Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe (850.000)
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Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe

Kanton Appenzell Innerrhoden Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe * (Sozialhilfegesetz, ShiG) vom 29. April 2001 (Stand 1. August 2014) Die Landsgemeinde des Kantons Appenzell I.Rh., gestützt auf Art. 20 Abs. 1 der Kantonsverfassung vom 24. Wintermonat
1872, * beschliesst:

I. Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 * Gegenstand

1 Dieses Gesetz regelt: a) die öffentliche Sozialhilfe, welche bezweckt, Notlagen von Personen und deren Verarmung zu verhüten und zu beheben sowie die Eigen - verantwortung und Selbstständigkeit der Hilfesuchenden zu stärken. b) spezielle Hilfsangebote, insbesondere die Jugend- und Familienhilfe, die Inkassohilfe und Bevorschussung, die Behindertenhilfe sowie die Suchthilfe. c) die Beitragsleistungen des Staates zugunsten von Einrichtungen, welche zur Erfüllung der in diesem Gesetz umschriebenen Aufgaben beitragen, sofern die Hilfe nicht in anderen kantonalen Gesetzen ge - regelt ist.

Art. 2 Zuständigkeit und Aufgaben

1 Der Grosse Rat legt die Zuständigkeiten der Behörden und der Amtsstellen fest und umschreibt deren Aufgaben.

Art. 3 Subsidiarität der öffentlichen Sozialhilfe

1 Die öffentliche Sozialhilfe wird tätig, wenn der drohenden oder eingetrete - nen Notlage der hilfsbedürftigen Person nicht durch andere öffentliche oder private Hilfe wirksam begegnet werden kann.

Art. 4 Träger der Hilfe

1 Die öffentliche Sozialhilfe ist Aufgabe des Kantons.

Art. 5 Unterstützungswohnsitz

1 Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Unterstützungswohnsitz des Hilfesuchenden im Sinne des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 24. Juni 1977 (Zuständigkeitsgesetz, ZUG). *
2 Ist eine hilfesuchende Person ausserhalb ihres Unterstützungswohnsitzes auf sofortige Hilfe angewiesen oder hat sie keinen sofort feststellbaren Wohnsitz, so muss ihr der Aufenthaltskanton Hilfe leisten. Als Aufenthalt gilt die tatsächliche Anwesenheit im Kanton.

Art. 6 Schweigepflicht

1 Wer mit dem Vollzug dieses Gesetzes betraut oder dazu beigezogen wird, hat über die zu seiner Kenntnis gelangten Verhältnisse der Hilfesuchenden und über die Verhandlungen in den Behörden Stillschweigen zu bewahren und unbefugten Dritten den Einblick in amtliche Akten zu verweigern.
2 Eine Auskunft gegenüber inländischen Gerichts- und Verwaltungsbehörden ist zulässig, soweit hiefür eine gesetzliche Grundlage im Bundesrecht oder im kantonalen Recht gegeben ist. In den übrigen Fällen können gegenüber inländischen Gerichts- und Verwaltungsbehörden Auskünfte aus den Sozial - hilfeakten erteilt werden, sofern der Sozialhilfebewerber dazu die Ermächti - gung erteilt oder die Auskunft zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrages un - entbehrlich ist.
3 Eine Schweigepflicht besteht nicht gegenüber staatlichen Sozialhilfebehör - den.

Art. 7 Beitragsleistungen

1 Beitragsleistungen im Sinne von Art. 1 lit. c dieses Gesetzes können mit Auflagen und Bedingungen verbunden werden. Sie werden insbesondere bei unzweckmässiger Verwendung nicht mehr ausgerichtet. *

II. Grundsätze der Sozialhilfe

Art. 8 Art und Mass der Hilfe

1 Die Sozialhilfe richtet sich in Art und Mass nach den Bedürfnissen des Hil - fesuchenden 1 ) . Sie besteht aus vorbeugenden Massnahmen und umfasst vor allem Beratung, Betreuung, wirtschaftliche Hilfe sowie die Vermittlung von Dienstleistungen.
2 Die Hilfe richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles. Bei der Be - messung der Hilfe ist dem Gesuchsteller ein Mitspracherecht zu gewähren.
3 Der Hilfesuchende hat keinen Anspruch darauf, dass die Hilfe in Art und Mass, wie von ihm beantragt, geleistet wird.

