Reglement des Kantonsgerichts über die Information der Öffentlichkeit in Gerichtssachen (17.53)
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Reglement des Kantonsgerichts über die Information der Öffentlichkeit in Gerichtssachen

Reglement des Kantonsgerichts über die Information der Öffentlichkeit in Gerichtssachen (InfoRKG) vom 21.06.2012 (Fassung in Kraft getreten am 01.01.2022) Das Kantonsgericht des Staates Freiburg gestützt auf die Artikel 30, 48 und 138 des Justizgesetzes vom 31. Mai 2010 (JG); gestützt auf das Gesetz vom 9. September 2009 über die Information und den Zugang zu Dokumenten (InfoG); gestützt auf das Gesetz vom 25. November 1994 über den Datenschutz (DSchG); beschliesst:
1 Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand

1 Dieses Reglement regelt die Information der Öffentlichkeit über die Tätig - keit der Gerichtsbehörden, d.h. die Akkreditierung der Medienschaffenden, die Veröffentlichung der Urteile, die Information von Amtes wegen und auf Anfrage sowie den Zugang zu amtlichen Dokumenten, die im Besitz der Ge - richtsbehörden sind.
2 Unter Vorbehalt anderer besonderer Bestimmungen gilt es für alle Gerichts - behörden des Kantons (Art. 3 JG).
3 Die Gerichtsbehörden können ergänzende Bestimmungen erlassen.

Art. 2 Grundsätze

1 Die Gerichtsbehörden betreiben eine aktive und offene Informationspolitik, die der einschlägigen Gesetzgebung entspricht und mit den anwendbaren Verfahrensordnungen im Einklang steht.
2 Sie achten dabei auf eine angemessene Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Parteien und der übrigen von einem Verfahren betroffenen Personen.
3 Befassen sich mehrere Gerichts- oder Verwaltungsbehörden mit einer glei - chen Angelegenheit, so sorgen sie nötigenfalls für eine Koordination der In - formation.
4 Die Bestimmungen der Verfahrensordnungen bleiben vorbehalten.

Art. 3 Sprache der Information

1 Jede Information allgemeiner Art, die für die Öffentlichkeit bestimmt ist, wird gleichzeitig in beiden Amtssprachen verbreitet.
2 Soweit möglich werden Auskunftsbegehren in der Amtssprache beantwor - tet, in der sie eingereicht worden sind.
3 Medienkonferenzen werden so organisiert, dass es möglich ist, die Fragen der Medienschaffenden in beiden Amtssprachen zu beantworten.
4 Die Verfahrenssprache ist, je nach Art der Angelegenheit, in den Artikeln
115–120 des Justizgesetzes vom 31. Mai 2010 und in den Artikeln 36–40 des Gesetzes vom 23. Mai 1991 über die Verwaltungsrechtspflege geregelt.

Art. 4 Gegenstand der Information

1 Die Information umfasst die Rechtsprechungs- und die Verwaltungstätigkeit sowie allgemeine Fragen im Zusammenhang mit dem Gerichtswesen.
2 Die Befugnisse des Justizrates bleiben vorbehalten.

Art. 5 Informationsmittel – Öffentlichkeit der Sitzungen

1 Die Information der Öffentlichkeit erfolgt insbesondere durch die Öffent - lichkeit der Verhandlungen und Urteilsverkündungen.
2 Der teilweise oder vollständige Ausschluss der Öffentlichkeit gemäss den gesetzlichen Vorschriften bleibt vorbehalten.
3 Die öffentlichen Sitzungen werden in geeigneter Weise angekündigt; die Sitzungslisten enthalten den Gegenstand der Verhandlung, ohne Angabe der Parteinamen.
4 Im Gerichtssaal, in den Gebäuden der Gerichtsbehörden und überall, wo Verfahrensvorgänge stattfinden, sind Bild- und Tonaufnahmen untersagt; eine Ermächtigung bleibt vorbehalten. Ebenso ist jegliche Form der direkten Mitteilung von Verfahrenshandlungen (Twitter, Blog usw.) während der Sit - zung untersagt.

Art. 6 Informationsmittel – Weitere Formen

1 Die Information wird ausserdem sichergestellt durch:
a) öffentliche Auflage der Urteile;
b) Veröffentlichung im Internet;
c) Veröffentlichung in anderen Fachpublikationen;
d) Medienarbeit;
e) jährliche Tätigkeitsberichte;
f) Zugang zu amtlichen Dokumenten.

