Interkantonale bzw. interbehördliche Vereinbarung über den Datenaustausch zum Betrieb von Lage- und Analysesystemen im Bereich der seriellen Kriminalität
Interkantonale bzw. interbehördliche Vereinbarung über den Datenaustausch zum Betrieb von Lage- und Analysesystemen im Bereich der seriellen Kriminalität Vom 14. Juni 2019 (Stand 11. Dezember 2019) Die dieser Vereinbarung beitretenden Vereinbarungspartner in Ausführung von Artikel 48, 56, 57 und 189 Absatz 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 1 ) verabschieden folgende interkantonale bzw. interbehördliche Vereinbarung
1. Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 Gegenstand und Zweck
1 Die Vereinbarung bezweckt die effiziente Bekämpfung der Serienkriminalität durch die Schaffung und den Betrieb von interkantonalen beziehungsweise interbe - hördlichen Datenbanken und ermöglicht den interkantonalen beziehungsweise inter - behördlichen Datenaustausch in diesem Bereich.
2 Die Vereinbarung dient dem Ziel, serielle Verbrechen und Vergehen zu verhindern und aufzuklären und die mutmassliche Täterschaft oder verdächtige Personen zu identifizieren. Dazu tauschen die an der jeweiligen Datenbank beteiligten Vereinba - rungspartner (nachfolgend Teilnehmer) insbesondere mittels gemeinsamer Daten - banken polizeiliche Daten nach Artikel 8 dieser Vereinbarung aus.
3 Die Auswertungen dienen den Empfängern zur Erstellung von Lagebildern und zu Ermittlungszwecken.
4 Die Vereinbarungspartner können dem Vereinbarungszweck entsprechende, gemeinsame Datenbanken schaffen und betreiben und Daten, auch besonders schüt - zenswerte Daten, austauschen oder übertragen.
1) SR 101 * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
Art. 2 Struktur
1 Für jede gemeinsame Datenbank unter dieser Vereinbarung wird ein separates Betriebsreglement geschaffen. Es steht jedem Vereinbarungspartner frei, an der gemeinsamen Datenbank und dem Datenaustausch durch Genehmigung des Betriebsreglements teilzunehmen.
2 Die Regelungen dieser Vereinbarung gelten als Grundsätze und werden für jede gemeinsame Datenbank in einem eigenen Betriebsreglement spezifisch umgesetzt.
2. Organisation
Art. 3 Interkantonales Aufsichtsorgan
1 Das interkantonale Aufsichtsorgan übt die Aufsicht über die Einhaltung der vorlie - genden Vereinbarung aus.
2 Es setzt sich aus je einer Vertreterin oder einem Vertreter der Regierungen der Ver - einbarungspartner beziehungsweise dem für die eidgenössische Behörde politisch Verantwortlichen zusammen.
3 Es erstattet den Kantonsregierungen der Vereinbarungspartner beziehungsweise der jeweiligen zuständigen eidgenössischen Behörde periodisch Bericht. Soweit das Recht eines Vereinbarungspartners es vorsieht, enthält der Bericht zusätzlich eine Evaluation der einzelnen Datenbanken. Art. 4 Lenkungsausschuss
1 Es wird ein Lenkungsausschuss eingesetzt, der sich selbst konstituiert. Jeder Ver - einbarungspartner nominiert dazu die verantwortliche Person. Dem Lenkungsaus - schuss obliegt insbesondere
a. die strategische Führung und Umsetzung dieser Vereinbarung;
b. die Entgegennahme von Beitrittsgesuchen und Kündigungen zu dieser Verein - barung;
c. die Streitbeilegung. Für besondere Fälle kann er ein unabhängiges Schiedsge - richt einsetzen.
2 Der Lenkungsausschuss erlässt die Betriebsreglemente gemäss Artikel 7, wobei die Bestimmung des Verteilschlüssels gemäss Artikel 14 ausschliesslich den Teilneh - mern vorbehalten ist. Art. 5 Zentralstelle und Aussenstellen
1 Der Betrieb der jeweiligen Datenbank wird durch eine Zentralstelle, die gegebe - nenfalls als Lizenznehmerin agiert, gewährleistet.
