Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle (0.193.212)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle

Abgeschlossen im Haag am 18. Oktober 1907 Von der Bundesversammlung genehmigt am 4. April 1910² Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 12. Mai 1910 In Kraft getreten für die Schweiz am 11. Juli 1910 (Stand am 5. Juli 2016) ¹ Übersetzung des französischen Originaltexts. ² BS 11 229
Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preussen; der Präsident der Ver­einigten Staaten von Amerika; der Präsident der Argentinischen Republik; Seine Majestät der Kaiser von Österreich, König von Böhmen usw. und Apostolischer König von Ungarn; Seine Majestät der König der Belgier; der Präsident der Repu­blik Bolivien; der Präsident der Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien; Seine Königliche Hoheit der Fürst von Bulgarien; der Präsident der Republik Chile; Seine Majestät der Kaiser von China; der Präsident der Republik Kolumbien; der einstweilige Gouverneur der Republik Kuba; Seine Majestät der König von Däne­mark‑, der Präsident der Dominikanischen Republik; der Präsident der Republik Ecuador; Seine Majestät der König von Spanien; der Präsident der Französischen Republik; Seine Majestät der König des Vereinigten Königreichs von Grossbritan­nien und Irland und der Britischen überseeischen Lande, Kaiser von Indien; Seine Majestät der König der Hellenen; der Präsident der Republik Guatemala; der Präsi­dent der Republik Haiti; Seine Majestät der König von Italien; Seine Majestät der Kaiser von Japan; Seine Königliche Hoheit der Grossherzog von Luxemburg, Her­zog zu Nassau; der Präsident der Vereinigten Staaten von Mexiko; Seine Königliche Hoheit der Fürst von Montenegro; Seine Majestät der König von Norwegen; der Präsident der Republik Panama; der Präsident der Republik Paraguay; Ihre Maje­stät die Königin der Niederlande; der Präsident der Republik Peru; Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien; Seine Majestät der König von Portugal und Algar­bien usw.; Seine Majestät der König von Rumänien; Seine Majestät der Kaiser aller Reussen, der Präsident der Republik Salvador; Seine Majestät der König von Serbien; Seine Majestät der König von Siam; Seine Majestät der König von Schweden; der Schweizerische Bundesrat; Seine Majestät der Kaiser der Osmanen; der Präsi­dent des Orientalischen Freistaats Uruguay; der Präsident der Vereinigten Staaten von Venezuela,
von dem festen Willen beseelt, zur Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens mitzuwirken,
entschlossen, mit allen ihren Kräften die friedliche Erledigung internationaler Strei­tigkeiten zu begünstigen,
in Anerkennung der Solidarität, welche die Glieder der Gemeinschaft der zivili­sierten Nationen verbindet,
gewillt, die Herrschaft des Rechtes auszubreiten und das Gefühl der internationalen Gerechtigkeit zu stärken,
überzeugt, dass die dauernde Einrichtung einer allen zugänglichen Schiedsgerichts­barkeit im Schosse der unabhängigen Mächte wirksam zu diesem Ergeb­nisse bei­tragen kann,
in Erwägung der Vorteile einer allgemeinen und regelmässigen Einrichtung des Schiedsverfahrens,
mit dem Erlauchten Urheber der Internationalen Friedenskonferenz der Ansicht, dass es von Wichtigkeit ist, in einer internationalen Vereinbarung die Grundsätze der Billigkeit und des Rechtes festzulegen, auf denen die Sicherheit der Staaten und die Wohlfahrt der Völker beruhen,
von dem Wunsche erfüllt, zu diesem Zwecke grössere Sicherheit für die praktische Betätigung der Untersuchungskommissionen und der Schiedsgerichte zu gewinnen und für Streitfragen, die ein abgekürztes Verfahren gestatten, die Anrufung der Schiedssprechung zu erleichtern,
haben für nötig befunden, das von der ersten Friedenskonferenz hergestellte Werk zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle in gewissen Punkten zu verbes­sern und zu ergänzen.
Die hohen vertragsschliessenden Teile haben beschlossen, zu diesem Zwecke ein neues Abkommen zu treffen, und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
welche, nachdem sie ihre Vollmachten hinterlegt und diese in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:

Erster Titel Erhaltung des allgemeinen Friedens

Art. 1
Um in den Beziehungen zwischen den Staaten die Anwendung von Gewalt soweit wie möglich zu verhüten, kommen die Vertragsmächte überein, all ihre Bemühun­gen aufwenden zu wollen, um die friedliche Erledigung der internationalen Streit­fragen zu sichern.

Zweiter Titel Gute Dienste und Vermittlung

Art. 2
Die Vertragsmächte kommen überein, im Falle einer ernsten Meinungsverschieden­heit oder eines Streites, bevor sie zu den Waffen greifen, die guten Dienste oder die Vermittlung einer befreundeten Macht oder mehrerer befreundeter Mächte anzuru­fen, soweit dies die Umstände gestatten werden.
Art. 3
Unabhängig hiervon halten die Vertragsmächte es für nützlich und wünschenswert, dass eine Macht oder mehrere Mächte, die am Streite nicht beteiligt sind, aus eige­nem Antrieb den im Streite befindlichen Staaten ihre guten Dienste oder ihre Ver­mitt­lung anbieten, soweit sich die Umstände hierfür eignen.
Das Recht, gute Dienste oder Vermittlung anzubieten, steht den am Streite nicht beteiligten Staaten auch während der Feindseligkeiten zu.
Die Ausübung dieses Rechtes kann niemals von einem der streitenden Teile als unfreundliche Handlung angesehen werden.
Art. 4
Die Aufgabe des Vermittlers besteht darin, die einander entgegengesetzten Ansprü­che auszugleichen und Verstimmungen zu beheben, die zwischen den im Streite befindlichen Staaten etwa entstanden sind.
Art. 5
Die Tätigkeit des Vermittlers hört auf, sobald, sei es durch einen der streitenden Teile, sei es durch den Vermittler selbst, festgestellt wird, dass die von diesem vorgeschlagenen Mittel der Verständigung nicht angenommen werden.
Art. 6
Gute Dienste und Vermittlung, seien sie auf Anrufen der im Streite befindlichen Teile eingetreten oder aus dem Antrieb der am Streite nicht beteiligten Mächte hervorgegangen, haben ausschliesslich die Bedeutung eines Rates und niemals verbind­liche Kraft.
Art. 7
Die Annahme der Vermittlung kann, unbeschadet anderweitiger Vereinbarung, nicht die Wirkung haben, die Mobilmachung und andere, den Krieg vorbereitende Mass­nahmen zu unterbrechen, zu verzögern oder zu hemmen.
Erfolgt sie nach Eröffnung der Feindseligkeiten, so werden von ihr, unbeschadet anderweitiger Vereinbarung, die im Gange befindlichen militärischen Unter­neh­mungen nicht unterbrochen.
Art. 8
Die Vertragsmächte sind einverstanden, unter Umständen, die dies gestatten, die Anwendung einer besonderen Vermittlung in folgender Form zu empfehlen:
Bei ernsten, den Frieden gefährdenden Streitfragen wählt jeder der im Streite be­findlichen Staaten eine Macht, die er mit der Aufgabe betraut, in unmittelbare Ver­bindung mit der von der anderen Seite gewählten Macht zu treten, um den Bruch der friedlichen Beziehungen zu verhüten.
Während der Dauer dieses Auftrags, die, unbeschadet anderweitiger Abrede, eine Frist von dreissig Tagen nicht überschreiten darf, stellen die streitenden Staaten jedes unmittelbare Benehmen über den Streit ein, welcher als ausschliesslich den vermittelnden Mächten übertragen gilt. Diese sollen alle Bemühungen aufwenden, um die Streitfrage zu erledigen.
Kommt es zum wirklichen Bruch der friedlichen Beziehungen, so bleiben diese Mächte mit der gemeinsamen Aufgabe betraut, jede Gelegenheit zu benutzen, um den Frieden wieder herzustellen.

