Gesetz über das Öffentlichkeitsprinzip
Gesetz über das Öffentlichkeitsprinzip (Öffentlichkeitsgesetz, ÖffG) vom 16. Februar 2022 (Stand 1. Juni 2022)
1. Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Zweck und Gegenstand
1 Dieses Gesetz bezweckt, das Handeln der öffentlichen Organe transparent zu ge - stalten. Damit soll die freie Meinungsbildung zur Wahrnehmung der demokratischen Rechte und die Kontrolle des staatlichen Handelns gefördert werden.
2 Das Gesetz regelt die Information der Öffentlichkeit durch die öffentlichen Organe und die Einsicht in amtliche Akten der öffentlichen Organe.
§ 2 Begriffe
1 In diesem Gesetz bedeuten:
1. Öffentliches Organ: Organe, Behörden, Kommissionen, Ämter, Betriebe oder Dienststellen des Kantons, der Politischen Gemeinden, der Schulgemeinden sowie ihrer öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen
2. Information: Schriftliches, elektronisches oder mündliches in Kenntnis setzen über eine bestimmte Sache, ein Anliegen oder ein Geschäft
3. Amtliche Akte: Zusammenfassung aller Unterlagen, die bei der Erledigung ei - ner Aufgabe entstehen und für deren Fortführung benötigt werden. Eine Un - terlage ist die Aufzeichnung des öffentlichen Organs auf einem beliebigen In - formationsträger oder das Hilfsmittel, das für das Verständnis und die Nut - zung einer Aufzeichnung notwendig ist.
§ 3 Persönlicher Geltungsbereich
1 Dieses Gesetz gilt für die öffentlichen Organe. Den öffentlichen Organen gleichge - stellt sind Organisationen und Personen des privaten und öffentlichen Rechts, soweit sie staatliche Aufgaben erfüllen.
2 Es gilt für die richterlichen Behörden, soweit diese administrative Aufgaben oder Aufgaben im Zusammenhang mit einer Aufsichtstätigkeit erfüllen.
3 Es gilt nicht für die Thurgauer Kantonalbank und die thurmed AG einschliesslich deren Tochtergesellschaften sowie für die öffentlichen Organe, soweit sie am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen und dabei privatrechtlich handeln.
4 Energieversorgungsunternehmen unterstehen ausschliesslich mit ihren Tätigkeiten im regulierten Monopol dem Öffentlichkeitsgesetz unabhängig von ihrer Rechts - form.
§ 4 Sachlicher Geltungsbereich
1 Dieses Gesetz findet Anwendung auf Informationen und amtliche Akten.
2 Es wird nicht angewendet in Verfahren:
1. der Zivil- und Strafrechtspflege
2. der Verwaltungsrechtspflege
3. der internationalen Rechts- und Amtshilfe
4. der Schiedsgerichtsbarkeit
3 Das Gesetz findet zudem keine Anwendung, soweit Bestimmungen anderer Geset - ze
1. Informationen oder amtliche Akten als geheim oder vertraulich bezeichnen,
2. von diesem Gesetz abweichende Voraussetzungen für die Einsicht in be - stimmte Informationen oder amtliche Akten vorsehen.
4 Die Einsicht in amtliche Akten, die Personendaten der gesuchstellenden Person enthalten, richten sich nach dem Gesetz über den Datenschutz (TG DSG)
1 )
.
§ 5 Zeitlicher Geltungsbereich
1 Das Gesetz gilt für amtliche Akten, die von den öffentlichen Organen seit dem
20. Mai 2019 erstellt oder empfangen wurden und jünger als 20 Jahre alt sind.
2 Für amtliche Akten, die älter als 20 Jahre alt sind, gelten die Bestimmungen des Gesetzes über Aktenführung und Archivierung (ArchivG)
2 )
.
§ 6 Die oder der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte
1 Die oder der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte nach § 17 TG DSG hat nach dem vorliegenden Gesetz insbesondere folgende Aufgaben:
1. die öffentlichen Organe in Fragen des Öffentlichkeitsprinzips zu beraten
2. das Schlichtungsverfahren nach § 15 und § 16 zu leiten, und für den Fall, dass es zu keiner Einigung kommt, eine Empfehlung nach § 17 abzugeben
3. auf Anfrage private Personen über die Modalitäten des Rechts auf Einsicht in amtliche Akten zu informieren
4. sich zu Rechtssetzungsvorhaben, die das Öffentlichkeitsprinzip betreffen, äus - sern zu können
1) RB 170.7
2) RB 432.10
2 Sie oder er ist hinsichtlich Personendaten, die bei ihrer oder seiner Tätigkeit zur Kenntnis genommen werden, zur gleichen Verschwiegenheit verpflichtet wie das für das Einsichtsgesuch zuständige öffentliche Organ.
§ 7 Information der Öffentlichkeit
1 Die öffentlichen Organe informieren von sich aus über ihre Tätigkeiten von allge - meinem Interesse. Die Information ist zulässig, soweit nicht überwiegende öffentli - che oder private Interessen im Sinne von § 10 entgegenstehen.
