Gesetz über die Gewerbegerichtsbarkeit (132.1)
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Gesetz über die Gewerbegerichtsbarkeit

1 Gesetz vom 22. November 1972 über die Gewerbegerichtsbarkeit Der Grosse Rat des Kantons Freiburg gestützt auf die Artikel 342 und 343 des Obligationenrechts; gestützt auf den Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. September 1963 über die Berufsbildung; gestützt auf den Artikel 1 Bst. k des Gesetzes vom 22. November 1949 über die Gerichtsorganisation; gestützt auf die Botschaft des Staatsrates vom 26. September 1972; auf den Antrag dieser Behörde, beschliesst: ERSTER ABSCHNITT Organisation I. KAPITEL Zusammensetzung Art. 1 I. Bezirksgewerbekammer
1. Im Allgemeinen
1 Die in jedem Bezirksgericht best ehende Gewerbekammer besteht aus einem Präsidenten, zwei Beisitzern, einem Stellvertreter des Präsidenten und vier Ersatzbeisitzern.
2 Die Gewerbekammer (im folgende n Kammer genannt) tagt zu drei Mitgliedern, nämlich dem Präsidenten und zwei Beisitzern.
3 Einer der Beisitzer wird aus den Arbeitgebern, der andere aus den Arbeitnehmern gewählt. Der Präsid ent kann, je nach der Natur der
2 Streitsache, Ersatzbeisitzer aus dem Wirtschaftszweig, dem die Parteien angehören, beiziehen. Art. 2 2. Vorsitz
1 Der Präsident des Bezirksgerichtes oder derjenige Präsident, der vom Kantonsgericht hiefür bestimmt wird, amtet als Präsident der Kammer.
2 Im Verhinderungsfall tritt an die Stelle des Präsidenten sein Stellvertreter und, falls auch dieser verhindert ist, ersetzt ihn das Kantonsgericht durch den Präsidenten einer anderen Kammer. Art. 3 3. Gerichtsschreiberei Ein Gerichtsschreiber des Bezirksg erichtes amtet als Schreiber der Kammer. Art. 4 II. Rekursinstanz Ein Appellationshof des Kantonsgerichtes ist Rekursinstanz. II. KAPITEL Wählbarkeit Art. 5 I. Im Allgemeinen Die Wahl der Stellvertreter der Präsidenten, der Beisitzer und der Ersatzbeisitzer wird in einem Spezialgesetz geregelt. Art. 6 II. Stellvertreter des Präsidenten
1 Der Stellvertreter des Präsidenten muss Lizentiat oder Master der Rechte sein.
2 Er kann aus der Reihe der Mitglieder des Bezirksgerichtes oder deren Gerichtsschreiber gewählt werden. Art. 7 III. Beisitzer
1 Einer der Beisitzer und zwei Ersatzbeisitzer werden aus den Arbeitgebern oder den Personen gewählt, die in einem Unternehmen in leitender Stellung sind; der andere Beisitzer und die zwei anderen Ersatzbeisitzer werden aus den Arbeitnehmern gewählt.
2 Die Richter und Ersatzmänner des Bezirksgerichtes können, sofern sie die vorstehenden Bedingungen erfüllen, zu Beisitzern oder Ersatzbeisitzern ernannt werden.
3 Art. 8 und 9
... III. KAPITEL Unvereinbarkeit und Ausstand Art. 10 I. Unvereinbarkeit
1 Die Unvereinbarkeitsbesti mmungen des Gesetzes über die Gerichtsorganisation bezüglich Ausübung eines Amtes oder eines Berufes sind auf die Mitglieder der Gewerbegerichtsbehörden nicht anwendbar.
2 Die Artikel 47 bis 52 des Gerichtsorganisationsgesetzes bleiben vorbehalten für die Richter und die Gerichtsbeamten, die der Gewerbegerichtsbarkeit angehören. Art. 11 II. Ausstand
1. Im Allgemeinen Die Artikel 53 bis 56, 59 und 60 des Gerichtsorganisationsgesetzes sind auf den Ausstand der Mitglieder und de s Gerichtsschreibers der Kammer anwendbar. Art. 12 2. Zuständigkeit Im Streitfall entscheidet über den Ausstand: a) wenn es sich um ein Mitglied der Kammer handelt, die Kammer, welcher der Richter angehört, nachdem sich der Betroffene zurückgezogen hat und durch einen Ersatzmann ersetzt worden ist; b) wenn es sich um den Gerich tsschreiber handelt, die Kammer; c) wenn es sich um die Mehrheit der Mitglieder einer Kammer einschliesslich der Ersatzmänne r handelt, das Kantonsgericht; d) wenn es sich um den Präsidenten einer Kammer handelt, sein Stellvertreter oder, wenn auch dieser abgelehnt wird, das Kantonsgericht. Art. 13 3. Überweisung an eine andere Behörde
1 Im Falle des Ausstandes der Mehr heit der Mitglieder einer Kammer, einschliesslich der Ersatzmänner, überweist das Kantonsgericht den Fall in seinem derzeitigen Stadium einer anderen Kammer.
