Verordnung über die Rechtspflege (145.32)
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Verordnung über die Rechtspflege

676 145.32 Ve ro r dnung über die Rechtspflege vom 15. Juni 1981 1) Der Kantonsrat des Kantons Appenzell A.Rh., gestützt auf Art. 298 der Zivilprozessordnung (ZPO) vom 27. April 1980 2) sowie

Art. 13 und 266 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) vom 30. April 1978 3)

verordnet: I. Aufsicht, Inspektion und Amtsübergabe A. Aufsicht
Art. 1
1 Das Obergericht und die Justizaufsichtskommission üben die Aufsicht über die Rechtspflege der Gerichtsorgane aus 4) .
2 Das Verhöramt wird von der Staatsanwaltschaft 5) , diese von der Justizdirek- tion 6) beaufsichtigt.
3 Die beamtenrechtliche Aufsicht bleibt vorbehalten.

Art. 2 Die Gerichtskasse führt die Buchhaltung und Kasse unter der Aufsicht der

Justizdirektion.
Art. 3
1 Die Präsidenten der Gerichtsabteilungen sind für die ordnungsgemässe Ab- wicklung der Geschäfte verantwortlich.
2 Sie beaufsichtigen die Gerichtskanzleien. Ausserrhodische Gesetzessammlung
1) bereinigte Fassung; Stand 1. August 1998
2) bGS 231.1
3) bGS 321.1
4) vgl. Art. 12 Abs. 2 StPO (bGS 321.1)
5) vgl. Art. 8 Abs. 4 StPO (bGS 321.1)
6) vgl. Art. 9 StPO (bGS 321.1)
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Art. 4
1 Den Aufsichtsbehörden steht ein Weisungsrecht zu.
2 Die Weisungen des Obergerichts haben den Zweck, den rechtmässigen äus- seren Ablauf des Verfahrens zu sichern. In hängige Verfahren darf nicht eln- gegriffen werden.
3 Das Obergericht führt ein Verzeichnis seiner Weisungen.

Art. 5 Auf Ende jedes Amtsjahres haben Bericht zu erstatten:

a) dem Kantonsrat: das Obergericht über seine Tätigkeit und die Tätigkeit der von ihm beaufsichtigten Behörden; b) dem Obergericht: die Vermittler, Gerichtsschreiber und Einzelrichter über die Zahl und Erledigung der Prozesse; c) der Justizdirektion: die Staatsanwaltschaft über den Stand der Strafverfol- gungen. B. Inspektionen
Art. 6
1 Das Obergericht sorgt für die Überwachung der Vermittlerämter. Es kann In- spektionen bei den Einzelrichtern und Gerichtskanzleien durchführen.
2 Die Staatsanwaltschaft inspiziert das Verhöramt.

Art. 7 Der Inspizierende soll sich vor allem von der Zweckmässigkeit der Organisa-

tion überzeugen und prüfen, ob die Streitfälle ordnungsgemäss behandelt und die Geschäftsverzeichnisse, Protokolle und Aktensammlungen nach den V orschriften geführt werden. Beanstandungen sind dem Amtsinhaber be- kanntzugeben. Der Aufsichtsbehörde ist Bericht zu erstatten. C. Amtsübergaben
Art. 8
1 Das Obergericht, die Justizdirektion und die Staatsanwaltschaft sorgen für die ordnungsgemässe Abwicklung der Amtsübergaben. Rechtspflegeverordnung
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2 Die Justizaufsichtskommission überwacht die Amtsübergaben bei Vermitt- lern und Gerichtspräsidenten; diese überwachen sie bei den Richtern ihres Gerichtes.
3 Die Aufsichtsorgane sind insbesondere dafür besorgt, dass der abtretende Amtsinhaber Akten und Bücher zurückgibt.

Art. 9 Die Aufsichtsbehörden sorgen für die Instruktion der neuen Amtsinhaber.

II. Allgemeine Pflichten der Rechtspflegeorgane
Art. 10
1 Eine anhängige Streitsache darf mit den Parteien, Zeugen oder Dritten nicht privat erörtert werden.
2 Ve r gleichsverhandlungen gemäss Art.107 ZPO 1) bleiben dem Gerichtspräsi- denten oder einem von ihm beauftragten Richter vorbehalten.
3 Im Strafuntersuchungsverfahren sind die zuständigen Beamten befugt, Ver- gleichsverhandlungen zu führen.

