Verordnung über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (281.41)
CH - Schweizer Bundesrecht

Verordnung über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen

(VVAG) ¹ vom 17. Januar 1923 (Stand am 1. Januar 2017) ¹ Fassung gemäss Ziff. I der V vom 29. Juni 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2017 ( AS 2016 2643 ).
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf Artikel 15 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889² über Schuldbetreibungs- und Konkurs (SchKG),³
verordnet:
² SR 281.1 ³ Fassung gemäss Ziff. I der V vom 29. Juni 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2017 ( AS 2016 2643 ).

I. Pfändung

Gegenstand der Pfändung

Art. 1
¹ Hat der betriebene Schuldner am Vermögen einer ungeteilten Erb­schaft, Gemeinderschaft, Kollektivgesellschaft, Kommanditge­sell­schaft oder ähnlichen Gemeinschaft Anteil, so kann sich die Pfän­dung des Anteilsrechtes nur auf den ihm bei der Liquidation der Ge­mein­schaft zufallenden Liquidationsanteil erstrecken, und zwar auch dann, wenn das gemeinschaftliche Vermögen aus einem einzigen Ge­gen­stand besteht.
² Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner am Vermögen einer ein­fa­chen Gesellschaft Anteil hat und nicht im Gesellschaftsvertrag aus­drücklich vereinbart worden ist, das Gesellschaftsvermögen stehe im Miteigentum der Gesellschafter.
³ Der periodische zukünftige Ertrag (Zinse, Honorar, Gewinnan­teile) eines Gemeinschaftsvermögens kann jeweilen nur auf die Dauer ei­nes Jahres besonders gepfändet werden.

Zuständigkeit

Art. 2
¹ Zuständig zur Pfändung des Anteilsrechts und des Ertrages ist das Betreibungsamt des Wohnorts des Schuldners, auch wenn sich das Gemeinschaftsvermögen oder Teile desselben (Grundstücke oder Fahrnis) in einem andern Betreibungskreis befinden.
² Befindet sich der Wohnort des Schuldners im Ausland, so ist zur Pfändung des Anteilsrechts an einer unverteilten Erbschaft und des Ertrages daraus das Betreibungsamt am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig. Hat der Erblasser keinen letzten Wohnsitz in der Schweiz und besteht eine Zuständigkeit in der Schweiz nach Artikel 87 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987⁴ über das Inter­nationale Privatrecht, so ist jedes Betreibungsamt, in dessen Betreibungskreis sich Vermögenswerte befinden, zuständig.⁵
⁴ SR 291
⁵ Eingefügt durch Ziff. I der V vom 29. Juni 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2017 ( AS 2016 2643 ).

Reihenfolge der Pfändung

Art. 3 ⁶
Anteilsrechte sollen vor Vermögensstücken, die von Dritten angespro­chen werden, im übrigen aber immer erst in letzter Linie und nur dann gepfändet werden, wenn die blosse Pfändung des auf den betriebenen Schuldner allfällig entfallenden Ertrages seines Anteils zur Deckung der in Betreibung gesetzten Forderung nicht genügt.
⁶ Fassung gemäss Ziff. I der V des BGer vom 5. Juni 1996, in Kraft seit 1. Jan. 1997 ( AS 1996 2897 ).

Widerspruchs­ver­fahren

Art. 4 ⁷
Ergibt sich aus dem Eintrag im Grundbuch, dass der betriebene Schuldner an einem Grundstück nicht ein nach Bruchteilen ausge­schiedenes Miteigentum, sondern die Rechte eines Gesamteigentü­mers besitzt, so kann der Gläubiger immerhin verlangen, dass ein Miteigentumsanteil des betriebenen Schuldners gepfändet werde, wenn er glaubhaft macht, dass der Grundbucheintrag unrichtig ist. Zuständig zur Vornahme dieser Pfändung ist das Betreibungsamt der gelegenen Sache (vgl. Art. 23 d  der V des BGer vom 23. April 1920⁸ über die Zwangsverwertung von Grundstücken). Dem Gläubi­ger ist jedoch in einem solchen Falle sofort nach Artikel 108 SchKG Frist zur Klage gegen die andern im Grundbuch eingetragenen Ge­samteigentümer anzusetzen. Wird die Frist nicht eingehalten oder der Gläubiger vom Gericht abgewiesen, so fällt die Pfändung des Mitei­gentums dahin und ist das Anteilsrecht am Gesamteigentum zu pfän­den.
⁷ Fassung gemäss Ziff. I der V des BGer vom 5. Juni 1996, in Kraft seit 1. Jan. 1997 ( AS 1996 2897 ).
⁸ SR 281.42

