Verordnung zur Finanzierung von Leistungsangeboten für Menschen mit Behinderung (852.61)
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Verordnung zur Finanzierung von Leistungsangeboten für Menschen mit Behinderung

Verordnung zur Finanzierung von Leistungsangeboten für Menschen mit Behinderung (Behindertenfinanzierungsverordnung; BeFiV) vom 11. Januar 2022 (Stand 14. Januar 2022) Der Regierungsrat von Appenzell Ausserrhoden, gestützt auf Art. 28 des Gesetzes zur Finanzierung von Leistungsangeboten für Menschen mit Behinderung vom 1. November 2021 1 ) verordnet:
1. Abschnitt: Beiträge an Wohnheime, Werkstätten und Tagesstätten (1.) I. Anerkennung als Leistungserbringer (I.)

Art. 1 Definition als Leistungserbringer

1 Als Wohnheime gelten Einrichtungen für kollektives Wohnen, die wenigs - tens 12 Wohnplätze für Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 BeFiG anbie - ten.
2 Als Werkstätten gelten Tagesstrukturen mit Lohnbeschäftigung, die sich vorwiegend an Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 BeFiG richten und we - nigstens sechs Plätze für deren Beschäftigung anbieten.
3 Als Tagesstätten gelten Tagesstrukturen ohne Lohnbeschäftigung, die sich vorwiegend an Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 BeFiG richten und we - nigstens sechs Plätze für deren Betreuung anbieten.
1) Behindertenfinanzierungsgesetz, BeFiG (bGS 852.6 ) * vgl. Änderungstabelle am Schluss des Erlasses

Art. 2 Anerkennungsverfahren

1 Gesuche um Anerkennung sind mit den erforderlichen Unterlagen zum Nachweis der Voraussetzungen nach Art. 4 BeFiG beim Amt für Soziales einzureichen. Das Amt für Soziales kann zusätzliche Unterlagen einverlan - gen.
2 Verfügungen über die Anerkennung werden im Amtsblatt veröffentlicht. Die Veröffentlichung wird den beschwerdeberechtigten Organisationen
1 ) ange - zeigt.

Art. 3 Verzeichnis

1 Das Amt für Soziales veröffentlicht im Internet ein Verzeichnis der aner - kannten Leistungserbringer.
2 Das Verzeichnis umfasst folgende Angaben: a) die Namen und die Adressen der Institution und der Trägerschaft; b) die Namen der Vorsitzenden des obersten Leitungsorgans und der Geschäftsleitung; c) die Art des Leistungsangebots und die Zahl der angebotenen Plätze.

Art. 4 Interkantonale Wirkung

1 Die Anerkennung nach Art. 4 BeFiG gilt gleichzeitig als Anerkennung nach der Interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtungen 2 ) .

Art. 5 Änderung der Verhältnisse

1 Anerkannte Leistungserbringer sind verpflichtet, das Amt für Soziales früh - zeitig über alle wesentlichen Änderungen der Verhältnisse zu orientieren.
1) Vgl. Verordnung über die beschwerdeberechtigten Organisationen im Bereich der Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (SR 831.261 )
2) IVSE (bGS 852.5 )
II. Beitragsbemessung (II.)

Art. 6 Bemessungsgrundlagen

1 Die Beitragspauschalen werden nach der Einstufung des individuellen Betreuungsbedarfs und dem anrechenbaren Nettoaufwand je Verrechnungs - einheit festgelegt.
2 Die Verrechnungseinheiten werden in der Leistungsvereinbarung definiert.

Art. 7 Individueller Betreuungsbedarf

1 Der individuelle Betreuungsbedarf ist nach dem IBB-Einstufungssystem der SODK Ost+ZH zu erheben. Das Departement Gesundheit und Soziales kann Richtlinien erlassen.
2 Die Leistungserbringer erheben den individuellen Betreuungsbedarf in der Regel jährlich und für jedes Leistungsangebot separat.
3 Die Einstufung kann jederzeit überprüft werden.

Art. 8 Anrechenbarer Nettoaufwand

1 Der anrechenbare Nettoaufwand wird nach den Bestimmungen der IVSE 2 ) ermittelt. III. Höchstansätze (III.)

Art. 9 Wohnheime

1 In Wohnheimen können für den Betreuungsaufwand pro Person höchstens angerechnet werden: IBB-Einstufung Fr./Tag Fr./Monat
0 54.– 1'620.–
1 108.– 3'240.–
2 180.– 5'400.–
3 252.– 7'560.–
2) Vgl. Art. 20 f. IVSE (bGS 852.5)
IBB-Einstufung Fr./Tag Fr./Monat
4 306.– 9'180.–
2 Als Objektaufwand können höchstens Fr. 130.– pro Person und Tag ange - rechnet werden.

Art. 10 Werkstätten

1 In Werkstätten können als Nettoaufwand pro Person höchstens angerech - net werden: a) pro Tag Fr. 114.–; b) pro Monat Fr. 2'470.–.

