Verordnung über die fürsorgerische Freiheitsentziehung (212.42)
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Verordnung über die fürsorgerische Freiheitsentziehung

545 212.42 Ve ro r dnung über die fürsorgerische Freiheitsentziehung vom 5. Dezember 1994 1) Der Kantonsrat des Kantons Appenzell A. Rh., gestützt auf Art. 397e des Schweizerischen Zivilgesetzbuches 2) und auf
Art. 48 Ziff. 4 der Kantonsverfassung
3) , verordnet: Ausserrhodische Gesetzessammlung I. Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Zweck

1 Diese Verordnung regelt den Vollzug der bundesrechtlichen Bestimmungen über die fürsorgerische Freiheitsentziehung
4)
.
2 Bei ihrer Anwendung ist die Persönlichkeit der Betroffenen zu achten und ein rascher Entscheid anzustreben.

Art. 2 Organe

1 Die Anordnung und Aufhebung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung ist, soweit diese Verordnung nichts anderes vorsieht
5) , Sache der Vormund- schaftsbehörde.
2 Der Gemeinderat kann die durch diese Verordnung dem Präsidium zuge- wiesenen Befugnisse einem anderen Mitglied der Vormundschaftsbehörde übertragen.
1) vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement genehmigt am 23. Januar 1995
2) SR 210, im folgenden kurz: ZGB
3) bGS 111.1
4) Art. 397a bis 397e ZGB
5) vgl. namentlich Art. 13
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545 II. Ordentliches Verfahren

Art. 3 Einleitung der Untersuchung

Die Vormundschaftsbehörde leitet eine Untersuchung ein, sobald sie von einem Grund für eine fürsorgerische Freiheitsentziehung im Sinne von

Art. 397a Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches 1) erfährt.

Art. 4 Interessenwahrung

a) Grundsatz
1 Die betroffene Person kann eine Person ihres Vertrauens mit der Wahrung ihrer Interessen betrauen.
2 Macht sie von diesem Recht nicht Gebrauch und ist sie zur Wahrung ihrer Interessen nicht selbst in der Lage, wird ihr ein Interessenvertreter oder eine Interessenvertreterin beigegeben.
3 Steht die Freiheitsentziehung wegen psychischer Krankheit in Frage, so soll die Bestellung einer Interessenvertretung nur unterbleiben, wenn die betrof- fene Person ihre Interessen offensichtlich selbst wahren kann.

Art. 5 b) Bestellung durch die Behörde

1 Die behördliche Bezeichnung eines Interessenvertreters oder einer Interes- senvertreterin erfolgt durch das Präsidium der Vormundschaftsbehörde.
2 Das Präsidium achtet namentlich darauf, dass die bezeichnete Person a) im Vertrauen der betroffenen Person steht, b) von den Behörden unabhängig ist und c) zur Vertretung der Interessen befähigt scheint.
3 W er die Vormundschaft führt, kann nur durch die betroffene Person, nicht aber durch die Behörde mit der Interessenvertretung betraut werden.

Art. 6 c) Rechtsstellung

1 W er mit der Interessenvertretung betraut ist, unterstützt die betroffene Per- son im Verfahren bis zu ihrer Entlassung oder bis zum Widerruf des Auftrags.
1) Diese Bestimmung lautet: Eine mündige oder entmündigte Person darf wegen Gei- steskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen oder schwerer Verwahrlosung in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbe- halten werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen wer- den kann.
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2 Zur Unterstützung der betroffenen Person gehört namentlich, a) ihr die behördlichen Massnahmen zu erklären, b) ihre Wünsche entgegenzunehmen und ihr bei der Formulierung und Wei- terleitung ihrer Anliegen zu helfen, c) sie im weiteren Verlauf des Verfahrens zu begleiten.
3 Der Interessenvertretung stehen zu diesem Zwecke die gleichen Verfah- r ensrechte zu wie der betroffenen Person.
4 W er die Interessen der betroffenen Person wahrt, ist gegenüber Dritten zur V erschwiegenheit verpflichtet.

