Abkommen (0.732.323.49)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen

zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik über den Informationsaustausch bei Zwischenfällen oder Unfällen, die radiologische Auswirkungen haben können Abgeschlossen am 30. November 1989 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 18. Januar 1990 (Stand am 31. August 2004) ¹ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Aus­gabe dieser Sammlung.
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Französischen Republik,
in Erwägung der Bestimmungen des in Wien am 26. September 1986² angenommenen internationalen Übereinkommens über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen,
im Bestreben, die gegenseitigen Vertrauensbande zwischen den beiden Ländern zu stärken und die Wirksamkeit der beiderseitigen Dispositive zum Schutz der Bevölkerung in Notfallsituationen, die grenzüberschreitende radiologische Auswirkungen haben können, sicherzustellen,
im Bestreben, die gegenseitige Information über den Betrieb bestimmter nuklearer Einrichtungen zu verstärken,
sind wie folgt übereingekommen:
² SR 0.732.321.1
Art. 1
Die Vertragsparteien unterrichten sich gegenseitig und unverzüglich über jeden Unfall, der radiologische Auswirkungen haben kann, sich auf ihrem Gebiet infolge ziviler Tätigkeit ereignet und das andere Land berühren kann.
Art. 2
Zusätzlich zu den für die Anwendung des in Wien am 26. September 1986³ an­ge­nommenen internationalen Übereinkommens über die frühzeitige Benach­richtigung bei nuklearen Unfällen vorgesehenen Bestimmungen errichten und unterhalten die Vertragsparteien ein besonderes System zur gegenseitigen Infor­mation für den Fall, dass die Notfallsituation betrifft:
– die französischen Werke von Bugey, Fessenheim und Creys‑Malville,
– die schweizerischen Werke von Mühleberg, Leibstadt, Gösgen und Beznau,
– den Transport radioaktiver Substanzen in den französischen Grenzdeparte­menten zur Schweiz und den schweizerischen Grenzkantonen zu Frankreich.
³ SR 0.732.321.1
Art. 3
Es werden, soweit nötig, Zentren für die gegenseitige Alarmierung eingerichtet, auf französischer Seite im Centre Opérationnel de la Direction de la Sécurite Civile in Paris, auf schweizerischer Seite in der Nationalen Alarmzentrale in Zürich.
Art. 4
Die Vertragsparteien sorgen für die Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen den Alarmzentren. Jede Änderung, die eines der Alarmzentren betrifft und die Bedingungen für die rasche Übermittlung von Informationen ändern kann, ist von diesem Zentrum unverzüglich und schriftlich dem andern Zentrum zu melden.
Art. 5
Das besondere System zur gegenseitigen Information muss in der Lage sein, allfällige Informationen über eine Notfallsituation, die grenzüberschreitende radiologische Auswirkungen haben kann, 24 Stunden auf 24 Stunden zu empfangen und zu übermitteln.
Art. 6
Zu diesem Zweck werden die nötigen Übermittlungsnetze dauernd in betriebsfähigem Zustand gehalten, ihre Zuverlässigkeit periodisch überprüft und angemessene Verfahren zum guten Betrieb geschaffen.
Art. 7
Die Informationen über Notfallsituationen, die durch diese Zentren zur gegenseitigen Information gegeben werden, müssen alle verfügbaren Angaben enthalten, welche die Beurteilung der Gefährdung ermöglichen, namentlich
– Datum, Zeitpunkt und Ort des Ereignisses,
– Art des Ereignisses,
– Merkmale der allfälligen Emission (Art, physikalische und chemische Form und, soweit möglich, Menge der abgegebenen radioaktiven Stoffe),
– voraussichtliche zeitliche Entwicklung der Emission,
– Art des Verfrachtungsmediums (Luft und/oder Wasser),
– meteorologische und hydrologische Angaben, die die Voraussage der ört­lichen Entwicklung erlauben.
Art. 8
Die Notfallmeldungen sind durch die verfügbaren Angaben über die im betroffenen Land zum Schutz der Bevölkerung getroffenen oder beabsichtigten Massnahmen zu ergänzen.
Art. 9
Die Angaben über die Entwicklung der Lage auf beiden Seiten, namentlich die Beendigung der Notfallsituation, bilden Gegenstand ergänzender Meldungen.
Art. 10
In Notfallsituation im Sinne von Artikel 1 kann, wenn es beide Vertragsparteien als angezeigt erachten, jede der beiden eine Person bezeichnen, der die Eigenschaft eines Korrespondenten auf dem Gebiet der andern Vertragsparteien zukommt. Die Vertragsparteien bemühen sich, die Erfüllung der Aufgabe dieses Korrespondenten zu erleichtern. Er ist ermächtigt, die gesammelten Informationen den zuständigen Diensten seines eigenen Staates zu übermitteln.
Art. 11
Für Notfallsituationen, die nicht unter die Bestimmungen von Artikel 1 fallen, sich auf dem Gebiet einer Vertragspartei ereignen und radiologische Auswirkungen auf das Gebiet der andern Vertragspartei haben können, wird das durch dieses Abkommen vorgesehene Informationsverfahren ebenfalls angewandt, unter dem Vorbehalt, dass Angaben, die der militärischen Geheimhaltungspflicht unterstehen, nicht weitergeleitet werden.
Art. 12
Anderseits informieren sich die Vertragsparteien gegenseitig, im Bestreben, jede ungerechtfertigte Beunruhigung ihrer Bevölkerungen zu vermeiden, über jeden Zwischenfall, der nicht unter Artikel 1 fällt und Gegenstand einer Information der Öffentlichkeit bilden kann, wenn er die französischen Werke Bugey, Fessenheim und Creys‑Malville und die schweizerischen Werke Mühleberg, Leibstadt, Gösgen und Beznau betrifft.
Art. 13
Die Einzelheiten der Anwendung dieses Abkommens werden in einem Briefwechsel zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik festgelegt.
Art. 14
Die Zuständigkeit der Behörden zur Durchführung dieses Abkommens richtet sich nach der innerstaatlichen Ordnung der Vertragsstaaten.
Art. 15
Dieses Abkommen tritt an dem Tag in Kraft, an welchem die Vertragsparteien einander bekanntgeben, dass die innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind. Es kann jederzeit von einer Partei gekündigt werden. Die Kündigung wird ein Jahr nach ihrer Mitteilung an die andere Vertragspartei wirksam.
Mit dem Inkrafttreten dieses Abkommens werden das Abkommen vom 18. Oktober 1979⁴ zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik über den Informationsaustausch bei radiologischen Zwischenfällen und der Notenaustausch vom 25. März 1986/15. Januar 1987 zwischen der Schweizerischen Botschaft in Paris und dem Französischen Aussenministerium über die Information betreffend den Brüter «Superphénix» von Creys‑Malville aufgehoben.
⁴ [ AS 1980 19 ]