Dritter Titel Internationale Untersuchungskommissionen

Art. 9
Bei internationalen Streitigkeiten, die weder die Ehre noch wesentliche Interessen berühren und einer verschiedenen Würdigung von Tatsachen entspringen, erachten die Vertragsmächte es für nützlich und wünschenswert, dass die Parteien, die sich auf diplomatischem Wege nicht haben einigen können, soweit es die Umstände gestatten, eine internationale Untersuchungskommission einsetzen mit dem Auf­trage, die Lösung dieser Streitigkeiten zu erleichtern, indem sie durch eine unparteii­sche und gewissenhafte Prüfung die Tatfragen aufkläre.
Art. 10
Die internationalen Untersuchungskommissionen werden durch besonderes Abkommen der streitenden Teile gebildet.
Das Untersuchungsabkommen gibt die zu untersuchenden Tatsachen an; es bestimmt die Art und die Frist, in denen die Kommission gebildet wird, sowie den Umfang der Befugnisse der Kommissare.
Es bestimmt gegebenenfalls ferner den Sitz der Kommission und die Befugnis, ihn zu verlegen, die Sprache, deren die Kommission sich bedienen wird, und die Spra­chen, deren Gebrauch von ihr gestattet sein soll, den Tag, bis zu dem jede Partei ihre Darstellung des Tatbestandes einzureichen hat, sowie überhaupt alle Punkte, wor­über die Parteien sich geeinigt haben.
Erachten die Parteien die Ernennung von Beisitzern für nötig, so bestimmt das Untersuchungsabkommen die Art ihrer Bestellung und den Umfang ihrer Befug­nisse.
Art. 11
Hat das Untersuchungsabkommen den Sitz der Kommission nicht bezeichnet, so hat diese ihren Sitz im Haag.
Der einmal bestimmte Sitz kann von der Kommission nur mit Zustimmung der Parteien verlegt werden.
Hat das Untersuchungsabkommen die zu gebrauchenden Sprachen nicht bestimmt, so wird darüber von der Kommission entschieden.
Art. 12
Sofern nicht ein anderes verabredet ist, werden die Untersuchungskommissionen in der in den Artikeln 45 und 57 dieses Abkommens bezeichneten Weise gebildet.
Art. 13
Im Falle des Todes, des Rücktritts oder der aus irgendeinem Grunde stattfindenden Verhinderung eines Kommissars oder eines etwaigen Beisitzers erfolgt sein Ersatz in der für seine Ernennung vorgesehenen Weise.
Art. 14
Die Parteien haben das Recht, bei der Untersuchungskommission besondere Agen­ten zu bestellen, mit der Aufgabe, sie zu vertreten und zwischen ihnen und der Kommission als Mittelspersonen zu dienen.
Sie sind ausserdem berechtigt, Rechtsbeistände oder Anwälte, die sie ernennen, mit der Darlegung und Wahrnehmung ihrer Interessen vor der Kommission zu beauftra­gen.
Art. 15
Das internationale Büro des ständigen Schiedshofes dient den Kommissionen, die ihren Sitz im Haag haben, als Kanzlei und hat seine Räumlichkeiten und seine Geschäftseinrichtung den Vertragsmächten für die Tätigkeit der Untersuchungs­kommission zur Verfügung zu stellen.
Art. 16
Hat die Kommission ihren Sitz anderswo als im Haag, so ernennt sie einen General­sekretär, dessen Büro ihr als Kanzlei dient.
Dem Bürovorstande liegt es ob, unter der Leitung des Vorsitzenden die äusseren Vorkehrungen für die Sitzungen der Kommission zu treffen, die Protokolle abzufas­sen und während der Dauer der Untersuchung das Archiv aufzubewahren, das später an das internationale Büro im Haag abzugeben ist.
Art. 17
Um die Einsetzung und die Tätigkeit der Untersuchungskommissionen zu erleich­tern, empfehlen die Vertragsmächte die nachstehenden Regeln, die auf das Unter­suchungsverfahren Anwendung finden, soweit die Parteien nicht andere Regeln angenommen haben.
Art. 18
Die Kommission soll die Einzelheiten des Verfahrens bestimmen, die weder in dem Untersuchungsabkommen noch in dem vorliegenden Abkommen geregelt sind; sie soll zu allen Förmlichkeiten schreiten, welche die Beweisaufnahme mit sich bringt.
Art. 19
Die Untersuchung erfolgt kontradiktorisch.
Zu den vorgesehenen Zeiten übermittelt jede Partei der Kommission und der Gegen­partei, wenn nötig, die Darstellung des Tatbestandes und in jedem Falle die Akten, Schriftstücke und Urkunden, die sie zur Ermittlung der Wahrheit für nützlich erach­tet, sowie eine Liste der Zeugen und Sachverständigen, deren Vernehmung sie wünscht.
Art. 20
Die Kommission ist befugt, mit Zustimmung der Parteien sich zeitweilig an Ort und Stelle zu begeben, wenn sie einen Augenschein für nützlich erachtet, oder dorthin eines oder mehrere ihrer Mitglieder abzuordnen.
Die Erlaubnis des Staates, auf dessen Gebiet zu der Aufklärung geschritten werden soll, ist einzuholen.
Art. 21
Alle tatsächlichen Feststellungen und Augenscheine müssen in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Agenten und Rechtsbeistände der Parteien stattfinden.
Art. 22
Die Kommission hat das Recht, von beiden Parteien alle Auskünfte oder Aufklärun­gen zu verlangen, die sie für nützlich erachtet.
Art. 23
Die Parteien verpflichten sich, der Untersuchungskommission in dem weitesten Umfange, den sie für möglich halten, alle zur vollständigen Kenntnis und genauen Würdigung der in Frage kommenden Tatsachen notwendigen Mittel und Erleichte­rungen zu gewähren.
Sie verpflichten sich, diejenigen Mittel, über welche sie nach ihrer inneren Gesetz­gebung verfügen, anzuwenden, um das Erscheinen der vor die Kommission gelade­nen Zeugen und Sachverständigen, die sich auf ihrem Gebiete befinden, herbeizu­führen.
Sie werden, wenn diese nicht vor der Kommission erscheinen können, deren Ver­nehmung durch ihre zuständigen Behörden veranlassen.
Art. 24
Die Kommission wird sich zur Bewirkung aller Zustellungen, die sie im Gebiet einer dritten Vertragsmacht vorzunehmen hat, unmittelbar an die Regierung dieser Macht wenden. Das gleiche gilt, wenn es sich um Beweisaufnahmen an Ort und Stelle handelt.
Die zu diesem Zweck erlassenen Ersuchen sind nach Massgabe derjenigen Mittel zu erledigen, über welche die ersuchte Macht nach ihrer inneren Gesetzgebung verfügt. Sie können nur abgelehnt werden, wenn diese Macht sie für geeignet hält, ihre Hoheitsrechte oder ihre Sicherheit zu gefährden.
Auch steht der Kommission stets frei, die Vermittlung der Macht in Anspruch zu nehmen, in deren Gebiet sie ihren Sitz hat.
Art. 25
Die Zeugen und die Sachverständigen werden durch die Kommission auf Antrag der Parteien oder von Amtes wegen geladen, und zwar in allen Fällen durch Vermittlung der Regierung des Staates, in dem sie sich befinden.
Die Zeugen werden nacheinander und jeder für sich in Gegenwart der Agenten und Rechtsbeistände und in der von der Kommission bestimmten Reihenfolge vernom­men.
Art. 26
Die Vernehmung der Zeugen erfolgt durch den Vorsitzenden.
Doch dürfen die Mitglieder der Kommission an jeden Zeugen die Fragen richten, die sie zur Erläuterung oder Ergänzung seiner Aussage oder zu ihrer Aufklärung über alle den Zeugen betreffenden Umstände für zweckdienlich erachten, soweit es zur Ermittlung der Wahrheit notwendig ist.
Die Agenten und die Rechtsbeistände der Parteien dürfen den Zeugen in seiner Aussage nicht unterbrechen noch irgendeine unmittelbare Anfrage an ihn richten; sie können aber den Vorsitzenden bitten, ergänzende Fragen, die sie für nützlich halten, dem Zeugen vorzulegen.
Art. 27
Dem Zeugen ist es bei seiner Aussage nicht gestattet, einen geschriebenen Entwurf zu verlesen. Doch kann er von dem Vorsitzenden ermächtigt werden, Aufzeichnun­gen oder Urkunden zu benutzen, wenn die Natur der zu bekundenden Tatsachen eine solche Benutzung erheischt.
Art. 28
Über die Aussage des Zeugen wird während der Sitzung ein Protokoll aufgenom­men, das dem Zeugen vorgelesen wird. Der Zeuge darf dazu die ihm gutscheinenden Änderungen und Zusätze machen, die am Schlusse seiner Aussage vermerkt werden.
Nachdem dem Zeugen seine ganze Aussage vorgelesen ist, wird er zur Unterzeich­nung aufgefordert.
Art. 29
Die Agenten sind befugt, im Laufe oder am Schlusse der Untersuchung der Kom­mission und der Gegenpartei solche Ausführungen, Anträge oder Sachdarstellungen schriftlich vorzulegen, die sie zur Ermittlung der Wahrheit für nützlich halten.
Art. 30
Die Beratung der Kommission erfolgt nicht öffentlich und bleibt geheim.
Jede Entscheidung ergeht nach der Mehrheit der Mitglieder der Kommission.
Die Weigerung eines Mitgliedes, an der Abstimmung teilzunehmen, muss im Proto­koll festgestellt werden.
Art. 31
Die Sitzungen der Kommission sind nur öffentlich und die Protokolle und Urkunden der Untersuchung werden nur veröffentlicht auf Grund eines mit Zustimmung der Parteien gefassten Kommissionsbeschlusses.
Art. 32
Nachdem die Parteien alle Aufklärungen und Beweise vorgetragen haben und nach­dem alle Zeugen vernommen worden sind, spricht der Vorsitzende den Schluss der Untersuchung aus; die Kommission vertagt sich, um ihren Bericht zu beraten und abzufassen.
Art. 33
Der Bericht wird von allen Mitgliedern der Kommission unterzeichnet.
Verweigert ein Mitglied seine Unterschrift, so wird dies vermerkt; der Bericht bleibt gleichwohl gültig.
Art. 34
Der Bericht der Kommission wird in öffentlicher Sitzung in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Agenten und Rechtsbeistände der Parteien verlesen.
Jeder Partei wird eine Ausfertigung des Berichtes zugestellt.
Art. 35
Der Bericht der Kommission, der sich auf die Feststellung der Tatsachen
beschränkt, hat in keiner Weise die Bedeutung eines Schiedsspruches. Er lässt den Parteien volle Freiheit in Ansehung der Folge, die dieser Feststellung zu geben ist.

