Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen (329.22)
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Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen

1 Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen Vom 5. November 1992

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1. Zweck Das Konkordat bezweckt die effiziente Bekämpfung der Kriminalität durch Förderung der interkantonalen Zusammenarbeit, indem es insbe- sondere a) den Untersuchungs- und Gerichtsbehörden die Kompetenz gibt, Ver- fahrenshandlungen in einem andern Kanton durchzuführen (2. Kapitel); b) die Rechtshilfe in Strafsachen erleichtert (3. Kapitel). Art. 2. Anwendungsbereich
1 Das Konkordat kommt nur zur Anwendung in Verfahren, in denen mate- rielles Bundesstrafrecht (Strafgesetzbuch und andere Bundesgesetze) anwendbar ist, unter Ausschluss der kantonalen Strafgesetzgebung.
2 Es steht jedoch den Kantonen unter Vorbehalt des Grundsatzes des Ge- genrechts frei, den Anwendungsbereich des Konkordats durch eine an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zuhanden des Bundesrates gerichtete Erklärung auf die kantonale Gesetzgebung auszudehnen.

2. Kapitel: Verfahrenshandlungen in einem

andern Kanton Art. 3. Grundsatz
1 Die mit einer Strafsache befasste Untersuchungs- oder Gerichtsbehörde kann Verfahrenshandlungen direkt in einem andern Kanton anordnen und durchführen.
2 Ausser in dringenden Fällen benachrichtigt sie vorgängig die zuständige Behörde dieses Kantons (Art. 24).
3 Die zuständige Behörde des Kantons, in dem die Verfahrenshandlung durchgeführt wird, wird in allen Fällen benachrichtigt.
2 Art. 4. Anwendbares Recht Die mit der Sache befasste Untersuchungs- oder Gerichtsbehörde wendet das Verfahrensrecht ihres Kantons an. Art. 5. Amtssprache
1 Verfahrenshandlungen werden in der Sprache der mit der Sache befass- ten Behörde durchgeführt.
2 Verfügungen werden in der Sprache der mit der Sache befassten Behörde erlassen.
3 Wenn jedoch die Person, die Gegenstand eines Entscheides ist, die Spra- che dieser Behörde nicht versteht, hat sie in der Regel Anspruch auf einen unentgeltlichen Übersetzer oder Dolmetscher. Art. 6. Inanspruchnahme der Polizei Ist für die Durchführung einer Verfahrenshandlung ein polizeiliches Ein- schreiten notwendig, wird die zuständige Polizei mit dem Einverständnis der örtlich zuständigen Untersuchungs- oder Gerichtsbehörde (Art. 24) beigezogen. Art. 7. Postzustellungen Gerichtsurkunden können Empfängern, die sich in einem andern Kanton aufhalten, direkt durch die Post nach den Vorschriften des Bundesgesetzes betreffend den Postverkehr und seiner Vollzugsverordnung zugestellt werden. Art. 8. Vorladungen
1 Personen, die in einen Konkordatskanton vorgeladen werden, sind ver- pflichtet, dort zu erscheinen. Sie werden in der Amtssprache ihres Aufent- haltsortes vorgeladen.
2 Zeugen wie auch Sachverständige, die ihren Auftrag akzeptiert haben, können einen angemessenen Reisespesenvorschuss verlangen.
3 Die Vorladung enthält gegebenenfalls den Hinweis, dass bei unentschul- digtem Nichterscheinen ein Vorführbefehl erlassen werden kann. Art. 9. Verhandlungen, Augenscheine Die mit der Sache befasste Untersuchungs- oder Gerichtsbehörde kann in einem andern Kanton Sitzungen abhalten, dort Augenscheine und Ver- handlungen durchführen oder durchführen lassen. Art. 10.Durchsuchungen, Beschlagnahme
1 Durchsuchungen und Beschlagnahmen müssen durch einen schriftlichen und kurz begründeten Entscheid angeordnet werden.
2 In dringenden Fällen kann die Begründung nachgereicht werden.
3 Art. 11. Mitteilungspflicht Die Untersuchungs- oder Gerichtsbehörde, die in ihrer amtlichen Stellung Kenntnis von einem in einem andern Kanton begangenen, von Amtes wegen zu verfolgenden Verbrechen oder Vergehen erhält, ist verpflichtet, die zuständige Behörde dieses Kantons (Art. 24) zu benachrichtigen. Art. 12. Rechtsmittelbelehrung Wenn das kantonale Verfahrensrecht des mit der Sache befassten Kantons ein Rechtsmittel gegen einen Entscheid vorsieht, muss dieser die Rechts- mittelbelehrung, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist ange- ben. Art. 13. Rechtsmittel, Sprache Das Rechtsmittel muss in der Sprache der mit der Sache befassten Behörde oder in derjenigen des Ortes, wo der Entscheid vollstreckt wird, abgefasst werden. Art. 14. Kosten Die Verfahrenskosten, insbesondere für Übersetzer, Dolmetscher, Zeugen, Gutachten, wissenschaftliche Arbeiten gehen zulasten des mit der Sache befassten Kantons.

