Schiedsvertrag zwischen der Schweiz und Schweden und Norwegen (0.193.417.142)
CH - Schweizer Bundesrecht

Schiedsvertrag zwischen der Schweiz und Schweden und Norwegen

Abgeschlossen am 17. Dezember 1904 Von der Bundesversammlung genehmigt am 16. Juni 1905¹ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 13. Juli 1905 In Kraft getreten am 13. Juli 1905 (Stand am 13. Juli 1995) ¹ Ziff. I Bst. f des BB vom 16. Juni 1905 ( AS 21 611 )
Der Schweizerische Bundesrat und Seine Majestät der König von Schweden und Norwegen,
als Mitunterzeichner der am 29. Juli 1899² im Haag unterzeichneten Konvention für die friedliche Schlichtung internationaler Streitigkeiten,
von dem Wunsche beseelt, gemäss den in den Artikeln 15–19 der besagten Konvention niedergelegten Grundsätzen, zum Abschlusse eines Schiedsvertrages in Unterhandlungen zu treten, haben als ihre Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
welche nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und richtiger Form befundenen Vollmachten
folgende Artikel unter sich vereinbart haben:
² SR 0.193.211 . Diese Konvention ist heute ersetzt durch das Abk. vom 18. Okt. 1907 ( SR 0.193.212 Art. 91), das von der Schweiz, Schweden und Norwegen ratifiziert worden ist.
Art. 1
Die hohen vertragschliessenden Teile verpflichten sich, alle Streitigkeiten, die zwischen ihnen entstehen und nicht auf diplomatischem Wege erledigt werden könnten, dem durch die Konvention vom 29. Juli 1899³ eingesetzten Ständigen Schiedsgerichtshof im Haag zu unterbreiten⁴, mit Ausnahme jedoch derjenigen Streitfälle, welche die vitalen Interessen, die Unabhängigkeit oder die Souveränität der beiderseitigen Länder oder die Interessen dritter Mächte berühren.
³ SR 0 . 193.211 . Diese Konvention ist heute ersetzt durch das Abk. vom 18. Okt. 1907 ( SR 0.193.212 Art. 91), das von der Schweiz, Schweden und Norwegen ratifiziert worden ist.
⁴ Gemäss den Vergleichsverträgen vom 2. Juni 1924 mit Schweden ( SR 0.193.417.141 ) und vom 21. Aug. 1925 mit Norwegen ( SR 0.193.415.98 ) sind diese Streitigkeiten heute vorerst der Ständigen Vergleichskommission zu unterbreiten.
Art. 2
Es ist dem Ermessen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile anheimgestellt zu entscheiden, ob der jeweilen in Frage kommende Streitfall seine vitalen Interessen, seine Unabhängigkeit oder die Ausübung seiner Souveränität berührt und demzufolge zu denen gehört, die laut dem vorhergehenden Artikel von dem obligatorischen Schiedsverfahren ausgeschlossen sind.
Art. 3
Die hohen vertragschliessenden Teile verpflichten sich, in folgenden Fällen, in denen das Schiedsverfahren immer obligatorisch ist, die in Artikel 2 vorgesehenen Ausnahmen nicht geltend zu machen:
1. im Falle von Anständen betreffend die Auslegung oder die Anwendung aller zwischen den hohen vertragschliessenden Teilen bestehenden Verträge;
2. im Falle von Anständen betreffend Geltendmachung von Schadenersatz­ansprüchen, wenn die Schadenersatzpflicht von den Parteien grundsätzlich anerkannt ist.
Art. 4
Gegenwärtiger Vertrag findet auch auf Streitigkeiten Anwendung, deren Ursprung in Tatsachen liegt, die sich vor dessen Abschluss zugetragen haben.
Art. 5
Wenn eine Streitigkeit schiedsgerichtlicher Beurteilung unterstellt werden soll, haben die hohen vertragschliessenden Teile, in Ermanglung anderslautender Vereinbarungen, in allem, was die Bezeichnung der Schiedsrichter und das Verfahren vor dem Schiedsgericht anbetrifft, den Bestimmungen der Konvention vom 29. Juli 1899⁵ nachzuleben, vorbehältlich der hiernach verzeichneten Punkte.
⁵ Siehe Fussn. 3 auf Seite 1.
Art. 6
Keiner der Schiedsrichter darf Untertan oder Bürger der Vertragsstaaten oder auf deren Gebiet wohnhaft oder bei den Fragen, die den Gegenstand des Prozesses bilden, beteiligt sein.
Art. 7
Die in Artikel 31 der Konvention vom 29. Juli 1899⁶ vorgesehene Spezialvereinbarung wird eine Frist festsetzen, binnen welcher die Auswechslung der auf den Streitgegenstand bezüglichen Denkschriften und Urkunden zwischen den beiden Teilen stattzufinden hat. Dieser Schriftenwechsel soll jedenfalls vor Eröffnung der Sitzungen des Schiedsgerichtes beendigt sein.
⁶ Siehe Fussn. 3 auf Seite 1. Diesem Artikel entspricht heute Art. 52 des Abk. vom 18. Okt. 1907 ( SR 0 . 193.212 ).
Art. 8
Das schiedsgerichtliche Urteil wird die Fristen festsetzen, binnen welcher es gegebenenfalls vollzogen werden soll.
Art. 9
Gegenwärtiger Vertrag ist für einen Zeitraum von zehn Jahren, vom Tage der Auswechslung der Ratifikationen an, geschlossen. Im Falle keiner der hohen vertragschliessenden Teile sechs Monate vor dem Ablauf dieser Frist seine Absicht kundgegeben haben sollte, die Wirksamkeit des Vertrages aufhören zu lassen, bleibt derselbe in Kraft bis nach Ablauf eines Jahres vom Tage an gerechnet, an welchem der eine oder andere der hohen vertragschliessenden Teile ihn gekündigt haben wird.
Art. 10
Gegenwärtiger Vertrag ist sobald als möglich zu ratifizieren, und die Ratifikationsurkunden sollen in Berlin ausgewechselt werden.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.
In doppelter Ausfertigung vollzogen zu Berlin, den siebzehnten Dezember eintausendneunhundertundvier.
Alfred de Claparède Taube