Art. 7 Ermittlung des Sachverhaltes

1 Die Vormundschaftsbehörde trifft von Amtes wegen die erforderlichen Ab- klärungen.
2 Sie zieht gegebenenfalls Sachverständige bei; deren Beizug ist zwingend, wenn die Freiheitsentziehung wegen psychischer Krankheit in Frage steht 1) .

Art. 8 Rechtliches Gehör

1 Der betroffenen Person werden die Gründe für die in Aussicht genommene Freiheitsentziehung durch das Präsidium der Vormundschaftsbehörde in mündlicher Verhandlung bekanntgegeben.
2 Über die Verhandlung wird Protokoll geführt.
3 Der betroffenen Person wird Akteneinsicht gewährt; die Einsicht kann nur aus wichtigen Interessen von Privatpersonen eingeschränkt werden 2) .
4 Die betroffene Person kann schriftlich oder zu Protokoll zum Ergebnis der Untersuchung Stellung nehmen.

Art. 9 Entscheid

1 Der Entscheid erfolgt schriftlich nach den Vorschriften über das Verwal- tungsverfahren
3)
.
2 Er enthält insbesondere eine Belehrung über die Möglichkeit, den Entscheid anzufechten und jederzeit ein Entlassungsgesuch zu stellen.
1) vgl. Art. 397e Ziff. 5 ZGB
2) vgl. Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren (bGS 143.5)
3) vgl. Art. 11 f. des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren (bGS 143.5)
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Art. 10 Rechtsschutz

a) Rechtsmittel
1 Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann innert zehn Tagen seit Mitteilung des Entscheides der Vormundschaftsbehörde beim Verwal- tungsgericht gerichtliche Beurteilung verlangen.
2 Das Gerichtspräsidium prüft umgehend, ob die fürsorgerische Freiheitsent- ziehung für die Dauer des Verfahrens aufgeschoben werden kann, und teilt seinen Entscheid der betroffenen Person und der Vormundschaftsbehörde mit.

Art. 11 b) Entlassungsgesuch

1 Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann, solange die Frei- heitsentziehung andauert, bei der Vormundschaftsbehörde ein Entlassungs- gesuch einreichen.
2 Die Vormundschaftsbehörde behandelt das Gesuch beförderlich.
3 Gegen ihren Entscheid ist das Rechtsmittel gemäss Artikel 10 gegeben.

Art. 12 c) periodische Überprüfung

Die Vormundschaftsbehörde überprüft wenigstens alljährlich von sich aus die V oraussetzungen der Freiheitsentziehung. III. Vorsorgliche Einweisung

Art. 13 Zuständigkeit

1 Neben der Vormundschaftsbehörde sind in dringenden Fällen zur vorsorg- lichen Einweisung einer Person zuständig: a) das Präsidium der Vormundschaftsbehörde, b) wer mit der Vormundschaft betraut ist, c) Medizinalpersonen 1) .
2 Ein dringender Fall liegt nur vor, wenn die betroffene Person a) sich selbst oder andere unmittelbar gefährdet oder b) der umgehenden Behandlung einer psychischen Krankheit bedarf.
1) Gemäss Art. 2 des Gesundheitsgesetzes (bGS 811.1) gelten in diesem Zusammen- hang als Medizinalpersonen alle Ärzte und Ärztinnen, die das eidgenössische Diplom erworben haben oder vom Regierungsrat ausdrücklich gleichgestellt wurden.
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Art. 14 V erfahren

a) Verfügung
1 Die vorsorgliche Einweisung wird schriftlich verfügt.
2 Die schriftliche Verfügung enthält: a) den Namen und die Funktion der einweisenden Person, b) die Personalien der betroffenen Person, c) Angaben über die tatsächlichen Gründe der Einweisung, d) den Rechtsgrund der Einweisung
1) , e) den Ort der Einweisung, f) den Hinweis auf die Möglichkeit der richterlichen Überprüfung, g) Datum und Unterschrift.
3 Kann die einweisende Person ihre Verfügung nicht vor der tatsächlichen Einweisung schriftlich abfassen, so holt sie dies unverzüglich nach.