Art. 7 Informationsverantwortliche

1 Jede Gerichtsbehörde verfügt über eine Informationsverantwortliche oder einen Informationsverantwortlichen sowie über eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter der oder des Verantwortlichen.
2 Informationsverantwortliche sind:
a) die Generalsekretärin oder der Generalsekretär des Kantonsgerichts;
b) für die übrigen Gerichtsbehörden: die Chef-Gerichtsschreiberin oder der Chef-Gerichtsschreiber oder eine andere von der Behörde bezeich - nete Person, deren Ernennung dem Kantonsgericht bekannt gegeben wird.
3 Die oder der Informationsverantwortliche nimmt Anfragen entgegen, über - mittelt, koordiniert und informiert. Vorbehalten bleiben andere, im Organisa - tionsreglement der betreffenden Behörde vorgesehene oder auf Delegation beruhende Zuständigkeiten, insbesondere jene des Gerichtspräsidiums, des Abteilungspräsidiums, der Verfahrensleitung oder einer delegierten Richterin oder eines delegierten Richters.
2. Medien

Art. 8 Akkreditierung

1 Medienschaffende, die regelmässig über die Rechtsprechung der kantonalen Gerichtsbehörden Bericht erstatten wollen, reichen beim Kantonsgericht ein schriftliches Gesuch um allgemeine Akkreditierung ein.
2 Dem Gesuch müssen Lebenslauf, Foto, E-Mail-Adresse, Presseausweis, Be - stätigung des Arbeitgebers oder dergleichen beigelegt werden.
3 Die Akkreditierung wird von der Generalsekretärin oder vom Generalsekre - tär des Kantonsgerichts erteilt, wenn die Gesuchstellerin oder der Gesuchstel - ler die Voraussetzungen für die Eintragung in das Berufsregister erfüllt. Sie wird verweigert, wenn begründete Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers bestehen.
4 Die Akkreditierung ist persönlich und nicht übertragbar.
5 Die allgemeine Akkreditierung erfolgt für die Dauer von drei Jahren; eine Erneuerung ist 30 Tage vor Ablauf dieser Frist zu beantragen. Das Kantons - gericht führt eine Liste der allgemein akkreditierten Medienschaffenden. Die - se Liste wird auf der Website der Gerichtsbehörden veröffentlicht.
6 Inhaberinnen und Inhaber eines Presseausweises können bei der Verfah - rensleitung der mit der Sache befassten Behörde ein Gesuch um Akkreditie - rung für einen Einzelfall einreichen.

Art. 9 Rechte der akkreditierten Medienschaffenden

1 Die allgemein akkreditierten Medienschaffenden erhalten – soweit möglich in elektronischer Form:
a) Angaben über Zeit, Ort, Name der Parteien und Gegenstand der öffent - lichen Verhandlungen;
b) Medienmitteilungen;
c) öffentliche Geschäftsberichte.
2 Es können ihnen ausserdem folgende Dienstleistungen gewährt werden:
a) sofern keine überwiegenden Interessen entgegenstehen und es die Ver - fahrensleitung für nützlich erachtet: Abgabe vorhandener Unterlagen (Anklageschrift, Sachverhaltsdarstellungen, erstinstanzliches Urteil usw.) zu öffentlichen Verhandlungen, grundsätzlich zehn Tage vor der Sitzung; die Parteien werden darüber in Kenntnis gesetzt;
b) Zulassung zu nicht publikumsöffentlichen Verhandlungen, sofern der Informationsanspruch als überwiegend anerkannt wird;
c) Abgabe des Urteilsdispositivs oder der schriftlichen Urteilserwägungen an Medienschaffende, die an der Verhandlung anwesend waren oder deren Abwesenheit gerechtfertigt ist, wenn die Verfahrensleitung die Abgabe beschlossen hat (in nicht anonymisierter Form, sofern keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen);
d) ergänzende Auskünfte auf Anfrage.
3 Die Gerichtsbehörden können für die Informationen, die sie den akkreditier - ten Medienschaffenden bevorzugt liefern, eine Sperrfrist vorsehen.

