Rahmenvereinbarung für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich (613.3)
CH - TG

Rahmenvereinbarung für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich

Rahmenvereinbarung für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich (IRV) vom 24. Juni 2005 (Stand 11. Mai 2007)
1. Allgemeine Bestimmungen
1.1. Grundsätze

Art. 1 Zweck und Geltungsbereich

1 Die Rahmenvereinbarung regelt Grundsätze und Verfahren der interkantonalen Zu - sammenarbeit mit Lastenausgleich.
2 Sie bildet die Grundlage für interkantonale Zusammenarbeitsverträge in den Berei - chen gemäss Art. 48a der Bundesverfassung
1 )
.
3 Kantone können interkantonale Zusammenarbeitsverträge in anderen Aufgabenbe - reichen der Rahmenvereinbarung unterstellen.

Art. 2 Ziele der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich

1 Mit der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich wird eine bedarfsge - rechte und wirtschaftliche Aufgabenerfüllung angestrebt.
2 Sie ist so auszugestalten, dass die Nutzniesser auch Kosten- und Entscheidungsträ - ger sind.
3 Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) veröffentlicht alle vier Jahre einen Rechenschaftsbericht über den Stand der Anwendung der Grundsätze der interkanto - nalen Zusammenarbeit.

Art. 3 Innerkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich

1 Die Kantone verpflichten sich, die Grundsätze der Subsidiarität und der fiskali - schen Äquivalenz sinngemäss auch im innerkantonalen Verhältnis zu beachten.
1) SR 101

Art. 4 Stellung der kantonalen Parlamente

1 Die Kantonsregierungen sind verpflichtet, die kantonalen Parlamente rechtzeitig und umfassend über bestehende oder beabsichtigte Vereinbarungen im Bereich der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich zu informieren.
2 Im Übrigen regelt das kantonale Recht die Mitwirkungsrechte der Parlamente.
1.2. Zuständigkeiten und Kompetenzen

Art. 5 Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)

1 Beitrittserklärungen, Austrittserklärungen und Änderungsgesuche zur Rahmenver - einbarung sind bei der KdK zu hinterlegen.
2 Die KdK stellt das Inkrafttreten und das Ausserkrafttreten der Rahmenvereinba - rung fest und führt ein allfälliges Änderungsverfahren durch.
3 Sie wählt die Mitglieder der Interkantonalen Vertragskommission (IVK) und ge - nehmigt deren Geschäftsordnung.

Art. 6 Präsidium der KdK

1 Die Präsidentin oder der Präsident der KdK ist zuständig für das informelle Vor - verfahren im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens.

Art. 7 Interkantonale Vertragskommission (IVK)

1 Die IVK ist zuständig für das förmliche Vermittlungsverfahren im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens.
2 Sie besteht aus sechs Mitgliedern, welche von der KdK auf eine Amtszeit von vier Jahren gewählt werden. Bei der Wahl ist auf eine angemessene Vertretung der Sprachregionen Rücksicht zu nehmen.
3 Sie gibt sich eine Geschäftsordnung.
4 Die KdK trägt die Bereitstellungskosten der IVK. Alle weiteren Kosten sind ge - mäss Art. 34 Abs. 5 von den Parteien zu tragen.
1.3. Begriffe
Art. 8
1 Leistungserbringer ist ein Kanton oder eine gemeinsame Trägerschaft, in deren Zu - ständigkeitsbereich die Leistungserstellung fällt.
2 Leistungskäufer ist der die Leistungen abgeltende Kanton.
3 Leistungsersteller ist, wer eine Leistung herstellt.
4 Leistungsbezüger ist, wer eine Leistung in Anspruch nimmt.
5 Nachfragende im Sinne von Art. 13 und Art. 23 sind potentielle Leistungsbezüger.
2. Formen der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich
Art. 9
1 Die Rahmenvereinbarung regelt folgende Formen der interkantonalen Zusammen - arbeit mit Lastenausgleich:
a. die gemeinsame Trägerschaft;
b. den Leistungskauf.
2.1. Gemeinsame Trägerschaft

Art. 10 Definitionen

1 Als gemeinsame Trägerschaft wird eine Organisation oder Einrichtung von zwei oder mehreren Kantonen bezeichnet, die zum Zwecke hat, bestimmte Leistungen im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich gemeinsam zu er - bringen.
2 Die an einer gemeinsamen Trägerschaft beteiligten Kantone werden als Trägerkan - tone bezeichnet.