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2 Im Falle des Ausstandes des Pr äsidenten einer Kammer und dessen Stellvertreters, bezeichnet das Kantons gericht einen Stellvertreter unter den Präsidenten der anderen Kammern. IV. KAPITEL Organisation und Tätigkeit Art. 14 I. Gewerbegerichtskammer
1. Amtssitz
1 Der Sitz der Kammer ist jener des Bezirksgerichtes, dem sie verwaltungsmässig zugeordnet ist.
2 Der Stellvertreter des Präsidenten, die Beisitzer und die Ersatzbeisitzer müssen im Bezirk Wohnsitz haben. Art. 15 2. Gerichtsschreiberei Die Gerichtsschreiberei steht der Kammer zur Verfügung. Art. 16 II. Präsident Die Artikel 82 und 84 des Gerichtsorga nisationsgesetzes bezüglich der Befugnisse des Präsidenten sind auf den Präsidenten der Kammer anwendbar. Art. 17 III. Organisationsvorschrif ten / Gerichtsferien
1 Die allgemeinen Bestimmungen des Gerichtsorganisationsgesetzes über die interne Organisation der Geri chtsbehörden sind anwendbar (Art. 85-
92).
2 Die Gewerbegerichtsbarkeit kennt keine Gerichtsferien. Art. 18 IV. Aufsicht und Verantwortlichkeit
1. Im Allgemeinen
1 Die Bestimmungen des Gerichtsorga nisationsgesetzes über die Funktion und die Aufsicht der Gerichte sind anwendbar. Die Aufsicht über die Richter wird in einem Spezialgesetz geregelt.
2 Die Gerichtsschreiberei führt eine eigene Buchhaltung für die Kammer. Art. 19 2. Bericht an das Kantonsgericht
...
5 Art. 20 V. Beziehungen zu anderen Behörden Die Bestimmungen des Gerichtsor ganisationsgesetzes über die Beziehungen der Gerichtsbehörden zu einander und zu anderen Behörden (Art. 116, 117 Abs. 1, 118 Abs. 1, 119-121) sind anwendbar. Art. 21 VI. Tagungsort Der Präsident und die Kammer tagen in der Regel in den Räumlichkeiten des Bezirksgerichtes. Art. 22 VII. Festsetzung der Sitzungen
1 Der Präsident bestimmt den Zeit punkt der Sitzungen derart, dass den Beisitzern und den Parteien die Teilnahme an den Sitzungen erleichtert wird.
2 Er kann die Sitzungen auf den Abend ansetzen. Art. 23 VIII. Tarif Der Staatsrat setzt in einem Tarif die Sitzungs- und Reiseentschädigungen fest. Art. 24 IX. Gerichtskosten Der Staatsrat setzt in einem Tarif die Gerichtskosten fest, insoweit solche erhoben werden können. V. KAPITEL Befugnisse Art. 25 I. Zuständigkeit
1. Im Allgemeinen Unter die Gewerbegerichtsbarkeit fallen die privatrechtlichen Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitnehmer, einem Arbeitgeber oder einer Fürsorgeeinrichtung. Für die Rechtspflege betreffend das Bundesgesetz über die be rufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 ist das in der Sondergesetzgebung vorgesehene Gericht zuständig. Art. 26 2. Streitwert
1 In den Grenzen des vorangehenden Artikels fallen unter die Gewerbegerichtsbarkeit alle nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten.
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2 Sie behandelt ohne Rücksicht auf den Streitwert die zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Anbietern der Bildung in beruflicher Praxis und den Lernenden aufgrund eines Lehrvertrags.
