Konkordat über die Kosten des Strafvollzugs
Kanton Appenzell Innerrhoden Konkordat über die Kosten des Strafvollzugs vom 23. Juni 1944 (Stand 11. Februar 1948) In Ausführung der Art. 368, 373 und 374 des Schweizerischen Strafgesetz - buches vereinbaren die dem vorliegenden Konkordat beigetretenen Kantone in Bezug auf die Tragung der Vollzugskosten für Freiheitsstrafen und Mass - nahmen, die auf Grund des Schweizerischen Strafgesetzbuches ausgespro - chen werden, folgende Regelung:
1. Allgemeine Grundsätze
1.I. Kostentragung bei Freiheitsstrafen
Art. 1
1 Als Strafen im Sinne dieses Konkordates gelten die auf Grund der Art. 35,
36 und 39 sowie der Art. 87 und 95 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 ausgesprochenen Freiheitsstrafen.
2 Diese Strafen werden nach Art. 374 StGB durch den Kanton vollzogen, dessen Behörde das Urteil gefällt hat. Vorbehalten bleibt die vertragliche Un - terbringung des Verurteilten in der Anstalt eines andern Kantons (Pensionär - system).
Art. 2
1 Jeder Kanton trägt die Vollzugskosten der von seinen Behörden ausge - sprochenen Freiheitsstrafen selbst, ohne Rücksicht auf Heimatangehörigkeit und Wohnort des Verurteilten. Es steht ihm, andere Vereinbarungen vorbe - halten, kein Rückforderungsrecht gegenüber dem Heimat- und dem Wohn - kanton zu.
1.II. Kostenverteilung bei Massnahmen
Art. 3
1 Als Massnahmen im Sinne dieses Konkordates gelten die Verwahrung, Be - handlung und Versorgung Unzurechnungsfähiger und vermindert Zurech - nungsfähiger (Art. 14 und 15 StGB), die sichernden Massnahmen (Art. 42 bis 45 StGB), die Versorgung von Kindern und Jugendlichen in einer Erzie - hungsanstalt oder in einer Familie, die besondere Behandlung von Kindern und Jugendlichen und die nachträgliche Versetzung eines Jugendlichen in eine Strafanstalt (Art. 84, 85, 91, 92 und 93 Abs. 2 StGB).
Art. 4
1 Jede Massnahme wird durch den Kanton vollzogen, dessen Behörde sie angeordnet hat (Urteilskanton).
2 Der Heimatkanton und im Falle der Beitragspflicht des Wohnkantons auch dieser haben jedoch das Recht, den Vollzug der Massnahme selbst zu über - nehmen. Wenn beide Kantone die Übernahme begehren, so hat der Kanton den Vorzug, der den höheren Beitrag zu leisten hat, und bei gleicher Beteili - gung der Heimatkanton.
Art. 5
1 Die Kosten der Massnahmen gegenüber Schweizerbürgern werden wie folgt unter dem Urteils-, dem Heimat- und dem Wohnkanton verteilt:
1. Der Urteilskanton trägt die Kosten der Massnahmen für die Dauer der
ausgesprochenen, jedoch durch die Massnahme ersetzten oder auf - geschobenen Strafe allein (Art. 14 Abs. 2, Art. 15 Abs. 2 und Art. 42 bis 45 StGB). Für Massnahmen gegen Unzurechnungsfähige (Art. 14 und 15 StGB) sowie für Behandlung und Versorgung von Kindern und Jugendlichen (Art. 84, 85, 91, 92 und 93 Abs. 2 StGB) trägt der Urteilskanton keine Kosten.
