Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Frankreich betreffen... (0.132.349.24)
CH - Schweizer Bundesrecht

Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Frankreich betreffend das Dappental

Abgeschlossen am 8. Dezember 1862 Von der Bundesversammlung genehmigt am 28. Januar 1863¹ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 20. Februar 1863 In Kraft getreten am 20. Februar 1863 (Stand am 20. Februar 1863) ¹ Ziff. 1 des BB vom 28. Jan. 1863 (AS VII 449). Ziff. 2 des Genehmigungsbeschlusses hat den Bundesrat ermächtigt, sich mit der Regierung der Waadt über die von ihr gemachten Vorbehalte betreffend die Gewährleistung gegen die Verjährung zivil­rechtlicher Forderungen und die Entschädigung für allfällige Einkäufe neuer Bewohner in waadtländische Bürgergemeinde‑ und Bürgernutzungsverbände zu verständigen. Diese Ermächtigung ist heute gegenstandslos.
Der Schweizerische Bundesrat und Seine Majestät der Kaiser der Franzosen,
von dem Wunsche beseelt, den zwischen der Schweiz und Frankreich wegen des Besitzes des Dappentales seit 1815 waltenden Anständen ein Ende zu machen,
haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt, nämlich:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten
welche über folgende Artikel sich geeinigt haben:
Art. I
Die Schweiz überlässt und Frankreich tritt wieder in den Besitz und die volle Landeshoheit desjenigen Teiles des Dappentales, welcher in sich fasst:
1) den Mont des Tuffes und seine Abhänge bis zu und mit der Strasse von Les Rousses nach der Faucille;
2) einen Landstreifen östlich von dieser Strasse in der durchschnittlichen Breite von beiläufig 500 Schweizer Fuss oder 150 Meter nach der Richtung, welche auf dem gegenwärtigen Vertrage beigelegten Plane² im allgemeinen verzeichnet ist.
Frankreich tritt an die Schweizerische Eidgenossenschaft, um zu dem Gebiete des Standes Waadt geschlagen zu werden, einen Landstrich von gleichem Flächeninhalt ab, der sich vom Vereinigungspunkte der Strassen von St‑Cergues und der Faucille längs des Abhangs des Noirmont bis zur Grenze des Jouxtalbezirkes in der auf beiliegendem Plane³ im allgemeinen verzeichneten Richtung hinzieht. Die Strasse nach St‑Cergues von dem la Cure genannten Orte an ist in dieser Abtretung inbegriffen.
² Dieser Plan wurde in der AS nicht veröffentlicht.
³ Dieser Plan wurde in der AS nicht veröffentlicht.
Art. II
Auf den im vorhergehenden Artikel bezeichneten Gebietsteilen dürfen keine militärischen Werke errichtet werden.
Art. III
Die in dem kraft gegenwärtigen Vertrages an Frankreich übergehenden Teile des Dappentales heimatberechtigten Bewohner werden Franzosen, sofern sie nicht binnen Jahresfrist erklären, Schweizer bleiben zu wollen, in welchem Falle sie Wohnsitz und Niederlassung auf dem kaiserlichen Gebiete beibehalten können.
Die in dem von Frankreich an die Schweizerische Eidgenossenschaft abgetretenen Gebiete heimatberechtigten Bewohner werden Schweizer, sofern sie nicht in der nämlichen Frist erklären, Franzosen bleiben zu wollen, in welchem Falle sie Wohnsitz und Niederlassung auf dem schweizerischen Gebiete beibehalten können.
Art. IV
Der gegenwärtig bestehende und durch die sogenannten Landes führende Weg ist in der Weise zu verbessern und herzustellen, dass er fahrbar wird und zwischen der Strasse von St‑Cergues und ihrem Vereinigungspunkte mit der Strasse von der Faucille bei la Cure einerseits und der Strasse von Bois d’Amont bei Les Bertets andererseits eine direkte Verbindung gewährt.
Die daherigen Arbeiten sollen innerhalb zweier Jahre, vom Tage der Ratifikationsauswechslung an, beendigt und die Erstellungs‑ und Unterhaltungskosten von jedem der beiden vertragschliessenden Teile für die auf sein Gebiet fallende Strecke der neuen Strasse getragen werden.
Art. V
Die Verbindungen des waadtländischen Jouxtalbezirkes mit St‑Cergues über die Strasse von Bois d’Amont sind frei von allen Transit‑, Zoll‑ und Mautgebühren.
Der Postverkehr zwischen den nämlichen Punkten und die Postkurse, welche die schweizerische Postverwaltung⁴ auf der nämlichen Strasse einzurichten für gut finden mag, unterliegen weder irgendeiner Gebühr noch irgendeiner Abgabe für den Durchgang über französisches Gebiet.
⁴ Heute: PTT‑Betriebe (Anhang Ziff. 1 des Fernmeldegesetzes vom 21. Juni 1991, in Kraft seit 1. Mai 1992 – SR 784.10 ).
Art. VI ⁵
Bis zum Abschlusse des im Art. VIII des Vertrages vom 18. Juli 1828 vorgesehenen Übereinkommens zur Regelung der Bewirtschaftung der Grenzwaldungen geniessen die Eigentümer der Waldungen, welche auf den gegenseitig abgetretenen Gebiets­teilen gelegen sind, das Recht der freien Benutzung und Ausfuhr der Erzeugnisse derselben.
Die nämliche Befugnis gilt für das Heu und die andern Erzeugnisse der wechselseitig abgetretenen Gebietsteile.
⁵ Siehe heute die Übereink. vom 31. Jan. 1938 zwischen der Schweiz und Frankreich be­tref­fend die grenznachbarlichen Verhältnisse und die Beaufsichtigung der Grenzwal­dungen ( SR 0.631.256.934.99 ).
Art. VII
Der gegenwärtige Vertrag tut den Rechten keinen Eintrag, die zur Zeit der Ratifikationsauswechslung erworben sind und aus rechtsgültigen Verträgen oder endgültigen gerichtlichen Entscheiden, abgeschlossen oder erlassen zugunsten Dritter in der Schweiz oder in Frankreich, herfliessen.
Art. VIII
Die vertragschIiessenden Teile werden Kommissarien ernennen zu dem Zwecke, auf Ort und Stelle die aus gegenwärtigem Vertrage sich ergebende neue Grenzlinie unter möglichster Berücksichtigung der Ortsverhältnisse und der Gütermarken genau zu bestimmen, die Grenzsteine zu setzen und über ihre Verhandlungen ein gehöriges Protokoll aufzunehmen.
Dieses Marchverbal soll als Teil desjenigen gelten, welches von den mit der Grenzbereinigung zwischen dem Kanton Waadt und Frankreich beauftragten französischen und schweizerischen Kommissarien aufgenommen und am 16. September 1825 unterzeichnet worden ist.
Die neue Grenze soll gemeinschaftlich durch Generalstabsoffiziere oder Ingenieure der beiden Länder topographisch aufgenommen werden.
Art. IX
Gegenwärtiger Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationen sollen sobald wie möglich ausgewechselt werden.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten vorstehende Artikel unter Vorbehalt der erwähnten Ratifikation unterzeichnet und ihre Siegel beigedruckt.
Bern, den achten Dezember achtzehnhundertzweiundsechzig (8. Dezember 1862).

