Verordnung des Regierungsrates über die Rechtsstellung der Patienten und Patientinnen (811.314)
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Verordnung des Regierungsrates über die Rechtsstellung der Patienten und Patientinnen

Verordnung des Regierungsrates über die Rechtsstellung der Patienten und Patientinnen vom 25. August 2015 (Stand 1. September 2015)
1. Grundsätze

§ 1 Geltungsbereich

1 Diese Verordnung ergänzt die Bestimmungen des Gesundheitsgesetzes
1 ) über die Rechte und Pflichten der Patienten und Patientinnen und findet in sämtlichen öffent - lichen und privaten Einrichtungen des Gesundheitswesens Anwendung. Sie gilt sinngemäss für Personen, die in Behandlung und Pflege bei freiberuflich tätigen Be - willigungsinhabern und Bewilligungsinhaberinnen stehen.
2 Kann diesen Erlassen keine Vorschrift entnommen werden, finden die Bestimmun - gen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches
2 ) und des Obligationenrechts
3 ) Anwen - dung.

§ 2 Rechtsweg

1 Sieht das Gesetz keinen anderen Rechtsweg vor, so richten sich Streitigkeiten über die Rechtsstellung der Patienten und Patientinnen nach der Natur des Rechtsverhält - nisses zwischen dem Patienten oder der Patientin und der betroffenen Einrichtung respektive dem betroffenen Bewilligungsinhaber oder der betroffenen Bewilligungs - inhaberin.
2. Allgemeine Bestimmungen

§ 3 Patientenaufnahme

1 Die Patienten und Patientinnen sind nach ihrem Eintritt möglichst rasch und in ver - ständlicher Weise über ihre Rechte und Pflichten zu informieren.
2 Erfolgt die Aufnahme in eine stationäre Einrichtung, besteht ein Anspruch darauf, in den Tagesablauf der entsprechenden Abteilung sowie in die für sie relevanten weiteren medizinischen und betrieblichen Abläufe eingeführt zu werden.
1) RB 810.1
2) SR 210
3) SR 220
3 Die Namen der behandelnden Ärzte und Ärztinnen sowie des Pflegepersonals sind den Patienten und Patientinnen bekanntzugeben. Auf Verlangen hat die Bekanntga - be schriftlich zu erfolgen.

§ 4 Wahrung der Privatsphäre

1 Die Privatsphäre der Patienten und Patientinnen sowie ihrer Angehörigen ist zu wahren.

§ 5 Besuche

1 Die Patienten und Patientinnen haben das Recht, innerhalb der in der Hausordnung festgesetzten Zeiten Besuche zu empfangen, sofern ihr medizinischer Zustand dies erlaubt.
2 Sie können Besuche verbieten.

§ 6 Wünsche der Betroffenen

1 Auf die Wünsche der Patienten und Patientinnen, ihrer Angehörigen und gesetzli - chen Vertreter und Vertreterinnen ist Rücksicht zu nehmen, soweit sich dies aus me - dizinischen und betrieblichen Gründen verantworten lässt.

§ 7 Sozialberatung und Seelsorge

1 Die Patienten und Patientinnen haben während ihrem Aufenthalt in einer statio - nären Einrichtung das Recht, sich bei sozialen Problemen beraten zu lassen. Sie ha - ben zudem das Recht, einen Seelsorger oder eine Seelsorgerin beizuziehen. Wäh - rend des Aufenthalts sind Beratung und Seelsorge, welche durch die Einrichtung er - bracht werden, kostenlos.

§ 8 Pflichten der Patienten und Patientinnen

1 Die Patienten und Patientinnen haben die Anordnungen des Personals zu befolgen und dieses bei der Diagnostik, Behandlung und Pflege nach besten Kräften zu unter - stützen.
2 Sie haben auf die Mitpatienten und Mitpatientinnen Rücksicht zu nehmen.
3 Bei schweren Verstössen gegen ihre Pflichten können sie aus der Einrichtung ent - lassen oder in eine andere Abteilung verlegt werden, sofern dadurch weder ihre Ge - sundheit noch diejenige anderer Personen gefährdet wird.
3. Besondere Bestimmungen betreffend Aufklärung, Zustimmung und Behandlung

