Übereinkunft (zwischen der Schweiz, Baden und Elsass-Lothringen 1 über die Anwendung gleichartiger Bestimmungen für die Fischerei im Rhein und seinen Zuflüssen einschliesslich des Bodensees 2)
zwischen der Schweiz, Baden und Elsass-Lothringen ¹ über die Anwendung gleichartiger Bestimmungen für die Fischerei im Rhein und seinen Zuflüssen einschliesslich des Bodensees ² Abgeschlossen am 18. Mai 1887 Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 19. Oktober 1887 In Kraft getreten am 19. Oktober 1887 (Stand am 19. Oktober 1887) ¹ Durch Note vom 31. Juli 1920 hat sich Frankreich bereit erklärt, die Bestimmungen dieser Übereinkunft bis zum Abschluss neuer Übereinkünfte zwischen Frankreich und der Schweiz betreffend die Fischerei im Rhein tatsächlich gelten zu lassen und anzuwenden ( BBl 1920 IV 377 ). ² Siehe auch die Unterseefischereiordnung vom 2. Nov. 1977 ( SR 0.923.411 ).
Nachdem sich die Notwendigkeit ergeben hat, die zwischen der Schweiz, Baden und Elsass-Lothringen abgeschlossenen Übereinkunft, d. d. Basel, den 25. März 1875/ Mühlhausen, den 14. Juli 1877, und die Nachtragsübereinkunft, d. d. Colmar, den 21. September 1884, einer Durchsicht zu unterziehen, sind zu diesem Zwecke:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
zu Bevollmächtigten bestellt worden,
und haben unter Vorbehalt der Ratifikation folgende Übereinkunft abgeschlossen:
Art. 1 ³
Beim Fischfang im Rhein und dessen Zuflüssen, soweit darin Wanderfische (Lachse und Maifische) vorkommen, ist jede ständige Fischerei-Vorrichtung (Fischwehr, Fach) und jede am Ufer oder im Flussbett befestigte oder verankerte Vorrichtung (Reusen, Sperrnetze) verboten, welche den Wasserlauf auf mehr als die Hälfte seiner Breite, bei gewöhnlichem niedrigem Wasserstande, in der kürzesten Linie von Ufer zu Ufer gemessen, für den Zug der Wanderfische versperrt.
Die Entfernung zwischen den einzelnen Pfählen, welche die zum Lachsfange bestimmten Fischwehre (Fache) bilden, sowie zwischen den Querverbindungen dieser Pfähle, muss mindestens 10 cm im Lichten betragen.
Mehrere solcher ständiger und am Ufer oder im Flussbett befestigter oder verankerter Fischerei-Vorrichtungen sowie mehrere feststehende Netze dürfen gleichzeitig auf derselben Uferseite oder auf der entgegengesetzten Uferseite nur in einer Entfernung voneinander angebracht sein, welche mindestens das Doppelte der Länge der betreffenden Vorrichtungen beträgt. Sind die Vorrichtungen von verschiedener Länge, so ist für die betreffende Entfernung die grössere Länge massgebend.
Auf sogenannte Altrheine (Giessen) finden obige Bestimmungen keine Anwendung, insofern dieselben nicht von beiden Seiten mit dem Hauptstrom derartig in Verbindung stehen, dass die Wanderfische jederzeit frei hindurchziehen können.
³ Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. I).
Art. 2
Fanggeräte jeder Art und Benennung dürfen nicht angewendet werden, wenn die Öffnungen (bei Maschen in nassem Zustande) in Höhe und Breite nicht wenigstens folgende Weiten haben:
a) beim Lachsfange: Geflechte (Körbe, Reusen) und Treibnetze: 6 cm, das Innere der Reusen (Reusenschlupf): 4 cm;
b) beim Fang anderer grosser Fischarten: 3 cm;
c) beim Fang kleiner Fischarten: 2 cm.
In Rhein zwischen Schaffhausen und Basel dürfen jedoch beim Fischfang überhaupt keine Netze verwendet werden, deren Öffnungen, gemessen wie oben angegeben, weniger als 3 cm betragen.
Bei der Kontrolle der Geflechte und Netze ist eine Abweichung von einem Zehntel nicht zu beanstanden.
Zum Zwecke des Fanges von Futterfischen für die Fischzuchtanstalten und von Köderfischen kann von der Aufsichtsbehörde unter den geeigneten Kontrollmassregeln der Gebrauch von Netzen mit geringerer Maschenweite gestattet werden; doch wird dadurch an den Bestimmungen über Mindestmasse (Artikel 5) und Schonzeiten (Artikel 6) der Fische nichts geändert.