Art. 10 Pflichten der Medienschaffenden

1 Die Medienschaffenden müssen ihre Tätigkeit nach den Regeln ihres Berufsverbandes ausüben. Auf jeden Fall müssen sie auf die Persönlichkeits - rechte sowie sonstige überwiegende öffentliche oder private Interessen Rück - sicht nehmen und sich bei der Verbreitung von Namen der beteiligten Perso - nen die nötige Zurückhaltung auferlegen. In Strafsachen müssen sie die Un - schuldsvermutung wahren; bei der Berichterstattung muss zwischen Beschul - digten und Verurteilten unterschieden werden.
2 Schriftliche Unterlagen, die den Medienschaffenden ausgehändigt wurden, dürfen nicht an Dritte übergeben oder diesen zugänglich gemacht werden. Sie müssen spätestens am Ende des Verfahrens vernichtet werden, sofern sie nicht gemäss den Artikeln 13 ff. der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Art. 11 Pflichtverletzung

1 Die Verwaltungskommission des Kantonsgerichts verwarnt Medienschaf - fende, die ihre Pflichten verletzt haben. In schweren Fällen oder bei wieder - holter Pflichtverletzung entzieht die Kommission die Akkreditierung vor - übergehend oder dauerhaft.
2 Eine schwere Pflichtverletzung liegt insbesondere vor, wenn die oder der Medienschaffende:
a) wahrheitswidrig berichtet;
b) die Weisungen der Gerichtsbehörde, insbesondere eine Sperrfrist, miss - achtet;
c) Dokumente Dritten übergibt oder zugänglich macht;
d) die Vorschrift von Artikel 5 Abs. 4 nicht einhält.
3 Die Gerichtsbehörden informieren das Kantonsgericht über solche Verlet - zungen.

Art. 12 Beziehungen zu den Medien

1 Eine Delegation des Kantonsgerichts trifft jedes Jahr Vertreterinnen und Vertreter von Medien, deren Medienschaffende über eine allgemeine Akkre - ditierung verfügen, um Bilanz zu ziehen und Verbesserungsvorschläge zu diskutieren.
2 Zu diesem Treffen können auch Vertreterinnen und Vertreter anderer Ge - richtsbehörden eingeladen werden.
3 Öffentlichkeit der Urteile

Art. 13 Öffentliche Auflage – Gegenstand

1 Die Titelseite und das Urteilsdispositiv aller verfahrensabschliessenden Ent - scheide und Verfügungen werden nach der Zustellung des Dispositivs wäh - rend 30 Tagen am Sitz der Gerichtsbehörde aufgelegt.
2 Die Anonymisierung der Titelseite in Anwendung der gesetzlichen Vor - schriften (überwiegende Geheimhaltungsinteressen) bleibt vorbehalten.
3 Die Einsichtnahme ist grundsätzlich insbesondere dann ausgeschlossen, wenn es sich um Schlichtungsverfahren, Strafverfahren vor dem Zwangs - massnahmengericht, jugendstrafrechtliche oder familienrechtliche Verfahren sowie um fürsorgerische Unterbringungen handelt.
4 Auf Anfrage kann sich die Einsichtnahme auch auf die Urteilsbegründung erstrecken, ausser wenn ein wichtiges privates oder öffentliches Interesse dies ausschliesst oder nahelegt, die Einsichtnahme auf eine anonymisierte und/ oder verkürzte Version der Entscheidungsgründe zu beschränken.

Art. 14 Öffentliche Auflage – Verfahren

1 Der Entscheid über die Einsichtnahme obliegt der Einzelrichterin oder dem Einzelrichter oder dem Präsidium der Kollegialbehörde, die das Urteil gefällt hat.
2 Das Gesuch um Einsichtnahme wird unverzüglich den Parteien sowie allen - falls weiteren betroffenen Personen oder Instanzen unterbreitet. Diese können innert einer kurzen Frist ein allfälliges überwiegendes Geheimhaltungsinter - esse geltend machen. Ihr Stillschweigen gilt als Zustimmung zur Einsichtnah - me ohne Anonymisierung oder Kürzung des Urteils.
3 Es kann von Amtes wegen eine vollständige oder teilweise Anonymisierung vorgenommen werden.

Art. 15 Spätere Einsichtnahme

1 Nach Ablauf der Frist nach Artikel 13 Abs. 1 muss die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller ein genügendes Interesse nachweisen, und es wird grund - sätzlich in eine anonymisierte Version der Begründung Einsicht gewährt.
2 Im Übrigen gelten die Artikel 13 und 14 sinngemäss.

Art. 16 Veröffentlichung

1 Die Veröffentlichung im Internet oder in Fachpublikationen geschieht grundsätzlich in anonymisierter und eventuell gekürzter Form.
2 Grundsätzlich werden von Amtes wegen im Internet veröffentlicht:
a) vom Kantonsgericht: Alle materiellen End- und Teilentscheide; aus - nahmsweise auch die von der Präsidentin oder vom Präsidenten des zu - ständigen Hofs bezeichneten Vor- und Zwischenentscheide sowie Abschreibungsverfügungen; die einheitliche Vorbereitung und Auf - schaltung der Entscheide bildet Gegenstand einer internen Weisung;
b) von den übrigen Gerichtsbehörden: Urteile und weitere verfahrensab - schliessende Entscheide, die von besonderem öffentlichen oder rechtli - chen Interesse sind.
3 ...

