Niederlassungsabkommen zwischen der Schweiz und der Türkischen Republik (0.142.117.632)
CH - Schweizer Bundesrecht

Niederlassungsabkommen zwischen der Schweiz und der Türkischen Republik

Abgeschlossen am 13. Dezember 1930 Von der Bundesversammlung genehmigt am 26. März 1931¹ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 16. April 1932 In Kraft getreten am 16. April 1932 (Stand am 16. April 1932) ¹ AS 48 215
Der Schweizerische Bundesrat und der Präsident der Türkischen Republik,
von dem Wunsche geleitet, die Niederlassungsverhältnisse der türkischen Staats­angehörigen in der Schweiz und der schweizerischen Staatsangehörigen in der Türkei zu regeln,
haben beschlossen, ein Niederlassungsabkommen zu treffen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren beiderseitigen Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
die nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten
über die nachstehenden Bestimmungen übereingekommen sind:
Art. 1
Die Staatsangehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile haben auf dem Gebiete des andern Teils, unter Vorbehalt der dort gegenwärtig und inskünftig geltenden Gesetze und Verordnungen, das Recht, sich frei niederzulassen und aufzuhalten sowie zu bewegen, unbeschadet der Bestimmungen betreffend die Einwanderung.
Hinsichtlich der für Aufenthalt oder Niederlassung zu entrichtenden oder zu tragenden Abgaben und Lasten aller Art sollen die Staatsangehörigen der beiden Teile dieselbe Behandlung erfahren wie die bestbehandelten Ausländer.
Art. 2
Unter Beobachtung der Landesgesetze und Verordnungen haben die Staatsangehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile das Recht, im Gebiete des andern Teils in demselben Umfange wie die Staatsangehörigen der meistbegünstigten Nation bewegliches und unbewegliches Eigentum jeder Art zu erwerben, zu besitzen und zu veräussern, vorbehältlich der in den beiderseitigen Landesgesetzen vorgesehenen Ausnahmefälle. Sie können insbesondere unter den nämlichen Bedingungen durch Verkauf, Kauf, Schenkung, Übertragung, Tausch, Ehevertrag, letztwillige Verfügung oder in jeder andern Art frei darüber verfügen sowie auf Grund gesetzlicher Erbfolge oder durch Zuwendung unter Lebenden oder durch letztwillige Verfügung in seinen Besitz kommen.
In keinem der vorerwähnten Fälle unterliegen sie andern oder höheren Lasten, Abgaben oder Steuern irgendwelcher Bezeichnung als die Inländer nach Massgabe der jeweiligen im Lande geltenden Steuerbestimmungen.
Art. 3
Die Staatsangehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile haben das Recht, auf dem Gebiete des andern Teils, abgesehen vom Hausierhandel und allen sonstigen Wandergewerben, gleich den eigenen Staatsangehörigen jede Art von Industrie und Handel zu betreiben und jede Erwerbstätigkeit und jeden Beruf auszuüben, soweit diese nach den jeweilen geltenden Landesgesetzen und Verordnungen nicht ausschliesslich den eigenen Staatsangehörigen vorbehalten sind.
Sie haben für diese Tätigkeit keine andere oder höhere wie immer geartete Steuer, Abgabe oder Last zu entrichten oder zu tragen als die eigenen Staatsangehörigen.
Art. 4
Die Staatsangehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile sind in Kriegs ­und Friedenszeiten im Gebiete des andern Teils vom Militärdienst jeder Art und von jeder Geld oder Naturalleistung befreit, die an Stelle des persönlichen Dienstes tritt.
Abgesehen von den militärischen Leistungen und Requisitionen, die in Kriegs‑ und Friedenszeiten den Inländern auferlegt sind und denen sie gleich den Inländern, gegen Entschädigung nach Massgabe der beiderseitigen Landesgesetze, unterliegen, werden von ihnen nur diejenigen Leistungen gefordert, die die Eigenschaft einer gesetzlich zugunsten des Staates oder seiner Verwaltungsbezirke erlassenen Abgabe oder Steuer haben.