Artikel 36

Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten selbst und die Kosten der Kommission zu gleichem Anteile.

Vierter Titel Internationale Schiedssprechung

I. Kapitel Schiedswesen

Artikel 37

Die internationale Schiedssprechung hat zum Gegenstande die Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Staaten durch Richter ihrer Wahl auf Grund der Achtung vor dem Rechte.
Die Anrufung der Schiedssprechung schliesst die Verpflichtung in sich, sich nach Treu und Glauben dem Schiedsspruche zu unterwerfen.
Art. 38
In Rechtsfragen und in erster Linie in Fragen der Auslegung oder der Anwendung internationaler Vereinbarungen wird die Schiedssprechung von den Vertragsmächten als das wirksamste und zugleich der Billigkeit am meisten entsprechende Mittel anerkannt, um die Streitigkeiten zu erledigen, die nicht auf diplomatischem Wege haben beseitigt werden können.
Demzufolge wäre es wünschenswert, dass bei Streitigkeiten über die vorerwähnten Fragen die Vertragsmächte eintretendenfalles die Schiedssprechung anrufen, soweit es die Umstände gestatten.
Art. 39
Schiedsabkommen werden für bereits entstandene oder für etwa entstehende Streit­verhältnisse abgeschlossen.
Sie können sich auf alle Streitigkeiten oder nur auf Streitigkeiten einer bestimmten Art beziehen.
Art. 40
Unabhängig von den allgemeinen und besonderen Verträgen, die schon jetzt den Vertragsmächten die Verpflichtung zur Anrufung der Schiedssprechung auferlegen, behalten diese Mächte sich vor, neue allgemeine oder besondere Übereinkommen abzuschliessen, um die obligatorische Schiedssprechung auf alle Fälle auszudehnen, die ihr nach ihrer Ansicht unterworfen werden können.