Vollzug der Pfän­dung; Schät­zung

Art. 5
¹ Kommt es zur Pfändung eines Anteilsrechts an einem Gemein­schaftsvermögen, so sind in der Pfändungsurkunde die sämtlichen Mitanteilhaber und ist auch die besondere Art des Gemeinschafts­ver­hältnisses, in dem diese stehen, vorzumerken. Der Schuldner ist zur Auskunft darüber verpflichtet. Die Bestandteile des Gemein­schafts­vermögens sind nicht einzeln aufzuführen und zu schätzen.
² Gehören Grundstücke zum Gemeinschaftsvermögen, so wird eine Verfügungsbeschränkung beim Grundbuch nicht angemeldet. Die Anwendung von Artikel 98 Absätze 1, 3 und 4 SchKG auf bewegli­che Sachen des Gemeinschaftsvermögens ist ausgeschlossen.
³ Kann der Wert des Anteilsrechts ohne eingehende Erhebungen nicht ermittelt werden, so genügt eine Feststellung darüber, ob nach Pfän­dung des Anteilsrechts die Forderungen der pfändenden Gläubiger durch den Schätzungswert aller gepfändeten Gegen­stände gedeckt erscheinen, oder ob die Pfändungsurkunde als pro­visorischer Verlust­schein zu betrachten ist.

Wirkung gegen­über den Mit­anteilhabern

Art. 6
¹ Sowohl die Pfändung des Anteilsrechts selbst als auch des peri­odi­schen Ertrages ist den sämtlichen Mitanteilhabern mitzuteilen, mit der Weisung, in Zukunft fällig werdende, auf den Schuldner entfal­lende Erträgnisse dem Betreibungsamt abzuliefern, und mit der An­zeige, dass sie sämtliche für den Schuldner bestimmten, die Gemein­schaft betreffenden Mitteilungen in Zukunft dem Betrei­bungsamt zu ma­chen haben und Verfügungen über die zur Ge­meinschaft gehören­den Ver­mögensgegenstände, für welche an sich die Zustimmung des Schuld­ners erforderlich wäre, nurmehr mit Zustimmung des Betrei­bungsam­tes vornehmen dürfen.
² Handelt es sich um eine unverteilte Erbschaft, so kann zugleich, wenn ein gemeinsamer Vertreter der Erbengemeinschaft nach Arti­kel 602 ZGB⁹ noch nicht bestellt ist, die Bezeichnung eines sol­chen ver­langt werden, dem alsdann behufs Wahrung der Rechte der pfän­den­den Gläubiger die Pfändung anzuzeigen ist.
⁹ SR 210

Kündigung einer Handels­gesell­schaft

Art. 7 ¹⁰
Die Rechte auf Kündigung einer Kollektiv- und Kommanditgesell­schaft gemäss Artikel 575 Absatz 2 OR¹¹ kann der Gläubiger erst aus­üben, nachdem er das Verwertungsbegehren gestellt hat und die Ver­handlungen vor dem Betreibungsamt oder der Aufsichtsbehörde gemäss den Artikeln 9 und 10 hiernach nicht zu einer Verständigung ge­führt haben.
¹⁰ Fassung gemäss Ziff. I der V des BGer vom 5. Juni 1996, in Kraft seit 1. Jan. 1997 ( AS 1996 2897 ).
¹¹ SR 220

II. Verwertung

Frist zur Stel­lung des Verwer­tungs­be­gehrens. Ab­schlagsvertei­lungen

Art. 8
¹ Auch wenn Grundstücke zum Gemeinschaftsvermögen gehören, so gelten für die Stellung des Verwertungsbegehrens die für die Verwer­tung von beweglichen Vermögensstücken, Forderungen und andern Rechten aufgestellten Vorschriften des Artikels 116 SchKG.¹²
² Die nach der Pfändung des Liquidationsanteiles fällig werdenden, dem Schuldner zukommenden Erträgnisse des Gemeinschaftsver­mö­gens können, selbst wenn sie in der Pfändungsurkunde nicht be­son­ders erwähnt sind, den pfändenden Gläubigern auch ohne be­sonderes Verwertungsbegehren als Abschlagszahlung abgeliefert werden.
¹² Fassung gemäss Ziff. I der V des BGer vom 5. Juni 1996, in Kraft seit 1. Jan. 1997 ( AS 1996 2897 ).