§ 9 Aufklärung und Zustimmung

1 Die vorgängige Aufklärung und Zustimmung des Patienten oder der Patientin nach § 32 f. des Gesundheitsgesetzes darf nur in Notfällen unterbleiben, in welchen die betroffene Person nicht in der Lage ist, ihr ausdrückliches Einverständnis zu erklä - ren. Sobald es der Gesundheitszustand erlaubt, ist die Aufklärung nachträglich vor - zunehmen und die Zustimmung einzuholen.
2 Die Aufklärung ist schonend vorzunehmen. Dies gilt im Besonderen, wenn voraus - zusehen ist, dass die Aufklärung den Patienten oder die Patientin übermässig belas - tet oder den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflusst. Verlangen der Patient oder die Patientin in einem solchen Fall eine vollumfängliche Aufklärung, ist sie ihnen zu er - teilen.
3 Angehörige und Drittpersonen dürfen nur mit Einverständnis des Patienten oder der Patientin über deren Gesundheitszustand informiert werden. Das Einverständnis für die Aufklärung des Ehepartners, des eingetragenen Partners oder der eingetrage - nen Partnerin, sowie der Person, die mit dem Patienten oder der Patientin in Lebens - gemeinschaft steht, der Nachkommen in gerader Linie sowie der Eltern minderjähri - ger Kinder wird vermutet.

§ 10 Ausdehnung von Operationen

1 Zeigt sich im Verlaufe einer Operation, dass sie über das der betroffenen Person bekanntgegebene Mass hinaus ausgedehnt werden muss, damit eine ernsthafte Ge - fährdung oder ein nicht wiedergutzumachender Nachteil vermieden werden kann, sind die operierenden Ärzte und Ärztinnen zur Ausdehnung berechtigt, wenn sie im Interesse und mit mutmasslicher Einwilligung der betroffenen Person handeln.
2 Sobald es der Gesundheitszustand erlaubt, ist der Patient oder die Patientin über Art und Umfang der Ausdehnung der Operation sowie deren Folgen zu unterrichten und die Zustimmung zur vorgenommenen Ausdehnung nachträglich einzuholen.

§ 11 Nachbehandlung

1 Die einweisenden oder nachbehandelnden Ärzte und Ärztinnen sind über den Zu - stand der Patienten und Patientinnen und die erforderlichen weiteren Massnahmen rechtzeitig zu unterrichten.
2 Die Patienten und Patientinnen und gegebenenfalls ihre nächsten Angehörigen sind über die Pflege und die Behandlung nach der Entlassung zu unterrichten. Nach Mög - lichkeit sollen sie zur Selbsthilfe angeleitet oder auf geeignete Hilfsdienste aufmerk - sam gemacht werden.

§ 12 Datenaufbewahrung, Auskunft und Einsichtnahme

1 Die öffentlichen und privaten Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie die frei - beruflich tätigen Bewilligungsinhaber und Bewilligungsinhaberinnen sind verpflich - tet, die von ihnen bearbeiteten Personendaten durch angemessene technische und or - ganisatorische Massnahmen vor unberechtigter Veränderung und unerlaubter Be - kanntgabe sowie vor Verlust zu schützen.
2 Keine Einsicht erhält der Patient oder die Patientin in persönliche Notizen der Ärzte und Ärztinnen und des Pflegepersonals sowie in Angaben über Drittpersonen.
3 Auskünfte an Dritte oder deren Einsichtnahme in Aufzeichnungen gemäss § 20 des Gesundheitsgesetzes setzen das Einverständnis des Patienten oder der Patientin vor - aus. Dieses Einverständnis wird bezüglich dem Ehepartner, dem eingetragenen Part - ner und der eingetragenen Partnerin sowie der Person, die mit dem Patienten oder der Patientin in Lebensgemeinschaft steht, vermutet.
4 Ist der Patient oder die Patientin minderjährig oder unter umfassender Beistand - schaft, steht das Recht auf Auskunft und Einsicht in die Krankengeschichte auch der gesetzlichen Vertretung zu, soweit der urteilsfähige Patient oder die urteilsfähige Pa - tientin nicht widersprechen.
4. Weitere Bestimmungen für psychisch kranke und zwangseingewiesene Personen

§ 13 Grundsatz

1 Sofern die nachfolgenden Bestimmungen dieses Titels keine Abweichung vorse - hen, haben psychisch kranke und zwangseingewiesene Personen die gleichen Rechte und Pflichten wie alle übrigen Patienten und Patientinnen.