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die dazu gehörig bevollmächtigten Vertreter der beiden Regierungen dieses Abkommen unterzeichnet.
Geschehen zu Bern, am 30. November 1989, in zwei Unterschriften in französischer Sprache.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für die Regierung
der Französischen Republik:

R. Felber

Ph. Cuvillier

Briefwechsel vom 30. November 1989

Französische Botschaft

Bern, den 30. November 1989

in der Schweiz

Der Botschafter

Seiner Exzellenz Herrn René Felber

Bundesrat

Vorsteher des Eidgenössischen Departements

für auswärtige Angelegenheiten

Bern

Herr Bundesrat,
Ich habe die Ehre, den Empfang Ihres Schreibens vom 30. November 1989 zu bestätigen, das folgenden Inhalt hat:
«Das Abkommen vom 30. November 1989 zwischen der Regierung der Französischen Republik und dem Schweizerischen Bundesrat über den Informationsaustausch bei Zwischenfällen oder Unfällen, die radiologische Auswirkungen haben können, bestimmt in seinem Artikel 13, dass die Einzelheiten seiner Anwendung in einem Briefwechsel zwischen den beiden Regierungen festgelegt werden.
Folglich und zur Wahrung des Zusammenhangs zwischen der Anwendung des Abkommens vom 30. November 1989 und derjenigen des in Wien am 26. September 1986⁵ angenommenen internationalen Übereinkommens über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen sind die französischen und die schweizerischen Behörden übereingekommen, die Einzelheiten des Informationsaustausches zwischen den beiden Ländern festzulegen, sowohl was die Zwischenfälle ohne radiologische Auswirkungen, die aber die Bevölkerung beunruhigen können, als Unfälle, die radiologische Auswirkungen haben und das andere Land berühren können, betrifft.
Diese Einzelheiten sind die folgenden: I Die Bestimmungen des in Wien am 26. September 1986 angenomme­nen internationalen Übereinkommens über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen sind unbeschadet der Durchführung des durch diesen Briefwechsel in den folgenden Artikeln festge­legten besonderen Verfahrens anwendbar.
So wird bei nuklearen Unfällen, die grenzüberschreitende Ausfälle radio­aktiver Substanzen zur Folge haben können, die in Artikel 2 des vorgenannten Übereinkommens vorgesehene Benachrichtigung vorgenommen:

auf französischer Seite: durch Vermittlung des Aussenministeriums (Kontaktstelle) nach Weisungen der Direction générale de la sûreté nucléaire et de la radioprotection im Ministère de l’Economie, des Finances et de l’Industrie⁶ (zuständige Behörde) an die schweizerische Kontaktstelle (Nationale Alarmzentrale in Zürich);

auf schweizerischer Seite: durch die Nationale Alarmzentrale in Zürich (Kontaktstelle) nach Weisungen des Bundesamtes für Gesundheitswesen in Bern (zuständige Behörde) an die französische Kontaktstelle (Aussenministerium).