2 Die Information muss verständlich, umfassend und frühzeitig erfolgen.
3 Über hängige Verfahren können die öffentlichen Organe informieren, wenn dies zur Berichtigung oder Vermeidung falscher Meldungen notwendig ist oder wenn in einem besonders schweren oder Aufsehen erregenden Fall die unverzügliche In - formation angezeigt ist.
4 Politische Gemeinden und Schulgemeinden informieren nach ihren Bestimmungen.
2. Recht auf Einsicht in amtliche Akten
§ 8 Grundsatz
1 Jede Person hat das Recht auf Einsicht in amtliche Akten.
§ 9 Einsichtsgewährung
1 Das öffentliche Organ gewährt Einsicht in amtliche Akten durch:
1. die Einsichtnahme vor Ort
2. die schriftliche oder mündliche Auskunft über den Inhalt
3. die Zustellung der amtlichen Akten in Kopie oder ausnahmsweise im Original
2 Der Anspruch nach Abs. 1 gilt als erfüllt, wenn die amtlichen Akten in einem amt - lichen Publikationsorgan, auf der Internetseite oder in ähnlicher Weise durch die öf - fentlichen Organe bereits veröffentlicht worden sind.
§ 10 Ausnahmen
1 Die Einsichtsgewährung wird aufgeschoben, eingeschränkt oder verweigert, soweit überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
2 Öffentliche Interessen sind namentlich:
1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit
2. die unmittelbar gefährdete Wirksamkeit von staatlich angeordneten Massnah - men
3 Private Interessen sind insbesondere:
1. der Schutz der Privatsphäre Dritter
2. der Schutz des Berufs-, Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisses
4 Diese Ausnahmebestimmungen beziehen sich nur auf den schutzwürdigen Teil der amtlichen Akten und gelten nur solange, als das überwiegende Interesse an der Ge - heimhaltung besteht.
§ 11 Besondere Fälle
1 Die Einsicht in amtliche Akten wird erst gewährt, wenn der politische oder administrative Entscheid oder Beschluss, für den sie die Grundlage bilden, getroffen ist.
2 Die Einsicht in amtliche Akten über Positionen in laufenden und künftigen Ver - handlungen wird nicht gewährt.
3 Protokolle parlamentarischer Kommissionen sind nach Abschluss der Beratungen, nach der Kenntnisnahme oder nach der Schlussabstimmung im Parlament, gegebe - nenfalls nach Ablauf der Referendumsfrist oder nach der Volksabstimmung öffent - lich.
4 Nicht öffentlich sind Protokolle kommunaler und kantonaler Aufsichtskommissio - nen.
3. Verfahren zur Geltendmachung des Einsichtsrechts
§ 12 Gesuch
1 Das Gesuch um Einsicht in amtliche Akten ist schriftlich oder elektronisch an das öffentliche Organ zu richten, das die Akten erstellt hat oder besitzt.
2 Das Gesuch muss nicht begründet werden.
3 Es hat mindestens zu enthalten:
1. Name, Vorname sowie eine Zustelladresse der gesuchstellenden Person
2. möglichst genaue Bezeichnung oder Bestimmbarkeit der verlangten Akten
4 Das öffentliche Organ kann innert 20 Tagen verlangen, dass die gesuchstellende Person das Gesuch innert 20 Tagen präzisiert. Andernfalls gilt das Gesuch als zu - rückgezogen.
5 Auf querulatorische oder missbräuchliche Gesuche wird nicht eingetreten.
§ 13 Schutz von Personendaten Dritter
1 Amtliche Akten, die Personendaten Dritter enthalten, sind vor der Einsichtnahme nach Möglichkeit zu anonymisieren oder nicht zur Einsichtnahme vorzulegen.
2 Können die Personendaten nicht anonymisiert oder nicht zur Einsichtnahme vorge - legt werden oder überwiegt ausnahmsweise das öffentliche Interesse an der Einsicht in amtliche Akten, ist das Gesuch nach dem TG DSG zu beurteilen. Die betroffene Person ist vorgängig anzuhören.
3 Das öffentliche Organ teilt der gesuchstellenden Person die Durchführung der An - hörung mit.
§ 14 Stellungnahme des öffentlichen Organs
1 Das öffentliche Organ nimmt zum Gesuch innert 20 Tagen Stellung. Die Frist kann um 20 Tage verlängert werden. Das öffentliche Organ informiert die gesuchstellende Person über eine Fristverlängerung.
2 Es teilt der gesuchstellenden oder der angehörten Person nach § 13 mit einer kurzen schriftlichen oder elektronischen Begründung mit, ob, in welchem Umfang und in welcher Form dem Gesuch entsprochen wird.
§ 15 Schlichtung
1 Die gesuchstellende Person, deren Einsicht in amtliche Akten aufgeschoben, einge - schränkt oder verweigert wird oder deren Gesuch nicht fristgerecht behandelt wor - den ist, und die angehörte Person nach § 13, gegen deren Willen das öffentliche Or - gan Akteneinsicht gewähren will, können der oder dem Datenschutz- und Öffent - lichkeitsbeauftragten einen Antrag auf Schlichtung stellen.