Art. 11 Anwendbares Recht

1 Es gilt das Recht am Sitz der gemeinsamen Trägerschaft.
2 Vorbehalten bleiben abweichende Regelungen in den jeweiligen interkantonalen Verträgen.

Art. 12 Rechte der Trägerkantone

1 Die Trägerkantone haben in der Trägerschaft grundsätzlich paritätische Mitspra - che- und Mitwirkungsrechte. Diese können ausnahmsweise nach der finanziellen Beteiligung gewichtet werden.
2 Die Mitsprache- und Mitwirkungsrechte sind umfassend und erstrecken sich auf alle Bereiche der Leistungserbringung.

Art. 13 Gleichberechtigter Zugang

1 Nachfragende aus den Trägerkantonen haben gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen.

Art. 14 Aufsicht

1 Die Trägerkantone stellen eine wirksame Aufsicht über die Führung und Verwal - tung der gemeinsamen Trägerschaft sicher.
2 Sie übertragen die Aufsichtsfunktionen geeigneten Organen. Allen Trägerkantonen ist die Einsitznahme in die Organe zu ermöglichen.

Art. 15 Geschäftsprüfung

1 Bei gemeinsamen Trägerschaften werden interparlamentarische Geschäftsprü - fungskommissionen eingesetzt.
2 Die Sitzzuteilung ist grundsätzlich paritätisch. In Ausnahmefällen kann sie sich nach dem Finanzierungsschlüssel richten, wobei jedem Kanton eine Mindestvertre - tung einzuräumen ist.
3 Die interparlamentarische Geschäftsprüfungskommission wird rechtzeitig und um - fassend über die Arbeit der gemeinsamen Trägerschaft informiert.
4 Interparlamentarische Geschäftsprüfungskommissionen können den Trägerkanto - nen Änderungen des Vertrages beantragen. Sie haben im Rahmen der Erarbeitung eines Leistungsauftrages und Globalbudgets angemessene Mitwirkungsrechte.

Art. 16 Eintritt

1 Neue Trägerkantone bezahlen eine Einkaufssumme, welche dem aktuellen Wert der durch die bisherigen Trägerkantone getätigten Investitionen anteilsmässig ent - spricht.
2 Die bisherigen Trägerkantone haben im Umfang der von ihnen getätigten Investi - tionen einen Anspruch auf die Einkaufssumme.
3 Das Eintrittsverfahren ist in den interkantonalen Verträgen zu regeln.

Art. 17 Austritt

1 Das Austrittsverfahren und die Austrittsbedingungen einschliesslich eines allfälli - gen Entschädigungsanspruchs austretender Trägerkantone sind in den interkantona - len Verträgen zu regeln.
2 Austretende Trägerkantone haften für Verbindlichkeiten, die während der Dauer ihrer Mitträgerschaft entstanden sind.

Art. 18 Auflösung

1 Ein allfälliger Auflösungs- und Liquidationserlös ist anteilmässig nach Massgabe der Beteiligung auf die Vertragsparteien zu verteilen.
2 Für allfällige zur Zeit der Auflösung bestehende Verpflichtungen haften die Trä - gerkantone solidarisch, soweit die interkantonalen Verträge nichts anderes vorsehen.

Art. 19 Haftung

1 Die Trägerkantone haften subsidiär und solidarisch für die Verbindlichkeiten gemeinsamer Trägerschaften.
2 Die Trägerkantone haften für Personen, die sie in interkantonale Organe abordnen.
3 Vorbehalten bleiben abweichende Regelungen in den jeweiligen interkantonalen Verträgen.

Art. 20 Information

1 Die Trägerkantone sind über die Tätigkeiten der gemeinsamen Trägerschaft recht - zeitig und umfassend zu informieren.
2.2. Leistungskauf

Art. 21 Formen des Leistungskaufs

1 Ein Leistungskauf kann mittels Ausgleichszahlungen, Tausch von Leistungen oder Mischformen von Zahlung und Tausch erfolgen.