Art. 15 b) Eröffnung

1 Die schriftliche Verfügung wird unverzüglich der betroffenen Person eröff- net.
2 We itere Ausfertigungen der Verfügung gehen an a) das Präsidium der Vormundschaftsbehörde, b) die Verantwortlichen am Einweisungsort, c) die Person, welche die Interessen der betroffenen Person wahrt.
3 Im gemeinsamen Haushalt lebende Personen werden schriftlich oder mündlich über die Einweisung orientiert.

Art. 16 Rechtsschutz

a) Interessenwahrung
1 Das Präsidium der Vormundschaftsbehörde sorgt für die Interessenvertre- tung der eingewiesenen Person.
2
Artikel 4 bis 6 sind sinngemäss anwendbar.

Art. 17 b) Rechtsmittel

1 Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann, solange die vor- sorgliche Einweisung andauert, das zuständige Mitglied des Verwaltungsge- richts anrufen.
1) vgl. Art. 397a Abs. 1 ZGB und Art. 13 Abs. 2
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2 Dieses lädt das Präsidium der Vormundschaftsbehörde zur Einreichung der Akten und zur Stellungnahme ein und hört die betroffene Person an.
3 Es entscheidet unverzüglich, spätestens jedoch innert fünf Arbeitstagen, über die Berechtigung einer vorsorglichen Einweisung 1) .

Art. 18 c) Befristung

1 Die vorsorgliche Einweisung ist auf vier Wochen befristet.
2 Sie fällt nach vierzehn Tagen dahin, wenn das Präsidium der Vormund- schaftsbehörde sie nicht nach Anhörung der betroffenen Person bestätigt.
3 Die Vormundschaftsbehörde kann ausnahmsweise, namentlich wenn wich- tige Unterlagen nicht fristgemäss beigebracht werden können, die vorsorgli- che Einweisung auf höchstens zwei Monate verlängern.

Art. 19 Entlassung

1 Die vorsorgliche Einweisung wird aufgehoben, sobald der Zustand der be- troffenen Person es erlaubt.
2 Über die Entlassung entscheidet das Präsidium der Vormundschaftsbe- hörde; ist eine Einweisung noch nicht durch das Präsidium bestätigt worden, sind die Verantwortlichen am Einweisungsort zur selbständigen Entlassung befugt. IV. Gemeinsame Bestimmungen

Art. 20 V erfahrenskosten

1 Das Verfahren vor den Vormundschafts- und Gerichtsbehörden ist kosten- los.
2 Bei mutwilliger Prozessführung können Kosten auferlegt werden; die Vor- mundschaftsbehörde erhebt in diesem Fall eine Gebühr von Fr. 50.– bis
1000.– 2) .

Art. 21 Entschädigungen

1 Die Auslagen und ein allfälliges Entgelt für die behördlich bestellte Interes- senvertretung gehen zulasten der Vormundschaftsbehörde.
1) vgl. Art. 397a Abs. 1 ZGB und Art. 13 Abs. 2
2) vgl. Art. 10 des Gebührentarifs für die Gemeinden (bGS 153.2)
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2 Sie können der betroffenen Person auferlegt werden, wenn diese in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.
3 Der Vormundschaftsbehörde steht im gerichtlichen Verfahren keine Ent- schädigung zu; vorbehalten bleibt Art. 20 Abs. 2.

Art. 22 Ergänzendes Recht

Soweit diese Verordnung keine besondere Regelung enthält, gelten die Be- stimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes 1) . V. Schlussbestimmung
Art. 23
1 Diese Verordnung tritt am 1. Juli 1995 in Kraft.
2 Mit ihrem Inkrafttreten wird die Verordnung vom 23. Februar 1981 zum Bun- desgesetz vom 6. Oktober 1978 über die fürsorgerische Freiheitsentziehung
2) aufgehoben.
3 V orsorgliche Einweisungen nach bisherigem Recht bleiben bis spätestens
31. Juli 1995 rechtswirksam 3) .
4 Jede vor dem 1. Januar 1995 angeordnete fürsorgerische Freiheitsentzie- hung ist bis zum 31. Dezember 1995 auf ihre Voraussetzungen zu über- prüfen
4)
.
1) bGS 143.5
2) bGS 212.42 = lfd. Nr. 43
3) vgl. Art. 16
4) vgl. Art. 11
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