Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule
Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule (HarmoS) vom 14. 06. 2007 (Fassung in Kraft getreten am 01.05.2010 ) I. Zweck und Grundsätze der Vereinbarung
Art. 1 Zweck
Die Vereinbarungskantone harmonisieren die obligatorische Schule, indem sie: a) die Ziele des Unterrichts und die Schulstrukturen harmonisieren, und b) die Qualität und Durchlässigkeit des Schulsystems durch gemeinsame Steuerungsinstrumente entwickeln und sichern.
Art. 2 Grundsätze
1 Im Respekt vor den unterschiedlichen Kulturen in der mehrsprachigen Schweiz folgen die Vereinbarungskantone bei ihren Vorkehren zur Harmonisierung dem Grundsatz der Subsidiarität.
2 Sie sind bestrebt, die schulischen Hindernisse für eine nationale und internationale Mob ilität der Bevölkerung zu beseitigen. II. Übergeordnete Ziele der obligatorischen Schule
Art. 3 Grundbildung
1 In der obligatorischen Schule erwerben und entwickeln alle Schülerinnen und Schüler grundlegende Kenntnisse und Kompetenzen sowie kulturelle Iden tität, die es ihnen erlauben, lebenslang zu lernen und ihren Platz in Gesellschaft und Berufsleben zu finden.
2 Während der obligatorischen Schule erwirbt jede Schülerin und jeder Schüler die Grundbildung, die den Zugang zur Berufsbildung oder zu allgemein bildenden Schulen auf der Sekundarstufe II ermöglicht, insbesondere in den folgenden Bereichen:
a) Sprachen: eine umfassende Grundbildung in der lokalen Standardsprache (mündliche und schriftliche Sprachbeherrschung) und grundlegende Kompetenzen in einer z weiten Landessprache und mindestens einer weiteren Fremdsprache;
b) Mathematik und Naturwissenschaften: eine Grundbildung, die zur Anwendung von grundlegenden mathematischen Konzepten und
Verfahren sowie zu Einsichten in naturwissenschaftliche und technisc he Zusammenhänge befähigt;
c) Sozial - und Geisteswissenschaften: eine Grundbildung, die dazu befähigt, die grundlegenden Zusammenhänge des sozialen und politischen Umfeldes sowie von Mensch und Umwelt zu kennen und zu verstehen;
d) Musik, Kunst und Gestalt ung: eine auch praktische Grundbildung in verschiedenen künstlerischen und gestalterischen Bereichen, ausgerichtet auf die Förderung von Kreativität, manuellem Geschick und ästhetischem Sinn sowie auf die Vermittlung von Kenntnissen in Kunst und Kultur;
e) Bewegung und Gesundheit: eine Bewegungs - und Gesundheitserziehung ausgerichtet auf die Entwicklung von motorischen Fähigkeiten und körperlicher Leistungsfähigkeit sowie auf die Förderung des physischen und psychischen Wohlbefindens.
3 Die Schülerinnen und Schüler werden in ihrer Entwicklung zu eigenständigen Persönlichkeiten, beim Erwerb sozialer Kompetenzen sowie auf dem Weg zu verantwortungsvollem Handeln gegenüber Mitmenschen und Umwelt unterstützt.
Art. 4 Sprachenunterricht
1 Die erste Fremdsprache wird, entsprechend der in Artikel 6 festgelegten Dauer der Schulstufen, spätestens ab dem 5. Schuljahr, die zweite Fremdsprache spätestens ab dem 7. Schuljahr unterrichtet. Eine der beiden Sprachen ist eine zweite Landesprache, deren Unterricht kulturelle Aspekte einschliesst; die andere Sprache ist Englisch. In beiden Fremdsprachen werden per Ende der obligatorischen Schule gleichwertige Kompetenzniveaus vorgegeben. Sofern die Kantone Graubünden und Tessin zusätzlich eine dritte Lan dessprache obligatorisch unterrichten, können sie bezüglich der Festlegung der Schuljahre von der vorliegenden Bestimmung abweichen.