Die Staatsangehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile sind ferner von allen obligatorischen, administrativen oder richterlichen Ämtern und Verrichtungen befreit.
Art. 5
Die Staatsangehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile können auf dem Gebiete des andern Teils hinsichtlich ihres beweglichen oder unbeweglichen Eigentums nicht enteignet oder, auch nur vorübergehend, in dessen Genuss beschränkt werden, es sei denn aus einem Grunde, der gesetzlich als dem allgemeinen Nutzen dienlich anerkannt ist, und gegen vorhergehende gerechte Entschädigung.
Es kann keine Enteignung ohne vorhergehende Veröffentlichung stattfinden.
Art. 6
Die Staatsangehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile sollen sich auf dem Gebiete des andern Teils hinsichtlich ihrer Person und ihres Eigentums des vollständigsten Schutzes der Gesetze, der Gerichte und sonstigen Behörden, gleich den Inländern, erfreuen.
Für die Bestimmungen über Sicherstellung der Prozesskosten und über das Armenrecht ist bis zur Regelung dieser Fragen durch ein zwischen den vertragschliessenden Teilen zu treffendes Sonderabkommen² die örtliche Gesetzgebung massgebend.
² Siehe heute den Vertrag vom 1. Juni 1933 zwischen der Schweiz und der Türkei über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen ( SR 0.274.187.631 ).
Art. 7
Vorbehältlich der Bestimmungen von Artikel 1 Absatz 2 des gegenwärtigen Abkommens unterliegen die Staatsangehörigen eines jeden der hohen vertragschlies­senden Teile in keinem Falle irgendwelchen andern oder höhern Steuern, Zöllen oder Abgaben als die Inländer.
Hinsichtlich der Befreiungen von steuerlichen Lasten irgendwelcher Art oder Bezeichnung, abgesehen von den Steuerbefreiungen, die den vom Staate errichteten Unternehmungen oder den konzessionierten Inhabern öffentlicher Unternehmungen gewährt werden, verpflichtet sich jeder der hohen vertragschliessenden Teile, sie auch den Staatsangehörigen und den Gesellschaften des andern Teils unter den nämlichen Bedingungen zugute kommen zu lassen wie den Staatsangehörigen und Gesellschaften der meistbegünstigten Nation.
Art. 8
Die Staatsangehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile, die während ihres Aufenthalts auf dem Gebiete des andern Teils, ohne dort ständig nieder­gelassen zu sein, irgendeine Tätigkeit ausüben sollten, unterliegen deswegen keinerlei andern oder höheren Steuer, Abgabe oder Last als die Inländer für eine Tätigkeit gleicher Art oder Bedeutung.
Jeder der hohen vertragschliessenden Teile erklärt sich bereit, unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit den Staatsangehörigen des andern Teils, die mittellos sein Gebiet zu verlassen wünschen, unentgeltlich das Visum zu erteilen, wenn deren Bedürftigkeit durch den zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertreter bescheinigt ist.
Art. 9
Falls einer der hohen vertragschliessenden Teile entweder auf Grund eines gericht­lichen Urteils oder gemäss den sitten‑, gesundheits‑ oder armenpolizeilichen Gesetzen und Verordnungen oder aus Gründen der innern und äussern Sicherheit des Staates Staatsangehörige des andern vertragschliessenden Teils im Wege von Einzelmassnahmen ausweisen sollte, so wird die Ausweisung unter den Bedingungen durchgeführt werden, die den Anforderungen der Hygiene und Menschlichkeit entsprechen.
Art. 10
Die Handels‑, Industrie‑ oder Finanzgesellschaften, einschliesslich der Transport‑ und Versicherungsgesellschaften, die nach den Gesetzen des einen der hohen vertragschliessenden Teile rechtsgültig errichtet sind und auf seinem Gebiete ihren Sitz haben, werden im andern Lande rechtlich anerkannt, sofern sie keinen unerlaubten oder unsittlichen Zweck verfolgen; ihre Fähigkeit und ihr Recht, vor Gericht aufzutreten, richten sich nach den Gesetzen ihres Heimatlandes.
Sie haben das Recht, sich im Gebiete des andern Teils niederzulassen und ihre Tätigkeit auszuüben, sofern sie die dort gegenwärtig oder inskünftig geltenden Gesetze und Verordnungen beobachten.
