen. Sie werden von dem Kanton erlassen, der die Vollzugseinrichtung führt. Sie sind von der Strafvollzugskommission zu genehmigen.
3 Vorbehalten bleiben: a) der Vollzug von Freiheitsstrafen in einem Gefängnis des für den Vollzug zu - ständigen Kantons, wenn die betroffene Person aus zeitlichen oder persönli - chen Gründen nicht in eine Konkordatsanstalt eingewiesen werden kann; b) der Vollzug in Form der Halbgefangenschaft oder im Rahmen des Wohn- und Arbeitsexternats; c) die Abtretung des Vollzugs an einen Kanton, der dem Konkordat nicht ange - hört; d) die Einweisung in eine Vollzugseinrichtung ausserhalb des Konkordats im Einzelfall aus Sicherheitsgründen, zur Optimierung der Insassenzusammen - setzung oder wenn die Wiedereingliederung auf Grund der Beschäftigungs- oder Ausbildungssituation oder mit Rücksicht auf das familiäre Umfeld da - durch erleichtert wird. Soweit der einweisende Kanton für Entscheide zustän - dig ist, wendet er dieses Konkordat und die Richtlinien der Strafvollzugskom - mission an.
Art. 10 Zuständigkeit
1 Der einweisende Kanton: a) bestimmt im Einzelfall die geeignete Vollzugseinrichtung; b) koordiniert die Planung des gesamten Vollzugs einschliesslich der Probezeit nach der Entlassung aus der Vollzugseinrichtung; er stellt der Vollzugsein - richtung, der Bewährungshilfe und den anderen am Vollzug beteiligten Stel - len die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen und Unterlagen zu; c) entscheidet über Vollzugsöffnungen wie die Bewilligung von Urlaub, die Ver - legung in den offenen Vollzug, den Vollzug in Form des Arbeits- sowie des Wohn- und Arbeitsexternats, die bedingte Entlassung sowie die Unterbre - chung des Vollzugs. Er kann die Kompetenz für die Bewilligung von Urlaub sowie des Wohn- und Arbeitsexternats der Leitung der Vollzugseinrichtung delegieren.
2 Die Vollzugseinrichtung:
1. übernimmt die zugewiesenen Personen im Rahmen ihrer Aufnahmefähigkeit und entlässt sie nach den Anordnungen des einweisenden Kantons;
2. erstellt innerhalb der Vorgaben des einweisenden Kantons zusammen mit der eingewiesenen Person den Vollzugsplan;
3. bezieht die Bewährungshilfe oder Fachstellen bei Bedarf mit ein, insbesondere bei der Vorbereitung der Entlassung;
4. erstattet dem einweisenden Kanton Bericht, wenn er es verlangt, bei besonde - ren Vorkommnissen wie schweren Disziplinarverstössen, Unfall oder Tod der eingewiesenen Person und mit der Überweisung von Gesuchen.
Art. 11 Vollzugsplan
1 Der Vollzugsplan ist ein Planungsinstrument zur Konkretisierung der Vollzugs - ziele im Einzelfall. Er nennt die Massnahmen sowie pädagogischen und therapeu - tischen Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen.
2 Je nach Dauer des Aufenthalts in der Vollzugseinrichtung und den zu erwarten - den Lebensverhältnissen nach der Entlassung enthält er Angaben über die not - wendige Betreuung und den Therapiebedarf, die Arbeit, die schulische und beruf - liche Aus- und Weiterbildung, die Wiedergutmachung, die Beziehungen zur Aus - senwelt sowie die Vorbereitung der Entlassung. Der Vollzugsplan wird periodisch überprüft und bei Bedarf angepasst.
Art. 12 Versetzung
1 Erweist sich die eingewiesene Person für den Vollzug in der bezeichneten Voll - zugseinrichtung als ungeeignet, verursacht ihr Verhalten derartige Schwierigkei - ten, dass sie nicht mehr tragbar ist, oder kann die Sanktion aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter vollzogen werden, beantragt die Leitung der Vollzugsein - richtung dem einweisenden Kanton die Versetzung. Bei Uneinigkeit vermittelt das Konkordatssekretariat.
2 Bei Versetzung werden die Vollzugsakten einschliesslich Vollzugsplan und Be - richt über den Stand der Umsetzung der neuen Vollzugseinrichtung weitergeleitet.
Art. 13 Vollzugskosten
1 Der einweisende Kanton vergütet dem vollziehenden Kanton die Vollzugskosten sowie die Auslagen für Einlieferung und Entlassung. Der Rückgriff auf andere Zahlungspflichtige bleibt dem einweisenden Kanton vorbehalten.
2 Die Strafvollzugskommission legt die Höhe des Kostgeldes unter Berücksichti - gung der Aufgaben der einzelnen Vollzugseinrichtungen fest und bestimmt, wel - che Leistungen mit dem Kostgeld abgegolten werden. Sie legt Minimalstandards fest, die erfüllt sein müssen, damit das entsprechende Kostgeld verlangt werden kann.
Art. 14 Kostenbeteiligung
1 Die eingewiesene Person: a) bezahlt persönliche Anschaffungen, insbesondere Raucherwaren, Genussmit - tel, Toilettenartikel und Zeitungsabonnemente, die Urlaubskosten sowie die Gebühren für die Benützung von Radio-, Fernseh- und Telefonanlagen zulas - ten ihres Arbeitsentgeltes; b) wird an den Kosten der Halbgefangenschaft, des Arbeitsexternats sowie des Wohn- und Arbeitsexternats angemessen beteiligt; c) trägt die Kosten für Sozialversicherungsbeiträge, besondere Weiterbildungs - massnahmen und die Heimschaffung, soweit es ihr möglich und zumutbar ist. V. Schlussbestimmungen (5.)
Art. 15 Vereinbarungen mit andern Konkordaten und Kantonen
1 Die Strafvollzugskommission trifft die notwendigen Vereinbarungen mit andern Konkordaten, insbesondere in Bezug auf die Unterbringung von Frauen und von kranken Gefangenen.
2 Generelle Vereinbarungen einzelner Kantone mit anderen Kantonen oder Kon - kordaten bedürfen der Genehmigung der Strafvollzugskommission.
Art. 16 Kündigung
1 Jeder Kanton kann unter Beachtung einer fünfjährigen Frist auf Ende eines Ka - lenderjahres durch schriftliche Erklärung vom Konkordat zurücktreten.
2 Die verbleibenden Kantone teilen die Vollzugsaufgaben soweit nötig neu auf.
Art. 17 Aufhebung der bisherigen Vereinbarung
1 Die Vereinbarung vom 31. März 1976 wird aufgehoben.
Art. 18 Inkrafttreten
1 Die Strafvollzugskommission bestimmt das Inkrafttreten dieses Konkordats. 3
3 Von der Ostschweizerischen Strafvollzugskommission am 21. Dezember 2006 auf den 1. Ja - nuar 2007 festgelegt.
* Änderungstabelle - Nach Bestimmung Bestimmung Änderungstyp nGS-Fundstelle Erlassdatum Vollzugsbeginn Erlass Grunderlass 42–35 29.10.2004 01.01.2007 * Änderungstabelle - Nach Erlassdatum Erlassdatum Vollzugsbeginn Bestimmung Änderungstyp nGS-Fundstelle
29.10.2004 01.01.2007 Erlass Grunderlass 42–35
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