Handelsübereinkunft zwischen der Schweiz und Lettland (0.946.297.726)
CH - Schweizer Bundesrecht

Handelsübereinkunft zwischen der Schweiz und Lettland

Abgeschlossen am 4. Dezember 1924 Von der Bundesversammlung genehmigt am 18. Dezember 1924² Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 2. Mai 1925 In Kraft getreten am 2. Mai 1925 (Stand am 2. Mai 1925) ¹ Übersetzung des französischen Originaltextes. ² AS 41 310
Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und die Regierung der Republik Lettland,
vom Wunsche geleitet, die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern zu begünstigen und auszudehnen, haben beschlossen, eine Über­einkunft zu vereinbaren und für diesen Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
die nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Voll­­machten
folgende Artikel vereinbart haben:
Art. 1
Die Angehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile, die im Gebiete des andern Teils niedergelassen sind, sollen in bezug auf die Ausübung von Hand­werken und Berufen, den Betrieb gewerblicher und industrieller Unternehmun­gen, den erlaubten Handel und Verkehr, in jeder Hinsicht den Angehörigen der meist­begünstigten Nation gleichgestellt sein, vorausgesetzt, dass sie die Landes­gesetze befolgen. Die im letzten Absatz des Art. 13 vorgesehenen Ausnahmen bleiben vorbehalten.
Art. 2
Die Angehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile können, indem sie die Landesgesetze befolgen, unter den gleichen Bedingungen wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation, die erforderlichen Häuser, Fabriken, Lagerräume, Läden und andern Räumlichkeiten erwerben, besitzen, mieten und innehaben, sowie Grundstücke zu erlaubtem Gebrauch pachten.
In allem, was die Übertragung beweglichen Eigentums durch testamentarische oder andere Nachfolge und das Recht der wie immer gearteten Verfügung über Vermögen aller Art, das sie auf legalem Wege erwerben können, anbelangt, werden sie, indem sie die Landesgesetze befolgen, auf dem Gebiete des andern vertragschliessenden Teils dieselben Vorrechte, Freiheiten und Rechte geniessen wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation und in dieser Hinsicht keinen andern oder höhern wie immer benannten Gebühren, Abgaben, Steuern oder Lasten unterliegen, als jetzt oder in Zukunft auf Angehörige der meistbegünstigten Nation zur Anwendung gelangen.
Art. 3
Die Angehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile können, indem sie die Landesgesetze befolgen, den Erlös aus dem Verkauf ihres Eigentums und ihr Vermögen überhaupt frei ausführen, ohne dafür andere oder höhere Abgaben entrichten zu müssen, als die Angehörigen der meistbegünstigten Nation im gleichen Falle zu bezahlen hätten.
Art. 4
Die Angehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile geniessen, sofern sie die Landesgesetze befolgen, völligen Schutz und Sicherheit für sich und ihr Eigentum. Sie haben freien Zutritt zu den Gerichten aller Instanzen und zu den andern zuständigen Behörden, sei es um eine Beschwerde anzubringen oder um ihre Rechte zu verteidigen. In allem, was die Rechtspflege anbetrifft, haben sie allgemein Anspruch auf die gleichen Rechte und Vorrechte wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation, und sie können, wie diese, nach den Landesgesetzen zugelassene Advokaten oder Bevollmächtigte für die Wahrung ihrer Interessen frei wählen.
Art. 5
Die Häuser, Lagerräume, Fabriken und Läden von Angehörigen des einen vertragschliessenden Teils, die im Gebiete des andern niedergelassen sind, sowie alle Räumlichkeiten, die dazu gehören und zu erlaubten Zwecken gebraucht werden, sollen gemäss den Landesgesetzen geachtet werden. Es ist nicht gestattet, darin Durchsuchungen oder Nachforschungen vorzunehmen oder Bücher, Papiere oder Rechnungen der Beteiligten zu prüfen oder einzusehen, ausgenommen unter den durch die Landesgesetze vorgeschriebenen Bedingungen und Formen.
Art. 6
Die Angehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile sollen auf dem Gebiete des andern von jeder Art Militärdienst, und von jeder Geld- oder Naturalleistung als Ersatz für persönlichen Dienst, befreit sein. Sie sind der Teilnahme an Zwangsanleihen oder Zwangsabgaben enthoben.