II. Kapitel Ständiger Schiedshof

Art. 41
Um die unmittelbare Anrufung der Schiedssprechung für die internationalen Streit­fragen zu erleichtern, die nicht auf diplomatischem Wege haben erledigt werden können, machen sich die Vertragsmächte anheischig, den ständigen Schiedshof, der jederzeit zugänglich ist und, unbeschadet anderweitiger Abrede der Parteien, nach Massgabe der in diesem Abkommen enthaltenen Bestimmungen über das Verfahren tätig wird, in der ihm von der ersten Friedenskonferenz gegebenen Einrichtung zu erhalten.
Art. 42
Der ständige Schiedshof ist für alle Schiedsfälle zuständig, sofern nicht zwischen den Parteien über die Einsetzung eines besonderen Schiedsgerichtes Einverständnis besteht.
Art. 43
Der ständige Schiedshof hat seinen Sitz im Haag.
Ein internationales Büro dient dem Schiedshofe als Kanzlei. Es vermittelt die auf den Zusammentritt des Schiedshofes sich beziehenden Mitteilungen; es hat das Archiv unter seiner Obhut und besorgt alle Verwaltungsgeschäfte.
Die Vertragsmächte machen sich anheischig, dem Büro möglichst bald beglaubigte Abschrift einer jeden zwischen ihnen getroffenen Schiedsabrede sowie eines jeden Schiedsspruchs mitzuteilen, der sie betrifft und durch besondere Schiedsgerichte erlassen ist.
Sie machen sich anheischig, dem Büro ebenso die Gesetze, allgemeinen Anordnun­gen und Urkunden mitzuteilen, die gegebenenfalles die Vollziehung der von dem Schiedshof erlassenen Sprüche dartun.
Art. 44
Jede Vertragsmacht benennt höchstens vier Personen von anerkannter Sachkunde in Fragen des Völkerrechts, die sich der höchsten sittlichen Achtung erfreuen und bereit sind, ein Schiedsrichteramt zu übernehmen.
Die so benannten Personen sollen unter dem Titel von Mitgliedern des Schiedshofs in eine Liste eingetragen werden; diese soll allen Vertragsmächten durch das Büro mitgeteilt werden.
Jede Änderung in der Liste der Schiedsrichter wird durch das Büro zur Kenntnis der Vertragsmächte gebracht.
Zwei oder mehrere Mächte können sich über die gemeinschaftliche Benennung eines Mitgliedes oder mehrerer Mitglieder verständigen.
Dieselbe Person kann von verschiedenen Mächten benannt werden.
Die Mitglieder des Schiedshofs werden für einen Zeitraum von sechs Jahren ernannt. Ihre Wiederernennung ist zulässig.
Im Falle des Todes oder des Ausscheidens eines Mitgliedes des Schiedshofs erfolgt sein Ersatz in der für seine Ernennung vorgesehenen Weise und für einen neuen Zeitraum von sechs Jahren.
Art. 45
Wollen die Vertragsmächte sich zur Erledigung einer unter ihnen entstandenen Streitfrage an den Schiedshof wenden, so muss die Auswahl der Schiedsrichter, welche berufen sind, das für die Entscheidung dieser Streitfrage zuständige Schieds­gericht zu bilden, aus der Gesamtliste der Mitglieder des Schiedshofs erfolgen.
In Ermangelung einer Bildung des Schiedsgerichts mittels Verständigung der Par­teien wird in folgender Weise verfahren:
Jede Partei ernennt zwei Schiedsrichter, von denen nur einer ihr Staatsangehöriger sein oder unter den von ihr benannten Mitgliedern des ständigen Schiedshofs ausge­wählt werden darf. Diese Schiedsrichter wählen gemeinschaftlich einen Obmann.
Bei Stimmengleichheit wird die Wahl des Obmanns einer dritten Macht anvertraut, über deren Bezeichnung sich die Parteien einigen.
Kommt eine Einigung hierüber nicht zustande, so bezeichnet jede Partei eine andere Macht, und die Wahl des Obmanns erfolgt durch die so bezeichneten Mächte in Übereinstimmung.
Können sich diese beiden Mächte binnen zwei Monaten nicht einigen, so schlägt jede von ihnen zwei Personen vor, die aus der Liste der Mitglieder des ständigen Schiedshofs, mit Ausnahme der von den Parteien benannten Mitglieder, genommen und nicht Staatsangehörige einer von ihnen sind. Das Los bestimmt, welche unter den so vorgeschlagenen Personen der Obmann sein soll.
Art. 46
Sobald das Schiedsgericht gebildet ist, teilen die Parteien dem Büro ihren Ent­schluss, sich an den Schiedshof zu wenden, den Wortlaut ihres Schiedsvertrages und die Namen der Schiedsrichter mit.
Das Büro gibt unverzüglich jedem Schiedsrichter den Schiedsvertrag und die Namen der übrigen Mitglieder des Schiedsgerichtes bekannt.
Das Schiedsgericht tritt an dem von den Parteien festgesetzten Tage zusammen. Das Büro sorgt für seine Unterbringung.
Die Mitglieder des Schiedsgerichtes geniessen während der Ausübung ihres Amtes und ausserhalb ihres Heimatlandes die diplomatischen Vorrechte und Befreiungen.
Art. 47
Das Büro ist ermächtigt, seine Räumlichkeiten und seine Geschäftseinrichtung den Vertragsmächten für die Tätigkeit eines jeden besonderen Schiedsgerichtes zur Verfügung zu stellen.
Die Schiedsgerichtsbarkeit des ständigen Schiedshofes kann unter den durch die Reglemente festgesetzten Bedingungen auf Streitigkeiten zwischen anderen Mäch­ten als Vertragsmächten oder zwischen Vertragsmächten und anderen Mächten erstreckt werden, wenn die Parteien übereingekommen sind, diese Schiedsgerichts­barkeit anzurufen.
Art. 48
Die Vertragsmächte betrachten es als Pflicht, in dem Falle, wo ein ernsthafter Streit zwischen zwei oder mehreren von ihnen auszubrechen droht, diese daran zu erin­nern, dass ihnen der ständige Schiedshof offen steht.
Sie erklären demzufolge, dass das Erinnern der im Streite befindlichen Teile an die Bestimmungen dieses Abkommens und der im höheren Interesse des Friedens erteilte Rat, sich an den ständigen Schiedshof zu wenden, immer nur als Betätigung guter Dienste angesehen werden darf.
Im Falle eines Streites zwischen zwei Mächten kann stets eine jede von ihnen an das internationale Büro eine Note richten, worin sie erklärt, dass sie bereit sei, den Streitfall einem Schiedsgericht zu unterbreiten.
Das Büro hat die Erklärung sogleich zur Kenntnis der andern Macht zu bringen.
Art. 49
Der ständige Verwaltungsrat, der aus den im Haag beglaubigten diplomatischen Vertretern der Vertragsmächte und dem niederländischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten als Vorsitzendem besteht, hat das internationale Büro unter seiner Leitung und Aufsicht.
Der Verwaltungsrat erlässt seine Geschäftsordnung sowie alle sonst notwendigen allgemeinen Anordnungen.
Er entscheidet alle Verwaltungsfragen, die sich etwa in Beziehung auf den Geschäftsgang des Schiedshofes erheben.
Er hat volle Befugnis, die Beamten und Angestellten des Büros zu ernennen, ihres Dienstes vorläufig zu entheben oder zu entlassen.
Er setzt die Gehälter und Löhne fest und beaufsichtigt das Kassenwesen.
Die Anwesenheit von neun Mitgliedern in den ordnungsmässig berufenen Ver­sammlungen genügt zur gültigen Beratung des Verwaltungsrates. Die Beschlussfas­sung erfolgt nach Stimmenmehrheit.
Der Verwaltungsrat teilt die von ihm genehmigten allgemeinen Anordnungen unver­züglich den Vertragsmächten mit. Er legt ihnen jährlich einen Bericht vor über die Arbeiten des Schiedshofes, über den Gang der Verwaltungsgeschäfte und über die Ausgaben. Der Bericht enthält ferner eine Zusammenstellung des wesentlichen Inhaltes der dem Büro von den Mächten auf Grund des Artikels 43 Absätze 3 und 4 mitgeteilten Urkunden.
Art. 50
Die Kosten des Büros werden von den Vertragsmächten nach dem für das internatio­nale Büro des Weltpostvereins festgestellten Verteilungsmassstabe getragen.
Die Kosten, die den beitretenden Mächten zur Last fallen, werden von dem Tage an berechnet, wo ihr Beitritt wirksam wird.