3 Unter die Gewerbegerichtsbarkeit fallen die übrigen vermögensrechtlichen Streitigkeiten, de ren Streitwert 30 000 Franken nicht übersteigt. Art. 27 3. Schiedsgerichtsklausel Die in die Zuständigkeit der Gewerbegerichtsbarkeit fallenden Streitigkeiten können nur gestützt auf ei ne in einem Gesamtarbeitsvertrag enthaltene Vereinbarung zum voraus einem Schiedsgericht unterstellt werden. Art. 28 II. Aufteilung der Befugnisse
1. Präsident a) Versöhnung Der Präsident waltet in allen Streitigkeiten, für die er oder die Kammer zuständig ist, als Versöhnungsrichter. Art. 29 b) Vermögensrechtliche Streitigkeiten Der Präsident erkennt über vermögensrechtliche Streitigkeiten, deren Streitwert weniger als 8000 Franken beträgt. Art. 30 2. Kammer Die Kammer erkennt: a) über nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten;
b) über vermögensrechtliche Stre itigkeiten, deren Streitwert 8000 Franken oder mehr beträgt, jedoc h 30 000 Franken nicht übersteigt.
7 ZWEITER ABSCHNITT Verfahren I. KAPITEL Allgemeine Bestimmungen Art. 31 I. Anwendung der Zivilprozessordnung
1 Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält, gelten für die der Gewerbegerichtsbarkeit unterstellten Streitsachen die Bestimmungen der Zivilprozessordnung.
2 Das beschleunigte Verfahren ist anwendbar (Art. 382 ff. der Zivilprozessordnung).
3 Der Richter stellt von Amtes wegen den Sachverhalt fest. Art. 31a I bis
. Fristenstillstand Die gesetzlichen und richterlichen Fristen werden nicht gehemmt (Art. 40a der Zivilprozessordnung). Art. 32 II. Streitwert
1 Der Streitwert bemisst sich nach der eingeklagten Forderung, ohne Rücksicht auf Widerklagebegehren. Betragen jedoch die bestrittenen Widerklagebegehren 8000 Franken oder mehr, so wird die in die Zuständigkeit des Einzelrichters fa llende Klage der Kammer überwiesen.
2 Artikel 40 bleibt vorbehalten. Art. 33 III. Urteil
1 Der Gerichtspräsident und der Geri chtsschreiber behandeln vor den anderen Geschäften jene de r Gewerbegerichtsbarkeit.
2 Das Urteil wird sofort oder gegebenenfalls innert einer Frist, die 10 Tage nicht übersteigt, gefällt.
3 ... Art. 34 IV. Zuständigkeit
1. Gerichtsstand
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8 Art. 35 2. Unzuständigkeitseinrede
1 Über die Unzuständigkeitseinrede entscheidet der Richter unverzüglich.
2 Bejaht er seine Zuständigkeit, so hat er sofort und ungeachtet eines allfälligen Rekurses vorzugehen.
3 Die Frist zur Einreichung der Berufung gegen den Zuständigkeitsentscheid und zur Einreichung der Antwort beträgt 10 Tage. Art. 36 V. Bevollmächtigte
1 Der Präsident entscheidet endgültig und je nach Art und Wichtigkeit der Streitsache darüber, ob die Parteien vertreten oder verbeiständet sein müssen; er berücksichtigt namentlic h das Gebot der Gl eichstellung der Parteien.
2 Einzig die zur Ausübung des Anwa ltsberufes zugelassenen Personen können eine Partei vertreten oder verbeiständen.
3 Die am Erscheinen verhinderte Partei kann sich indessen mit Erlaubnis des Präsidenten durch ein Familienmitglied vertreten lassen. Der Präsident kann auch die Sekretäre der Gewerkschaften und der Arbeitgebervereinigungen ermächtigen, ei ne Partei zu verbeiständen oder ausnahmsweise zu vertreten, wenn sich diese dauernd im Ausland aufhält. Art. 37 VI. Gerichts- und Parteikosten
1. Im Allgemeinen
1 Den Parteien dürfen keine Geri chtskosten auferlegt werden. Bei mutwilliger Prozessführung kann der Ri chter jedoch gege n die fehlbare Partei eine Busse aussprechen und ihr ganz oder teilweise die Gerichtskosten auferlegen.
2 Zu den Parteikosten (Art. 114 ZPO, unter Ausschluss der Gerichtskosten) kann der Richter die Parteien entsprechend dem ordentlichen Verfahren verurteilen. Die Honorare und Auslagen der Anwälte werden in Form einer Globalentschädigung gemä ss einem vom Staatsrat aufgestellten Tarif festgesetzt. Art. 38 2. Sicherheiten Die Gewerbegerichtsbarkeit kennt keine Pflicht zur Leistung von Sicherheiten. Art. 39 3. Armenrecht
1 Die Bestimmungen des Gesetzes übe r die unentgeltliche Rechtspflege sind anwendbar.
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2 Artikel 36 Abs. 1 des vorliegenden Gesetzes bleibt vorbehalten. Art. 40 VII. Widerklage
1 Der Beklagte kann eine Widerkla ge nur erheben oder die Verrechnung geltend machen, wenn der Gege nstand und der Streitwert der Gegenforderung der Gewerbeger ichtsbarkeit unterstellt ist.