2. Soweit die Kosten nicht gemäss Ziffer 1 vom Urteilskanton zu tragen
sind, haben der Heimat- und der Wohnkanton dafür gemeinsam auf - zukommen. Der Anteil dieser Kantone bestimmt sich nach der Wohn - dauer, die der zu Versorgende im Wohnkanton aufweist, wie folgt (Der Wohnkanton ist jedoch nicht beitragspflichtig, wenn er dem Ver - urteilten infolge des zu vollziehenden Strafurteils oder wegen Unter - stützungsbedürftigkeit gemäss Art. 45 der Bundesverfassung die Nie - derlassung entzogen hat. Bei Verwahrungen fällt die Beitragspflicht des Wohnkantons für Verurteilte, deren Wohndauer zehn Jahre nicht erreicht, nach zwei Jahren, für Verurteilte, deren Wohndauer zwanzig Jahre nicht erreicht, nach 5 Jahren und für Verurteilte mit längerer Wohndauer nach zehn Jahren dahin.): a) Bei einer Wohndauer unter vier Jahren trägt der Heimatkanton die Kosten allein; b) bei einer Wohndauer von vier bis zehn Jahren trägt der Wohn - kanton einen Viertel der Kosten; c) bei einer Wohndauer von zehn bis zwanzig Jahren trägt der Wohnkanton die Hälfte der Kosten; d) bei einer Wohndauer von über zwanzig Jahren trägt der Wohnkanton drei Viertel der Kosten.
3. Ein Kanton, der in mehreren Eigenschaften am Vollzug beteiligt ist,
hat in jeder derselben als Urteils-, Heimat- und Wohnkanton an die Vollzugskosten beizutragen.
Art. 6
1 Muss im Anschluss an eine Massnahme nachträglich die aufgeschobene Strafe ganz oder teilweise vollzogen werden, so geschieht dies ordentlicher - weise im Urteilskanton, auch wenn der Heimat- oder der Wohnkanton den Vollzug der Massnahme übernommen hatte. Die beteiligten Kantone können jedoch im Einzelfall durch Vereinbarung eine andere Regelung treffen.
2 Die Kosten des nachträglichen Strafvollzuges werden in gleicher Weise un - ter die beteiligten Kantone verteilt, wie wenn die Massnahme fortgesetzt würde.
Art. 7
1 Die Kosten der gegen Ausländer ausgesprochenen Massnahmen trägt, un - ter Vorbehalt abweichender staatsvertraglicher Vereinbarungen, der Urteils - kanton.
2. Ermittlungs- und Berechnungsgrundsätze
Art. 8
1 Als Heimatkanton ist der Kanton beitragspflichtig, dessen Bürger der Verur - teilte zur Zeit der Rechtskraft des Urteils ist.
2 Ist der Verurteilte Bürger mehrerer Kantone, so bestimmt sich der Heimat - kanton nach Art. 22 des Zivilgesetzbuches.
Art. 9
1 Als Wohnkanton ist der Kanton beitragspflichtig, in welchem der Verurteilte sich zur Zeit der Rechtskraft des Urteils seit mindestens vier Jahren dauernd aufgehalten hat.
2 Ist jedoch der Verurteilte schon vor der Rechtskraft des Urteils in Haft ge - nommen worden, so ist für die Bestimmung des Wohnkantons der Zeitpunkt des Haftbefehls massgebend.
3 Für Ehefrauen und Unmündige bestimmen sich Wohndauer und Wohnkan - ton selbständig. *
Art. 10
1 Als Beginn der Wohndauer gilt der Zeitpunkt der polizeilichen Anmeldung, wenn der Aufenthalt nicht nachweislich früher oder später begonnen hat.
2 In die Wohndauer darf die Zeit nicht eingerechnet werden, während wel - cher sich der Verurteilte zur Erstehung einer Strafe oder Massnahme, zur Versorgung, Behandlung oder Heilung ausserhalb des Wohnkantons in ei - ner Anstalt aufgehalten hat. Einzurechnen ist jedoch die Dauer eines sol - chen Aufenthaltes, wenn ein Urteil oder eine Verwaltungsverfügung des Wohnkantons ihn angeordnet hat und wenn ein Urteil oder eine Verfügung eines anderen Kantons in einer Anstalt des Wohnkantons vollzogen wird.
3 Hat der Verurteilte schon früher im gegenwärtigen Wohnkanton gewohnt, so wird bei der Kostenverteilung die frühere Wohndauer mitgezählt, sofern sie ununterbrochen mindestens zehn Jahre betrug und die Abwesenheit nicht länger als zwei Jahre gedauert hat.