Art. 22 Mitsprache der Leistungskäufer

1 Den Leistungskäufern wird in der Regel mindestens ein partielles Mitspracherecht gewährt.

Art. 23 Zugang zu den Leistungen

1 Nachfragende aus den Vertragskantonen haben grundsätzlich gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen.
2 Bei Zulassungsbeschränkungen werden Nachfragende aus Vertragskantonen jenen aus Nichtvertragskantonen vorgezogen.
3 Bei Zulassungsbeschränkungen werden Nachfragende aus Trägerkantonen jenen aus Kantonen, welche Leistungskäufer sind, vorgezogen.

Art. 24 Informationsaustausch

1 Die Leistungskäufer sind vom Leistungserbringer periodisch über die erbrachten Leistungen zu informieren.
3. Lastenausgleich
3.1. Grundlagen für die Ermittlung der Abgeltungen

Art. 25 Kosten- und Leistungsrechnungen

1 Grundlage für die Ermittlung der Abgeltungen bilden transparente und nachvoll - ziehbare Kosten- und Leistungsrechnungen.
2 Die an einem Vertrag beteiligten Kantone erarbeiten die Anforderungen an die Kosten- und Leistungsrechnungen.

Art. 26 Kosten- und Nutzenbilanz

1 Vor Aufnahme von Verhandlungen legen die Verhandlungspartner dar, von wel - chen Leistungen und Vorteilen sie profitieren und mit welchen Kosten und nachteili - gen Wirkungen sie belastet werden. Die Leistungserbringer weisen die anfallenden Kosten nach.
2 Die Kantone sind verpflichtet, die nötigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
3.2. Grundsätze für die Abgeltungen

Art. 27 Abgeltung von Leistungsbezügen aus anderen Kantonen

1 Leistungen mit erheblichen Kosten, für die ausserkantonale Leistungsbezügerinnen und -bezüger nicht aufkommen, werden durch Ausgleichszahlungen der Kantone ab - gegolten.
2 Die Festlegung der Abgeltung und der sonstigen Vertragsinhalte ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien.

Art. 28 Kriterien für die Abgeltung

1 Ausgangslage für die Bestimmung der Abgeltung bilden die durchschnittlichen Vollkosten.
2 Die Abgeltung erfolgt ergebnisorientiert und richtet sich nach der effektiven Bean - spruchung der Leistungen.
3 Weitere Kriterien bei der Festlegung der Abgeltung sind:
a. eingeräumte oder beanspruchte Mitsprache- und Mitwirkungsrechte;
b. der gewährte Zugang zum Leistungsangebot;
c. erhebliche Standortvorteile und –nachteile im Zusammenhang mit der Leis - tungserbringung und dem Leistungsbezug;
d. Transparenz des Kostennachweises;
e. Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung.

Art. 29 Abgeltung des Leistungserstellers

1 Der Leistungserbringer verpflichtet sich, die Abgeltung dem Leistungsersteller zu - kommen zu lassen, so weit dieser die Kosten für die Leistungserstellung trägt.

Art. 30 Gemeinden als Leistungsersteller

1 Sind die Leistungsersteller Gemeinden, ist diesen ein Anhörungs- und Mitsprache - recht einzuräumen.
2 In einem interkantonalen Vertrag kann Gemeinden oder von ihnen getragenen Or - ganisationen ein direkter Anspruch auf die Abgeltung eingeräumt werden.
4. Streitbeilegung

Art. 31 Grundsatz

1 Die Kantone und interkantonale Organe bemühen sich, Streitigkeiten aus bestehen - den oder beabsichtigten interkantonalen Verträgen durch Verhandlung oder Vermitt - lung beizulegen.
2 Sie verpflichten sich, bei allen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der interkanto - nalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich vor Erhebung einer Klage gemäss

Art. 120 Abs. 1 lit. b des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 am nachstehend

beschriebenen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen.
3 Das Streitbeilegungsverfahren kann auch von Nichtvereinbarungskantonen sowie von interkantonalen Organen, die nicht auf der IRV basieren, angerufen werden.

Art. 32 Streitbeilegungsverfahren

1 Das Streitbeilegungsverfahren ist zweistufig. Es besteht aus einem informellen Vorverfahren vor dem Präsidium der KdK und einem förmlichen Vermittlungsver - fahren vor der IVK.
2 Jeder Kanton und jedes interkantonale Organ kann zu diesem Zweck beim Präsidi - um der KdK mit schriftlichem Vermittlungsgesuch das Streitbeilegungsverfahren einleiten.

