Gesetz über die Einführung der Schweizerischen Zivilprozessordnung (221.100)
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Gesetz über die Einführung der Schweizerischen Zivilprozessordnung

Gesetz über die Einführung der Schweizerischen Zivilprozessordnung (EG ZPO) Vom 13. Oktober 2010 (Stand 1. Januar 2011) Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt, gestützt auf Art. 122 Abs. 2 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) vom 18. April 1999
1 ) , Art. 4 bis 7, 54 Abs. 2 und Art. 96 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung, ZPO) vom 19. Dezember 2008
2 ) sowie § 83 der Verfassung des Kantons Ba - sel-Stadt vom 23. März 2005
3 ) und nach Einsichtnahme in den Rat - schlag des Regierungsrates Nr. 09.0915.01 vom 9. März 2010 sowie in den Bericht der Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission Nr. 09.0915.02 vom 8. September 2010, beschliesst: A. Allgemeine Bestimmungen

§ 1. Zweck und Geltungsbereich

1 Dieses Gesetz regelt die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichtsinstanzen für Verfahren nach der Schweizerischen Zivil - prozessordnung (Zivilprozessordnung, ZPO) vom 19. Dezember 2008.
2 Es enthält weitere Ausführungsbestimmungen zur ZPO, zu deren Er - lass die Kantone zuständig sind.

§ 2.

Zuständigkeit im Allgemeinen
1 Das Zivilgericht entscheidet, soweit dieses Gesetz nichts anderes be - stimmt.
2 Enthält dieses Gesetz keine andere Vorschrift über die Zusammen - setzung des Gerichts der betreffenden Instanz, so entscheidet eine Gerichtspräsidentin, ein Gerichtspräsident, eine Statthalterin oder ein Statthalter als Einzelrichterin oder Einzelrichter.

§ 3. Vorsorgliche Massnahmen

1 Zuständig zum Erlass vorsorglicher Massnahmen vor Rechtshängig - keit der Hauptsache und bis zur Einreichung der Klage sind die Ge - richtspräsidentinnen, Gerichtspräsidenten, Statthalterinnen oder Statthalter des in der Hauptsache zuständigen Gerichts.
2 Im Übrigen werden vorsorgliche Massnahmen von dem mit der Ver - fahrensleitung betrauten Gerichtsmitglied erlassen, abgeändert oder aufgehoben.
1) SR 101 .
2) SR 272 .
3) SG 111.100 .
1

§ 4.

Prozessleitende Verfügungen
1 Das mit der Verfahrensleitung betraute Gerichtsmitglied erlässt die notwendigen prozessleitenden Verfügungen.
2 Mit dem Erlass von einzelnen prozessleitenden Verfügungen kann eine Gerichtsschreiberin oder ein Gerichtsschreiber beauftragt wer - den.

§ 5. Urteilsberatung

1 Die Beratungen des Appellationsgerichts als Rechtsmittelinstanz sind öffentlich, sofern eine öffentliche Hauptverhandlung stattfindet.
2 Im Übrigen gelten § 47 und § 74 des Gerichtsorganisationsgesetzes.

§ 6.

Abschreibung des Verfahrens
1 Für die Abschreibung des Verfahrens infolge Vergleichs, Klageaner - kennung, Klagerückzugs (Art. 241 ZPO) oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens (Art. 242 ZPO) im Entscheidverfahren ist das mit der Verfahrensleitung betraute Gerichtsmitglied zuständig.
2 Es entscheidet zudem über die Höhe und die Verteilung der Prozess - kosten.

§ 7.

Ausstand
1 Über streitige Ausstandsbegehren entscheiden:

1. der Ausschuss des betreffenden Gerichts;

2. eine Einzelrichterin oder ein Einzelrichter des betreffenden

Gerichts, wenn der Ausstand einer als Mitglied eines Einzel - gerichts handelnden Gerichtsperson verlangt wird;

3. die im jeweiligen Verfahren bestellte Kammer ohne die abge -

lehnte Gerichtsperson, wenn das Ausstandsbegehren erst nach erfolgter Bestellung der zum Entscheid berufenen Kam - mer erfolgt ist;

4. ein anderes Mitglied der Schlichtungsbehörde, wenn der Aus -

stand eines Mitglieds der Schlichtungsbehörde verlangt wird. B. Besondere Bestimmungen

§ 8.