Art. 3
Treibnetze dürfen nicht derart ausgesetzt und befestigt werden, dass sie festliegen oder hängen bleiben.
Im Rheinstrom vom Fall bei Schaffhausen an abwärts und seinen Nebenflüssen, soweit sie den Durchzug der Lachse und Maifische zu den Laichplätzen vermitteln, dürfen Treibnetze beim Fischfang nur angewendet werden, wenn sie zwischen Ober- und Unterähre (Leine) nicht über 2,5 m breit sind.
Mehrere Treibnetze dürfen nur in einer Entfernung voneinander ausgeworfen werden, welche mindestens das Doppelte der Länge des grössten Netzes beträgt.
Sollte die am Niederrhein vorkommende Lachsfischerei mit Zegensbetrieb im Gebiet des Oberrheins eingeführt werden, so bleibt dieselbe in der Zeit vom 27. August bis zum 26. Oktober einschliesslich verboten.
Art. 4
Es ist verboten:
1. die Anwendung explodierender oder sonst schädlicher Stoffe (insbesondere von Dynamit, Sprengpatronen, giftigen Ködern und von Mitteln zur Betäubung der Fische);
2. die Anwendung von Fallen mit Schlagfedern, Fischgabeln und Geeren (Harpunen), Schiesswaffen und anderen derartigen Fangmitteln, welche eine Verwundung der Fische herbeiführen können. Der Gebrauch von Angeln ist gestattet;
3. die Anlegung neuer sogenannter Selbstfänge. Die bereits bestehenden müssen mit Öffnungen versehen sein, deren Weite der für die Maschenweite des Netzes (Artikel 2) vorgeschriebenen entspricht;
4.⁴
die Anwendung von Reusen zum Lachsfang während der Zeit vom 20. Oktober bis 24. Dezember;
5. das Trockenlegen der Wasserläufe zum Zwecke des Fischfangs;
6. der Fang zur Nachtzeit unter Anwendung menschlicher Tätitgkeit. Ausnahmen von diesem Verbot, insbesondere hinsichtlich der Fischerei auf Lachse und Maifische, können durch die Aufsichtsbehörde zugelassen werden.
⁴ Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. II).
Art. 5
Die nachbenannten Fischarten dürfen weder feilgeboten noch verkauft werden, wenn die Fische von der Kopfspitze bis zum Schwanzende (Schwanzspitzen) gemessen nicht wenigstens folgende Längen haben:
Lachs (Salm, Trutta Salar, L) = 50 cm;
Aal (Anguilla fluviatilis, Flem.) = 35 cm,
Zander (Schill, Lucioperca Sandra, L.) = 35 cm;
Hecht (Esox lucius, L.) = 30 cm,
Seeforelle (Trutta lacustris L.) = 30 cm;
Äsche (Thymallus vulgaris, Nils.) = 25 cm,
Saibling (Rötheli, Salmo Salvelinus, L.) = 25 cm,
Barba (Barbus fluviatilis, Agass.) = 25 cm;
Fluss- und Bachforelle (Trutta Fario, L.) = 20 cm,
Regenbogenforelle (Samo irideus, Gibb.) = 20 cm,
Weissfelchen (Sandfelchen, Coregonus Fera, Jur.) = 20 cm,
Blaufelchen (Coregonus Wartmanni, Bloch) = 20 cm,
Kropffelchen (Kilch, Coregonus hiemalis, Jur.) = 20 cm,
Grosse Maräne (Coregonus Maraena, Bloch) = 20 cm,
Amerikanische Maräne (White-fish, Coregonus albus = 20 cm,
Schleie (Tinca vulgaris, Cuv.) = 20 cm.
Werden untermässige Fische gefangen, so sind dieselben sofort wieder in das Wasser zu setzen.
Art. 6 ⁵
Für die nachbenannten Fischarten werden folgende Schonzeiten, während welcher dieselben nicht gefangen werden dürfen, festgesetzt:
1. vom 1. März bis 30. April für Äschen und Regenbogenforellen;
2. vom 1. April bis 31. Mai für Zander;
3. vom 1. Oktober bis 31. Dezember für Seeforellen;
4. vom 10. Oktober bis 10. Januar für Fluss- und Bachforellen;
5. vom 1. November bis 31. Dezember für Saiblinge (Rötheli);
6. vom 11. November bis 24. Dezember für Lachse (Salmen);⁶
7. vom 15. November bis 15. Dezember für Felchen (Weiss‑, Blau‑, Kropffelchen und Maränen).