2 Die Zentralstelle wird beim Betrieb durch je eine Aussenstelle der anderen Teilneh - mer unterstützt.
3 Die Zentralstelle und die Aussenstellen sind für die Bearbeitung der Daten ihres Zuständigkeitsbereichs und der von Dritten erhaltenen Daten zuständig.
4 Jeder Teilnehmer bezeichnet namentlich diejenigen Mitarbeitenden, welche in der Zentral- und in den Aussenstellen für den Datenaustausch zuständig sind und meldet diese der Zentralstelle. Art. 6 Verantwortlichkeit
1 Die Verantwortung für die Einhaltung des Datenschutzes und die Gewährleistung der Datensicherheit liegt beim Polizeikornmandanten bzw. der Polizeikommandantin der Zentralstelle.
2 Die Zentral- und die Aussenstellen stellen sicher, dass ihre Daten rechtmässig und richtig sind. Das Nähere wird im Betriebsreglement geregelt.
3. Inhalt des Betriebsreglements und Grundsätze der
Datenbearbeitung Art. 7 Betriebsreglement
1 Für jede gemeinsam betriebene Datenbank nach dieser Vereinbarung ist ein ent - sprechendes Betriebsreglement zu erlassen. Das Betriebsreglement ist von allen Teil - nehmern vor dem Beitritt zu einer Datenbank zu genehmigen.
2 Unter Berücksichtigung der in der vorliegenden Vereinbarung definierten Grundzü - ge legt das Betriebsreglement für jede Datenbank insbesondere die Modalitäten fest betreffend:
a. Zweck und Inhalt der jeweiligen Datenbank;
b. Zugriffsberechtigung auf die jeweilige Datenbank;
c. Gewährleistung der Rechtmässigkeit und Richtigkeit der Daten;
d. den anwendbaren Verteilschlüssel nach Artikel 14;
e. finanzielle Folgen des Austritts eines Teilnehmers aus der Datenbank sowie die Verteilung allfälliger Liquidationskosten nach Artikel 16 Absatz 2;
f. Haftung der Teilnehmer untereinander im Innenverhältnis für Schäden aus un - rechtmässiger Datenbearbeitung oder mangelnder Sorgfalt;
g. Löschung von Daten gemäss Artikel 13 und 16. Art. 8 Inhalt
1 Die Teilnehmer bearbeiten in den gemeinsamen Datenbanken ausschliesslich Da - ten, welche von kommunalen, kantonalen, eidgenössischen Polizeibehörden oder von anderen Partnerorganisationen aus dem In- oder Ausland rechtmässig erhoben und weitergeleitet wurden.
2 In den Datenbanken können folgende Daten bearbeitet werden:
a. Angaben zum Ereignis und zum Ereignisort;
b. Angaben zu Modus Operandi und Tatmittel;
c. Angaben zur bekannten und unbekannten Täterschaft und zu verdächtigen Personen: Name, Vorname, Geburtsdatum, Geschlecht, Alias-Namen, Natio - nalität, Signalement, Bilder, Identifikationsnummern amtlicher Ausweise, Pass- bzw. Personalnummern, Firmen, Telefonnummern, Adressen, IP-Adres - sen, URI, E-Mail-Adressen, weitere Angaben zu den von dieser eingesetzten Informations- und Kommunikationstechnologien, Namensbezeichnungen in sozialen Medien und Spielen (Pseudonyme, etc.), Registrierungs- und Zu - gangsdaten (inklusive biometrische Daten) für Accounts und bevorzugte Modi Operandi;
d. Angaben zu geschädigten natürlichen und juristischen Personen: Name, Vor - name, Geburtsdatum und Geschlecht bzw. Firma und Sitz;
e. Angaben zum Deliktsgut;
f. Angaben zu Fahrzeugen, die in einem Zusammenhang mit dem Ereignis ste - hen könnten;
g. Angaben zu Fallverbindungen zwischen Ereignissen (situative und auf materi - ellen oder elektronischen Spuren basierende Verbindungen);
h. Ereignisbilder;
i. Angaben von Informationsquellen;
j. Prozesskontrollnummern gemäss Artikel 8 Absatz 3 DNA-Profil-Gesetz 1 ) ;
k. Informationen zu Zahlungsmitteln und Geldfluss;
l. Verfahrensdaten. Art. 9 Datenbearbeitung
1 Die Teilnehmer sind ermächtigt, die unter Artikel 8 Absatz 2 aufgeführten Daten gemäss den Grundsätzen von Artikel 8 Absatz 1 gegenseitig auszutauschen, in einer zentralen Datenbank zu speichern sowie elektronisch auszuwerten.