3. Kapitel: Auf Verlangen eines andern Kantons

vorgenommene Verfahrenshandlungen Art. 15. Direkter Geschäftsverkehr
1 Die Behörden der Konkordatskantone verkehren direkt miteinander. Das Ersuchungsschreiben kann in der Sprache der ersuchenden oder der er- suchten Behörde gehalten werden.
2 Falls über die Zuständigkeit einer Behörde Ungewissheit besteht, werden die Gerichtsurkunden und die Rechtshilfegesuche rechtsgültig einer einzi- gen Behörde zugestellt (Art. 24).
3 Wenn die ersuchte Behörde feststellt, dass die Gerichtsurkunde oder das Rechtshilfegesuch in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde fällt, stellt sie dieses von Amtes wegen der zuständigen Behörde zu. Art. 16. Anwendbares Recht Die ersuchte Behörde wendet ihr kantonales Recht an. Art. 17. Rechte der Parteien
1 Die Parteien, ihre Vertreter und die ersuchende Behörde können an den einzelnen Rechtshilfehandlungen teilnehmen, wenn dieses Recht durch den ersuchten Kanton vorgesehen ist oder wenn es die ersuchende Behör- de ausdrücklich verlangt.
2 In diesem Fall gibt die ersuchte Behörde der ersuchenden Behörde und den Parteien Zeit und Ort bekannt, wo die Rechtshilfehandlung durchge- führt werden soll.
4 Art. 18. Rechtsmittelbelehrung Wenn das anwendbare Recht ein Rechtsmittel gegen einen Entscheid vorsieht, muss dieser die Rechtsmittelbelehrung, die Rechtsmittelinstanz und. die Rechtsmittelfrist angeben. Art. 19. Rechtsmittel, Verfahren und Zuständigkeit
1 Die Rechtsmittelschrift muss in der Sprache der ersuchten oder in derje- nigen der ersuchenden Behörde abgefasst werden.
2 Bei der Behörde des ersuchten Kantons können nur die Beschwerdegrün- de betreffend Gewährung und Ausführung der Rechtshilfe geltend ge- macht werden. In allen anderen Fällen, namentlich bei Einwendungen materieller Art, muss das Rechtsmittel bei der zuständigen Behörde des ersuchenden Kantons eingereicht werden; Artikel 18 ist sinngemäss an- wendbar. Art. 20. Vollzug von Haftbefehlen Zuführungsbegehren und Haftbefehle werden nach den Vorschriften des

Artikels 353 StGB vollstreckt.

Art. 21. Vernehmung von verhafteten Personen Die gestützt auf einen Vorführbefehl oder Haftbefehl in einem andern Konkordatskanton festgenommene Person muss innerhalb von 24 Stunden einvernommen werden. Die Behörde muss die betreffende Person sum- marisch über die Gründe ihrer Verhaftung und die ihr vorgeworfenen strafbaren Handlungen informieren. Art. 22. Zustellung durch die Polizei Gerichtsurkunden, die nicht durch die Post zugestellt werden können, werden direkt durch die Polizei des Kantons, wo die Zustellung erfolgen soll, zugestellt. Art. 23. Kosten
1 Die Rechtshilfe ist unentgeltlich. Die Kosten namentlich für Übersetzun- gen, Dolmetscher, Vorladungen, Expertisen, wissenschaftliche Arbeiten und Gefangenentransporte gehen jedoch zulasten des mit der Sache be- fassten Kantons.
2 Die interkantonalen Vereinbarungen bleiben vorbehalten.

4. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 24. Zuständige Behörde Jeder Konkordatskanton bezeichnet eine einzige Behörde, die von einem anderen Kanton angeordnete oder verlangte Verfahrenshandlungen be- willigt und ausführt und die Mitteilungen erhalten soll (Art. 3, 6, 11 und 15).
5 Art. 25. Beitritt und Rücktritt
1 Jeder Kanton kann dem Konkordat beitreten. Die Beitrittserklärung sowie das im Anhang zum Konkordat erwähnte Verzeichnis ist dem Eidge- nössischen Justiz- und Polizeidepartement zuhanden des Bundesrates einzureichen.
2 Wenn ein Kanton vom Konkordat zurücktreten will, so hat er dies dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement zuhanden des Bundesrates mitzuteilen. Der Rücktritt wird mit dem Ablauf des der Erklärung folgen- den Kalenderjahres rechtswirksam. Art. 26. Inkrafttreten Das Konkordat tritt, sobald ihm mindestens zwei Kantone beigetreten sind, mit seiner Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Bundes- rechts in Kraft, für die später beitretenden Kantone mit der Veröffentli- chung ihres Beitritts in der Amtlichen Sammlung. Das gleiche gilt für die Erklärung betreffend die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Kon- kordates und die Mitteilung des Verzeichnisses der kantonalen Behörden sowie die Nachträge und Änderungen, die darin vorgenommen werden. Vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement am 4. Januar 1993 genehmigt Publiziert in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts am

23. August 1994 (AS 1994 II 1768)

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