In Friedens‑ und in Kriegszeiten sind sie nur denjenigen militärischen Leistungen und Requisitionen unterworfen, die den Angehörigen der meistbegünstigten Nation in gleichem Masse und nach den nämlichen Grundsätzen, und immer gegen eine gerechte Entschädigung, auferlegt werden.
Die Angehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile sind auch von der Übernahme und Ausübung aller richterlichen, administrativen oder kommunalen Ämter irgendwelcher Art befreit.
Art. 7
Die Angehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile werden, wenn sie die Landesgesetze befolgen, keinen andern oder höhern Lasten, Gebühren, Steuern, Abgaben oder Beiträgen irgendwelcher Art unterliegen als den Angehörigen der meistbegünstigten Nation jetzt oder in Zukunft auferlegt sind. Die Bestimmungen des letzten Absatzes des Art. 13 über den Gewerbebetrieb im Umherziehen, den Hausierhandel und das Aufsuchen von Bestellungen bleiben jedoch vorbehalten.
Art. 8
Aktien‑ oder andere Gesellschaften, die nach den Gesetzen des einen der vertragschliessenden Teile in gültiger Weise errichtet sind oder werden und ihren Sitz in seinem Gebiet haben, werden im andern Staate gesetzlich anerkannt, sofern sie nicht einen unerlaubten oder den guten Sitten zuwiderlaufenden Zweck verfolgen. Indem sie die Gesetze und Verordnungen beachten, haben sie freien und ungehinderten Zutritt zu den Gerichten, sei es für die Anstrengung einer Klage oder für ihre Verteidigung.
Die erwähnten Gesellschaften geniessen alle Rechte und Vergünstigungen, die jetzt oder in Zukunft ähnlichen Gesellschaften der meistbegünstigten Nation zuerkannt werden. Ausserdem unterliegen sie keinen andern oder höhern Abgaben, Steuern oder fiskalischen Auflagen irgendwelcher Art, als den Gesellschaften der meist­begünstigten Nation auferlegt werden.
Art. 9
Jeder der vertragschliessenden Teile kann in den Städten, Häfen und Plätzen des andern Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln oder Konsularagenten ernennen, ausgenommen an Orten, wo die Zulassung dieser Beamten nicht angehen sollte. Diese Einschränkung soll jedoch gegenüber einem der vertragschliessenden Teile nicht angewandt werden, ohne gleicherweise auf alle andern Staaten Anwendung zu finden.
Die erwähnten Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln und Konsularagenten, die von der Regierung des Landes, in dem sie ernannt sind, das Exequatur oder eine andere gültige Ermächtigung erhalten haben, werden berechtigt sein, dieselben Amtsverrichtungen vorzunehmen wie die Konsularbeamten gleichen Grades und gleicher Kategorie der meistbegünstigten Nation und alle Vorrechte, Befreiungen und Immunitäten zu geniessen, die jetzt oder in Zukunft jenen zuerkannt werden. Die Regierung, die das Exequatur oder eine entsprechende Ermächtigung erteilt hat, ist berechtigt, sie nach eigenem Ermessen zurückzuziehen; immerhin soll sie die Gründe dafür angeben.
Art. 10
Wenn ein Angehöriger des einen der vertragschliessenden Teile im Gebiete des andern stirbt, ohne bekannte Erben oder Testamentsvollstrecker zu hinterlassen, so sollen die Behörden des Sterbeortes davon den Konsularbeamten des Heimatstaates benachrichtigen, damit dieser den Beteiligten die nötigen Aufschlüsse zugehen lassen kann.
Die zuständigen Behörden des Sterbeortes oder des Ortes, wo das Eigentum des Verstorbenen liegt, sollen in bezug auf dieses Eigentum alle Sicherungsmassnahmen treffen, die die Landesgesetze für den Nachlass Einheimischer vorschreiben.
Art. 11
Die Boden‑ und Industrieerzeugnisse der Schweiz oder Lettlands, die in eines der beiden Länder eingeführt werden und für den Verbrauch, die Einlagerung, die Wiederausfuhr oder die Durchfuhr bestimmt sind, werden hinsichtlich der Einfuhr, Ausfuhr, Wiederausfuhr und Durchfuhr keinen andern oder belastenderen Zöllen, Abgaben, Zuschlägen, Steuern, Beiträgen oder allgemeinen oder örtlichen Verpflichtungen unterliegen als die Erzeugnisse der meistbegünstigten Nation.