§ 14 Behandlungsplan

1 Nach Eintritt in die Einrichtung wird in Absprache mit dem Patienten oder der Pa - tientin ein Behandlungsplan erstellt. Dieser enthält Angaben über die Probleme und Bedürfnisse der betroffenen Person sowie insbesondere die mittel- und langfristigen Behandlungs-, Rehabilitations- und Pflegeziele mit den geplanten Therapien und Massnahmen. Der Behandlungsplan berücksichtigt die Hilfs- und Unterstützungs - möglichkeiten aus dem sozialen Umfeld des Patienten oder der Patientin.
2 Der Behandlungsplan wird den veränderten Verhältnissen und der persönlichen Entwicklung der betroffenen Person laufend angepasst. Entsprechende Anpassungen sind dem Patienten oder der Patientin zur Zustimmung zu unterbreiten.
3 Im Weiteren gelten die Bestimmungen des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts.

§ 15 Freiheitseinschränkende Massnahmen

1 Freiheitseinschränkende Massnahmen dürfen von der Einrichtungsleitung nur in Fällen angeordnet werden, in denen eine ernsthafte Gefahr für das Leben oder die körperliche Integrität der betroffenen Person oder Dritter abgewendet werden soll und weniger einschneidende Massnahmen nicht ausreichen oder von vornherein als ungenügend erscheinen. Sie dürfen nur so lange angewendet werden, wie diese Ge - fahr anhält. Die Anwendung von freiheitseinschränkenden Massnahmen hat unter grösstmöglicher Schonung der betroffenen Person zu erfolgen. Es dürfen keine Massnahmen ergriffen werden, welche zu einer Schädigung der betroffenen Person führen können. Die Einrichtungsleitung bezeichnet den verantwortlichen Arzt oder die verantwortliche Ärztin.
2 Der verantwortliche Arzt oder die verantwortliche Ärztin hat für eine geeignete Si - cherung, Betreuung und Überwachung des Patienten oder der Patientin zu sorgen. Der verantwortliche Arzt oder die verantwortliche Ärztin überprüft in angemessen kurzen Abständen die Notwendigkeit der Fortführung der angeordneten Massnahme und orientiert die Einrichtungsleitung regelmässig über den Zustand der betroffenen Person. Der verantwortliche Arzt oder die verantwortliche Ärztin können der Ein - richtungsleitung Empfehlungen aussprechen.
3 Die Gründe für die freiheitseinschränkende Massnahme, die Art und die Dauer der Massnahme, die Orientierungen der Einrichtungsleitung, die ausgesprochenen Emp - fehlungen des verantwortlichen Arztes oder der verantwortlichen Ärztin sowie die Angaben über die beteiligten Personen sind zu protokollieren und sowohl von der Einrichtungsleitung als auch dem verantwortlichen Arzt oder der verantwortlichen Ärztin zu unterzeichnen.
4 Die Einrichtungsleitungen haben für das Ergreifen freiheitseinschränkender Mass - nahmen Richtlinien zu erlassen. Diese haben insbesondere darzulegen, wer wann welche Mittel einsetzen darf und wie Missbräuche und übermässige Auswirkungen auf den Patienten oder die Patientin verhindert werden sollen. Diese Richtlinien be - dürfen der Genehmigung durch das Departement.
5 Für die bewilligungspflichtigen Wohn- und Pflegeeinrichtungen gelten die Weisun - gen des Departementes für Finanzen und Soziales betreffend Massnahmen zur Ein - schränkung der Bewegungsfreiheit in Wohn- und Pflegeeinrichtungen für Er - wachsene. Sie haben nicht zusätzlich Richtlinien nach Abs. 4 zu erlassen.
6 Im Weiteren gelten die Bestimmungen des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts.
Änderungstabelle - Nach Paragraph Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Amtsblatt Erlass 25.08.2015 01.09.2015 Erstfassung 35/2015
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