2 Der Schlichtungsantrag ist innert 20 Tagen nach Empfang der Stellungnahme oder nach Ablauf der dem öffentlichen Organ für die Stellungnahme zur Verfügung ste - henden Frist schriftlich oder elektronisch zu stellen.
§ 16 Schlichtungsverfahren
1 Die oder der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte klärt ab, ob das öffentli - che Organ das Gesuch rechtmässig und angemessen behandelt hat. Das öffentliche Organ stellt ihr oder ihm die erforderlichen amtlichen Akten zu und kann die Stel - lungnahme ergänzen. Sie oder er hat auch das Recht auf Einsicht in amtliche Akten, die der Geheimhaltung unterliegen.
2 Sie oder er hört die am Schlichtungsverfahren Beteiligten an und strebt zwischen ihnen eine Einigung an. Sie oder er kann Vorschläge unterbreiten.
3 Kommt eine Einigung zustande, gilt das Verfahren als erledigt.
4 Die Beteiligten sind verpflichtet, zur Einhaltung der Fristen beizutragen, an der Su - che nach einer Einigung mitzuwirken und an der Schlichtungsverhandlung teilzu - nehmen. Der Schlichtungsantrag gilt als zurückgezogen und das Verfahren als erle - digt, wenn die antragstellende Person nach § 15 Abs. 1 an der Verhandlung nicht teilnimmt.
5 Das Verfahren kann schriftlich oder mündlich durchgeführt werden. Die oder der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte stellt das Ergebnis des Verfahrens fest und teilt es den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit.
§ 17 Empfehlung
1 Wird keine Einigung erzielt, gibt die oder der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbe - auftragte den an der Schlichtung Beteiligten eine schriftliche Empfehlung ab.
2 Die oder der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte kann insbesondere emp - fehlen, dass
1. die Einsicht in bestimmte amtliche Akten zu gewähren ist,
2. gewisse amtliche Akten oder Inhalte zu anonymisieren sind,
3. die Beschränkung der Akteneinsicht aufrechtzuerhalten ist,
4. vor dem Entscheid über die Akteneinsicht eine Anhörung nach § 13 bei der betroffenen Drittperson durchzuführen ist,
5. die Gebühren- oder Kostenvorschussfrage neu zu beurteilen ist.
3 Die Empfehlung darf keine Informationen enthalten, die eines der geschützten In - teressen nach § 10 Abs. 1 und Abs. 2 beeinträchtigen könnte.
4 Die oder der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte veröffentlicht die Emp - fehlungen und stellt den Schutz der Personendaten der am Schlichtungsverfahren Beteiligten sicher.
§ 18 Entscheid
1 Die gesuchstellende oder die angehörte Person kann innert 20 Tagen nach Erhalt der Empfehlung schriftlich oder elektronisch einen Entscheid verlangen.
2 Das öffentliche Organ folgt der Empfehlung oder erlässt einen Entscheid, wenn es in Abweichung von der Empfehlung das Recht auf Einsicht in amtliche Akten auf - schieben, einschränken oder verweigern oder die Einsicht in eine amtliche Akte, die Personendaten enthält, gewähren will.
3 Das öffentliche Organ folgt innert 30 Tagen der Empfehlung oder erlässt innert 30 Tagen nach Zustellung der Empfehlung oder nach Eingang des Gesuches nach Abs. 1 einen Entscheid. Das öffentliche Organ stellt der oder dem Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten den Entscheid und allfällige Entscheide der Rechtsmit - telinstanzen zu.
§ 19 Amtliche Kosten
1 Die Einsicht in amtliche Akten erfolgt grundsätzlich kostenlos.
2 Ist die Akteneinsicht mit einem erheblichen Aufwand verbunden, kann das öffentli - che Organ eine angemessene Verfahrensgebühr erheben und dafür einen Kostenvor - schuss verlangen. Die gesuchstellende Person ist darüber vorab zu informieren. Leistet sie den Kostenvorschuss nicht fristgerecht, wird auf das Gesuch nicht einge - treten.
§ 20 Verfahren und Rechtsschutz
1 Unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen in diesem Gesetz richten sich das Verfahren und der Rechtsschutz nach dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (VRG)
1 )
. Die Rechtsmittelinstanzen haben auch das Recht auf Einsicht in amtliche Akten, die der Geheimhaltung unterliegen.
2 Das Verwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide nach § 18 des Regierungsrats, des Obergerichts als erste Instanz und der Rekurskommission in An - waltssachen.
3 Das Obergericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide nach § 18 der Friedens - richterinnen und Friedensrichter, der Bezirksgerichte, des Zwangsmassnahmenge - richts, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden und des Verwaltungsgerichts als erste Instanz.
1) RB 170.1
Änderungstabelle - Nach Paragraph Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Amtsblatt Erlass 16.02.2022 01.06.2022 Erstfassung 8/2022
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