Keiner der vertragschliessenden Teile wird die Ausfuhr irgendeines Gegenstandes nach den Gebieten des andern Teils von andern oder höhern Zöllen oder Abgaben abhängig machen als für die Ausfuhr des gleichen Gegenstandes nach irgendwelchem andern Lande auferlegt sind oder werden sollten.
Die vertragschliessenden Teile verpflichten sich, Einschränkungen oder Verbote betreffend die Einfuhr und Ausfuhr gewisser Waren nur so lange und in dem Masse aufrechtzuerhalten, als es die gegenwärtigen wirtschaftlichen Zustände unbedingt erfordern.
Zu jeder Zeit vorbehalten bleiben die Einfuhr‑ oder Ausfuhrverbote und ‑beschrän­kungen, die erlassen werden:
1. unter ausserordentlichen Umständen, in bezug auf Kriegsbedarf;
2. aus Gründen der öffentlichen Sicherheit;
3. aus gesundheits‑ und viehseuchenpolizeilichen Gründen sowie zum Schutze der Pflanzen gegen Krankheiten, Insekten, Schmarotzer und andere Schädlinge jeder Art;
4. im Falle von Staatsmonopolen.
Art. 12
Wenn der eine der vertragschliessenden Teile die Erzeugnisse eines dritten Landes mit höhern Zöllen belegt als sie auf die gleichen Erzeugnisse, die aus dem andern Teile stammen oder herkommen, anzuwenden sind, oder wenn er die Waren eines dritten Landes Einfuhrverboten oder Einfuhrbeschränkungen unterwirft, die auf die gleichen Waren des andern vertragschliessenden Teils keine Anwendung finden, so ist er berechtigt, sofern es die Umstände erfordern sollten, die Anwendung der niedrigsten Zölle auf die Erzeugnisse aus dem Gebiete des andern Teils oder deren Zulassung zur Einfuhr davon abhängig zu machen, dass Ursprungszeugnisse vor­gelegt werden, die von den zu diesem Zwecke durch das Ausfuhrland bezeichneten Behörden ausgefertigt sind.
Art. 13
Unbeschadet des Mitgenusses grösserer Vorteile, die sich aus der Meistbegünstigung ergeben können, haben Kaufleute, Fabrikanten und andere Produzenten des einen der beiden Länder sowie ihre Reisenden, die sich durch eine von den Behörden ihres Landes ausgestellte Legitimationskarte darüber ausweisen, dass sie daselbst zum Handels‑ und Gewerbebetrieb ermächtigt sind und die gesetzlichen Steuern und Abgaben entrichten, das Recht, im andern Lande, indem sie die Landesgesetze befolgen und vorbehältlich der Bestimmungen über die Fremdenpolizei, Ankäufe für ihren Handel, ihre Fabrikation oder ihre Unternehmung zu machen und dort bei Personen oder Häusern, die die angebotenen Waren wieder verkaufen oder sie in ihrem Berufe oder Gewerbe verwenden, Bestellungen aufzusuchen. Sie dürfen Muster oder Modelle mit sich führen, aber keine Waren, ausser in den Fällen, in denen dies den einheimischen Handelsreisenden gestattet ist.
Die durch die erwähnten Gewerbetreibenden und Handelsreisenden eingeführten Muster oder Modelle werden beiderseitig frei von Ein‑ und Ausfuhrgebühren zugelassen, gemäss den Zollreglementen und ‑formalitäten zur Sicherung ihrer Wiederausfuhr oder der Entrichtung der Zölle, die für den Fall der Nichtwiederausfuhr binnen der gesetzlich vorgesehenen Frist vorgeschrieben sind.
Die Wiederausfuhr der Handelsreisendenmuster kann auch über ein anderes als das Einfuhrzollamt geschehen. Es besteht Einverständnis darüber, dass in diesem Falle das Amt, über das die Wiederausfuhr stattfindet, ermächtigt ist, dem Berechtigten von sich aus eine Hinterlage oder Kaution zurückzugeben, die zur Sicherstellung der Wiederausfuhr oder der Bezahlung der Zölle im Falle der Nichtwiederausfuhr binnen der vorgeschriebenen Frist geleistet worden ist.
Die vorstehenden Bestimmungen finden keine Anwendung auf den Gewerbebetrieb im Umherziehen, den Hausierhandel und das Aufsuchen von Bestellungen bei Personen, die weder ein Gewerbe ausüben noch Handel treiben, und die vertrag­schliessenden Teile behalten sich in dieser Hinsicht die volle Freiheit der Gesetz­gebung vor.