Art. 9 Verpfändung, Pfändung, Abtretung und Verrechnung

1 Die materielle Hilfe darf weder verpfändet, gepfändet noch abgetreten wer - den.
2 Sie darf nicht mit geschuldeten Steuern verrechnet werden.

Art. 10 Übergang von Ansprüchen gegenüber Dritten

1 Wirtschaftliche Sozialhilfe, die als Vorschuss im Hinblick auf Leistungen ei - ner Sozialversicherung, einer Privatversicherung, haftpflichtiger Dritter und anderer Dritter gewährt wird, für die rückwirkende Leistungen entrichtet wer - den, ist zurückzuerstatten. Das vorschussleistende Gemeinwesen kann beim Dritten die direkte Auszahlung der Nachzahlung verlangen.
2 Bestehen Ansprüche der hilfesuchenden Person gegenüber Dritten, so kann die Gewährung materieller Hilfe davon abhängig gemacht werden, dass sie im Umfang der Unterstützungsleistungen an die Sozialhilfebehörde abgetreten werden.
3 Die Vermögenswerte sind nach Art. 17 dieses Gesetzes sicherzustellen.

Art. 11 Übernahme von Schulden

1 Zulasten der Sozialhilfe werden in der Regel keine Schulden von unter - stützten Personen übernommen.
1) Die Verwendung der männlichen Bezeichnungen gilt sinngemäss für beide Ge - schlechter.
2 Sie können ausnahmsweise vorfinanziert oder übernommen werden, wenn die Notlage dies rechtfertigt, Kosten vermieden und dadurch für die Betroffe - nen Lösungen gefunden werden können.
3 Die Übernahme von Schulden ab einer vom Grossen Rat festzusetzenden Höhe bedarf der Zustimmung der Standeskommission.

III. Sozialhilfeleistungen

Art. 12 Materielle Hilfe

1 Wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht oder nicht hinreichend und rechtzeitig aufkommen kann, hat Anspruch auf materielle Hilfe.

Art. 13 Auskunftspflicht

1 Personen, die um materielle Hilfe nachsuchen, haben den mit dem Vollzug dieses Gesetzes betrauten Instanzen alle zur Bemessung der Hilfe nötigen Auskünfte wahrheitsgetreu und vollständig zu erteilen und Einsicht in ihre Unterlagen, insbesondere ihre Steuerakten, zu gewähren.
2 Der Sozialhilfeempfänger kann das Sozialamt schriftlich ermächtigen, bei einzelnen aufgeführten Amtsstellen und Dritten die Auskünfte und Daten selbst zu beschaffen
3 Änderungen der wirtschaftlichen oder sich auf die materielle Hilfeleistung auswirkenden persönlichen Verhältnisse sind der unterstützenden Stelle un - verzüglich anzuzeigen.

Art. 14 Auflagen

1 Die materielle Hilfe kann mit Auflagen oder Weisungen verbunden werden, die sich auf die richtige Verwendung der Beiträge beziehen oder geeignet sind, die Lage der unterstützten Person und ihrer Angehörigen zu verbes - sern.
2 Dem Hilfesuchenden, der Auflagen oder Weisungen missachtet, die Ein - sichtnahme in Unterlagen verweigert, Leistungen unzweckmässig verwen - det, wird die Unterstützung verweigert oder gekürzt.

Art. 15 Verwandtenunterstützung

1 Die Unterstützungspflicht der Verwandten von Hilfsbedürftigen richtet sich nach den Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom

10. Dezember 1907 (ZGB). *

2 Bevor Verwandte, insbesondere im Vorfeld einer gerichtlichen Klage, zur Beitragsleistung aufgefordert werden, sind die möglichen Auswirkungen auf die familiären Beziehungen und den Hilfsprozess zu berücksichtigen.

Art. 16 Entgelte bei Lebens- und Wohngemeinschaften

1 Werden Personen unterstützt, die mit nichtunterstützten Personen in nicht - ehelicher Lebens- oder Wohngemeinschaft leben und für diese Haushalts- und Betreuungsarbeit oder eine andere Arbeit leisten, wird für diese Arbeit ein angemessenes Entgelt angerechnet.