Der schweizerische
Bevollmächtigte:

Stämpfli

Der französische
Bevollmächtigte:

Turgot

Protokoll

Bei Unterzeichnung des zwischen dem Schweizerischen Bundesrate und Seiner Majestät dem Kaiser der Franzosen über die Dappentalfrage abgeschlossenen, vom heutigen Tage datierten Vertrages hat der Bevollmächtigte des Bundesrates für sein Land die Befugnis vorbehalten, den besagten Vertrag den Mächten, welche die Wiener Kongressakte unterzeichnet haben, zur Kenntnis zu bringen, um, insoweit derselbe eine Derogation von Artikel LXXV jener Akte enthält, dessen Anerkennung als Bestandteil des auf die Schweiz bezüglichen europäischen Völkerrechtes zu erwirken, und der Bevollmächtigte Seiner Majestät des Kaisers hat diesem Vor­behalte beigepflichtet.⁶
Zu Urkund dessen gegenwärtiges Protokoll ausgestellt und unterzeichnet wird in
Bern, den achten Dezember achtzehnhundertzweiundsechzig (8. Dezember 1862).

Der schweizerische
Bevollmächtigte:

Stämpfli

Der französische
Bevollmächtigte:

Turgot

Mit Note vom 19. Februar 1863 betreffend die Ratifikation des vorstehenden Protokolls hat der Botschafter Frankreichs, Hr. Marquis Turgot, folgende Erklärung abgegeben:
«Die Regierung des Kaisers hat meinen durch Unterzeichnung des Protokolls vom 8. Dezember abhin erfolgten Beitritt zu dem Vorbehalte der Schweiz gutgeheissen.
Der Herr Minister der auswärtigen Angelegenheiten von Frankreich hat mich ermächtigt, Ihnen diese Erklärung abzugeben.»
⁶ Der Vertrag ist den Vertragsmächten der Wiener Kongressakte am 9. März 1863 zur Kenntnis gebracht worden.
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