Art. 11
1 Die Vollzugskosten werden nach dem Preis berechnet, der für Bürger, Einwohner oder Pensionäre gilt.
2 Der Preis für Pensionäre darf denjenigen, der für Kantonsbürger berechnet wird, nicht unangemessen übersteigen.
3 Als Vollzugskosten dürfen auch die notwendigen Auslagen für Bekleidung und Ausrüstung sowie für ärztliche Pflege verrechnet werden.
3. Verfahren und Handhabung des Konkordates
3.I. Urteil, Vollzug der Massnahmen und Kostenabrechnung
Art. 12
1 Der Urteilskanton hat dem Heimat- und dem Wohnkanton ein Urteil oder einen Beschluss, der eine Massnahme anordnet, spätestens zwanzig Tage, nachdem es sich entschieden hat, ob das Urteil in Rechtskraft erwachse, zur Kenntnis zu bringen.
2 Dabei hat er ihnen mitzuteilen, wo er die Massnahme zu vollziehen ge - denkt, und sie zur Erklärung aufzufordern, ob sie die Übernahme des Vollzugs beanspruchen.
3 Gleichzeitig gibt er, gestützt auf seine Feststellungen über Heimat und Wohndauer, seine Vorschläge über die Kostenverteilung bekannt.
Art. 13
1 Den Anspruch auf Übernahme des Vollzugs haben der Heimat- und der Wohnkanton innert zwanzig Tagen nach Empfang des Urteils oder Be - schlusses zu erheben.
2 Erfolgt innert dieser Frist keine Erklärung, so ist der Anspruch verwirkt.
3 Erkennt der Urteilskanton einen rechtzeitig erhobenen Übernahmean - spruch nicht an, so hat er dies dem Ansprecher unter Hinweis auf Art. 22 un - verzüglich mitzuteilen.
Art. 14
1 Innert der nämlichen Frist von zwanzig Tagen (Art. 13) haben der Heimat- und der Wohnkanton allfällige Einwendungen gegen die Kostenverteilung geltend zu machen.
2 Der Urteilskanton hat ihnen nach Eingang ihrer Einwendungen oder nach Ablauf der Frist unter Hinweis auf Art. 22 seine Ansprüche mitzuteilen.
Art. 15
1 Die Überführung des der Massnahme Unterworfenen vom Urteils- in den Vollzugskanton ist Sache des übernehmenden Kantons, der auch die Kosten der Überführung trägt.
2 Für die Zeit zwischen dem Urteil oder Beschluss und dem Vollzug der Massnahme im übernehmenden Kanton ordnet der Urteilskanton eine zweckmässige Unterbringung an. Die Kosten derselben gelten als Kosten des Vollzugs der Massnahme.
Art. 16
1 Der Vollzug der Massnahmen erfolgt nach den im Vollzugskanton gelten - den Bestimmungen.
2 Die Bürger anderer Kantone dürfen in Bezug auf Verdienstanteil, Verpfle - gung und Behandlung nicht anders gehalten werden als die Bürger des eigenen Kantons.
Art. 17
1 Die nach den Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches der zuständigen Behörde oder dem Richter vorbehaltenen Entscheidungen (wie endgültige oder bedingte Entlassung, Aufhebung von Massnahmen, Wieder - einweisung, Schutzaufsicht, nachträglicher Vollzug der Strafe) sind von den Behörden des Urteilskantons zu treffen.
Art. 18
1 Der Vollzugskanton hat der zuständigen Behörde des Urteilskantons min - destens jährlich einmal über den Vollzug zu berichten und ihr oder dem Richter des Urteilskantons von allen Umständen Kenntnis zu geben, die zu Entscheidungen nach Art. 17 Anlass geben können.
Art. 19
1 Die Schutzaufsicht wird ordentlicherweise vom Vollzugskanton durchge - führt. Nimmt der unter Schutzaufsicht Gestellte in einem andern Kanton Auf - enthalt oder kehrt er an seinen früheren Wohnort zurück, so wird die Schutz - aufsicht dem neuen Kanton übertragen.
2 Die Kosten werden, andere Abmachungen vorbehalten, vom ursprüngli - chen Vollzugskanton getragen.
Art. 20
1 Über jeden diesem Konkordat unterworfenen Fall rechnet der Urteilskanton mit den beteiligten Kantonen einheitlich für den ganzen Vollzug ab, auch wenn bestimmte Massnahmen (wie die Schutzaufsicht) in einem andern Kanton vollzogen werden.
