Gesetz über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Gleichstellung Gesetz über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtegesetz, BRG) Vom 18. September 2019 (Stand 1. Januar 2021) Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt, im Sinne eines Gegenvorschlags zur formulierten Volksinitiative «Für eine kantonale Behinderten - gleichstellung» sowie gestützt auf Art. 8 Abs. 4 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenos - senschaft vom 18. April 1999
1 ) und § 8 Abs. 2 und 3 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom
23. März 2005
2 ) , nach Einsichtnahme in den Ratschlag des Regierungsrates Nr. 18.0839.01 vom
15. Januar 2019 sowie in den Bericht der Gesundheits- und Sozialkommission Nr. 18.0839.02 vom
23. Mai 2019,
beschliesst: I. Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Zweck
1 Dieses Gesetz hat zum Zweck, die Rechte von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensberei - chen zu verwirklichen mit dem Ziel, ihnen ein selbstbestimmtes und selbstverantwortetes Leben zu er - möglichen.
2 Es schützt Menschen mit Behinderungen insbesondere davor, in der Ausübung ihrer Grund- und Menschenrechte, wie sie im Völkerrecht, in der Bundesverfassung und in der Kantonsverfassung ver - ankert sind, aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt zu werden.
§ 2 Gegenstand
1 Dieses Gesetz enthält die grundlegenden Bestimmungen der kantonalen Gesetzgebung über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und des Verfahrens zu deren Durchsetzung sowie Bestim - mungen zur Umsetzung.
§ 3 Begriffe
1 Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, psychische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Bar - rieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.
2 Eine Benachteiligung bedeutet eine rechtliche oder tatsächliche Ungleichbehandlung eines Menschen aufgrund einer Behinderung oder die Unterlassung einer solchen mit dem Ziel oder der Folge seiner Schlechterstellung. II. Materielle Grundsätze
§ 4 Benachteiligungsverbot
1 Menschen dürfen aufgrund ihrer Behinderung weder direkt noch indirekt benachteiligt werden.
2 Der Kanton, die Gemeinden, die Träger öffentlicher Aufgaben und die Anbieter öffentlich zugängli - cher Leistungen treffen angemessene Massnahmen, um Benachteiligungen von Menschen mit Behin - derungen zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern.
1) SR .
2) SG 111.100 .
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Gleichstellung
3 Die Stellen nach Abs. 2 berücksichtigen die besonderen Risiken der Benachteiligung, denen Men - schen mit Behinderungen ausgesetzt sind, die ein weiteres Merkmal nach § 8 Abs. 2 der Kantonsver - fassung aufweisen.
§ 5 Fördermassnahmen
1 Kanton und Gemeinden fördern die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen, insbesondere in der Arbeit, der Bildung, dem Wohnen, bei der Kommunikati - on, der Mobilität, der Gesundheit und der Freizeit.
2 Massnahmen zugunsten von Menschen mit Behinderungen sind so auszugestalten, dass diesen eine möglichst selbstbestimmte und selbstverantwortete Lebensführung ermöglicht wird.
§ 6 Zugänglichkeit und Kommunikation
1 Die in § 4 Abs. 2 aufgeführten Stellen treffen angemessene Massnahmen, um ihre Leistungen für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen und damit deren Benachteiligung zu verhindern.
2 Sie kommunizieren mit Menschen mit Behinderungen in einer für diese verständlichen Art und Wei - se.
3 Auf Verlangen von Menschen mit Behinderungen stellen sie sicher, dass die im konkreten Fall erfor - derlichen Hilfestellungen, wie etwa Gebärdensprachdolmetscher, Unterlagen in einer verständlichen Sprache oder mündliche Erklärungen, verfügbar sind.
4 Die von den Stellen gemäss § 4 Abs. 2 eingesetzten Informations- und Kommunikationstechnologien inklusive Internet müssen für Menschen mit einer Sprach-, Hör- und Sehbehinderung sowie mit moto - rischen Behinderungen zugänglich sein.
§ 7 Rechtfertigung und Verhältnismässigkeit
1 Öffentliche und private Interessen, welche den in diesem Gesetz sowie in der Spezialgesetzgebung verankerten Rechte entgegenstehen, können deren Einschränkung soweit rechtfertigen, als sie die In - teressen an der tatsächlichen Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen überwiegen.
2 Bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit einer Einschränkung nach Abs. 1 sind insbesondere die folgenden öffentlichen Interessen zu berücksichtigen: der Umweltschutz; der Natur-, Heimat- und Denkmalschutz; die Verkehrs- und Betriebssicherheit.
