Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen (341.2)
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Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen

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341.2 Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen vom 29. Oktober 2004 Die Kantone Zürich, Glarus, Schaffhausen, Appenzell A.Rh., Appenzell I.Rh., St.Gallen, Graubünden und Thurgau schliessen sich zum ostschweizerischen Strafvollzugskonkordat zusammen mit dem Ziel, die Aufgaben bei der Pla- nung, beim Bau und beim Betrieb der Vollzugseinrichtungen zu verteilen und zu koordinieren, einen grundrechtskonformen, effizienten und kostengüns- tigen Vollzug zu ermöglichen sowie den Vollzug zu vereinheitlichen, damit die Vollzugsziele bestmöglich erreicht werden können. I. Einleitung Geltungsbereich

Art. 1 Das Konkordat findet Anwendung auf den Vollzug:

a) der in den Konkordatskantonen ausgesprochenen unbedingten Strafen sowie der stationären therapeutischen Massnahmen und der Verwahrungen gegenüber erwachsenen Personen; b) von Sanktionen gegenüber Erwachsenen und Jugendlichen, soweit der Vollzug in Vollzugseinrichtungen durchgeführt wird, die dem gemeinsamen Vollzug dienen (Konkordatsanstalten). Die beteiligten Kantone informieren sich gegenseitig über ihre Planungen und Bauten im gesamten Bereich des Freiheitsentzugs und stimmen die Angebote soweit möglich und zweckmässig aufeinander ab. II. Organisation Strafvollzugskommission

Art. 2 Oberstes Organ des Konkordats ist die Strafvollzugskommission.

Sie besteht aus je einem Regierungsmitglied der beteiligten Kantone. Die Strafvollzugskommission: a) übt die Aufsicht über die Anwendung und Auslegung des Konkordats aus und entscheidet in Streitfällen;
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977 b) bestellt die notwendigen Organe; c) erlässt Richtlinien zur Zusammenarbeit im Vollzugsbereich und zur Aus- gestaltung des Vollzugs, die mit Zustimmung aller Beteiligten als verbind- lich erklärt werden können; d) entscheidet mit Zustimmung der Standortkantone, welche Vollzugsein- richtungen als Konkordatsanstalten gemeinsame Vollzugsaufgaben erfül- len, und plant das notwendige Angebot an Vollzugsplätzen; e) legt die Kostgelder für die Konkordatsanstalten fest; f) kann privat geführten Einrichtungen die Bewilligung erteilen, Strafen in Form der Halbgefangenschaft und des Arbeitsexternats, stationäre Be- handlungen von psychisch gestörten und von Suchtstoffen oder in ande- rer Weise abhängigen Tätern, Massnahmen für junge Erwachsene sowie Sanktionen des Jugendstrafgesetzes zu vollziehen; g) nimmt Stellung zu Gesetzesvorlagen oder Berichten des Bundes oder zu internationalen Verträgen oder Berichten internationaler Organisationen. Die Strafvollzugskommission tritt mindestens zweimal im Kalenderjahr zu- sammen. Sie wählt aus ihrer Mitte die Präsidentin oder den Präsidenten und deren Stellvertretung. Entscheide werden mit einfachem Stimmenmehr getroffen. Jeder Kanton hat eine Stimme. Bei Stimmengleichheit steht der Präsidentin oder dem Präsidenten der Stichentscheid zu. Im Übrigen ordnet die Strafvollzugskommission ihr Verfahren selbst. Zentralstelle

Art. 3 Die Strafvollzugskommission bestellt als vollziehendes Organ die

Zentralstelle. Diese besteht aus dem Konkordatssekretariat als Leitung sowie je einer Vertretung der Fachkonferenzen der Anstaltsleiter, der Einweisungs- und Vollzugsbehörden sowie der Bewährungshilfe. Die Zentralstelle: a) erkennt und analysiert kantonsübergreifende Entwicklungen im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzugs, stellt der Strafvollzugskommission Antrag und vollzieht deren Beschlüsse; b) stellt die Vernetzung unter den Konkordatsgremien sicher; c) nimmt Anträge der Fachkonferenzen auf und bearbeitet sie; d) fördert die Zusammenarbeit zwischen den Konkordaten; e) stellt den Kantonen Angaben zu, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, und gibt Empfehlungen über die Anwendung und Auslegung des Konkordats und der Richtlinien ab.
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341.2 Im Übrigen regelt die Strafvollzugskommission Aufgaben und Organisation der Zentralstelle mit Reglement. Sekretariat

Art. 4 Die Strafvollzugskommission bestimmt das Konkordatssekretariat.