2 Die physische Speicherung der Daten liegt ausschliesslich in der Verantwortung der jeweiligen Zentralstelle. Art. 10 Zugriffsberechtigung
1 Zugriff auf die jeweilige Datenbank haben ausschliesslich besonders geschulte und bezeichnete Personen der Zentral- und der Aussenstellen gemäss Artikel 5 Absatz 4.
2 Andere Mitarbeitende der Teilnehmer erhalten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur Kenntnis über den Inhalt der Datenbank.
3 Die Zentral- und die Aussenstellen können nur die von ihnen zur Verfügung ge - stellten Daten mutieren. Sie haben ein Leserecht für die Daten der anderen Aussen - stellen sowie der Zentralstelle.
4 Die Verwaltung der Zugriffsberechtigungen erfolgt durch die Zentralstelle.
1) Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifi - zierung von unbekannten oder vermisslen Personen (DNA-Profil-Gesetz), SR 363
4 Anwendbares Recht und Datenschutz Art. 11 Anwendbares Recht
1 Anwendbar ist das Recht des Sitzkantons der Zentralstelle. Dieses bestimmt die Zuständigkeit der Datenschutzaufsichtsstelle.
2 Vorbehalten bleibt die Rechtmässigkeit der einzelnen Datenerfassungen. Diese richtet sich nach dem Recht der Behörde, welche die Daten eingetragen hat oder hat eintragen lassen. Art. 12 Auskunfts-, Einsichts- und Berichtigungsrecht
1 Das Auskunfts-, Einsichts- und Berichtigungsrecht richtet sich nach der Schweize - rischen Strafprozessordnung 1 ) und dem Datenschutzrecht des Sitzkantons der Zentralstelle.
2 Die Zentralstelle erteilt die Auskünfte oder veranlasst die Berichtigung beziehungs - weise Löschung der entsprechenden Daten nach Rücksprache mit der Behörde, wel - che die Daten eingetragen hat oder hat eintragen lassen.
3 Die Einsicht kann aufgrund der Einschränkungsgründe des kantonalen Rechtes des Sitzkantons der Zentralstelle oder aufgrund der bundesrechtlich vorgesehenen Ein - schränkungsgründe eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert werden. Art. 13 Löschung von Daten
1 Die erfassten Daten werden gemäss den nachfolgenden Grundsätzen gelöscht:
a. Die Datensätze werden, sobald sie für die Bearbeitung nicht mehr erforderlich sind, umgehend, spätestens jedoch nach 10 Jahren gelöscht.
b. Massgebend für den Beginn des Fristenlaufs ist der letzte Datenzuwachs zum letzten erfassten Ereignis.
c. Daten zu einer Person werden von Amtes wegen gelöscht, sobald der Verdacht gegen sie wegen Beteiligung an Delikten gemäss Artikel 1 glaubhaft ausge - räumt werden konnte.
d. Während des Vollzugs einer Strafe oder einer stationären Massnahme und während einer zivilrechtlichen Unterbringung steht der Fristenlauf still.
2 Daten über geschädigte Personen werden unabhängig von den Fristen nach Absatz
1 von der Zentralstelle von Amtes wegen gelöscht oder anonymisiert, sobald der Be - arbeitungszweck es erlaubt.