Art. 33 Informelles Vorverfahren

1 Nach Eingang des Vermittlungsgesuchs lädt die Präsidentin oder der Präsident der KdK oder eine andere von ihr oder ihm bezeichnete Persönlichkeit als Vermittler die Vertretungen der beteiligten Parteien zu einer Aussprache ein.
2 Im Einvernehmen mit den Beteiligten kann eine auf dem Gebiet der Mediation be - sonders befähigte Person beigezogen werden.
3 Führt das informelle Vorverfahren nicht innert sechs Monaten ab Eingang des Ver - mittlungsgesuchs zu einer Einigung, so leitet der Vermittler das förmliche Vermitt - lungsverfahren vor der IVK ein.

Art. 34 Förmliches Vermittlungsverfahren

1 Die IVK gibt den Parteien die Eröffnung des förmlichen Vermittlungsverfahrens bekannt.
2 Die Mitglieder der IVK bezeichnen eine Persönlichkeit als Vorsitzende oder Vor - sitzenden für das hängige Vermittlungsverfahren. Können sie sich nicht innert Mo - natsfrist auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen oder wird die bezeichnete Person von einer Partei abgelehnt, wird die Präsidentin oder der Präsident des Bundesge - richts darum ersucht, eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden für das Vermitt - lungsverfahren zu bezeichnen.
3 Die Eröffnung des Vermittlungsverfahrens ist unter Angabe des Streitgegenstandes der Bundeskanzlei anzuzeigen. Werden durch die Streitigkeit Interessen des Bundes berührt, so kann der Bundesrat eine Person bezeichnen, die als Beobachterin des Bundes am Vermittlungsverfahren teilnimmt.
4 Die Parteien sind befugt, ihre abweichenden Standpunkte zuhanden der IVK schriftlich festzuhalten und zu dokumentieren, und sie erhalten Gelegenheit, sich mündlich vor der IVK zu äussern. Über die Verhandlung ist ein Protokoll zu führen.
5 Das Ergebnis wird von der IVK zuhanden der Beteiligten in einer Urkunde festge - halten. Darin ist auch die Verteilung der Verfahrenskosten auf die Parteien zu re - geln.
6 Die Parteien verpflichten sich, eine allfällige Klage beim Schweizerischen Bundes - gericht innert sechs Monaten nach förmlicher Eröffnung eines allfälligen Scheiterns des Vermittlungsverfahrens zu erheben.
7 Sie verpflichten sich, die Unterlagen des Streitbeilegungsverfahrens zu den Ge - richtsakten zu geben.
5. Schlussbestimmungen

Art. 35 Beitritt und Austritt

1 Der Beitritt zur Rahmenvereinbarung wird mit der Mitteilung an die KdK wirksam.
2 Jeder Kanton kann durch Erklärung gegenüber der KdK austreten. Der Austritt wird mit dem Ende des auf die Erklärung folgenden Kalenderjahres wirksam.
3 Die Austrittserklärung kann frühestens auf das Ende des 5. Jahres seit Inkrafttreten und fünf Jahre nach erfolgtem Beitritt abgegeben werden.

Art. 36 Inkrafttreten

1 Die Rahmenvereinbarung tritt in Kraft, wenn ihr 18 Kantone beigetreten sind
1 )
.

Art. 37 Geltungsdauer und Ausserkrafttreten

1 Die Rahmenvereinbarung gilt unbefristet.
2 Sie tritt ausser Kraft, wenn die Zahl der Mitglieder unter 18 fällt.

Art. 38 Änderung der Rahmenvereinbarung

1 Auf Antrag von drei Kantonen leitet die KdK die Änderung der Rahmenvereinba - rung ein. Sie tritt unter den Voraussetzungen von Art. 36 in Kraft.
1) In Kraft gesetzt auf den 11. Mai 2007; Beitritt Kanton TG gemäss GRB vom 6. Dezember
2006.
Änderungstabelle - Nach Paragraph Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Amtsblatt Erlass 24.06.2005 11.05.2007 Erstfassung 51/2006
Markierungen
Leseansicht