Das Konkordatssekretariat: a) leitet die Zentralstelle und nimmt nach Möglichkeit an den Sitzungen der Fachkonferenzen teil; b) bereitet die Sitzungen der Strafvollzugskommission vor; c) orientiert die Kantone über wichtige Neuerungen im Vollzugsbereich, berät sie in einzelnen Vollzugsfällen und gibt im Interesse einer gleich- mässigen Belegung der Konkordatsanstalten Empfehlungen ab; d) führt alle Aufgaben aus, die nicht einem anderen Organ zugewiesen sind. Die Kosten des Konkordatssekretariates tragen die beteiligten Kantone im Ver- hältnis der Einwohnerzahl gemäss der jeweils letzten eidgenössischen Volks- zählung. Die Strafvollzugskommission kann einen Grundbeitrag festlegen. Fachkonferenzen

Art. 5 Es bestehen Fachkonferenzen der:

a) Anstaltsleiter; b) Einweisungs- und Vollzugsbehörden; c) Bewährungshilfe. Die Fachkonferenzen dienen dem interkantonalen fachspezifischen Erfah- rungs- und Informationsaustausch. Sie erkennen Entwicklungen und Ten- denzen im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzuges sowie des Anstalts- und Gefängniswesens und stellen der Zentralstelle Antrag zuhanden der Strafvollzugskommission. Sie ordnen ihr Verfahren selbst. Fachkommission zur Überprüfung der Gemeingefährlichkeit

Art. 6 Die Strafvollzugskommission bestellt eine Fachkommission aus

Vertretungen der Strafverfolgungsbehörden, der Vollzugsbehörden und der Psychiatrie zur Überprüfung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern und Straftäterinnen und bezeichnet den Vorsitz.
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977 Die Fachkommission beurteilt auf Antrag des für den Vollzug zuständigen Kantons die Gefährlichkeit von Straftätern und Straftäterinnen und gibt Emp- fehlungen ab: a) in den vom Bundesrecht vorgeschriebenen Fällen; b) falls die Gemeingefährlichkeit eines Straftäters oder einer Straftäterin von der Vollzugsbehörde nicht eindeutig beantwortet werden kann, Zweifel hinsichtlich der zu treffenden Massnahme bestehen oder trotz Bejahung der Gemeingefährlichkeit eine Vollzugslockerung in Erwägung gezogen wird. Im Übrigen regelt die Strafvollzugskommission Aufgaben und Organisation der Fachkommission mit Reglement. Die Kosten der Beurteilung trägt der für den Vollzug zuständige Kanton. III. Konkordatsanstalten Aufteilung der Vollzugsaufgaben

Art. 7 Die beteiligten Kantone verpflichten sich unter dem Vorbehalt der

Bewilligung der erforderlichen Kredite durch die nach kantonalem Recht zu- ständigen Instanzen folgende Vollzugseinrichtungen für den gemeinsamen Vollzug der Freiheitsstrafen, der freiheitsentziehenden Massnahmen sowie der Unterbringung von Jugendlichen und des jugendstrafrechtlichen Frei- heitsentzugs bereitzustellen, auszubauen und zu führen: Kanton Zürich Strafanstalt Pöschwies (geschlossener Vollzug) Zweigstellen der Strafanstalt Pöschwies (offener Voll- zug) Massnahmenzentrum Uitikon (Massnahmen für junge Erwachsene sowie Schutzmassnahmen und Freiheitsentzug für Jugendliche) Kanton Appenzell A.Rh. Strafanstalt Gmünden (offener Vollzug) Kanton St.Gallen Strafanstalt Saxerriet (offener Vollzug) Massnahmenzentrum Bitzi (Massnahmenvollzug, insbesondere Behandlung von psychischen Stö- rungen und Suchtbehandlung) Kanton Graubünden Strafanstalt Sennhof (geschlossener Vollzug) Anstalt Realta (offener Vollzug)
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341.2 Kanton Thurgau Massnahmenzentrum für junge Erwachsene Kalch- rain (Massnahmen für junge Erwachsene sowie Schutzmassnahmen und Freiheitsentzug für Ju- gendliche) Die Strafvollzugskommission kann auf Antrag des Standortkantons weiteren Vollzugseinrichtungen gemeinsame Vollzugsaufgaben übertragen, sofern die Vollzugseinrichtung die in diesem Konkordat und den Richtlinien aufgestellten Anforderungen und Regeln einhält. Über die Änderung der Zweckbestimmung einer Konkordatsanstalt oder de- ren Entbindung von gemeinsamen Vollzugsaufgaben entscheidet die Straf- vollzugskommission auf Antrag des Standortkantons. Personal