3 Auf Seiten der Stellen nach § 4 Abs. 2 sind insbesondere die folgenden Interessen zu berücksichti - gen: der wirtschaftliche Aufwand, insbesondere die finanzielle Belastung und deren Zumut - barkeit; der Aufwand für zusätzliche betriebliche Abläufe; die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Stelle.
4 Auf Seiten der Menschen mit Behinderungen sind insbesondere die folgenden Interessen zu berück - sichtigen: die Art und die Bedeutung des in Frage stehenden Anspruchs; die Verfügbarkeit vergleichbarer Ausweichmöglichkeiten;
5 Es wird keine Massnahme angeordnet, deren wirtschaftlicher Aufwand für die Stelle nach § 4 Abs. 2 nicht zumutbar ist.
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Gleichstellung III. Rechtsansprüche und Verfahren
§ 8 Rechtsansprüche
1 Wer von einer Benachteiligung durch eine in § 4 Abs. 2 aufgeführte Stelle betroffen ist oder eine Or - ganisation nach § 10 kann der Verwaltungsbehörde oder dem Gericht beantragen: eine drohende Benachteiligung zu verbieten; eine bestehende Benachteiligung zu beseitigen; eine Benachteiligung festzustellen.
2 Ist der Anspruch mit verhältnismässigen Massnahmen nicht umsetzbar, können angemessene Ersatz - lösungen ergriffen werden.
§ 9 Beweislast
1 In Verfahren nach kantonalem Recht wird eine Benachteiligung vermutet, wenn sie von einer Partei glaubhaft gemacht wird.
§ 10 Klage- und Beschwerderecht von Behindertenorganisationen
1 Kantonale Organisationen, die eine ideelle Zielsetzung verfolgen und sich seit mindestens fünf Jahren für die Anliegen von Menschen mit Behinderungen einsetzen, können die Rechtsansprüche nach diesem Gesetz und den behindertenrechtlichen Bestimmungen der Spezialgesetzgebung selbst - ständig geltend machen, sofern sich die geltend gemachte Benachteiligung auf eine grosse Zahl von Menschen mit Behinderungen auswirken könnte.
2 Der Regierungsrat bezeichnet die klage- und beschwerdeberechtigten Behindertenorganisationen.
§ 11 Rechtsweg
1 Der Rechtsweg richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Rechtspflege beziehungs - weise nach den anwendbaren besonderen Verfahrensbestimmungen. IV. Umsetzung
§ 12 Schwerpunkte
1 Der Regierungsrat legt periodisch unter Einbezug der Departemente die Schwerpunkte des Kantons zur Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen fest und berichtet einmal pro Legis - latur.
§ 13 Fachstelle
1 Der Kanton führt unter der Bezeichnung Fachstelle für die Rechte von Menschen mit Behinderungen eine Fachstelle. Er kann sie auf Grund eines Staatsvertrags gemeinsam mit anderen Kantonen führen.
2 Die Fachstelle für die Rechte von Menschen mit Behinderungen nimmt insbesondere folgende Auf - gaben wahr: Sie überwacht und koordiniert die Umsetzung dieses Gesetzes und der behindertenrechtli - chen Bestimmungen der Spezialgesetzgebung von Bund und Kanton. Sie berät die in § 4 Abs. 2 aufgeführten Stellen bei der Umsetzung. Menschen mit Behinderungen im Kanton. Sie pflegt den Austausch mit anderen Gemeinwesen sowie Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen in Zusammenhang mit den Rechten von Menschen mit Behin - derungen. Sie erarbeitet die Schwerpunkte zuhanden des Regierungsrates. Menschen mit Behinderungen.
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Gleichstellung Sie ist Kontaktstelle für Anliegen von Menschen mit Behinderungen. Sie erstattet dem Regierungsrat periodisch über ihre Tätigkeit Bericht.
§ 14 Empfehlungen
1 Die Fachstelle kann gegenüber den in § 4 Abs. 2 aufgeführten Stellen Empfehlungen abgeben.
2 Der Adressat einer Empfehlung erklärt gegenüber der Fachstelle, ob und inwiefern er der Empfeh - lung folgen wird.
§ 15 Orientierung der Fachstelle
1 Die Einheiten des Kantons und der Gemeinden sowie die Organisationen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, orientieren die Fachstelle frühzeitig über Projekte der Rechtsetzung und weitere Verwal - tungshandlungen von erheblicher Bedeutung für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
§ 16 Ausführungsbestimmungen
1 Der Regierungsrat erlässt die erforderlichen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg. Schlussbestimmung Dieses Gesetz ist zu publizieren; es unterliegt dem Referendum und der Regierungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.
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