Art. 11 Jeder Amtsinhaber ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Richter hat sich

insbesondere jeder Äusserung über die Beratungen des Gerichtes und die Stimmabgabe der einzelnen Richter zu enthalten.
Art. 12
1 Die Bestimmungen dieses Abschnittes sind bei der Amtsübergabe und bei Beginn jeder konstituierenden Sitzung der Gerichte bekanntzugeben.
2 Sie gelten sinngemäss für alle Beamten und Angestellten der Rechtspflege. Rechtspflegeverordnung
1) bGS 231.1
145.32 676 III. Amtsführung A. Vermittler
Art. 13
1 Die Vermittler führen a) ein Verzeichnis mit dem Eingangsdatum des Begehrens, den Parteien, dem Streitgegenstand sowie dem Zeitpunkt und der Art der Erledigung; b) das Protokoll mit den Angaben gemäss Art.129 ZPO 1) oder Art.187 StPO 2) .
2 Die Akten sind übersichtlich zu sammeln, fortlaufend zu numerieren und zehn Jahre aufzubewahren. B. Gerichte

Art. 14 Die Gerichtskanzleien führen

a) ein Register mit dem Eingangsdatum der Klage oder Überweisung, den Parteien, dem Streitgegenstand, der Zuteilung und dem Zeitpunkt der Er- ledigung; b) ein Verhandlungsprotokoll mit den Parteivorbringen und dem Ergebnis der Beratungen; c) eine chronologische Sammlung der Beschlüsse und Entscheide mit Be- gründung.
Art. 15
1 Die Kanzlei ordnet die Akten und setzt sie bei den Richtern rechtzeitig in Zir- kulation.
2 Die Akten sind gemäss Verordnung über das kantonale Gerichts- und Ver- höramtsarchiv 3) aufzubewahren.
3 Nach Eintritt der Rechtskraft sind die Parteiakten zurückzusenden.

Art. 16 Entscheide, gegen welche die Appellation angemeldet worden ist, sind innert

60 Tagen seit der Ausfällung zu begründen und den Parteien zu eröffnen.
2 Für komplizierte Fälle kann der zuständige Präsident diese Frist erstrecken. Rechtspflegeverordnung
1) bGS 231.1
2) bGS 321.1
3) Heute: V vom 14. November 1988 über das Archivwesen (Archivverordnung); bGS 421.11
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Art. 17
1 Die Einzelrichter führen a) ein Verzeichnis mit dem Eingangsdatum des Begehrens, den Parteien, dem Gegenstand sowie dem Zeitpunkt der Erledigung; b) eine übersichtliche Sammlung ihrer Entscheide.
2 Die Akten sind mindestens zwei Jahre beim betreffenden Einzelrichter, anschliessend im kantonalen Gerichtsarchiv aufzubewahren.

Art. 18 Der Gerichtsschreiber kann vom Präsidenten generell oder im Einzelfall er-

mächtigt werden, prozessleitende Anordnungen und Verfügungen zu erlassen und in dringenden Fällen Einvernahmen durchzuführen.
Art. 19
1 Eingaben, die bei einer unzuständigen richterlichen Behörde angebracht werden, sind von Amtes wegen sofort an die zuständige Behörde zu leiten; ist die Zuständigkeit unklar, sind sie zurückzusenden.
2 Unrichtig ausgefüllte oder unvollständige Leitscheine sind zur Abänderung oder Ergänzung dem Vermittler zuzustellen. C. Strafuntersuchungsbehörden

Art. 20 Die Staatsanwaltschaft führt ein Verzeichnis der ihr zur Genehmigung über-

wiesenen Einstellungsverfügungen, der Anklagen an das Gericht und der von ihr zu beurteilenden Rekurse.
Art. 21
1 Das Verhöramt führt a) ein Verzeichnis mit dem Datum des Eingangs, dem Namen (bei bekannter Täterschaft des Beschuldigten, sonst des Geschädigten), dem Gegen- stand sowie dem Zeitpunkt und der Art der Erledigung; b) alphabetische Namensregister;
2 archiviert das Verhöramt. Rechtspflegeverordnung
145.32 676 D. Gerichtskasse 1)

Art. 21 bis1)

1 Die Gerichtskasse führt Kasse und Buchhaltung nach den Vorschriften des Zivil- und Strafverfahrensrechts 2) und nach den Grundsätzen des Rech- nungswesens der öffentlichen Haushalte
2 Sie kann sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben der Mithilfe der Kantonspoli- zei bedienen.
3 Bussenschuldner, deren Aufenthalt unbekannt ist, lässt sie polizeilich aus- schreiben.