2 Während der obligatorischen Schule besteht ein bedarfsgerechtes Angebot an fakultativem Unterricht in einer dritten Lande ssprache.
3 Die Reihenfolge der unterrichteten Fremdsprachen wird regional koordiniert. Qualitäts - und Entwicklungsmerkmale sind in einer durch die EDK genehmigten Gesamtstrategie festgelegt.
4 Für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund unterstützen die Kantone durch organisatorische Massnahmen die von den Herkunftsländern und den verschiedenen Sprachgemeinschaften unter Beachtung der
religiösen und politischen Neutralität durchgefüh rten Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK -Kurse). III. Strukturelle Eckwerte der obligatorischen Schule
Art. 5 Einschulung
1 Die Schülerinnen und Schüler werden mit dem vollendeten 4. Altersjahr eingeschult (Stichtag 31. Juli).
2 Während der ersten Schuljahre (Vorschul - und Primarunterricht) erwirbt das Kind schrittweise die Grundlagen der Sozialkompetenz und der schulischen Arbeitsweise. Es vervollständigt und konsolidiert insbesondere die sprachlichen Grundlagen. Die Zeit, die das Kind für das Du rchlaufen der ersten Schuljahre benötigt, ist abhängig von seiner intellektuellen Entwicklung und emotionalen Reife; gegebenenfalls wird es durch besondere Massnahmen zusätzlich unterstützt.
Art. 6 Dauer der Schulstufen
1 Die Primarstufe, inklusive Vorschule oder Eingangsstufe, dauert acht Jahre.
2 Die Sekundarstufe I schliesst an die Primarstufe an und dauert in der Regel drei Jahre.
3 Die in den Absätzen 1 und 2 festgelegte Aufteilung der Schulstufen zwischen der Primar - und der Sekundarstufe I kann im Ka nton Tessin um ein Jahr variieren.
4 Der Übergang zur Sekundarstufe II erfolgt nach dem 11. Schuljahr. Der Übergang in die gymnasialen Maturitätsschulen erfolgt unter Berücksichtigung der Erlasse des Bundesrates und der EDK* in der Regel nach dem 10. Schul jahr.
5 Die Zeit für das Durchlaufen der Schulstufen ist im Einzelfall abhängig von der individuellen Entwicklung der Schülerin oder des Schülers. * Derzeit die Verordnung des Bundesrates vom 16. Januar 1995 bzw. das Reglement der EDK vom 15. Februar 1995 über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAR). Erlasssammlung EDK, Ziff.
4.3.1.1./SR 413.11. IV. Instrumente der Systementwicklung und Qualitätssicherung
Art. 7 Bildungsstandards
1 Zur gesamtschweizerischen Harmonisierung der Unterrichtszi ele werden nationale Bildungsstandards festgelegt.
2 Unterschieden wird zwischen folgenden zwei Arten von Bildungsstandards: a) Leistungsstandards, die pro Fachbereich auf einem Referenzrahmen mit Kompetenzniveaus basieren; b) Standards, die Bildungsinhalt e oder Bedingungen für die Umsetzung im Unterricht umschreiben.
3 Die nationalen Bildungsstandards werden unter der Verantwortung der EDK wissenschaftlich entwickelt und validiert. Sie unterliegen einer Vernehmlassung gemäss Artikel 3 des Konkordats über d ie Schulkoordination vom 29. Oktober 1970*.
4 Sie werden von der Plenarversammlung der EDK mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder verabschiedet, von denen mindestens drei einen nicht mehrheitlich deutschsprachigen Kanton vertreten. Die Revis ion erfolgt durch die Vereinbarungskantone in einem analogen Verfahren. * Erlasssammlung EDK, Ziff. 1.1.
Art. 8 Lehrpläne, Lehrmittel und Evaluationsinstrumente
1 Die Harmonisierung der Lehrpläne und die Koordination der Lehrmittel erfolgen auf sprachregio naler Ebene.
2 Lehrpläne, Lehrmittel und Evaluationsinstrumente sowie Bildungsstandards werden aufeinander abgestimmt.
3 Die Kantone arbeiten im Rahmen des Vollzugs dieser Vereinbarung auf sprachregionaler Ebene zusammen. Sie können die hierfür erforderlichen Einrichtungen schaffen.