III. Kapitel: Schiedsverfahren

Art. 51
Um die Entwicklung der Schiedssprechung zu fördern, haben die Vertragsmächte folgende Bestimmungen festgestellt, die auf das Schiedsverfahren Anwendung finden sollen, soweit nicht die Parteien über andere Bestimmungen übereingekom­men sind.
Art. 52
Die Mächte, welche die Schiedssprechung anrufen, unterzeichnen einen Schiedsver­trag, worin der Streitgegenstand, die Frist für die Ernennung der Schiedsrichter, die Form, die Reihenfolge und die Fristen für die im Artikel 63 vorgesehenen Mitteilun­gen sowie die Höhe des von jeder Partei als Kostenvorschuss zu hinterlegenden Betrages bestimmt werden.
Der Schiedsvertrag bestimmt gegebenenfalles ferner die Art der Ernennung der Schiedsrichter, alle etwaigen besonderen Befugnisse des Schiedsgerichts, dessen Sitz, die Sprache, deren es sich bedienen wird, und die Sprachen, deren Gebrauch vor ihm gestattet sein soll, sowie überhaupt alle Punkte, worüber die Parteien sich geeinigt haben.
Art. 53
Der ständige Schiedshof ist für die Feststellung des Schiedsvertrages zuständig, wenn die Parteien darin einig sind, sie ihm zu überlassen.
Er ist ferner auf Antrag auch nur einer der Parteien zuständig, wenn zuvor eine Verständigung auf diplomatischem Wege vergeblich versucht worden ist und es sich handelt:
1. um einen Streitfall, der unter ein nach dem Inkrafttreten dieses Abkommens abgeschlossenes oder erneuertes allgemeines Schiedsabkommen fällt, sofern letzteres für jeden einzelnen Streitfall einen Schiedsvertrag vorsieht und des­sen Feststellung der Zuständigkeit des Schiedshofes weder ausdrücklich noch stillschweigend entzieht. Doch ist, wenn die Gegenpartei erklärt, dass nach ihrer Auffassung der Streitfall nicht zu den der obligatorischen Schiedssprechung unterliegenden Streitfällen gehört, die Anrufung des Schiedshofes nicht zulässig, es sei denn, dass das Schieds­abkommen dem Schiedsgericht die Befugnis zur Entscheidung dieser Vorfrage überträgt;
2.³
um einen Streitfall, der aus den bei einer Macht von einer anderen Macht für deren Angehörige eingeforderten Vertragsschulden herrührt und für dessen Beilegung das Anerbieten schiedsgerichtlicher Erledigung angenommen worden ist. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Annahme unter der Bedingung erfolgt ist, dass der Schiedsvertrag auf einem anderen Wege festgestellt werden soll.
³ Die Schweiz hat die Anwendbarkeit von Art. 53 Ziff. 2 abgelehnt.
Art. 54
In den Fällen des vorstehenden Artikels erfolgt die Feststellung des Schiedsvertrages durch eine Kommission von fünf Mitgliedern, welche auf die im Artikel 45 Absätze 3–6 angegebene Weise bestimmt werden.
Das fünfte Mitglied ist von Rechts wegen Vorsitzender der Kommission.
Art. 55
Das Schiedsrichteramt kann einem einzigen Schiedsrichter oder mehreren Schieds­richtern übertragen werden, die von den Parteien nach ihrem Belieben ernannt oder von ihnen unter den Mitgliedern des durch dieses Abkommen festgesetzten ständi­gen Schiedshofes gewählt werden.
In Ermangelung einer Bildung des Schiedsgerichtes durch Verständigung der Par­teien wird in der im Artikel 45 Absätze 3–6 angegebenen Weise verfahren.
Art. 56
Wird ein Souverän oder ein sonstiges Staatsoberhaupt zum Schiedsrichter gewählt, so wird das Schiedsverfahren von ihm geregelt.
Art. 57
Der Obmann ist von Rechts wegen Vorsitzender des Schiedsgerichts.
Gehört dem Schiedsgericht kein Obmann an, so ernennt es selbst seinen Vorsitzen­den.
Art. 58
Im Falle der Feststellung des Schiedsvertrages durch eine Kommission, so wie sie im Artikel 54 vorgesehen ist, soll, unbeschadet anderweitiger Abrede, die Kommis­sion selbst das Schiedsgericht sein.
Art. 59
Im Falle des Todes, des Rücktritts oder der aus irgendeinem Grunde stattfindenden Verhinderung eines der Schiedsrichter erfolgt sein Ersatz in der für seine Ernennung vorgesehenen Weise.
Art. 60
In Ermangelung einer Bestimmung durch die Parteien hat das Schiedsgericht seinen Sitz im Haag.
Das Schiedsgericht kann seinen Sitz auf dem Gebiet einer dritten Macht nur mit deren Zustimmung haben.
Der einmal bestimmte Sitz kann von dem Schiedsgericht nur mit Zustimmung der Parteien verlegt werden.
Art. 61
Hat der Schiedsvertrag die zu gebrauchenden Sprachen nicht bestimmt, so wird darüber durch das Schiedsgericht entschieden.
Art. 62
Die Parteien haben das Recht, bei dem Schiedsgericht besondere Agenten zu bestel­len mit der Aufgabe, zwischen ihnen und dem Schiedsgericht als Mittelspersonen zu dienen.
Sie sind ausserdem berechtigt, mit der Wahrnehmung ihrer Rechte und Interessen vor dem Schiedsgericht Rechtsbeistände oder Anwälte zu betrauen, die zu diesem Zwecke von ihnen bestellt werden.
Die Mitglieder des ständigen Schiedshofes dürfen als Agenten, Rechtsbeistände oder Anwälte nur zugunsten der Macht tätig sein, die sie zu Mitgliedern des Schiedshofes ernannt hat.
Art. 63
Das Schiedsverfahren zerfällt regelmässig in zwei gesonderte Abschnitte: das schriftliche Vorverfahren und die Verhandlung.
Das schriftliche Vorverfahren besteht in der von den betreffenden Agenten an die Mitglieder des Schiedsgerichts und an die Gegenpartei zu machenden Mitteilung der Schriftsätze, der Gegenschriftsätze und der etwa weiter erforderlichen Rückäusse­rungen; die Parteien fügen alle in der Sache angerufenen Aktenstücke und Urkunden bei. Diese Mitteilungen erfolgen unmittelbar oder durch Vermittlung des internatio­nalen Büros in der Reihenfolge und in den Fristen, wie sie durch den Schiedsvertrag bestimmt sind.
Die im Schiedsvertrage festgesetzten Fristen können verlängert werden durch Über­einkommen der Parteien oder durch das Schiedsgericht, wenn dieses es für notwen­dig erachtet, um zu einer gerechten Entscheidung zu gelangen.
Die Verhandlung besteht in dem mündlichen Vortrage der Rechtsbehelfe der Par­teien vor dem Schiedsgericht.
Art. 64
Jedes von einer Partei vorgelegte Schriftstück muss der anderen Partei in beglau­bigter Abschrift mitgeteilt werden.
Art. 65
Abgesehen von besonderen Umständen tritt das Schiedsgericht erst nach dem Schlusse des Vorverfahrens zusammen.
Art. 66
Die Verhandlung wird vom Vorsitzenden geleitet.
Sie erfolgt öffentlich nur, wenn ein Beschluss des Schiedsgerichts mit Zustimmung der Parteien dahin ergeht.
Über die Verhandlung wird ein Protokoll aufgenommen von Sekretären, die der Vorsitzende ernennt. Dieses Protokoll wird vom Vorsitzenden und einem der Sek­retäre unterzeichnet; es hat allein öffentliche Beweiskraft.
Art. 67
Nach dem Schlusse des Vorverfahrens ist das Schiedsgericht befugt, alle neuen Aktenstücke oder Urkunden von der Verhandlung auszuschliessen, die ihm etwa eine Partei ohne Einwilligung der andern vorlegen will.
Art. 68
Dem Schiedsgerichte steht es jedoch frei, neue Aktenstücke oder Urkunden, auf welche etwa die Agenten oder Rechtsbeistände der Parteien seine Aufmerksamkeit lenken, in Betracht zu ziehen.
In diesem Falle ist das Schiedsgericht befugt, die Vorlegung dieser Aktenstücke oder Urkunden zu verlangen, unbeschadet der Verpflichtung, der Gegenpartei davon Kenntnis zu geben.
Art. 69
Das Schiedsgericht kann ausserdem von den Agenten der Parteien die Vorlegung aller nötigen Aktenstücke und alle nötigen Aufklärungen verlangen. Im Falle der Verweigerung nimmt das Schiedsgericht von ihr Vermerk.
Art. 70
Die Agenten und die Rechtsbeistände der Parteien sind befugt, beim Schiedsgericht mündlich alle Rechtsbehelfe vorzubringen, die sie zur Verteidigung ihrer Sache für nützlich halten.
Art. 71
Sie haben das Recht, Einreden sowie einen Zwischenstreit zu erheben. Die Entschei­dungen des Schiedsgerichts über diese Punkte sind endgültig und können zu weite­ren Erörterungen nicht Anlass geben.
Art. 72
Die Mitglieder des Schiedsgerichts sind befugt, an die Agenten und die Rechtsbei­stände der Parteien Fragen zu richten und von ihnen Aufklärungen über zweifelhafte Punkte zu verlangen.
Weder die gestellten Fragen noch die von Mitgliedern des Schiedsgerichts im Laufe der Verhandlung gemachten Bemerkungen dürfen als Ausdruck der Meinung des ganzen Schiedsgerichts oder seiner einzelnen Mitglieder angesehen werden.
Art. 73
Das Schiedsgericht ist befugt, seine Zuständigkeit zu bestimmen, indem es den Schiedsvertrag sowie die sonstigen Aktenstücke und Urkunden, die für den Gegen­stand angeführt werden können, auslegt und die Grundsätze des Rechtes anwendet.
Art. 74
Dem Schiedsgericht steht es zu, auf das Verfahren sich beziehende Anordnungen zur Leitung der Streitsache zu erlassen, die Formen, die Reihenfolge und die Fristen zu bestimmen, in denen jede Partei ihre Schlussanträge zu stellen hat, und zu allen Förmlichkeiten zu schreiten, welche die Beweisaufnahme mit sich bringt.
Art. 75
Die Parteien verpflichten sich, dem Schiedsgericht in dem weitesten Umfange, den sie für möglich halten, alle für die Entscheidung der Streitigkeit notwendigen Mittel zu gewähren.
Art. 76
Das Schiedsgericht wird sich zur Bewirkung aller Zustellungen, die es im Gebiet einer dritten Vertragsmacht vorzunehmen hat, unmittelbar an die Regierung dieser Macht wenden. Das gleiche gilt, wenn es sich um Beweisaufnahmen an Ort und Stelle handelt.
Die zu diesem Zwecke erlassenen Ersuchen sind nach Massgabe derjenigen Mittel zu erledigen, über welche die ersuchte Macht nach ihrer inneren Gesetzgebung verfügt. Sie können nur abgelehnt werden, wenn diese Macht sie für geeignet hält, ihre Hoheitsrechte oder ihre Sicherheit zu gefährden.
Auch steht dem Schiedsgericht stets frei, die Vermittlung der Macht in Anspruch zu nehmen, in deren Gebiet es seinen‑ Sitz hat.
Art. 77
Nachdem die Agenten und die Rechtsbeistände der Parteien alle Aufklärungen und Beweise zugunsten ihrer Sache vorgetragen haben, spricht der Vorsitzende den Schluss der Verhandlung aus.
Art. 78
Die Beratung des Schiedsgerichts erfolgt nicht öffentlich und bleibt geheim.
Jede Entscheidung ergeht nach der Mehrheit der Mitglieder des Schiedsgerichts.
Art. 79
Der Schiedsspruch ist mit Gründen zu versehen. Er enthält die Namen der Schieds­richter und wird vom Vorsitzenden und dem Bürovorstand oder dem dessen Tätig­keit wahrnehmenden Sekretär unterzeichnet.
Art. 80
Der Schiedsspruch wird in öffentlicher Sitzung des Schiedsgerichts in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Agenten und Rechtsbeistände der Parteien verlesen.
Art. 81
Der gehörig verkündete und den Agenten der Parteien zugestellte Schiedsspruch entscheidet das Streitverhältnis endgültig und mit Ausschliessung der Berufung.
Art. 82
Alle Streitfragen, die etwa zwischen den Parteien wegen der Auslegung und der Ausführung des Schiedsspruchs entstehen, unterliegen, unbeschadet anderweitiger Abrede, der Beurteilung des Schiedsgerichts, das den Spruch erlassen hat.
Art. 83
Die Parteien können sich im Schiedsvertrage vorbehalten, die Nachprüfung (Revi­sion) des Schiedsspruchs zu beantragen.
Der Antrag muss in diesem Falle, unbeschadet anderweitiger Abrede, bei dem Schiedsgericht angebracht werden, das den Spruch erlassen hat. Er kann nur auf die Ermittlung einer neuen Tatsache gegründet werden, die einen entscheidenden Ein­fluss auf den Spruch auszuüben geeignet gewesen wäre und bei Schluss der Ver­handlung dem Schiedsgericht selbst und der Partei, welche die Nachprüfung bean­tragt hat, unbekannt war.
Das Nachprüfungsverfahren kann nur eröffnet werden durch einen Beschluss des Schiedsgerichts, der das Vorhandensein der neuen Tatsache ausdrücklich feststellt, ihr die im vorstehenden Absatze bezeichneten Merkmale zuerkennt und den Antrag insoweit für zulässig erklärt.
Der Schiedsvertrag bestimmt die Frist, innerhalb deren der Nachprüfungsantrag gestellt werden muss.
Art. 84
Der Schiedsspruch bindet nur die streitenden Parteien.
Wenn es sich um die Auslegung eines Abkommens handelt, an dem sich noch an­dere Mächte beteiligt haben als die streitenden Teile, so benachrichtigen diese recht­zeitig alle Signatarmächte. Jede dieser Mächte hat das Recht, sich an der Streitsache zu beteiligen. Wenn eine oder mehrere von ihnen von dieser Berechtigung Gebrauch gemacht haben, so ist die in dem Schiedsspruch enthaltene Auslegung auch für sie bindend.
Art. 85
Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten selbst und die Kosten des Schiedsgerichts zu gleichem Anteile.