Der Fang der sogenannten Silber- oder Schweb-(unfruchtbaren)Forellen im Bodensee während der Schonzeit ist gestattet.
Werden beim erlaubten Fang Fische, welche der Schonzeit unterliegen, mitgefangen, so sind dieselben sofort wieder in das Wasser zu setzen.
Die Fischerei auf Lachse (Salmen), ebenso diejenigen auf Felchen (Weiss‑, Blau‑, Kropffelchen und Maränen) kann auch während der Schonzeit (Abs. 1) betrieben werden, jedoch nur mit ausdrücklicher Erlaubnis der zuständigen Behörde. Diese Erlaubnis ist nur zu erteilen, wenn Sicherheit besteht, dass die Fortpflanzungselemente (Rogen und Milch) der gefangenen laichreifen Fische zu Zwecken der künstlichen Fischzucht Verwendung finden.
Wo letztere Voraussetzung vorliegt, oder wo Fische zu wissenschaftlichen Untersuchungen verwendet werden sollen, kann auch hinsichtlich der andern obenerwähnten Fischarten (Abs. 1) die Erlaubnis zum Fang durch die zuständige Behörde während der Schonzeit in einzelnen Fällen erteilt werden.
⁵ Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. II und III).
⁶ Gestützt auf Art. 12, Abs. 2, dieser Übereinkunft hat der Bundesrat die Schonzeit für den Lachs auf die Zeit vom 1. November bis 10. Januar festgesetzt. Siehe BRB vom 21. Oktober 1927 betreffend die Verlängerung der Lachs-Schonzeit ( SR 923.43 ).
Art. 7
Im Bodensee darf ausserdem in der Zeit vom 15. April bis Ende Mai die Netzfischerei nur an den tiefen Stellen des Sees mit schwebenden Netzen und unter sorgfältiger Vermeidung jeder Berührung der Halden (abfallenden Seeufer), der Reiser und der gesamten Wasserflora (Kräbs) ausgeübt werden.
Art. 8
Im Rheinstrom und in denjenigen Strecken seiner Nebenflüssen von Basel an abwärts, welche den Durchzug der Lachse und Maifische zu den Laichstellen vermitteln, soll die Fischerei auf Lachse und Maifische mit Geräten jeder Art auf die Dauer von 24 Stunden in jeder Woche vom Samstag abend 6 Uhr bis Sonntag abend 6 Uhr eingestellte werden.
Art. 9
Fische, deren Fang unter einem bestimmten Mass (Artikel 5) oder deren Fang zu einer bestimmten Zeit (Artikel 6) verboten ist, dürfen im ersten Fall nicht unter diesem Mass, im andern Fall nicht während dieser Zeit – die ersten drei Tage ausgenommen – feilgeboten, verkauft oder versendet werden. Unter den gleichen Voraussetzungen ist auch die Verabreichung solcher Fische in Wirtschaften zu untersagen.
Auf Lachse und Felchen, zu deren Fang gemäss Artikel 6, vorletzter Absatz, Erlaubnis erteilt worden ist, findet dieses Verbot keine Anwendung. Ausserdem können in ausserordentlichen Fällen, wie bei Abfischung von Teichen infolge von Naturereignissen oder sonstigen Notstandes (zum Beispiel durch Abschlagen von Wasserläufen etc.), sowie für Fische, welche zu Zwecken der Fischzucht bestimmt sind, die zuständigen Behörden unter der geeigneten Kontrolle ausnahmsweise Bewilligung zum Verkauf und Versand erteilen.
Art. 10
Es ist verboten, in Fischwasser Fabrikabgänge oder andere Stoffe von solcher Beschaffenheit und in solchen Mengen einzuwerfen, einzuleiten oder einfliessen zu lassen, dass dadurch dem Fischbestande Schaden erwächst oder die Fische vertrieben werden.
Ob und inwieweit die obige Vorschrift auf die bereits bestehenden Ableitungen aus landwirtschaftlichen oder aus gewerblichen Anlagen Anwendung finden soll, wird von der zuständigen Behörde bestimmt werden.⁷
⁷ Siehe hiezu den 4. Abschnitt des BG vom 14. Dez. 1973 über die Fischerei ( SR 923.0 ).
Art. 11
Jede Regierung der beteiligten Uferstaaten bestellt für ihr Gebiet einen Bevollmächtigten.