2 Die Abrechnung erfolgt nach Abschluss des Vollzuges, sofern die beteilig - ten Kantone sich bei länger dauernden Massnahmen nicht auf periodische Teilabrechnung verständigen.
3.II. Handhabung des Konkordates
Art. 21
1 In jedem Konkordatskanton übt der Regierungsrat die Oberaufsicht über die Handhabung des Konkordates aus.
2 Er bezeichnet die Behörden, die mit der Durchführung betraut sind und den Verkehr mit den andern Kantonen besorgen.
Art. 22
1 Gegen jeden Entscheid über die Anwendung des Konkordates, den ein Kanton einem andern unter ausdrücklichem Hinweis auf diesen Artikel zu - stellt, kann der Empfänger binnen zwanzig Tagen seit dem Empfang den Entscheid des Vorstehers des Eidgenössischen Justiz- und Polizeideparte - ments anrufen.
2 Ist an dem Entscheid ein weiterer Kanton unmittelbar beteiligt, so ist er von Amtes wegen zu dem Streitverfahren beizuziehen.
3 Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement kann in einem Ent - scheid auf Antrag verfügen, was einstweilen zu geschehen oder zu unter - bleiben habe.
4 Es ist an die Parteianbringen nicht gebunden und kann von den Parteien weitere Auskünfte, Feststellungen oder die Beibringung weiterer Belege ver - langen, ohne Rücksicht auf die Beweislast.
5 Das Justiz- und Polizeidepartement entscheidet endgültig (unter Vorbehalt von Art. 23) und kostenfrei.
6 Die kantonalen Entscheide, gegen die keiner der beteiligten Kantone innert der festgesetzten Frist das Departement angerufen hat, gelten als aner - kannt.
Art. 23
1 Ein rechtskräftig erledigter Fall kann von neuem anhängig gemacht wer - den, wenn auf Grund von neu entdeckten Tatsachen oder von Beweismit - teln, die vorher nicht geltend gemacht werden konnten, seine Erledigung als offensichtlich unrichtig erscheint.
Art. 24
1 Vorbehalten bleibt die staatsrechtliche Beschwerde von Angehörigen der Konkordatskantone gemäss Art. 175 Ziff. 3 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege.
Art. 25
1 Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement wird nach Bedarf Kon - ferenzen der zuständigen Departemente der Konkordatskantone einberufen. An diesen Konferenzen können Fragen der Auslegung und Anwendung des vorliegenden Konkordates behandelt und durch Mehrheitsbeschluss ent - schieden werden.
IV. Schlussbestimmungen
Art. 26
1 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Konkorda - tes. 1 ) 2 )
2 Ebenso setzt er den Zeitpunkt des Wirkungsbeginns für Kantone fest, die dem Konkordat später beitreten.
3 Die Bestimmungen des Konkordates finden keine Anwendung auf Urteile, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens oder des Wirkungsbeginns im einzelnen Kanton bereits rechtskräftig geworden sind.
Art. 27
1 Jeder Vertragskanton kann unter Beobachtung einer sechsmonatigen Kün - digungsfrist je auf den 1. Januar vom Konkordat zurücktreten.
2 Mitteilungen über Beitritt und Kündigung sind an den Bundesrat zu richten, der sie den Konkordatskantonen zur Kenntnis bringt.
1) Das Konkordat ist heute verbindlich für die Kantone Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Zug, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Land, Schaff - hausen, Appenzell A.Rh., Appenzell I. Rh., St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thur - gau, Tessin, Waadt, Neuenburg und Jura.
2) Vom Bundesrat genehmigt am 23. Juni 1944. Inkrafttreten: 1. Juli 1944.
Änderungstabelle – Nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung cGS Publikati - on
23.06.1944 01.07.1944 Erlass Erstfassung -
11.02.1948 11.02.1948 Art. 9 Abs. 3 geändert -
Änderungstabelle – Nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung cGS Publikati - on Erlass 23.06.1944 01.07.1944 Erstfassung - Art. 9 Abs. 3 11.02.1948 11.02.1948 geändert -
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