2 Artikel 135 der Zivilprozessordnung bleibt vorbehalten. Art. 41 VIII. Versöhnungsversuch
1 Es findet kein freiwilliger Versöhnungsversuch vor dem Friedensrichter statt.
2 Vorgängig der Verhandlung vor de m Einzelrichter oder der Kammer versucht der Präsident eine Versöhnung zwischen den Parteien herbeizuführen, gegebenenfalls in ausschliesslicher Gegenwart der Parteien. Er ist befugt, sich nachei nander mit jeder Partei einzeln zu unterhalten.
3 Der Präsident des durch einen Re kurs angerufenen Appellationshofes kann seinerseits mit den Parteien eine gütliche Erledigung des Handels anstreben, wenn er dies für zweckdienlich hält. II. KAPITEL Beweise und vorsorgliche Massnahmen Art. 42 I. Vorsorgliche Beweisführung
1. Zuständigkeit
1 Vor der Rechtshängigkeit wird das Begehren um vorsorgliche Beweisführung dem Präsidenten der Kammer jenes Bezirks unterbreitet, in dem sich der zu besichtigende Ge genstand oder die einzuvernehmende Person befindet.
2 Bei Rechtshängigkeit ist der Präsident jener Kammer zuständig, die sich mit dem Streitfall befasst. Art. 43 2. Beweisaufnahme

Artikel 265 der Zivilprozessordnung ist auf die Beweisaufnahme

anwendbar; die Gegenpartei kann i ndessen keine Sicherheiten für die Kosten verlangen, die das Verfahren verursacht.
10 Art. 44 II. Expertise
1 Die Expertise kann in der Regel nur einem einzigen Experten anvertraut werden.
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Artikel 259 Abs. 2 der Zivilprozessordnung bleibt vorbehalten.

Art. 45 III. Vorsorgliche Massnahmen

1. Sachliche Zuständigkeit
1 Ist der Prozess bei der Kammer hängi g, ist deren Präsident für die Anordnung der vorsorglichen Massnahmen zuständig; die Kammer ordnet indessen die bei der Verhandlung beantragten vorsorglichen Massnahmen selber an.
2 Ist der Prozess nicht hängig, so werden die vorsorglichen Massnahmen vom Präsidenten der Kammer angeordnet. Art. 46 2. Beschwerde Unter Vorbehalt der Berufung gegen den Entscheid über die Unzuständigkeitseinrede (Art. 377 ZPO) sind die über vorsorgliche Massnahmen erlassenen Verfügungen de s Präsidenten oder der Kammer nicht weiterziehbar. III. KAPITEL Rechtsmittel Art. 47 Rechtsmittel Die gestützt auf dieses Gesetz erga ngenen Urteile unterliegen der Berufung gemäss dem Artikel 390 Zivilprozessordnung. Art. 48 Anwendung der Zivilprozessordnung
... DRITTER ABSCHNITT Schluss- und Übergangsbestimmungen Art. 49 I. Aufhebungsklausel Alle diesem Gesetz widerspreche nden Bestimmungen sind aufgehoben, insbesondere:
1. das Gesetz vom 20. November 1958 über die Gewerbegerichtsbarkeit;
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2. Artikel 34 des Gesetzes vom 4. Februar 1969 zur Ausführung des Bundesgesetzes vom 20. September 1963 über die Berufsbildung. Art. 50 II. Abänderungen
1 Artikel 30 Abs. 1 des Gesetzes vom 4. Februar 1969 zur Ausführung des Bundesgesetzes vom 20. September 1963 über die Berufsbildung ist wie folgt abgeändert:
...
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Artikel 349

ter Ziff. 6 des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch für den Kanton Freiburg vom 28. November 1911 (EGZGB) ist wie folgt abgeändert:
...
3 Die Randnote des Artikels 349ter EGZGB ist in dem Sinne abgeändert, dass... Art. 51 III. Hängige Prozesse Die hängigen Prozesse und jene, deren Rekursfrist im Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzes noch nicht abgelaufen ist, werden nach den Bestimmungen des Geset zes vom 20. November 1958 über die Gewerbegerichtsbarkeit beendet. Art. 52 IV. Veröffentlichung und Inkraftsetzung Der Staatsrat ist mit der Veröffe ntlichung des vorliegenden Gesetzes beauftragt; er bestimmt das Datum dessen Inkrafttretens. 1)
1) Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 1973 (StRB 9.1.1973).
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