5. Finanzierung der gemeinsamen Datenbanken
Art. 14 Kosten und Betrieb
1 Jeder Teilnehmer trägt seine eigenen Infrastruktur- und Lizenzkosten.
1) StPO, SR
2 Die Kosten für den Betrieb der Zentral- und Datenschutzaufsichtsstelle werden un - ter den Teilnehmern geteilt. Der anwendbare Verteilschlüssel hängt von der jeweili - gen Datenbank ab. Mögliche Verteilschlüssel sind abschliessend:
a. Anteilsmässige Aufteilung analog zu den Artikeln 11 und 12 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Kantonen zur Harmonisierung der Polizeiinfor - matik in der Schweiz vom 10. November 2011,
b. Anzahl Teilnehmer;
c. Ständige Wohnbevölkerung der Teilnehmer;
d. Datenmenge.
3 Der Verteilschlüssel nach Absatz 2 Buchstabe c und d kann mit einem Sockelbei - trag, der maximal 40 % der Gesamtkosten deckt, ergänzt werden. Dieser wird gleichmässig auf die Teilnehmer verteilt.
4 Das jeweilige Betriebsreglement definiert den anwendbaren Verteilschlüssel. Die Zentralstelle stellt den Teilnehmern jährlich die Kostenrechnung zu.
6. Austritt aus einer gemeinsamen Datenbank
Art. 15 Kündigung eines Betriebsreglements und Austritt aus der entsprechenden Datenbank
1 Unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten kann das Betriebsreglement auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Die Kündigung ist schriftlich an den Lenkungsausschuss zu richten.
2 Mit Eintritt der Kündigungswirkung verliert der vormalige Teilnehmer das Recht, die gemeinsame Datenbank zu nutzen. Gleichzeitig entfällt seine Kostenpflicht nach
Artikel 14.
3 Eine Rückerstattung für geleisteten Sach- und Personalaufwand des ausgetretenen Teilnehmers ist grundsätzlich ausgeschlossen. Näheres regelt das jeweilige Betriebs - reglement. Art. 16 Folgen des Austritts
1 Die vom austretenden Teilnehmer bis dahin eingegebenen Daten werden aus der Datenbank gelöscht, sofern sie nicht in Verbindung zu einem Ereignis stehen, das von einem anderen Teilnehmer erfasst wurde.
2 Wird eine Datenbank gänzlich aufgelöst, werden die Datenbestände gelöscht. All - fällige Liquidationskosten sind von den Teilnehmern gemäss dem im Betriebsregle - ment festgelegten Verteilschlüssel zu tragen.
7. Schlussbestimmungen
Art. 17 Beitritt und Kündigung der Vereinbarung
1 Alle Kantone oder geeignete Bundesstellen können der Vereinbarung jederzeit bei - treten. Der Beitritt wird sofort wirksam.
2 Jeder Vereinbarungspartner kann seine Mitgliedschaft unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres kündigen.
3 Das Beitrittsgesuch sowie die Kündigung sind in schriftlicher Form an den Len - kungsausschuss zu richten. Art. 18 Inkrafttreten
1 Die Vereinbarung tritt in Kraft, sobald ihr mindestens zwei Vereinbarungspartner beigetreten sind und sie, falls notwendig, in deren Gesetzessammlung publiziert worden ist.
2 Änderungen der Vereinbarung bedürfen der Zustimmung aller Vereinbarungspart - ner. Art. 19 Notifikation an den Bund und das interkantonale Aufsichtsorgan
1 Der Lenkungsausschuss informiert die Bundeskanzlei über die vorliegende Verein - barung. Das Verfahren richtet sich nach Artikel 270 der Regierungs- und Verwal - tungsorganisationsverordnung 1 ) .
2 Der Lenkungsausschuss informiert das interkantonale Aufsichtsorgan über die ge - stützt auf die Vereinbarung erlassenen Betriebsreglemente, die gemeinsamen Daten - banken und allfällige Änderungen. Basel, 14. Juni 2019 Polizeikonkordat Nordwestschweiz Vom Grossen Rat genehmigt am: 3. Dezember 2019 Datum der Veröffentlichung: 20. Dezember 2019 Ablauf der Referendumsfrist: 19. März 2020 Inkrafttreten: 11. Dezember 2019 (Zustimmung zum Beitritt Kanton Basel-Stadt)
1) RVOV, SR 172.010.1
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