Schlichtungsbehörden
1 Es bestehen die Schlichtungsbehörden des Zivilgerichts, des Appella - tionsgerichts, des Sozialversicherungsgerichts und als paritätische Schlichtungsbehörden (Art. 200, 201 ZPO) die Staatliche Schlich - tungsstelle für Mietstreitigkeiten sowie die Kantonale Schlichtungs - stelle für Diskriminierungsfragen; für diese gelten die Vorschriften des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (EG GlG) sowie des Gesetzes über die Staatliche Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten (Schlichtungsstellengesetz).
2
2 Als Schlichtungsbehörde des Zivilgerichts, des Appellationsgerichts und des Sozialversicherungsgerichts amten die Gerichtspräsidentin - nen und Gerichtspräsidenten, die Statthalterinnen und Statthalter so - wie die dafür gewählten Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschrei - ber des jeweiligen Gerichts.
3 Das betreffende Gericht wählt die notwendige Zahl von Gerichts - schreiberinnen und Gerichtsschreibern auf eine Amtsdauer von vier Jahren.
4 Jedes Gericht erlässt ein Reglement für seine Schlichtungsbehörde; die Reglemente des Zivil- und des Sozialversicherungsgerichts bedür - fen der Genehmigung des Appellationsgerichts.
5 Diese Reglemente sehen insbesondere vor, dass die Parteien auf die Möglichkeit der Mediation durch darin ausgebildete Fachpersonen hingewiesen werden.

§ 8a.

1 In familienrechtlichen Angelegenheiten vermögensrechtlicher und nicht vermögensrechtlicher Art haben die Parteien Anspruch auf eine unentgeltliche Mediation, wenn ihnen die erforderlichen Mittel fehlen und das Gericht die Durchführung einer Mediation empfiehlt.
2 Im Schlichtungsverfahren kann das Gericht eine unentgeltliche Me - diation bewilligen, wenn den Parteien die erforderlichen Mittel fehlen und die Schlichtungsbehörde die Durchführung einer Mediation emp - fiehlt.
3 Für die Nachzahlung gilt Art. 123 ZPO sinngemäss.

§ 9. Zivilgericht

1 Erstinstanzliches Gericht des Kantons Basel-Stadt ist das Zivilge - richt.
2 Für Verfahren vor dem Zivilgericht sind zuständig:

1. die Einzelrichterin oder der Einzelrichter:

a) im vereinfachten Verfahren (Art. 243 Abs. 1 ZPO) bei einem Streitwert unter 10'000 Franken sowie in den Fällen von Art. 243 Abs. 2 Bst. b bis d ZPO unab - b) für Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ZPO) bis einem Streitwert unter 10'000 Franken und unabhän - gig vom Streitwert in miet- und pachtrechtlichen Ausweisungsverfahren; c) für alle übrigen summarischen Verfahren unabhängig vom Streitwert.

2. das Dreiergericht:

a) im vereinfachten Verfahren bei einem Streitwert ab
10'000 Franken bis zu einem Streitwert von 30'000 Franken (Art. 243 Abs. 1 ZPO) sowie in den Fällen von Art. 243 Abs. 2 Bst. a und e ZPO unabhängig vom Streitwert, soweit nicht das Arbeitsgericht zu - ständig ist;
3
b) im ordentlichen Verfahren bei einem Streitwert von über 30'000 Franken und unter 100'000 Franken so - wie den nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten; c) für Rechtsschutz in klaren Fällen mit einem Streit - wert ab 10'000 Franken sowie in nicht vermögens - rechtlichen Streitigkeiten (Art. 257 ZPO).

3. die Kammer des Zivilgerichts:

a) im ordentlichen Verfahren ab einem Streitwert von
100'000 Franken.
4 )

4. das Arbeitsgericht:

a) für sämtliche Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhält - nis bis zu einem Streitwert von 30'000 Franken.
3 Für die besonderen eherechtlichen Verfahren (Art. 271ff. ZPO), die Kinderbelange in familienrechtlichen Angelegenheiten (Art. 295ff. ZPO) sowie die Verfahren bei eingetragener Partnerschaft (Art. 305ff. ZPO) sind zuständig:

1. die Einzelrichterin oder der Einzelrichter:

a) bei umfassender Einigung in der Sache; b) in einfachen Fällen ohne umfassende Einigung in der Sache, sofern nicht eine Partei einen Entscheid des Dreiergerichts verlangt; c) in allen summarischen Verfahren; d) in vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Streitwert von unter 10'000 Franken; e) in allen Kontumazverfahren wegen versäumter Kla - geantwort (Art. 223 ZPO).

2. das Dreiergericht in allen übrigen Fällen.

4 Es steht den Parteien frei, anstelle der Kammer das Dreiergericht, die Einzelrichterin oder den Einzelrichter oder anstelle des Dreierge - richts die Einzelrichterin oder den Einzelrichter als zuständig zu ver - einbaren.