Einigungs­verhandlungen

Art. 9
¹ Wird die Verwertung eines Anteilsrechts an einem Gemein­schafts­vermögen verlangt, so versucht das Betreibungsamt zu­nächst, zwi­schen den pfändenden Gläubigern, dem Schuldner und den andern Teilhabern der Gemeinschaft eine gütliche Einigung herbeizuführen, sei es durch Abfindung der Gläubiger, sei es durch Auflösung der Gemeinschaft und Feststellung des auf den Schuld­ner entfallenden Liquidationsergebnisses.
² Die Gemeinschafter sind zur Vorlage der Bücher und aller Belege verpflichtet, welche zur Feststellung des Abfindungswertes not­wen­dig sind. Die Gläubiger erhalten jedoch nur mit Einwilligung aller Gemeinschafter Einsicht in die Bücher und Belege.
³ Die obere kantonale Aufsichtsbehörde kann zur Vornahme dieser Einigungsverhandlungen sich selbst oder die untere Aufsichtsbe­hörde als zuständig erklären.

Verfügungen der Aufsichts­behörde

Art. 10
¹ Gelingt eine gütliche Verständigung nicht, so fordert das Betrei­bungsamt oder die Behörde, welche die Einigungsverhandlungen lei­tet, die pfändenden Gläubiger, den Schuldner und die Mitanteil­haber auf, ihre Anträge über die weiteren Verwertungsmassnahmen innert zehn Tagen zu stellen, und übermittelt nach Ablauf dieser Frist die sämtlichen Betreibungsakten der für das Verfahren nach Artikel 132 SchKG zuständigen Aufsichtsbehörde. Diese kann nochmals Eini­gungsverhandlungen anordnen.
² Die Aufsichtsbehörde verfügt unter möglichster Berücksichtigung der Anträge der Beteiligten, ob das gepfändete Anteilsrecht als sol­ches versteigert, oder ob die Auflösung der Gemeinschaft und Li­qui­dation des Gemeinschaftsvermögens nach den für die betref­fende Gemein­schaft geltenden Vorschriften herbeigeführt werden soll.
³ Die Versteigerung soll in der Regel nur dann angeordnet werden, wenn der Wert des Anteilsrechts gestützt auf die im Pfändungsver­fah­ren oder beim Einigungsversuch gemachten Erhebungen annä­hernd bestimmt werden kann. Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, über die­sen Wert neue Erhebungen, insbesondere die Inventarisie­rung des Gemeinschaftsvermögens, anzuordnen.
⁴ Den Gläubigern, welche die Auflösung der Gemeinschaft verlangen, ist eine Frist zur Vorschussleistung anzusetzen mit der Androhung, es werde andernfalls das Anteilsrecht als solches versteigert.¹³
¹³ Eingefügt durch Ziff. I der V des BGer vom 5. Juni 1996, in Kraft seit 1. Jan. 1997 ( AS 1996 2897 ).

Versteigerung des Anteilrechts

Art. 11
¹ Bei der Versteigerung gemäss Artikel 10 ist als Steigerungsge­gen­stand ausdrücklich der Liquidationsanteil des Schuldners an der ge­nau zu bezeichnenden Gemeinschaft mit den namentlich zu nen­nen­den Mitanteilhabern anzugeben. Letztere sind durch Spezialan­zeige gemäss Artikel 125 Absatz 3 SchKG von Zeit und Ort der Steigerung in Kenntnis zu setzen.
² Dem Ersteigerer ist eine schriftliche Bescheinigung des Betrei­bungsamtes darüber auszustellen, dass die Ansprüche des Schuld­ners auf Teilung der Gemeinschaft und Zuweisung des Liquidati­onserlö­ses auf ihn übergegangen sind.