IV. Kapitel Abgekürztes Schiedsverfahren

Art. 86
Um die schiedsrichterliche Erledigung von Streitigkeiten zu erleichtern, die ihrer Natur nach ein abgekürztes Verfahren gestatten, stellen die Vertragsmächte die nachstehenden Regeln auf, die befolgt werden sollen, soweit nicht abweichende Abmachungen bestehen, und unter dem Vorbehalte, dass geeignetenfalls die nicht widersprechenden Bestimmungen des dritten Kapitels zur Anwendung kommen.
Art. 87
Jede der streitenden Parteien ernennt einen Schiedsrichter. Die beiden so bestellten Schiedsrichter wählen einen Obmann. Wenn sie sich hierüber nicht einigen, so schlägt jeder zwei Personen vor, die aus der allgemeinen Liste der Mitglieder des ständigen Schiedshofs, mit Ausnahme der von den Parteien selbst benannten Mit­glieder, genommen und nicht Staatsangehörige einer von ihnen sind; das Los bestimmt, welche unter den so vorgeschlagenen Personen der Obmann sein soll.
Der Obmann sitzt dem Schiedsgericht vor, das seine Entscheidungen nach Stim­menmehrheit fällt.
Art. 88
In Ermangelung einer vorherigen Vereinbarung bestimmt das Schiedsgericht, sobald es gebildet ist, die Frist, binnen deren ihm die beiden Parteien ihre Schriftsätze einreichen müssen.
Art. 89
Jede Partei wird vor dem Schiedsgericht durch einen Agenten vertreten; dieser dient als Mittelsperson zwischen dem Schiedsgericht und der Regierung, die ihn bestellt hat.
Art. 90
Das Verfahren ist ausschliesslich schriftlich. Doch hat jede Partei das Recht, das Erscheinen von Zeugen und Sachverständigen zu verlangen. Das Schiedsgericht ist seinerseits befugt, von den Agenten der beiden Parteien sowie von den Sachverstän­digen und Zeugen, deren Erscheinen es für nützlich hält, mündliche Aufklärungen zu verlangen.

Fünfter Titel Schlussbestimmungen

Art. 91
Dieses Abkommen tritt nach seiner Ratifikation für die Beziehungen zwischen den Vertragsmächten an die Stelle des Abkommens vom 29. Juli 1899⁴ zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle.
⁴ SR 0.193.211
Art. 92
Dieses Abkommen soll möglichst bald ratifiziert werden.
Die Ratifikationsurkunden sollen im Haag hinterlegt werden.
Die erste Hinterlegung von Ratifikationsurkunden wird durch ein Protokoll festge­stellt, das von den Vertretern der daran teilnehmenden Mächte und von dem nieder­ländischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten unterzeichnet wird.
Die späteren Hinterlegungen von Ratifikationsurkunden erfolgen mittels einer schriftlichen, an die Regierung der Niederlande gerichteten Anzeige, der die Ratifi­kationsurkunde beizufügen ist.
Beglaubigte Abschrift des Protokolls über die erste Hinterlegung von Ratifikations­urkunden, der im vorstehenden Absatz erwähnten Anzeigen sowie der Ratifikations­urkunden wird durch die Regierung der Niederlande unverzüglich den zur zweiten Friedenskonferenz eingeladenen Mächten sowie den andern Mächten, die dem Abkommen beigetreten sind, auf diplomatischem Wege mitgeteilt werden. In den Fällen des vorstehenden Absatzes wird die bezeichnete Regierung ihnen zugleich bekannt geben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.
Art. 93
Die Mächte, die zur zweiten Friedenskonferenz eingeladen worden sind, dieses Abkommen aber nicht gezeichnet haben, können ihm später beitreten.
Die Macht, die beizutreten wünscht, hat ihre Absicht der Regierung der Niederlande schriftlich anzuzeigen und ihr dabei die Beitrittsurkunde zu übersenden, die im Archiv der bezeichneten Regierung hinterlegt werden wird.
Diese Regierung wird unverzüglich allen anderen zur zweiten Friedenskonferenz eingeladenen Mächten beglaubigte Abschrift der Anzeige wie der Beitrittsurkunde übersenden und zugleich angeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.
Art. 94
Die Bedingungen, unter denen die zur zweiten Friedenskonferenz nicht eingeladenen Mächte diesem Abkommen beitreten können, sollen den Gegenstand einer späteren Verständigung zwischen den Vertragsmächten bilden.
Art. 95
Dieses Abkommen wird wirksam für die Mächte, die an der ersten Hinterlegung von Ratifikationsurkunden teilgenommen haben, sechzig Tage nach dem Tage, an dem das Protokoll über diese Hinterlegung aufgenommen worden ist, und für die später ratifizierenden oder beitretenden Mächte sechzig Tage, nachdem die Regierung der Niederlande die Anzeige von ihrer Ratifikation oder von ihrem Beitritt erhalten hat.
Art. 96
Sollte eine der Vertragsmächte dieses Abkommen kündigen wollen, so soll die Kündigung schriftlich der Regierung der Niederlande erklärt werden, die unverzüg­lich beglaubigte Abschrift der Erklärung allen anderen Mächten mitteilt und ihnen zugleich bekannt gibt, an welchem Tage sie die Erklärung erhalten hat.
Die Kündigung soll nur in Ansehung der Macht wirksam sein, die sie erklärt hat, und erst ein Jahr, nachdem die Erklärung bei der Regierung der Niederlande einge­gangen ist.
Art. 97
Ein im niederländischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten geführtes Register soll den Tag der gemäss Artikel 92 Absätze 3 und 4 erfolgten Hinterlegung von Ratifikationsurkunden angeben sowie den Tag, an dem die Anzeigen von dem Beitritt (Artikel 93 Absatz 2) oder von der Kündigung (Artikel 96 Absatz 1) einge­gangen sind.
Jede Vertragsmacht hat das Recht, von diesem Register Kenntnis zu nehmen und beglaubigte Auszüge daraus zu verlangen.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen mit ihren Unter­schriften versehen.
Geschehen Im Haag, am achtzehnten Oktober neunzehnhundertsieben in einer einzigen Ausfertigung, die im Archiv der Regierung der Niederlande hinterlegt bleiben soll und wovon beglaubigte Abschriften den Vertragsmächten auf diplomati­schem Wege übergeben werden sollen.
(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 5. Juli 2016 ⁵

