Gesetz über die Staatsanwaltschaft (122.4.1)
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Gesetz über die Staatsanwaltschaft

1 Gesetz vom 11. Hornung (Februar) 1873 über die Staatsanwaltschaft Der Grosse Rat des Kantons Freiburg Willens, alles, was die Organisation, die Befugnisse und die Besoldung der Staatsanwaltschaft anbetrifft, genau zu bestimmen, Auf den Vorschlag des Staatsrates, beschliesst: ERSTES KAPITEL Organisation Art. 1 Die Staatsanwaltschaft besteht aus einem General-Prokurator und einem Substituten. Art. 2 und 3
... Art. 4
1 Die Staatsanwaltschaft untersteht der Aufsicht des Justizrats; die Einzelheiten werden in der Spezialgesetzgebung geregelt.
2 Sie unterbreitet dem Justizrat a lljährlich einen Tätigkeitsbericht und erteilt ihm alle Auskünfte, die ihm zur Wahrnehmung seiner Aufgaben dienlich sein können. Art. 5 Der Substitut übt die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft unter der Leitung des General-Prokurators aus.
2 Art. 6 Der Staatsrat kann, wenn er es für g eeignet findet, den General-Prokurator und seinen Substituten durch Personen n ach seiner eigenen Wahl ersetzen. Diese sind der Beeidigung enthoben. Art. 7
1 Die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft sind mit allen andern öffentlichen Beamtungen und Anste llungen der administrativen und gerichtlichen Verwa ltung unverträglich.
2 Sie schliessen von der Ausübung des Berufes eines Fürsprechers, Notars und Rechtsagenten aus.
3 Unbeschadet dieser Ausschliessunge n kann der General-Prokurator mit denjenigen Gemeinden, welche Prozesse mit Partikularen führen, Beratungen haben und für sie Vorträge halten. Art. 8 Der General-Prokurator und sein Substitut sind gehalten in der Kantonshauptstadt zu wohnen, und in einem gemeinschaftlichen Büro zu arbeiten. Zu diesem Behufe kann die Verwaltung, je nach ihrem Gutfinden, dem General-Prokurator entweder ein Büro zur Verfügung stellen oder ihm eine jährliche Entschädigung von 200 Franken ausbezahlen, mit der Verpflichtung für ihn, sich selbst ein vom Staatsrat genehmigtes Büro zu verschaffen. Art. 9
1 Der General-Prokurator darf sich nicht über vier Tage entfernen, ohne vorher den Präsidenten des Kantonsgeri chts hievon in Kenntnis gesetzt zu haben.
2 Für jede Abwesenheit von über acht Tagen wird die Erlaubnis des Kantonsgerichts erheischt. Art. 10 Der Substitut darf für seine eigenen Geschäfte nicht ohne die Einwilligung seines Vorstandes abwesend sein. Art. 11 Der General-Prokurator und der Substitut können nicht in den Militärdienst berufen werden.
3 Art. 12 Bei öffentlichen Zeremonien nehmen der General-Prokurator und sein Substitut den Rang nach dem Kantonsgerichte ein. ZWEITES KAPITEL Befugnisse der Staatsanwaltschaft Art. 13 Die Staatsanwaltschaft ist in der Belangung der Vergehen und Verbrechen das Organ des Staatsrates. Art. 14 Sie beaufsichtigt die Verwaltung der Justiz, sie rügt die Missbräuche, die zu ihrer Kenntnis gelangen und verzei gt sie der zuständigen Behörde. Art. 15 Die Befugnisse der Staatsanwaltschaft in Strafsachen sind durch das Gesetzbuch über das Strafverfahren bestimmt. Art. 16 Wenn der Staat in seiner Privateigenschaft eine Zwistigkeit hat, die einen Zivilprozess betrifft, so ist der General-Prokurator verpflichtet, dieselbe vor den Gerichten vorzutragen, ohne jedoch der Vorschrift des Organisationsgesetzes über die Eisenbahn (Art. 8 Bst. n) vorzugreifen. Der Staatsrat kann indessen einen andern Verteidiger wählen, aber in diesem Falle hat der General-Prokurator nichtsdestoweniger die Pflicht, seine Meinung über die Frage abzugeben, wenn er von der Direktion, welche es betrifft, dazu aufgefordert wird. Art. 17 In allen Fällen und selbst dann, wenn di e Sache nicht streitig ist, gibt die Staatsanwaltschaft in den ihr vorgelegt en Fragen dem Staatsrat oder seinen Direktionen einen Vorbericht. Art. 18 Die Staatsanwaltschaft hat ebenfalls da s Recht, in Zivilp rozessen zwischen Partikularen in den in der Strafprozessordnung vorhergesehenen Fällen einzuschreiten.
4 Art. 19 Erhält sie auf amtlichem Wege Kenntnis, dass die Interessen eines Minderjährigen, einer verheirateten Frau oder eines Interdizierten entweder gar nicht oder schlecht gewahrt werden, so handelt sie zu ihren Gunsten und sorgt dafür, dass ihre Rechte geschützt werden. Art. 20 und 21
... Art. 22 Abgesehen von diesen hier angeführte n allgemeinen Pflichten, erfüllt die Staatsanwaltschaft bei den Gerichten alle die besondern Amtsverrichtungen, zu welchen sie durch besondere Gesetze befugt ist. DRITTES KAPITEL Besoldung der Staatsanwaltschaft Art. 23 Die Besoldung der Staatsanwaltschaft ist festgesetzt wie folgt: a) diejenige des General-Prokurators auf 3000 Franken; b) diejenige des Substituten auf 2200 Franken. Art. 24
1 In Straf- und in Fiskalsachen erhält die vor den Gerichtsbehörden funktionierende Staatsanwaltschaft eine Entschädigung von 10 Franken für jeden Sitzungstag.
2 Muss sich dieselbe von der Hauptstadt entfernen, so hat sie auf die Reiseentschädigungen Anspruch, welche durch die in Kraft bestehenden Tarife festgesetzt sind. Art. 25 Wenn die Staatsanwaltschaft in Zivilsach en die Rechte des Staates vor den Gerichten zu verteidigen berufen ist, so erhält sie, wenn der Staat den Prozess gewinnt, die gleichen Emolum ente wie die Fürsprecher. In dem Falle, wo der Staat den Prozess verliert, darf sie nur ihre Ausgaben beanspruchen.
5 Art. 26 Die Staatsanwaltschaft hat kein Recht auf eine Vergütung für die Beratungen, Berichte, Skripturen, die sie für das Kantonsgericht, den Staatsrat und seine Direktionen zu machen hat. Art. 27 Sind aufgehoben und durch gegenwärtiges Gesetz ersetzt: 1)
1. das 3. Kapitel des Gesetzes vom 26. Mai 1848 über die Organisation der Rechtspflege;
2. das 3. Kapitel des Gesetzes vom 9. Mai 1853, betreffend die Organisation der Staatsanwaltschaft;
3. das Dekret vom 4. Juni 1844 bezüglich des General-Prokurators;
4. der Artikel 4 des Beschlusses vom 16. Juni 1848 bezüglich der Besoldung des General-Prokurators.
1) Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 1874 (StRB 29. 11. 1873).
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