Art. 8 Damit der gesetzliche Vollzugsauftrag erfüllt und die Vollzugsgrund-

sätze eingehalten werden können, sorgen die beteiligten Kantone für: a) die Anstellung einer ausreichenden Zahl geeigneter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Vollzugseinrichtungen; b) die gemeinsame Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals. IV. Durchführung der Vollzüge Grundsatz

Art. 9 Die beteiligten Kantone verpflichten sich, die von ihnen zu vollzie-

henden Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Massnahmen in den Kon- kordatsanstalten zu vollziehen. Der Vollzug richtet sich nach den Vorschriften für die einzelnen Vollzugsein- richtungen. Sie werden von dem Kanton erlassen, der die Vollzugseinrichtung führt. Sie sind von der Strafvollzugskommission zu genehmigen. Vorbehalten bleiben: a) der Vollzug von Freiheitsstrafen in einem Gefängnis des für den Vollzug zuständigen Kantons, wenn die betroffene Person aus zeitlichen oder persönlichen Gründen nicht in eine Konkordatsanstalt eingewiesen wer- den kann; b) der Vollzug in Form der Halbgefangenschaft oder im Rahmen des Wohn- und Arbeitsexternats;
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977 c) die Abtretung des Vollzugs an einen Kanton, der dem Konkordat nicht angehört; d) die Einweisung in eine Vollzugseinrichtung ausserhalb des Konkordats im Einzelfall aus Sicherheitsgründen, zur Optimierung der Insassenzusam- mensetzung oder wenn die Wiedereingliederung auf Grund der Beschäf- tigungs- oder Ausbildungssituation oder mit Rücksicht auf das familiäre Umfeld dadurch erleichtert wird. Soweit der einweisende Kanton für Ent- scheide zuständig ist, wendet er dieses Konkordat und die Richtlinien der Strafvollzugskommission an. Zuständigkeit

Art. 10 Der einweisende Kanton:

a) bestimmt im Einzelfall die geeignete Vollzugseinrichtung; b) koordiniert die Planung des gesamten Vollzugs einschliesslich der Probe- zeit nach der Entlassung aus der Vollzugseinrichtung; er stellt der Voll- zugseinrichtung, der Bewährungshilfe und den anderen am Vollzug betei- ligten Stellen die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen und Unterlagen zu; c) entscheidet über Vollzugsöffnungen wie die Bewilligung von Urlaub, die Verlegung in den offenen Vollzug, den Vollzug in Form des Arbeits- sowie des Wohn- und Arbeitsexternats, die bedingte Entlassung sowie die Un- terbrechung des Vollzugs. Er kann die Kompetenz für die Bewilligung von Urlaub sowie des Wohn- und Arbeitsexternats der Leitung der Vollzugsein- richtung delegieren. Die Vollzugseinrichtung:
1. übernimmt die zugewiesenen Personen im Rahmen ihrer Aufnahme- fähigkeit und entlässt sie nach den Anordnungen des einweisenden Kan- tons;
2. erstellt innerhalb der Vorgaben des einweisenden Kantons zusammen mit der eingewiesenen Person den Vollzugsplan;
3. bezieht die Bewährungshilfe oder Fachstellen bei Bedarf mit ein, insbe- sondere bei der Vorbereitung der Entlassung;
4. erstattet dem einweisenden Kanton Bericht, wenn er es verlangt, bei besonderen Vorkommnissen wie schweren Disziplinarverstössen, Unfall oder Tod der eingewiesenen Person und mit der Überweisung von Gesu- chen.
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341.2 Vollzugsplan