Rechtsvorkehren zur Liqui­dation der Gemein­schaft

Art. 12
Hat die Aufsichtsbehörde die Auflösung und Liquidation des Ge­mein­schaftsverhältnisses angeordnet, so trifft das Betreibungsamt oder ein von der Aufsichtsbehörde allfällig hiefür bezeichneter Ver­walter die zur Herbeiführung derselben erforderlichen rechtli­chen Vorkehrungen und übt dabei alle dem betriebenen Schuldner zuste­henden Rechte aus. Handelt es sich um eine Erbengemein­schaft, so hat das Betrei­bungsamt die Vornahme der Teilung unter Mitwirkung der nach Arti­kel 609 ZGB¹⁴ zuständigen Behörde zu verlangen.
¹⁴ SR 210

Abtretung des Li­quidations­anspruchs an die Gläubiger

Art. 13
¹ Widersetzt sich einer der Mitanteilhaber der Auflösung der Ge­mein­schaft, so bietet das Betreibungsamt den Gläubigern den An­spruch auf Auflösung der Gemeinschaft und Liquidation des Ge­meinschafts­ver­mögens zur Geltendmachung auf eigene Gefahr gemäss Artikel 131 Absatz 2 SchKG an. Macht kein Gläubiger in­nert der angesetzten Frist von diesem Angebot Gebrauch, so wird das Anteilsrecht ver­steigert.
² Die Abtretung des Anspruchs ist ausgeschlossen bei Anteilsrechten an Erbschaften, an welchen der Schuldner unstreitig beteiligt und die unstreitig nicht geteilt sind, deren Teilung aber von den Miterben abgelehnt wird. Auf die Gläubiger, welche die Kosten des zur Herbei­führung der Erbteilung nötigen Verfahrens vorgeschossen haben, ist Artikel 131 Absatz 2 dritter Satz SchKG entsprechend anwendbar.¹⁵
¹⁵ Eingefügt durch Ziff. I der V des BGer vom 5. Juni 1996, in Kraft seit 1. Jan. 1997 ( AS 1996 2897 ).

Verwertung des Liquidations­ergebnisses

Art. 14
¹ Wird bei der Liquidation des Gemeinschaftsvermögens der Wert des gepfändeten Anteils nicht in Geld ausgewiesen, so verwertet das Betreibungsamt die auf den gepfändeten Anteil zugeteilten Vermö­gens­gegenstände ohne besonderes Begehren der Gläubiger unverzüg­lich.
² Die gemäss Artikel 131 Absatz 2 SchKG zur Geltendmachung des Anspruchs auf Auflösung der Gemeinschaft ermächtigten Gläubiger sind verpflichtet, diese Vermögensgegenstände dem Betreibungsamt zur Verwertung zur Verfügung zu stellen; handelt es sich um Geld, so können sie den zur Deckung ihrer Auslagen und Forderungen erfor­derlichen Betrag zurückbehalten, haben aber dem Betreibungsamt Abrechnung zu erteilen und den Überschuss an dieses abzuliefern.¹⁶
³ Die Verwertung erfolgt unter Beobachtung der Vorschriften der Artikel 92, 119 Absatz 2, 122 Absatz 2, 125–131, 132 a  und 134–143 b   SchKG sowie sinngemäss des Artikels 15 Buchstabe a der Verord­nung des BGer vom 23. April 1920¹⁷ über die Zwangsverwertung von Grund­stücken. Die Gegenstände sind vor der Verwertung zu schätzen; die Schätzung ist dem Schuldner und allen Pfändungsgläubigern mitzutei­len.¹⁸
¹⁶ Fassung gemäss Ziff. I der V des BGer vom 5. Juni 1996, in Kraft seit 1. Jan. 1997 ( AS 1996 2897 ).
¹⁷ SR 281.42
¹⁸ Fassung gemäss Ziff. I der V des BGer vom 5. Juni 1996, in Kraft seit 1. Jan. 1997 ( AS 1996 2897 ).
Art. 15 ¹⁹
¹⁹ Aufgehoben durch Ziff. I der V des BGer vom 5. Juni 1996, mit Wirkung seit 1. Jan. 1997 ( AS 1996 2897 ).

III. Verwertung im Konkurs

Verfügung der Konkurs­verwaltung

Art. 16
¹ Im Konkursverfahren bestimmt die Konkursverwaltung unter Vor­behalt der Kompetenzen des Gläubigerausschusses und der Gläubi­gerversammlung die Art der Verwertung der zur Konkurs­masse ge­hö­renden Anteilsrechte.
² Die Bestimmungen der Artikel 9 Absatz 2 und 11 dieser Verord­nung sind entsprechend anwendbar.

IV. Schlussbestimmung

Inkrafttreten

Art. 17
¹ Die vorliegende Verordnung tritt am 1. April 1923 in Kraft.
² …²⁰
²⁰ Gegenstandslose UeB.
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