Art. 11 Tagesstätten

1 In Tagesstätten können als Betreuungsaufwand pro Person höchstens angerechnet werden: IBB-Einstufung Fr./Tag Fr./Monat
0 21.– 455.–
1 63.– 1'365.–
2 105.– 2'275.–
3 147.– 3'185.–
4 189.– 4'095.–
2 Als Objektaufwand können höchstens Fr. 81.– pro Person und Tag ange - rechnet werden.

Art. 12 Überschreitung der Höchstansätze

1 Das Amt für Soziales kann eine Überschreitung der Höchstansätze bewilli - gen, wenn wegen chronischer Selbst- oder Fremdgefährdung eine Intensiv - betreuung erforderlich ist und eine anderweitige Unterbringung ausser Betracht fällt.
2 Die Höhe der Leistungsabgeltung ist vorgängig zu vereinbaren.
IV. Betriebs- und Rechnungsführung (IV.)

Art. 13 Rechnungslegung und Kostenrechnung

1 Die anerkannten Leistungserbringer sind zur Rechnungslegung gemäss branchenüblichen Standards verpflichtet.
2 Sie führen eine Kostenrechnung nach den Richtlinien des Vorstands der Vereinbarungskonferenz IVSE 1 ) .
3 Werkstätten haben mit einer Deckungsbeitragsrechnung nachzuweisen, dass der auf die Produktion entfallende Personal- und Materialaufwand durch die selbst erwirtschafteten Erträge gedeckt wird.
4 Die Leistungsvereinbarung bestimmt das Nähere. Das Amt für Soziales kann darin bestimmte Regelwerke oder Teile davon für verbindlich erklären.

Art. 14 Verpflegung, Betreuung über Mittag

1 In Werkstätten und in Tagesstätten sind den Leistungsnutzenden die Kostenanteile für die Verpflegung und die Betreuung über Mittag in Rech - nung zu stellen. Bei Leistungsnutzenden aus Wohnheimen gehen die Kostenanteile zu Lasten des Wohnheims.
2 Der Kostenanteil für die Verpflegung entspricht den Ansätzen für Natural - bezüge gemäss Art. 11 der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenen - verordnung 2 ) .
3 Der Kostenanteil für die Betreuung über Mittag richtet sich nach dem indivi - duellen Betreuungsbedarf und Art. 16 der Verordnung über Ergänzungsleis - tungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
3 )
.

Art. 15 Äufnung von Schwankungsreserven

1 Überschüsse aus Beitragspauschalen sind einer nach Leistungsbereich dif - ferenzierten Schwankungsreserve zuzuweisen.
2 Die maximal zulässige Äufnung der Schwankungsreserven beträgt: a) für Wohnheime: 10 Prozent des anrechenbaren Nettoaufwands;
1) Vgl. Art. 21 Abs. 3 IVSE (bGS 852.5)
2) AHVV (SR 831.101 )
3) bGS 832.311
b) für Werkstätten: im Umfang des Deckungsbeitrags nach Art. 13 Abs.
3, mindestens aber 30 Prozent des anrechenbaren Nettoaufwands; c) für Tagesstätten: 10 Prozent des anrechenbaren Nettoaufwands.
3 Überschüsse, welche die maximal zulässige Äufnung übersteigen, sind dem Kanton zurückzuerstatten. Sie werden mit künftigen Beiträgen verrech - net.

Art. 16 Verwendung der Schwankungsreserven

1 Die Schwankungsreserven sind zweckgebunden zur Deckung von Defizi - ten im jeweiligen Leistungsbereich zu verwenden.
2 Das Amt für Soziales kann die ganze oder teilweise Übertragung einer Schwankungsreserve auf einen anderen Leistungsbereich bewilligen.

Art. 17 Richtlinien

1 Das Departement Gesundheit und Soziales kann Richtlinien zur Betriebs- und Rechnungsführung erlassen.
2. Abschnitt: Integration in Betriebe des ersten Arbeitsmarktes (2.)

Art. 18 Anerkennung von Integrationsarbeitsplätzen

1 Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes werden als Integrationsarbeitsplätze anerkannt, wenn sie geeignet sind, die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung zu fördern, und wenn die Kosten nicht höher sind als für vergleichbare Arbeitsplätze in Werkstät - ten.
2 Die Anerkennung erfolgt durch den Abschluss einer befristeten Leistungs - vereinbarung. Die maximale Dauer der Leistungsvereinbarung beträgt vier Jahre.

Art. 19 Beiträge an Integrationsarbeitsplätze

1 Die Beiträge an Integrationsarbeitsplätze werden dem Betrieb quartalswei - se in Form einer Leistungspauschale je betreute Person ausgerichtet.
2 Die Höhe der Leistungspauschale bemisst sich nach dem im Einzelfall er - mittelten Unterstützungsbedarf.
3 Der beitragsberechtigte Betrieb reicht den Ausweis über die erbrachten Leistungen quartalsweise der zuständigen Stelle ein. Die Leistungsvereinba - rung bestimmt das Nähere.