Art. 11 Der Vollzugsplan ist ein Planungsinstrument zur Konkretisierung der

Vollzugsziele im Einzelfall. Er nennt die Massnahmen sowie pädagogischen und therapeutischen Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Je nach Dauer des Aufenthalts in der Vollzugseinrichtung und den zu erwar- tenden Lebensverhältnissen nach der Entlassung enthält er Angaben über die notwendige Betreuung und den Therapiebedarf, die Arbeit, die schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, die Wiedergutmachung, die Bezie- hungen zur Aussenwelt sowie die Vorbereitung der Entlassung. Der Vollzugs- plan wird periodisch überprüft und bei Bedarf angepasst. Versetzung

Art. 12 Erweist sich die eingewiesene Person für den Vollzug in der be-

zeichneten Vollzugseinrichtung als ungeeignet, verursacht ihr Verhalten der- artige Schwierigkeiten, dass sie nicht mehr tragbar ist, oder kann die Sank- tion aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter vollzogen werden, beantragt die Leitung der Vollzugseinrichtung dem einweisenden Kanton die Verset- zung. Bei Uneinigkeit vermittelt das Konkordatssekretariat. Bei Versetzung werden die Vollzugsakten einschliesslich Vollzugsplan und Bericht über den Stand der Umsetzung der neuen Vollzugseinrichtung weiter- geleitet. Vollzugskosten

Art. 13 Der einweisende Kanton vergütet dem vollziehenden Kanton die

Vollzugskosten sowie die Auslagen für Einlieferung und Entlassung. Der Rückgriff auf andere Zahlungspflichtige bleibt dem einweisenden Kanton vorbehalten. Die Strafvollzugskommission legt die Höhe des Kostgeldes unter Berücksich- tigung der Aufgaben der einzelnen Vollzugseinrichtungen fest und bestimmt, welche Leistungen mit dem Kostgeld abgegolten werden. Sie legt Minimal- standards fest, die erfüllt sein müssen, damit das entsprechende Kostgeld verlangt werden kann. Kostenbeteiligung

Art. 14 Die eingewiesene Person:

a) bezahlt persönliche Anschaffungen, insbesondere Raucherwaren, Ge- nussmittel, Toilettenartikel und Zeitungsabonnemente, die Urlaubskosten
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977 sowie die Gebühren für die Benützung von Radio-, Fernseh- und Telefon- anlagen zulasten ihres Arbeitsentgeltes; b) wird an den Kosten der Halbgefangenschaft, des Arbeitsexternats sowie des Wohn- und Arbeitsexternats angemessen beteiligt; c) trägt die Kosten für Sozialversicherungsbeiträge, besondere Weiterbil- dungsmassnahmen und die Heimschaffung, soweit es ihr möglich und zumutbar ist. V. Schlussbestimmungen Vereinbarungen mit andern Konkordaten und Kantonen

Art. 15 Die Strafvollzugskommission trifft die notwendigen Vereinbarungen

mit andern Konkordaten, insbesondere in Bezug auf die Unterbringung von Frauen und von kranken Gefangenen. Generelle Vereinbarungen einzelner Kantone mit anderen Kantonen oder Konkordaten bedürfen der Genehmigung der Strafvollzugskommission. Kündigung

Art. 16 Jeder Kanton kann unter Beachtung einer fünfjährigen Frist auf

Ende eines Kalenderjahres durch schriftliche Erklärung vom Konkordat zu- rücktreten. Die verbleibenden Kantone teilen die Vollzugsaufgaben soweit nötig neu auf. Aufhebung der bisherigen Vereinbarung

Art. 17 Die Vereinbarung vom 31. März 1976 wird aufgehoben.

Inkrafttreten

Art. 18 Die Strafvollzugskommission bestimmt das Inkrafttreten dieses

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1) 1. Januar 2007
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