II Anderseits wird, wie sich aus den Artikeln 2 und 3 des Abkommens zwischen der Regierung der Französischen Republik und dem Schweizerischen Bundesrat ergibt, ein besonderes Informationssystem für die spezifischen, nachfolgend aufgezählten Fälle eingerichtet:

II. A

Bei einem Unfall mit radiologischen Auswirkungen, der sich in den französischen Werken von Fessenheim, Bugey und Creys‑Malville (mit Auslösung in Frankreich eines Notfallplans) ereignen, ist der CODISC (Centre Opérationnel de la Direction de la Sécurité Civile du Ministère de l’Intérieur) beauftragt, die Nationale Alarmzentrale in Zürich zu alarmieren.

II. B

Bei einem Unfall mit radiologischen Auswirkungen, der sich in den schweizerischen Werken Mühleberg, Leibstadt, Gösgen und Beznau ereignet, ist die Nationale Alarmzentrale in Zürich beauftragt, den CODISC zu alarmieren.

II. C

Bei einem Unfall mit radiologischen Auswirkungen, der sich während eines Transports radioaktiver Substanzen in den französischen Departementen an der Grenze zur Schweiz (Haut‑Rhin, Jura, Doubs, Ain, Haute‑Savoie, Territoire de Belfort) ereignet, ist der CODISC beauftragt, die Nationale Alarmzentrale in Zürich zu alarmieren.

II. D

Bei einem Unfall mit radiologischen Auswirkungen, der sich während eines Transports radioaktiver Substanzen in den Kantonen an der Grenze zu Frankreich (Basel‑Stadt, Basel-Landschaft, Solothurn, Bern, Jura, Neuenburg, Waadt, Genf, Wallis) ereignet, ist die Nationale Alarmzentrale in Zürich beauftragt, den CODISC zu alarmieren.

III In Anwendung von Artikel 12 des Abkommens zwischen der Regierung der Französischen Republik und dem Schweizerischen Bundesrat erfolgt bei Zwischenfällen ohne radiologische Auswirkungen in den vorgenannten drei französischen und vier schweizerischen Werken die erste Benachrichtigung direkt zwischen dem CODISC und der Nationalen Alarmzentrale in Zürich.
Nähere Einzelheiten werden in der Folge durch direkten Kontakt zwischen den zuständigen Behörden mitgeteilt.
IV Der Informationsaustausch zwischen dem CODISC und der Nationalen Alarmzentrale in Zürich erfolgt grundsätzlich in französischer Sprache.
V Die Überprüfung der Durchführung der Einzelheiten des Informationsaustausches soll periodisch erfolgen. Die erste Überprüfung soll ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Briefwechsels vorgenommen werden.
VI Die Listen⁷ der in den Artikeln I bis III aufgeführten Stellen mit den Adressen, Telefon‑, Telex‑ und Telefaxnummern sind diesem Briefwechsel beigefügt. Jede Änderung wird der andern Partei durch das Bundesamt für Energiewirtschaft auf schweizerischer Seite und das Secrétariat Général du Comité Interministériel de la Sécurité nucléaire auf französischer Seite mitgeteilt.
Dieser Brief und die Antwort Eurer Exzellenz bilden ein Abkommen zwischen den beiden Regierungen, das gleichzeitig mit dem Abkommen zwischen der Regierung der Französischen Republik und dem Schweizerischen Bundesrat über den Informationsaustausch bei Zwischenfällen oder Unfällen, die radiologische Auswirkungen haben können, in Kraft tritt. Es bleibt solange wie das genannte Abkommen in Kraft.»
Ich habe die Ehre, Ihnen als Antwort mitzuteilen, dass die vorstehenden Ausführungen die Zustimmung Frankreichs finden und zu bestätigen, dass Ihr Schreiben vom 30. November 1989 und diese Antwort ein Abkommen zwischen unseren beiden Regierungen bezüglich der Einzelheiten der Anwendung des Abkommens vom 30. November 1989 zwischen der Regierung der Französischen Republik und dem Schweizerischen Bundesrat über den Informationsaustausch bei Zwischenfällen oder Unfällen, die radiologische Auswirkungen haben können, bildet.
Ich versichere Sie, Herr Bundesrat, meiner ausgezeichneten Hochachtung.

Philippe Cuvillier

⁵ SR 0.732.321.1
⁶ Neue Bezeichnung gemäss Notenaustausch in Kraft getreten am 26. Mai 2004 ( AS 2004 3987 ).
⁷ In der AS nicht veröffentlicht.
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