Art. 14
Nicht als Abweichungen vom Prinzip der Meistbegünstigung, das die Grundlage dieser Übereinkunft bildet, werden die nachstehend erwähnten Befreiungen, Freiheiten und Vorrechte betrachtet:
a) die Vorrechte, die Nachbarstaaten in bezug auf den Grenzverkehr gewährt worden sind oder in Zukunft gewährt werden könnten;
b) die Vorrechte, die einer der vertragschliessenden Teile einem dritten Staate infolge einer Zollunion zugestanden hat oder zugestehen sollte;
c) die Befreiungen, Freiheiten und Vorrechte, die Lettland einem der baltischen Staaten (Finnland, Estland, Litauen) infolge besonderer Abkommen zu­erkennen sollte. Das gleiche gilt für Vorrechte, die Lettland Russland gemäss besondern Zollübereinkünften oder Zollabkommen gewähren sollte.
Es versteht sich jedoch, dass die Schweiz sofort und bedingungslos in den Mit­genuss dieser Befreiungen, Freiheiten und Vorrechte treten wird, falls Lettland sie ganz oder zum Teil einem dritten, hiervor nicht angeführten Staate zuerkennen sollte.
Art. 15
Streitfälle zwischen den vertragschliessenden Teilen in der Auslegung und der Ausführung der gegenwärtigen Übereinkunft, deren Erledigung auf diplomatischem Wege sich als unmöglich herausgestellt hat, werden auf Gesuch eines der Teile einem aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsgericht unterbreitet.
Die vertragschliessenden Teile bezeichnen von sich aus je ein Mitglied und ernennen den Obmann gemeinsam.
Diese Ernennungen haben in möglichst kurzer Frist zu erfolgen.
Der Obmann soll weder Angehöriger der vertragschliessenden Teile sein noch seinen Wohnsitz in ihrem Gebiete haben oder in ihren Diensten stehen.
Wenn sich die Parteien nicht binnen einem Monat, vom Tage an gerechnet, an dem eine der Parteien der andern die Absicht kundgegeben hat, den Streitfall dem Schiedsgericht zu unterbreiten, über die Wahl des Obmanns einigen können, so ist der Obmann durch den Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofes³ frei zu bezeichnen.
Das Schiedsgericht tritt an dem vom Obmann bezeichneten Orte zusammen.
Der Entscheid der Schiedsrichter soll verbindliche Kraft haben.
³ Der Ständige Internationale Gerichtshof wurde aufgelöst durch den Beschluss der Völker­bunds­versammlung vom 18. April 1946 ( BBl 1946 II 1227 ) und ersetzt durch den Inter­nationalen Gerichtshof ( AS 1948 1047 ).
Art. 16
Diese Übereinkunft ist zu ratifizieren, und es sollen die Ratifikationsurkunden sobald als möglich in Berlin ausgewechselt werden.
Die Übereinkunft tritt am Tage des Austausches der Ratifikationsurkunden in Kraft, und zwar vorläufig für die Dauer eines Jahres. Falls sie nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt wird, so gilt sie als stillschweigend für unbestimmte Zeit verlängert. Sie kann dann jederzeit gekündigt werden und wird während sechs Monaten, vom Tage der Kündigung an, vollziehbar bleiben.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten die gegenwärtige Übereinkunft unterzeichnet und sie mit ihrem Siegel versehen.
Geschehen in Berlin, in doppelter Urschrift, am vierten Dezember eintausendneunhundertundvierundzwanzig.
(Es folgen die Unterschriften)

Schlussprotokoll

Im Begriffe, zur Unterzeichnung der am heutigen Tage zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Lettland abgeschlossenen Handelsübereinkunft zu schreiten, haben die unterzeichneten Bevollmächtigten vereinbart, dass diese Übereinkunft ebenfalls und in jeder Beziehung auf das Fürstentum Liechtenstein Anwendung finden soll, solange dieses mit der Eidgenossenschaft durch eine Zollunion⁴ verbunden sein wird.
Das gegenwärtige Protokoll, das ohne besondere Ratifikation, durch die blosse Tatsache des Austausches der Ratifikationsurkunden über die Übereinkunft, auf die es Bezug hat, als von den vertragschliessenden Teilen genehmigt und bestätigt angesehen werden soll, ist in doppelter Urschrift ausgefertigt worden in Berlin, den vierten Dezember eintausendneunhundertundvierundzwanzig.
(Es folgen die Unterschriften)
⁴ Siehe SR 0.631.112.514
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