Art. 20 Vollzug und Aufsicht

1 Das Departement Gesundheit und Soziales kann eine geeignete öffentliche oder private Stelle mit dem Vollzug der Aufgaben nach Art. 18 und 19 beauf - tragen.
2 Der beauftragten Stelle stehen im Rahmen ihrer Vollzugszuständigkeit die aufsichtsrechtlichen Befugnisse nach Art. 22 BeFiG zu.
3. Abschnitt: Weitere Fördermassnahmen (3.)

Art. 21 Beiträge an Organisationen

1 Das Departement Gesundheit und Soziales entscheidet im Rahmen seiner Finanzkompetenzen über Gesuche um Beiträge nach Art. 17 BeFiG.
2 Die Beiträge werden auf der Grundlage einer befristeten Leistungsverein - barung ausgerichtet. Die maximale Dauer der Leistungsvereinbarung beträgt vier Jahre.

Art. 22 Individuelle Unterstützungshilfe

1 Menschen mit Behinderung können individuelle Unterstützungshilfe für die selbständige Alltagsbewältigung beantragen, wenn sie: a) volljährig und noch nicht im AHV-Alter sind; b) eine ganze IV-Rente oder eine Hilflosenentschädigung der Invaliden-, Unfall- oder Militärversicherung erhalten; c) ihren zivilrechtlichen Wohnsitz seit mindestens einem Jahr in Appen - zell Ausserrhoden haben.
2 Die individuelle Unterstützungshilfe wird nach Massgabe des anerkannten Assistenzbudgets als monatliche Pauschale ausgerichtet.

Art. 23 Assistenzbudget

1 Das Assistenzbudget bemisst sich nach dem behinderungsbedingten Un - terstützungsbedarf in folgenden Bereichen: a) alltägliche Lebensverrichtungen; b) Haushaltsführung; c) gesellschaftliche Teilhabe und Freizeitgestaltung; d) Erziehung und Kinderbetreuung; e) Ausübung einer gemeinnützigen oder ehrenamtlichen Tätigkeit; f) berufliche Aus- und Weiterbildung; g) Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem regulären Arbeitsmarkt; h) Überwachung während des Tages; i) Nachtdienst.
2 Der Unterstützungsbedarf wird in einem standardisierten Verfahren erho - ben. Das Amt für Soziales kann eine externe Fachstelle für die Erhebung beiziehen.
3 Den zuständigen Stellen ist der Zutritt für die notwendigen Abklärungen zu gewähren.
4 Wesentliche Änderungen in den Verhältnissen sind unverzüglich dem Amt für Soziales zu melden.
4. Abschnitt: Schlussbestimmungen (4.)

Art. 24 Vollzugszuständigkeit

1 Der Vollzug steht unter der Aufsicht des Departements Gesundheit und Soziales.
2 Soweit keine besondere Regelung besteht, ist das Amt für Soziales zustän - dige Vollzugsbehörde.

Art. 25 Kantonale Angebotsplanung

1 Das Departement Gesundheit und Soziales unterbreitet dem Regierungsrat alle vier Jahre eine kantonale Angebotsplanung mit Planungsbericht.
2 Die kantonale Angebotsplanung zeigt den Bedarf an Wohnheimen, Werk - stätten und Tagesstätten für die Planungsperiode sowie den aktuellen Stand des Leistungsangebots.
3 Der Planungsbericht gibt Auskunft über die Ziele und die langfristige Ent - wicklung der kantonalen Angebotsplanung.

Art. 26 Schlichtungsstelle

1 Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle dient der einvernehmlichen Lö - sung von Streitigkeiten aller Art zwischen Menschen mit Behinderung und Leistungserbringern im Kanton.
2 Die Schlichtungsstelle klärt auf Ersuchen hin den Sachverhalt ab, versucht zwischen den Beteiligten zu vermitteln und gibt ihnen Empfehlungen. Sie hält das Ergebnis ihrer Bemühungen schriftlich fest.
3 Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle ist vertraulich und kostenlos. Es werden keine Parteientschädigungen ausgerichtet.
4 Das Departement Gesundheit und Soziales bezeichnet nach Anhörung der betroffenen Interessenkreise eine geeignete Organisation als Schlichtungs - stelle. Der Leistungsauftrag der Schlichtungsstelle wird jeweils für eine Dau - er von maximal vier Jahren vergeben.

Art. 27 Übergangsbestimmung

1 Gesuche um Anerkennung als Leistungserbringer mit Wirkung ab dem
1. Januar 2025 sind bis spätestens 31. Dezember 2023 mit den notwendi - gen Unterlagen beim Amt für Soziales einzureichen.
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