Art. 17 Wissenschaftliche Bearbeitung

1 Die Gerichtsbehörden können auf Anfrage und unter Beachtung der Daten - schutzgesetzgebung Dokumente abgeschlossener Verfahren, insbesondere unveröffentlichte Urteile, zwecks Bearbeitung für wissenschaftliche Zwecke bekannt geben.
4 Zugang zu Dokumenten

Art. 18 Gerichtsakten

1 Die Einsichtnahme in die Gerichtsakten wird durch die für das betreffende Verfahren anwendbaren Gesetze geregelt.
2 Über die verfahrensspezifische Auskunftserteilung an Dritte und über die Einsichtnahme in Akten durch Dritte entscheidet die Verfahrensleitung ge - mäss den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften.

Art. 19 Verwaltungsdokumente

1 Die Einsichtnahme in amtliche Verwaltungsdokumente der Gerichtsbehör - den wird durch die Gesetzgebung über die Information und den Zugang zu Dokumenten geregelt.
2 Das Gesuch um Zugang zu einem amtlichen Dokument wird von der oder vom Informationsverantwortlichen behandelt.
3 Beschwerdeinstanz innerhalb des Kantonsgerichts (Art. 35 Abs. 1 InfoG) ist das Gesamtgericht.
5 Rechtsmittel

Art. 20

1 Entscheide, die in Anwendung der Artikel 14 und 18 Abs. 2 gefällt worden sind, einschliesslich derjenigen, die erstinstanzlich von der zuständigen Stelle des Kantonsgerichts gefällt worden sind, können innert 30 Tagen beim Kantonsgericht angefochten werden.
2 ...
6 Schlussbestimmungen

Art. 21 Aufhebung bisherigen Rechts

1 Folgende Erlasse und Richtlinien werden aufgehoben:
a) die Grundsätze vom 30. Januar 2003 betreffend die Information der Öf - fentlichkeit durch die Gerichtsbehörden;
b) das Reglement vom 17. Mai 2001 über die Information der Öffentlich - keit in Strafsachen (SGF 17.53);
c) das provisorische Reglement vom 24. Januar 2011 über die Gerichtsbe - richterstattung am Kantonsgericht (SGF 17.55);
d) die Richtlinien vom 3. November 1999 betreffend die Information über die Tätigkeit des Verwaltungsgerichts.

Art. 22 Inkrafttreten

1 Dieses Reglement tritt am 1. September 2012 in Kraft.
2 Das Inkrafttreten von Artikel 16 Abs. 2 Bst. a über die Veröffentlichung der Entscheide des Kantonsgerichts im Internet wird auf ein späteres Datum ver - schoben, das in der Amtlichen Sammlung des Kantons Freiburg mitgeteilt wird. 1 )
1) Inkrafttreten: 1. März 2018 (ASF 2018_008).
Änderungstabelle – Nach Beschlussdatum Beschluss Berührtes Element Änderungstyp Inkrafttreten Quelle (ASF seit 2002)
21.06.2012 Erlass Grunderlass 01.09.2012 2012_080
26.05.2014 Art. 22 geändert 01.01.2014 2014_055
07.02.2018 Art. 16 eingefügt 01.03.2018 2018_008
18.11.2021 Art. 6 Abs. 1, c) geändert 01.01.2022 2022_047
18.11.2021 Art. 16 Abs. 3 aufgehoben 01.01.2022 2022_047
18.11.2021 Art. 20 Abs. 1 geändert 01.01.2022 2022_047
18.11.2021 Art. 20 Abs. 2 aufgehoben 01.01.2022 2022_047 Änderungstabelle – Nach Artikel Berührtes Element Änderungstyp Beschluss Inkrafttreten Quelle (ASF seit 2002) Erlass Grunderlass 21.06.2012 01.09.2012 2012_080

Art. 6 Abs. 1, c) geändert 18.11.2021 01.01.2022 2022_047

Art. 16 eingefügt 07.02.2018 01.03.2018 2018_008

Art. 16 Abs. 3 aufgehoben 18.11.2021 01.01.2022 2022_047

Art. 20 Abs. 1 geändert 18.11.2021 01.01.2022 2022_047

Art. 20 Abs. 2 aufgehoben 18.11.2021 01.01.2022 2022_047

Art. 22 geändert 26.05.2014 01.01.2014 2014_055

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