⁵ AS 1971 1808 , 1977 1466 , 1982 2260 , 1987 796 , 1994 1118 , 2004 2009 , 2006 749 , 2009 3145 , 2011 3291 , 2015 1121 und 2016 2617 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Beitritt (B)

Nachfolge­erklärung (N)

Inkrafttreten

Ägypten

  5. September

1968 B

  4. November

1968

Albanien

28. Oktober

2011 B

27. Dezember

2011

Äthiopien

30. Juli

2003 B

28. September

2003

Australien

23. Dezember

1996 B

21. Februar

1997

Bahamas

14. April

2016 B

13. Juni

2016

Bahrain

30. Juni

2008 B

29. August

2008

Bangladesch

28. Dezember

2011 B

26. Februar

2012

Belarus

  4. Juni

1962 B

  4. Juni

1962

Belgien

  8. August

1910

  7. Oktober

1910

Belize

22. November

2002 B

21. Januar

2003

Benin

18. Juli

2005 B

16. September

2005

Bolivien

27. November

1909

26. Januar

1910

Brasilien*

  5. Januar

1914

  6. März

1914

Bulgarien*

11. April

2000

10. Juni

2000

Burkina Faso

30. August

1961 B

30. August

1961

Chile*

19. November

1997

18. Januar

1998

China

27. November

1909

26. Januar

1910

Costa Rica

21. Mai

1999 B

20. Juli

1999

Dänemark

27. November

1909

26. Januar

1910

Deutschland

27. November

1909

26. Januar

1910

Dominikanische Republik

  9. Juli

1958

  7. September

1958

Dschibuti

17. Februar

2016 B

17. April

2016

El Salvador

27. November

1909

26. Januar

1910

Eritrea

  5. August

1997 B

  4. Oktober

1997

Estland

  3. Juli

2003 B

  1. September

2003

Finnland

10. April

1922 B

  9. Juni

1922

Frankreich

  7. Oktober

1910

  6. Dezember

1910

Georgien*

21. Januar

2015 B

22. März

2015

Guatemala

15. März

1911

14. Mai

1911

Guyana

26. November

1997 B

25. Januar

1998

Haiti

  2. Februar

1910

  3. April

1910

Honduras

  1. Dezember

1961 B

30. Januar

1962

Irak*

31. August

1970 B

30. Oktober

1970

Irland

  7. Mai

2002 B

  6. Juli

2002

Island

  8. Dezember

1955

  8. Dezember

1955

Israel*

18. April

1962 B

17. Juni

1962

Japan*

13. Dezember

1911

11. Februar

1912

Jordanien

28. November

1991 B

27. Januar

1992

Kambodscha

  4. Januar

1956 B

  4. Januar

1956

Kamerun

  1. August

1961 B

  1. August

1961

Kanada*

10. Mai

1994

  9. Juli

1994

Katar

  3. Oktober

2005 B

  2. Dezember

2005

Kenia

12. April

2006 B

11. Juni

2006

Kirgisistan

  4. Juni

1992 N

31. August

1991

Kolumbien

16. Januar

1997

17. März

1997

Kongo (Kinshasa)

25. März

1961 B

25. März

1961

Korea (Süd-)

23. Dezember

1999 B

21. Februar

2000

Kosovo

  6. November

2015 B

  5. Januar

2016

Kuba

22. Februar

1912

22. April

1912

Kuwait

16. Juli

2003 B

14. September

2003

Laos

18. Juli

1955

18. Juli

1955

Lettland

13. Juni

2001 B

12. August

2001

Libanon

14. Februar

1968 B

14. April

1968

Libyen

  4. Juli

1996 B

  2. September

1996

Liechtenstein*

25. Juli

1994 B

23. September

1994

Litauen*

10. November

2004 B

  9. Januar

2005

Luxemburg

  5. September

1912

  4. November

1912

Madagaskar

  7. Oktober

2009 B

  6. Dezember

2009

Malaysia

  7. März

2002 B

  6. Mai

2002

Malta

  9. Juli

1968 B

  7. September

1968

Marokko

  5. April

2001 B

  4. Juni

2001

Mazedonien

19. Dezember

2000 B

17. Februar

2001

Mexiko*

27. November

1909

26. Januar

1910

Neuseelanda

13. April

2010

12. Juni

2010

Nicaragua

16. Dezember

1909 B

14. Februar

1910

Niederlande

27. November

1909

26. Januar

1910

    Aruba

27. November

1909

26. Januar

1910

    Curaçao

27. November

1909

26. Januar

1910

    Sint Maarten

27. November

1909

26. Januar

1910

    Karibische Gebiete (Bonaire,
    Sint Eustatius und Saba)

27. November

1909

26. Januar

1910

Nigeria

18. Dezember

1986 B

16. Februar

1987

Norwegen

19. September

1910

18. November

1910

Österreich

27. November

1909

26. Januar

1910

Palästina

30. Oktober

2015 B

29. Dezember

2015

Panama

11. September

1911

10. November

1911

Paraguay

25. April

1933

24. Juni

1933

Philippinen

14. Juli

2010 B

12. September

2010

Polen

27. März

1922 B

26. Mai

1922

Portugal

13. April

1911

12. Juni

1911

Ruanda

29. April

2011 B

28. Juni

2011

Rumänien*

  1. März

1912

30. April

1912

Russland*

  7. März

1955 B

  7. März

1955

Sambia

  1. November

1999 B

31. Dezember

1999

São Tomé und Príncipe

  5. September

2014 B

  4. November

2014

Saudi-Arabien

21. November

2001 B

20. Januar

2002

Schweden

27. November

1909

26. Januar

1910

Schweiz*

12. Mai

1910

11. Juli

1910

Senegal

  1. August

1977 B

30. September

1977

Singapur

13. Juli

1993 B

11. September

1993

Slowakei

26. April

1993 N

  1. Januar

1993

Slowenien

23. Januar

2004 B

29. März

2004

Spanien*

18. März

1913

17. Mai

1913

Südafrika

22. Oktober

1998 B

21. Dezember

1998

Sudan

  3. Oktober

1966 B

  2. Dezember

1966

Suriname

28. Oktober

1992 B

27. Dezember

1992

Swasiland

26. Oktober

1970 B

25. Dezember

1970

Thailand

12. März

1910

11. Mai

1910

Togo

18. Oktober

2004 B

17. Dezember

2004

Tschechische Republik

11. Oktober

1993 N

  1. Januar

1993

Uganda

  1. März

1966 B

30. April

1966

Ukraine*

  4. April

1962 B

  4. April

1962

Vereinigte Arabische Emirate

  6. November

2008 B

  5. Januar

2009

Vereinigte Staaten*

27. November

1909

26. Januar

1910

Vereinigtes Königreich

13. August

1970

12. Oktober

1970

    Anguilla

13. August

1970

12. Oktober

1970

Vietnam

29. Dezember

2011 B

27. Februar

2012

Zypern

13. September

1993 B

12. November

1993

* Vorbehalte und Erklärungen.
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht, mit Ausnahme jener der Schweiz. Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite
der Niederländischen Regierung: https://treatydatabase.overheid.nl/eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern, bezogen werden.
a
Das Abkommen gilt nicht für Tokelau.