Art. 17 Sicherstellung

1 Hat ein Hilfesuchender Grundeigentum oder andere Vermögenswerte in er - heblichem Umfange, deren Realisierung ihm nicht möglich oder nicht zumut - bar ist, soll wenn möglich die Unterzeichnung einer Rückerstattungsver - pflichtung verlangt werden. Darin hat sich der Hilfesuchende zu verpflichten, die Leistungen ganz oder teilweise zurückzuerstatten, wenn diese Vermö - genswerte realisiert werden.
2 Über die Zumutbarkeit der Realisierung von Vermögenswerten entscheidet das zuständige Departement.
3 Die Forderung aus der Unterzeichnung einer Rückerstattungsverpflichtung ist wenn möglich pfandrechtlich sicherzustellen.

Art. 18 Rückerstattung

1 Rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe ist zurückzuerstatten, wenn sich die finanziellen Verhältnisse der Empfänger so gebessert haben, dass ihnen die Rückerstattung zugemutet werden kann, oder wenn sie beim Tode Vermögen hinterlassen.
2 Der Rückerstattungsanspruch erstreckt sich auf empfangene Hilfeleistun - gen der betreffenden Person selbst, ihres Ehegatten während der Ehe, ihres Partners während der eingetragenen Partnerschaft sowie ihrer Kinder wäh - rend deren Unmündigkeit. *
3 Wirtschaftliche Hilfe, die ein Hilfesuchender für sich selbst während seiner Unmündigkeit oder bis zum Abschluss einer ordentlichen Ausbildung bezo - gen hat, wird in der Regel von diesem nicht zurückgefordert.
4 Wer unter unwahren oder unvollständigen Angaben materielle Hilfe erwirkt hat, ist in jedem Falle zur Rückerstattung verpflichtet. Weitere rechtliche Schritte bleiben vorbehalten.
5 Stirbt der Hilfeempfänger, besteht ein Anspruch gegenüber seinem Nach - lass. Dieser Anspruch geht bis zur Höhe des erhaltenen Erbteils auf die Er - ben über.

Art. 19 Geltendmachung des Anspruchs/ Verjährung Verzinsung

1 Der Rückerstattungsanspruch erlischt gegenüber der unterstützten Person und gegenüber den Erben innert zehn Jahren seit dem letzten Bezug der Hilfe. *
2 Keiner Verjährung unterliegen Leistungen für die ein Grundpfand eingetra - gen ist.
3 Rückerstattungsforderungen sind verzinslich. In besonderen Fällen kann das zuständige Departement darauf verzichten.

IV. Spezielle Hilfsangebote

IV.A. Jugend- und Familienhilfe

Art. 20 Grundsatz

1 Der Kanton fördert und koordiniert die Jugend- und Familienhilfe.
2 Die Sozialhilfebehörde des Kantons kann Kindern und Jugendlichen, für deren Unterhalt weder Eltern noch unterstützungspflichtige Verwandte auf - zukommen vermögen, eine ihren Bedürfnissen angepasste Pflege und Er - ziehung sowie eine ihren Fähigkeiten entsprechende Förderung und Ausbil - dung ermöglichen.

Art. 21 * Kindesschutz

1 Die Behörden und in der Beratung tätige Institutionen sind berechtigt und verpflichtet, bei Feststellung von Gefährdungen des Kindswohles bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde oder bei den Strafverfolgungsbe - hörden Anzeige zu erstatten.

Art. 22 Finanzierung Kindesschutzmassnahmen

1 Die Kosten aus Massnahmen sowie Defizitbeiträge aus einer Heimversor - gung gemäss Heimvereinbarung werden vom Kanton getragen, wenn eine behördliche Anordnung oder Verfügung vorliegt.
2 An die Kosten von Aufenthalten Unmündiger in Heimen oder ähnlichen Einrichtungen haben die Eltern nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen Ver - hältnisse mindestens jenen Beitrag zu entrichten, der den Lebenshaltungs - kosten des Kindes im elterlichen Haushalt entspricht.
3 Vorbehalten bleibt die Regelung von Kostenübernahmen gestützt auf andere gesetzliche Bestimmungen.

Art. 23 Jugendarbeit, ergänzende Jugend- und Familienhilfe

1 Der Kanton kann die Jugendarbeit sowie die Jugend- und Familienhilfe gemeinnütziger, privater oder öffentlicher Organisationen unterstützen.
2 Eine Beitragsgewährung setzt voraus, dass die betreffenden Organisatio - nen angemessene Eigenleistungen erbringen und nicht wesentliche ander - weitige Unterstützungen erhalten.