§ 10. Appellationsgericht

1 Das Appellationsgericht entscheidet als Rechtsmittelinstanz über Berufungen (Art. 308 ff. ZPO) und Beschwerden (Art. 319 ff. ZPO).
2 Sofern in der ersten Instanz eine Kammer des Zivilgerichts geurteilt hat, so entscheidet die Kammer, in allen übrigen Fällen ein Ausschuss des Appellationsgerichts.
3 Ein Ausschuss ist überdies zuständig für:

1. die Beurteilung von Beschwerden und Revisionsgesuchen in

Streitigkeiten vor Schiedsgerichten (Art. 390, 396 ZPO);

2. die Entgegennahme des Schiedsspruchs zur Hinterlegung

und die Bescheinigung der Vollstreckbarkeit (Art. 356 Abs. 1 ZPO).
4) Softwarebedingte, redaktionelle Einfügung von Gliederungsbuchstaben oder -ziffern.
4

§ 11. Einzige kantonale Instanz

1 Schreibt die ZPO eine einzige kantonale Instanz vor, so ist die be - sondere zivilrechtliche Abteilung des Appellationsgerichts zuständig (§ 63 Abs. 3 bis GOG).
2 Sie ist zuständig für:

1. Verfahren gemäss Art. 5 ZPO;

2. direkte Klagen beim oberen Gericht gemäss Art. 8 ZPO.

3 Für die Zusammensetzung des jeweiligen Gerichts gilt § 9 Abs. 2 die - ses Gesetzes sinngemäss; Entscheide nach Art. 356 Abs. 2 ZPO trifft die Einzelrichterin oder der Einzelrichter.

§ 12.

1 Für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Kranken - versicherung (Art. 7 ZPO) ist das Sozialversicherungsgericht als einzi -

§ 13.

1 Die Gerichte erlassen für das Nähere Reglemente, die der Genehmi - gung des Appellationsgerichts bedürfen.

§ 14.

1 Bei gerichtlich bewilligter Räumung von Wohnräumen stellt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Gerichts für die im Mietobjekt festgestellten Gegenstände ein Inventar auf und organisiert den Ab - transport. Das zuständige Departement lagert das Exmissionsgut kostenpflichtig ein. Sofern es von der Eigentümerin oder dem Eigen - tümer nicht innert nützlicher Frist ausgelöst wird, erfolgt die Verwer - tung. Einzelheiten werden vom Regierungsrat auf dem Verordnungs - weg geregelt.
2 Der Kanton haftet für vorsätzlich oder grobfahrlässig zugefügte Schäden, die beim Abtransport oder bei der Einlagerung entstanden sind.

§ 15. Änderung und Aufhebung bisherigen Rechts

1 Die nachfolgenden Erlasse werden wie folgt geändert:
5 )

1. Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Gleichstellung

von Frau und Mann (EG GIG) vom 26. Juni 1996:
6 )

2. Gesetz betreffend Wahl und Organisation der Gerichte sowie

der Arbeitsverhältnisse des Gerichtspersonals und der Staats - anwaltschaft (Gerichtsorganisationsgesetz, GOG) vom 27. Juni 1895:
7 )
5) Die Änderungen werden hier nicht abgedruckt.
6) SG 140.100.
7) SG 154.100.
5

3. Gesetz über das Sozialversicherungsgericht des Kantons Ba -

sel-Stadt und über das Schiedsgericht in Sozialversicherungs - sachen (Sozialversicherungsgerichtsgesetz, SVGG) vom 9. Mai 2001:
8 )

4. Gesetz über die Gerichtsgebühren vom 16. Januar 1975:

9 )

5. Gemeindegesetz vom 17. Oktober 1984:

10 )

6. Gesetz betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivil -

gesetzbuches vom 27. April 1911:
11 )

7. Gesetz über die Staatliche Schlichtungsstelle für Mietstreitig -

keiten (Schlichtungsstellengesetz) vom 8. Februar 1995:
12 )

8. Gesetz betreffend Einführung des Bundesgesetzes über

Schuldbetreibung und Konkurs vom 22. Juni 1891:
13 )

9. Gesetz über die Verfassungs- und Verwaltungsrechtspflege

(VRPG) vom 14. Juni 1928:
14 )

10. Bau- und Planungsgesetz (BPG) vom 17. November 1999:

15 )

11. Gesetz über Enteignung und Impropriation (Enteignungsge -

setz) vom 26. Juni 1974:
16 )
2 Der nachfolgende Erlass wird aufgehoben: Die Zivilprozessordnung vom 8. Februar 1875. Übergangs- und Schlussbestimmung Dieses Gesetz ist zu publizieren. Es unterliegt dem Referendum und wird nach Eintritt der Rechtskraft gleichzeitig mit der Schweizeri - schen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 wirksam.
17 )
8) SG 154.200.
9) SG 154.800.
10) SG 170.100.
11) SG 211.100.
12) SG 215.400.
13) SG 230.100.
14) SG 270.100.
15) SG 730.100.
16) SG 740.100.
17) Wirksam seit 1. 1. 2011.
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