Sie haben das Recht, nach Massgabe der Landesgesetze im Gebiete des andern Teils jede Art von beweglichem Eigentum zu erwerben, ebenso unbewegliches Eigentum, soweit es für den Betrieb der Gesellschaft erforderlich ist, vorbehältlich der in den beiderseitigen Landesgesetzen vorgesehenen Ausnahmefälle, wobei jedoch darüber Übereinstimmung herrscht, dass diesfalls der Erwerb von Grundeigentum nicht den Zweck der Gesellschaft bilden darf.
Sie haben unter den nämlichen Bedingungen wie natürliche Personen, die dem gleichen Staate wie sie selbst angehören, freien Zutritt zu den Gerichten, sei es als Kläger oder als Beklagte.
Sie unterliegen keinen andern oder höheren Gebühren, Abgaben oder überhaupt irgendwelchen Geldleistungen als die inländischen Gesellschaften.
Abgesehen von den militärischen Leistungen und Requisitionen, die in Kriegs‑ und Friedenszeiten den Inländern auferlegt sind und denen sie unter den gleichen Bedingungen wie die inländischen Gesellschaften, gegen Entschädigung nach Massgabe der beiderseitigen Landesgesetze, unterliegen, werden von ihnen nur diejenigen Leis­tungen gefordert, die die Eigenschaft einer nach den Gesetzen und Verordnungen zugunsten des Staates oder seiner Verwaltungsbezirke erlassenen Abgabe oder Steuer haben.
Die im Gebiete des einen Teils bestehenden Zweigniederlassungen, Agenturen und sonstigen Vertretungen von Firmen und Gesellschaften, die im Gebiete des andern Teils ordnungsmässig errichtet sind, sollen nur für das in den genannten Zweigniederlassungen, Agenturen und sonstigen Vertretungen regelrecht investierte Kapital oder für die von ihnen im Lande erworbenen Gewinne oder Einkünfte besteuert werden; dabei können diese Gewinne und Einkünfte zur Ermittlung des zu versteuernden Kapitals dienen, wenn dieses nicht anderweitig festgestellt werden kann.
Art. 11
Es besteht Einverständnis darüber, dass keiner der hohen vertragschliessenden Teile den Genuss der in diesem Abkommen vorgesehenen Meistbegünstigungsklausel beanspruchen kann, um für seine Staatsangehörigen und Gesellschaften andere oder ausgedehntere Rechte zu verlangen, als er selbst den Staatsangehörigen oder Gesellschaften des andern vertragschliessenden Teils gewährt.
Art. 12
Das gegenwärtige Abkommen tritt gleichzeitig mit dem Austausche der Ratifika­tionsurkunden in Kraft und gilt für die Dauer von vier Jahren.
Wird das Abkommen nicht von dem einen oder dem andern vertragschliessenden Teile wenigstens sechs Monate vor Ablauf des genannten Zeitraums von vier Jahren gekündigt, so bleibt es in Kraft, bis es gekündigt wird, wobei diese Kündigung ihre Wirkung erst nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten ausüben soll.
Art. 13
Das gegenwärtige Abkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen baldmöglichst in Bern ausgetauscht werden.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten das gegenwärtige Abkommen unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.
So geschehen in doppelter Ausfertigung in Angora, am dreizehnten Dezember eintausendneunhundertdreissig.

Henri Martin

Zekâi

Mustafa Seref
M. Numan

Unterzeichnungsprotokoll

Im Augenblicke der Unterzeichnung des heutigen Niederlassungsabkommens haben die hierzu gehörig ermächtigten Unterzeichneten folgendes vereinbart:
Ad Art. 7
Die hohen vertragschliessenden Teile werden keinen Anspruch erheben auf Steuererleichterungen, welche allenfalls durch einen von ihnen an Unternehmungen von nationaler Bedeutung gewährt werden, die auf seinem Gebiet unter effektiver Beteiligung der Regierung errichtet werden und insofern den vom Staate gegründeten Unternehmungen gleichgestellt werden können.
So geschehen in doppelter Ausfertigung in Angora, am dreizehnten Dezember eintausendneunhundertdreissig.

Henri Martin

Zekâi

Mustafa Seref
M. Numan

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