Vorbehalt

Schweiz ⁶
Unter Vorbehalt von Artikel 53 Buchstabe 2.
⁶ Ziff. I des BB vom 4. April 1910 (BS 11 229)

Schlussakte der zweiten internationalen Friedenskonferenz

Unterzeichnet im Haag am 18. Oktober 1907
Die zweite internationale Friedenskonferenz, die zuerst von dem Herrn Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vorgeschlagen und sodann auf die Einladung Seiner Majestät des Kaisers aller Reussen von Ihrer Majestät der Königin der Nie­derlande einberufen worden war, ist im Haag am 15. Juni 1907 im Rittersaale zusammengetreten mit der Aufgabe, den Grundsätzen der Menschlichkeit, die dem Werke der ersten Konferenz von 1899 zur Grundlage gedient haben, eine weitere Entwicklung zu geben.
Folgende Mächte haben an der Konferenz teilgenommen und dazu die nachstehend aufgeführten Delegierten ernannt:
(Es folgen die Namen der Delegierten)
In einer Reihe von Sitzungen während der Zeit vom 15. Juni bis zum 18. Oktober 1907, in denen die genannten Delegierten beständig von dem Wunsche beseelt waren, in möglichst weitem Masse die hochherzigen Gedanken des Erlauchten Veranstalters der Konferenz und die Absichten ihrer Regierungen zu verwirklichen, hat die Konferenz den Wortlaut der Abkommen und der Erklärung festgestellt, die nachstehend aufgezählt und dieser Akte als Anlage beigegeben sind, um den Bevollmächtigten zur Unterzeichnung unterbreitet zu werden:
I. Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle⁷;
II. Abkommen betreffend die Beschränkung der Anwendung von Gewalt bei der Eintreibung von Vertragsschulden⁸;
III. Abkommen über den Beginn der Feindseligkeiten⁹;
IV. Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs¹⁰;
V. Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkriegs¹¹;
VI. Abkommen über die Behandlung der feindlichen Kauffahrteischiffe beim Ausbruch der Feindseligkeiten¹²;
VII. Abkommen über die Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegs­schiffe¹³;
VIII. Abkommen über die Legung von unterseeischen, selbsttätigen Kontakt­minen¹⁴;
IX. Abkommen betreffend die Beschiessung durch Seestreitkräfte in Kriegs­zeiten¹⁵;
X. Abkommen über die Anwendung der Grundsätze des Genfer Abkommens auf den Seekrieg¹⁶;
XI. Abkommen über gewisse Beschränkungen in der Ausübung des Beuterechts im Seekrieg¹⁷;
XII. Abkommen über die Errichtung eines internationalen Prisenhofs¹⁸;
XIII. Abkommen betreffend die Rechte und die Pflichten der neutralen Mächte im Falle eines Seekrieges¹⁹;
XIV. Erklärung betreffend das Verbot des Werfens von Geschossen und Sprengstof­fen aus Luftschiffen²⁰.
Diese Abkommen und diese Erklärung sollen ebenso viele besondere Urkunden bilden. Diese Urkunden sollen das Datum des heutigen Tages tragen und können bis zum 30. Juni 1908 im Haag von den Bevollmächtigten der auf der zweiten Friedens­konferenz vertretenen Mächte unterzeichnet werden.
Die Konferenz hat im Geiste der Verständigung und der gegenseitigen Zugeständ­nisse, der das Wesen der Friedenskonferenzen ist, die nachstehende Erklärung beschlossen, die zwar jeder der vertretenen Mächte die Wahrung ihres eigenen Standpunktes vorbehält, ihnen allen aber gestattet, die Grundsätze, die sie als ein­stimmig anerkannt ansehen, zu bestätigen:
Sie ist einstimmig:
1. in der grundsätzlichen Anerkennung der obligatorischen Schiedssprechung;
2. in der Erklärung, dass gewisse Streitigkeiten, insbesondere solche über die Auslegung und Anwendung internationaler Vertragsabreden, geeignet sind, der obligatorischen Schiedssprechung ohne jede Einschränkung unterworfen zu werden.
Sie ist endlich einstimmig darin, auszusprechen, dass, wenn es ihr auch nicht gelun­gen ist, schon jetzt ein Abkommen in diesem Sinne zustandezubringen, doch die hervorgetretenen Meinungsverschiedenheiten die Grenzen einer juristischen Aus­einandersetzung nicht überschritten haben, und dass alle Mächte der Welt während ihres hiesigen viermonatigen Zusammenarbeitens nicht nur gelernt haben, einander besser zu verstehen und einander näher zu treten, sondern auch verstanden haben, während dieses langen Zusammenwirkens ein sehr hohes Gefühl für das Gemein­wohl der Menschheit zur Entwicklung zu bringen.
Ausserdem hat die Konferenz mit Einstimmigkeit folgenden Beschluss gefasst:
Die zweite Friedenskonferenz bestätigt den auf der Konferenz von 1899 in Anse­hung der Beschränkungen der Militärlasten angenommenen Beschluss²¹ und erklärt im Hinblick darauf, dass die Militärlasten seit jenem Jahre in fast allen Ländern erheblich gewachsen sind, es für höchst wünschenswert, dass die Regierungen das ernstliche Studium dieser Frage wieder aufnehmen.
Sie hat ferner folgende Wünsche ausgesprochen:
1. Die Konferenz empfiehlt den Signatarmächten die Annahme des anliegen­den Entwurfs eines Abkommens über die Errichtung eines Schiedsgerichts­hofes und seine Inkraftsetzung, sobald eine Einigung über die Auswahl der Richter und die Zusammensetzung des Gerichtshofes erfolgt ist.²²
2. Die Konferenz spricht den Wunsch aus, dass im Kriegsfalle die zuständigen Zivil‑ und Militärbehörden es sich zur ganz besonderen Pflicht machen, den Fortbestand des friedlichen Verkehrs und namentlich der kaufmännischen und industriellen Beziehungen zwischen der Bevölkerung der kriegführen­den Staaten und den neutralen Ländern zu sichern und zu schützen.
3. Die Konferenz spricht den Wunsch aus, dass die Mächte durch besondere Abkommen die Lage der auf ihren Gebieten ansässigen Ausländer in Anse­hung der Militärlasten regeln.
4. Die Konferenz spricht den Wunsch aus, dass die Ausarbeitung einer Ord­nung der Gesetze und Gebräuche des Seekriegs in das Programm der nächs­ten Konferenz aufgenommen werde und dass jedenfalls die Mächte die Grundsätze des Abkommens über die Gesetze und Gebräuche des Land­kriegs²³ soweit wie möglich auf den Seekrieg anwenden.
Endlich empfiehlt die Konferenz den Mächten, die Zusammenberufung einer dritten Friedenskonferenz, deren Zusammentritt nach Ablauf eines Zeitraums, etwa so wie er seit der vorigen Konferenz verstrichen ist, zu einer zwischen den Mächten zu vereinbarenden Zeit stattzufinden hätte; sie lenkt ihre Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit, die Arbeiten dieser dritten Konferenz im voraus so rechtzeitig vor­zubereiten, dass deren Beratungen mit der unerlässlichen Würde und Schnelligkeit Fortgang nehmen.
Zur Erreichung dieses Zweckes hält es die Konferenz für sehr wünschenswert, dass etwa zwei Jahre vor dem voraussichtlichen Zusammentritt der Konferenz ein Vor­bereitungsausschuss von den Regierungen damit beauftragt werde, die verschiede­nen der Konferenz zu unterbreitenden Vorschläge zu sammeln, die für eine dem­nächstige internationale Regelung geeigneten Gegenstände auszusuchen und ein Programm vorzubereiten, das die Regierungen zeitig genug festzustellen hätten, um seine eingehende Prüfung in jedem Lande zu ermöglichen. Dieser Ausschuss würde ausserdem berufen sein, Vorschläge für die Art der Organisation und des Verfahrens der Konferenz selbst zu machen.
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diese Akte unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.
Geschehen Im Haag, am achtzehnten Oktober neunzehnhundertsieben in einer einzigen Ausfertigung, die im Archiv der Regierung der Niederlande hinterlegt bleiben soll und wovon beglaubigte Abschriften allen auf der Konferenz vertretenen Mächten übergeben werden sollen.
(Es folgen die Unterschriften)
⁷ Siehe hiervor.
⁸ Dieses Abkommen wurde von der Schweiz nicht unterzeichnet.
⁹ SR 0.515.10
¹⁰ SR 0.515.112
¹¹ SR 0.515.21
¹² SR 0.515.122
¹³ SR 0.515.123
¹⁴ SR 0.515.124
¹⁵ SR 0.515.125
¹⁶ [BS 11 522. AS 1951 207 Art. 58]
¹⁷ SR 0.515.126
¹⁸ Dieses Abkommen ist nur von Nicaragua ratifiziert worden und nie in Kraft getreten.
¹⁹ SR 0.515.22
²⁰ SR 0.515.104
²¹ SR 0.193.211 Schlussprot.
²² Diesem Wunsch hat der Schweizerische Bundesrat nicht beigepflichtet.
²³ SR 0.515.112
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