4 Die EDK und die Sprachregionen verständigen sich von Fall zu Fall über die Entwicklung von Referenztests auf Basis der Bildungsstandards.
Art. 9 Portfolios
Die Vereinbarungskantone sorgen dafür, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen und ihre Kompetenzen mittels der von der EDK empfohlenen nationalen oder internationalen Portfolios dokume ntieren können.
Art. 10 Bildungsmonitoring
1 In Anwendung von Artikel 4 des Konkordats über die Schulkoordination vom 29. Oktober 1970* beteiligen sich die Vereinbarungskantone zusammen mit dem Bund an einem systematischen und kontinuierlichen, wissenschaf tlich gestützten Monitoring über das gesamte schweizerische Bildungssystem.
2 Die Entwicklungen und Leistungen der obligatorischen Schule werden regelmässig im Rahmen dieses Bildungsmonitorings evaluiert. Ein Teil davon ist die Überprüfung der Erreichung d er nationalen Bildungsstandards namentlich durch Referenztests im Sinne von Artikel 8 Absatz 4. * Erlasssammlung EDK, Ziff. 1.1. V. Gestaltung des Schultags
Art. 11 Blockzeiten und Tagesstrukturen
1 Auf der Primarstufe wird der Unterricht vorzugsweise in B lockzeiten organisiert.
2 Es besteht ein bedarfsgerechtes Angebot für die Betreuung der Schülerinnen und Schüler ausserhalb der Unterrichtszeit (Tagesstrukturen). Die Nutzung dieses Angebots ist fakultativ und für die Erziehungsberechtigten grundsätzlich kostenpflichtig. VI. Schlussbestimmungen
Art. 12 Fristen
Die Vereinbarungskantone verpflichten sich, spätestens sechs Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung die strukturellen Eckwerte der obligatorischen Schule im Sinne von Titel III der vorliegenden Vereinbarung festzulegen und die Bildungsstandards im Sinne von Artikel
7 anzuwenden.
Art. 13 Beitritt
Der Beitritt zu dieser Vereinbarung wird dem Vorstand der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren gegenüber erklärt.
Art. 14 Au stritt
Der Austritt aus der Vereinbarung muss dem Vorstand der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren gegenüber erklärt werden. Er tritt in Kraft auf Ende des dritten der Austrittserklärung folgenden Kalenderjahres.
Art. 15 Ausserkra ftsetzung von Artikel 2 des Schulkonkordats von
1970 Die Plenarversammlung der EDK entscheidet über den Zeitpunkt der Ausserkraftsetzung von Artikel 2 des Konkordats über die Schulkoordination vom 29. Oktober 1970*.
* Erlasssammlung EDK, Ziff. 1.1.
Art. 16 Inkrafttreten
1 Der Vorstand der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren setzt die Vereinbarung in Kraft, wenn ihr mindestens zehn Kantone beigetreten sind.
2 Das Inkrafttreten ist dem Bund zur Kenntnis zu geben.
Art. 17 Fürstentum L iechtenstein
Dieser Vereinbarung kann auch das Fürstentum Liechtenstein beitreten. Ihm stehen alle Rechte und Pflichten eines Vereinbarungskantons zu. Beitritt durch Gesetz vom 12.2.2009 Inkrafttreten für den Kanton Freiburg: 1.5.2010
Änderungstabelle – Nach Beschlussdatum Beschluss Berührtes Element Änderungstyp Inkrafttreten Quelle (ASF seit 2002)
14.06.2007 Erlass Grunderlass 01.05.2010 2009_012 Änderungstabelle – Nach Artikel Berührtes Element Änderungstyp Beschluss Inkrafttreten Quelle (ASF seit 2002) Erlass Grunderlass 14.06.2007 01.05.2010 2009_012
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