IV.B. Inkassohilfe / Bevorschussung

Art. 24 Inkassohilfe / Bevorschussung *

1 Der Grosse Rat erlässt eine Verordnung über die Inkassohilfe und Bevor - schussung gemäss den Bestimmungen des ZGB.

IV.C. Suchthilfe

Art. 25 Aufgaben des Kantons

1 Der Kanton fördert eine angemessene und zweckmässige Prävention und Suchthilfe.

IV.D. Betagten- und Behindertenhilfe

Art. 26 Koordination

1 Der Kanton koordiniert die Behindertenhilfe. *
2 Er kann an solche Institutionen Beiträge gewähren.

V. Heime und Einrichtungen

Art. 27 Bewilligung

1 Der Betrieb von Behinderteneinrichtungen sowie anderen festen Wohnstät - ten bedarf einer kantonalen Bewilligung. Die Voraussetzungen und das Ver - fahren zur Erteilung und zum Entzug der Betriebsbewilligung sowie die Überwachung der Heime werden auf dem Verordnungsweg geregelt. *
2 Der Kanton kann an solche Institutionen Beiträge gewähren.

Art. 28 Aufsicht

1 Der Kanton ist für die Aufsicht über anerkannte Behinderteneinrichtungen, über Heime für Kinder und Jugendliche und weitere stationäre Einrichtungen für Jugendliche und Erwachsene zuständig. *
2 Die Aufsicht über Kinder- und Jugendheime richtet sich nach der Eidgenös - sischen Verordnung über die Aufnahme von Kindern zur Pflege und zur Ad - option vom 19. Oktober 1977 (PAVO) und nach dem Schulgesetz. *

VI. Schlussbestimmungen

Art. 29 Ausführungsbestimmungen

1 Der Grosse Rat erlässt die zu diesem Gesetz notwendigen Ausführungsbe - stimmungen.

Art. 30 * Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz tritt nach Annahme durch die Landsgemeinde in Kraft.
Änderungstabelle – Nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung cGS Publikati - on

29.04.2001 29.04.2001 Erlass Erstfassung -

27.04.2003 27.04.2003 Art. 1 geändert -

27.04.2003 27.04.2003 Art. 26 Abs. 1 geändert -

27.04.2003 27.04.2003 Art. 27 Abs. 1 geändert -

27.04.2003 27.04.2003 Art. 28 Abs. 1 geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Erlasstitel geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Ingress geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Art. 1 geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Art. 5 Abs. 1 geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Art. 7 Abs. 1 geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Art. 15 Abs. 1 geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Art. 19 Abs. 1 geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Art. 21 geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Art. 24 Titel geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Art. 28 Abs. 2 geändert -

24.04.2005 24.04.2005 Art. 30 geändert -

30.04.2006 01.01.2007 Art. 18 Abs. 2 geändert -

27.04.2014 01.08.2014 Art. 21 geändert -

Änderungstabelle – Nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung cGS Publikati - on Erlass 29.04.2001 29.04.2001 Erstfassung - Erlasstitel 24.04.2005 24.04.2005 geändert - Ingress 24.04.2005 24.04.2005 geändert - Art. 1 27.04.2003 27.04.2003 geändert - Art. 1 24.04.2005 24.04.2005 geändert - Art. 5 Abs. 1 24.04.2005 24.04.2005 geändert - Art. 7 Abs. 1 24.04.2005 24.04.2005 geändert - Art. 15 Abs. 1 24.04.2005 24.04.2005 geändert - Art. 18 Abs. 2 30.04.2006 01.01.2007 geändert - Art. 19 Abs. 1 24.04.2005 24.04.2005 geändert - Art. 21 24.04.2005 24.04.2005 geändert - Art. 21 27.04.2014 01.08.2014 geändert - Art. 24 24.04.2005 24.04.2005 Titel geändert - Art. 26 Abs. 1 27.04.2003 27.04.2003 geändert - Art. 27 Abs. 1 27.04.2003 27.04.2003 geändert - Art. 28 Abs. 1 27.04.2003 27.04.2003 geändert - Art. 28 Abs. 2 24.04.2005 24.04.2005 geändert - Art. 30 24.04.2005 24.04.2005 geändert -
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