Diese Bevollmächtigten werden sich die von ihren Regierungen getroffenen Anordnungen über das Fischereiwesen im Rheingebiet gegenseitig mitteilen und von Zeit zu Zeit zusammenkommen, um über die zur Förderung der Fischerei im Rheingebiet zu ergreifenden Massregeln zu beraten.
Art. 12
Die kontrahierenden Regierungen verpflichten sich, in den Gesetzen und Verordnungen über Ausübung der Fischerei die in den Artikeln 1 bis 11 enthaltenen Bestimmungen soweit tunlich durchzuführen.⁸
Durch gegenwärtige Übereinkunft wird die Befugnis der einzelnen Staaten nicht ausgeschlossen, für ihre Gebiete strengere Bestimmungen zum Schutze der Fischerei zu treffen.⁹
⁸ Siehe das Kapitel «Fischerei» im Landesrecht ( SR 923 ).
⁹ Siehe BRB vom 21. Oktober 1927 betreffend die Verlängerung der Lachs-Schonzeit ( SR 923.43 ).
Art. 13
Das Geltungsgebiet dieser Übereinkunft ist der Bodensee und der Rhein vom Ausfluss aus dem Bodensee an abwärts. Die Bestimmungen der Übereinkunft, welche auf die Wanderfische (Lachse und Maifische) Bezug haben, gelten auch für die Zuflüsse des Rheins.
Art. 14
Diese Übereinkunft tritt alsbald nach ihrer Ratifikation in Kraft und bleibt von diesem Tage an zehn Jahre lang in Wirksamkeit. Nach Ablauf von zehn Jahren, vom Tag des Ratifikationsaustausches gerechnet, soll es jedem der drei vertragschliessenden Teile frei stehen, jederzeit mit einjähriger Kündigungsfrist von der Vereinbarung zurückzutreten.
Art. 15
Die gegenwärtige Übereinkunft soll ratifiziert und die Auswechslung der Ratifikationserklärung tunlichst bald bewirkt werden.
Unterschriften
Dessen zur Urkunde haben die Bevollmächtigten gegenwärtige Übereinkunft in dreifacher Ausfertigung vollzogen.
Geschehen zu Luzern, am achtzehnten Mai eintausendachthundertsiebenundachtzig (1887).
(Es folgen die Unterschriften)
Schlussprotokoll
Bei Unterzeichnung der Übereinkunft betreffend die Regelung der Fischereiverhältnisse im Rhein und seinen Zuflüssen einschliesslich des Bodensees haben die Bevollmächtigten für dienlich und erforderlich erachtet, in dem gegenwärtigen Schlussprotokolle folgende Erklärungen und Erläuterungen niederzulegen:
I.
Es herrscht unter den Bevollmächtigten Übereinstimmung dahin, dass die zeitweise gänzliche Absperrung eines Wasserlaufes für zulässig erachtet und gestattet werden könne, wenn infolge Abschlagens von Fischwassern, infolge Wassermangels oder anderer Ereignisse der Fischbestand zugrunde zu gehen droht. (Art. 1).
II.
Es wird festgestellt, dass bei Angabe von Fristen sowohl der erste als der letztgenannte Tag als eingeschlossen zu gelten haben. (Art. 4 Ziff. 4 und Art. 6 der Übereinkunft).
III.
Es bleibt vorbehalten, für das Fischereigebiet des Untersees auch bezüglich anderer, als der im Artikel 6 bezeichneten Fischarten Schonzeiten festzusetzen.
IV.
Es wird hier ausdrücklich hervorgehoben, dass die Festsetzung d. d. Basel 22./23. Oktober 1883 und die in Vollzug derselben erlassenen Vorschriften durch die gegenwärtige Übereinkunft nicht berührt werden.
V.
Unter den Bevollmächtigten besteht Einverständnis darüber, dass die seinerzeit gegenseitig übernommenen Verpflichtung, alljährlich eine nach der Uferlänge vom Rheinfall bei Schaffhausen abwärts bemessene Anzahl junger Lachse (auf den Kilometer Uferlänge mindestens 1000 Stück) in das Rheingebiet einzusetzen, für die Dauer der gegenwärtigen Übereinkunft in Geltung zu bleiben habe.
VI.
Es wird als wünschenswert erachtet, dass künftig in den Bodensee und Rhein neue Fischarten nicht ohne vorgängige gegenseitige Verständigung der Regierung der Uferstaaten eingesetzt werden.
Geschehen zu Luzern, am achtzehnten (18.) Mai eintausendachthundertsiebenundachtzig (1887).
(Es folgen die Unterschriften)
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