Unterzeichnungsprotokoll

Im Begriffe, zur Unterzeichnung des am heutigen Tage abgeschlossenen Schiedsvertrages zu schreiten, erklären die unterzeichneten Bevollmächtigten es als verstan­dene Sache, dass der Vertrag die Bestimmungen des Artikels 7 des am 22. März 1894⁷ in Bern abgeschlossenen Vertrages zwischen Norwegen und der Schweiz über die Regelung der Handelsbeziehungen und der Niederlassung in den beiden Ländern nicht aufhebt.
Es ist ferner verstandene Sache, dass Artikel 7 des Vertrages die Bestimmungen der Haager Konvention vom 29. Juli 1899⁸ betreffend den zweiten Abschnitt des schiedsrichterlichen Verfahrens (Artikel 39), namentlich die Bestimmungen der Artikel 43–49, in keiner Weise beeinträchtigt.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten vorliegendes Protokoll erstellt, dessen Bestimmungen den gleichen Wert und die nämliche Gültigkeit haben sollen, wie wenn sie in den Vertrag selbst aufgenommen wären.
In doppelter Ausfertigung vollzogen zu Berlin, den siebzehnten Dezember eintausendneunhundertundvier.
Alfred de Claparède Taube
⁷ ( AS 14 326 . AS 21 348 )
⁸ Siehe Fussn. 3 auf Seite 1. Diesen Artikeln entsprechen heute die Art. 63 und 68 –74 des Abk. vom 18. Okt. 1907 ( SR 0.193.212 ).
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