Art. 21 ter1)

1 Die Gerichtskasse kann ihren Schuldnern auf begründetes Gesuch hin Teil- zahlungen bewilligen oder Bussen und Kosten stunden.
2 In Härtefällen kann die Justizdirektion Bussen und Kosten ganz oder teil- weise erlassen. IV. Konstituierung und Sitzungsordnung
Art. 22
1 Die kantonalen Gerichte führen jedes Jahr nach der Erneuerungswahl eine konstituierende Sitzung durch und nehmen die Wahlen vor (Art. 10 und 15 ZPO 3) )
2 Soweit die Gerichte nichts anderes beschliessen, werden die Funktionen des Einzelrichters vom Präsidenten oder von seinem Stellvertreter ausgeübt.
Art. 23
1 Das Kantonsgericht legt die Zuständigkeit seiner Abteilungen und der Ein- zelrichter fest.
2 Die Wahlen und die Zuständigkeitsordnung sind alljährlich zu veröffentli- chen.
Art. 24
1 Die Gerichte tagen in den ihnen zur Verfügung gestellten Amtsräumen, so- oft die Geschäfte es erfordern. Rechtspflegeverordnung
1) Eingefügt am 11. Juni 1990 (lf. Nr. 339)
2) Zivilprozessordnung (bGS 231.1) und Strafprozessordnung (bGS 321.1)
3 ) bGS 231.1
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2 Je nach dem Gang eines Verfahrens können andere Tagungsorte gewählt werden.

Art. 25 Richter, Gerichtsschreiber und Gerichtsweibel erscheinen zu den Sitzungen

der Abteilungen in dunkler Kleidung.

Art. 26 Die Gerichtssitzungen werden mit Gebet eröffnet.

Art. 27 Die Parteien haben die Urteile und Beschlüsse der Gerichte stehend entge-

genzunehmen.

Art. 28 Die Gerichte und Kommissionen können dringliche Beschlüsse (z.B. An-

waltsbewilligungen) auch auf dem Zirkulationsweg oder in getrennten Sitzun- gen treffen, sofern Einstimmigkeit herrscht. V. Weitere Bestimmungen A. Gerichtsferien
Art. 29
1) Die Bestimmungen über die Gerichtsferien (Art. 76 ZPO 2) ) sind auch auf das gerichtliche Verfahren in Strafsachen anwendbar. Im Untersuchungsverfahren gelten sie nur bei Rekursen gegen Einstellungsverfügungen. B. Parteiakten

Art. 30 Parteiakten sind fortlaufend numeriert und mit einem Verzeichnis versehen

einzureichen. Sie sind beim Eingang zu kontrollieren; das Aktenverzeichnis ist zu visieren. Nicht vorschriftsgemäss eingereichte Akten sind zur Behebung der Mängel innert Notfrist zurückzugeben. Rechtspflegeverordnung
1) Geändert am 17. Juni 1996 (lf. Nr. 604)
2) bGS 231.1
145.32 676 C. Rechtliches Gehör
Art. 31
1 Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen wird die Akteneinsicht gewährt.
2 Die Akteneinsicht wird den Beteiligten auf der Gerichtskanzlei, dem Ver- höramt oder auf dem Rechtshilfeweg gestattet. Den Parteianwälten können die Akten für eine bestimmte Frist ausgehändigt werden. D. Gerichtsweibel
Art. 32
1 Der Gerichtsweibel steht unter der Aufsicht der Gerichtspräsidenten.
2 Er besorgt die Wartung bei den Gerichtssitzungen sowie alle ihm sonst zu- gewiesenen Geschäfte. E. Anwendung auf das Verwaltungsgerichtsverfahren 1)

Art. 32 bis1)

1 Auf das Verwaltungsgerichtsverfahren sind sinngemäss anwendbar: Art. 2,
3, 4 Abs. 1, 5 lit. a, 8 bis 12, 14 bis 19, 21 bis , 21 ter , 22 bis 28 sowie 29 bis 32.
2 Art 29 gilt nicht im einzelrichterlichen Verfahren. VI. Schlussbestimmung
Art. 33
1 Diese Verordnung tritt mit der Annahme durch den Kantonsrat 2) in Kraft. Durch sie werden die Verordnung vom 2. Dezember 1957 über die Rechts- pflege 3) und die Verordnung vom 18. Februar 1974 über die Zuständigkeit und die Organisation der kantonalen Gerichte
4) aufgehoben.
2 Der Regierungsrat ist ermächtigt, ergänzende Vorschriften zu erlassen. Rechtspflegeverordnung
1) Eingefügt am 17. Juni 1996 (lf. Nr. 604)
2) 15. Juni 1981
3) bGS 145.32 (aGS III/294)
4) bGS 145.33 (aGS V/659)
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