Staatsvertrag zwischen der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden betreffend Regelung der Lachsfischerei im Stromgebiet des Rheins
Abgeschlossen am 30. Juni 1885 Ratifiziert von der Schweiz am 14. Juli 1885 Ratifiziert von den Niederlanden am 2. Mai 1886 Ratifiziert von Deutschland am 6. Juni 1886 In Kraft getreten am 6. Juni 1886 (Stand am 6. Juni 1886) ¹ Neben dem Deutschen ist auch das Holländische Originaltext.
Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preussen, mit Zustimmung Seiner Majestät des Königs von Bayern, Seiner Majestät des Königs von Württemberg, Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs von Baden, Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs von Hessen und bei Rhein, und Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs von Oldenburg, sowie Seine Majestät der König der Niederlande,
von dem Wunsche geleitet, zur Hebung des Lachsbestandes die Lachsfischerei im Stromgebiet des Rheins einheitlich zu regeln, haben zur Vereinbarung eines hierüber abzuschliessenden Vertrages zu Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
welche, nach Mitteilung und gegenseitiger Anerkennung ihrer Vollmachten,
über folgende Punkte übereingekommen sind:
Art. I
Im Rheinstrome vom Fall bei Schaffhausen an abwärts und allen Ausflüssen desselben, durch welche Wasser von dem bei Lobith ungeteilten Rhein in das Meer abfliessen kann², soll beim Fischfang weder mittels ständiger Vorrichtungen (Fischwehr, Fach, Zalmsteek) noch mittels am Ufer oder im Flussbette befestigter oder verankerter Fischereivorrichtungen (Reusen, Sperrnetze) der Stromlauf auf mehr als auf die Hälfte seiner Breite, bei gewöhnlichem niedrigem Wasserstande in der kürzesten geraden Linie von Ufer zu Ufer gemessen, für den Zug der Wanderfische versperrt werden dürfen.
Diese Vorschrift soll auch auf die Nebenflüsse des Rheins Anwendung finden; jedoch auf diejenigen Strecken der Nebenflüsse, welche Grenzgewässer mit einem an der Übereinkunft nicht beteiligten Staate bilden, nur soweit, als in dem Nachbarlande ein gleiches Vorgehen beobachtet wird.
Die an einzelnen Nebenflüssen bestehenden ständigen Fischereivorrichtungen sollen dieser Vorschrift nicht unterliegen, wenn mit denselben eine auf dieses besondere Fangmittel gerichtete Fischereiberechtigung verbunden ist.
² Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. I).
Art. II ³
In den im Artikel I (Abs. 1) bezeichneten Strecken des Rheinstroms und in den daselbst (Abs. 2) bezeichneten Nebenflüssen des Rheins, soweit sie den Durchzug der Lachse und Maifische zu den Laichplätzen vermitteln, dürfen Treibnetze beim Fischfange nur angewendet werden, wenn sie zwischen Ober- und Unter-Simm (Ober- und Unter-Leine) nicht über 2,5 m breit sind, sollen dieser Beschränkung nicht unterworfen sein.
Mehrere Treibnetze dürfen nur in einer Entfernung voneinander ausgeworfen werden, welche mindestens das Doppelte der Länge des grössten Netzes beträgt.
³ Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. II).
Art. III ⁴
Im Rheinstrom vom Fall bei Schaffhausen an abwärts, in allen Ausflüssen desselben, durch welche Wasser von dem bei Lobith ungeteilten Rhein in das Meer abfliessen kann⁵, und in allen Nebenflüssen desselben soll jede Lachsfischerei mit Zegensbetrieb alljährlich auf die Dauer von zwei Monaten verboten sein.
Die Einstellung dieser Fischereibetriebe soll umfassen:
1. auf Königlich Niederländischem Gebiet die Zeit vom 16. August bis zum 15. Oktober einschliesslich;
2. auf der Strecke von der Niederländisch-Preussischen Grenze an aufwärts die Zeit vom 27. August bis zum 26. Oktober einschliesslich.
Die Regierungen der beteiligten Uferstaaten werden für ihr Gebiet feststellen, welche Fischereibetriebe dieser Vorschrift zu unterwerfen sind, und dabei Vorsorge treffen, dass nicht unter dem Vorwande der Fischerei auf andere Fischarten tatsächlich Lachsfischerei betrieben wird.⁶
Über die getroffenen Anordnungen werden sich die Regierungen gegenseitig Mitteilung machen.
⁴ Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. II).
⁵ Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. I).
⁶ Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. III).
Art. IV
Von Basel an abwärts soll im Rheinstrom und in denjenigen Strecken seiner Nebenflüsse, welche den Durchzug der Lachse und Maifische zu den Laichstellen vermitteln, sowie in seinen im Artikel I bezeichneten Ausflüssen die Fischerei auf Lachse und Maifische mit Geräten jeder Art auf die Dauer von 24 Stunden in jeder Woche von Samstag abend 6 Uhr bis Sonntag abend 6 Uhr eingestellt werden.
Der Königlich Niederländischen Regierung bleibt vorbehalten, für die Lachsfischerei mit Reusen (Steekfischerei) im Flutgebiete den Beginn dieser wöchentlichen Schonzeit auf die erste tiefste Ebbe (laag water) nach Samstag abend 6 Uhr und die Dauer der Schonzeit auf 2 Tiden festzusetzen.
Art. V ⁷
In denjenigen Strecken der Nebenflüsse des Rheins, in welchen sich geeignete Laichstellen für den Lachs finden, und im oberen Stromlauf des Rheins selbst von Mannheim-Ludwigshafen an aufwärts bis zum Fall von Schaffhausen soll die Lachsfischerei während der Dauer von mindestens 6 Wochen innerhalb der Zeit vom 15. Oktober bis 31. Dezember nur mit ausdrücklicher obrigkeitlicher Genehmigung betrieben⁸ und diese nur erteilt werden dürfen, wenn die Benutzung der Fortpflanzungselemente (Rogen und Milch) der gefangenen laichreifen oder der Laichreife nahestehenden Lachse zum Zwecke der künstlichen Fischzucht gesichert ist.⁹ Unter dieser Voraussetzung darf die Lachsfischerei auch während der wöchentlichen Schonzeit (Artikel IV) obrigkeitlich gestattet werden.
⁷ Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. V).
⁸ Für die Schweiz wurde durch BRB vom 21. Oktober 1927 betreffend die Verlängerung der Lachs-Schonzeit ( SR 923.43 ) die Schonzeit auf die Zeit vom 1. November bis 10. Januar festgesetzt.
⁹ Siehe BRB vom 20. Oktober 1925 betreffend die Verwendung der Lachsgarnfalle im Rhein (Ziff. 1, Abs. 2) – SR 923.42 ).
Art. VI ¹⁰
Die Vorschriften der Artikel I bis V dieser Übereinkunft finden auf die Mosel von ihrem Austritt aus Elsass-Lothringen bis Trier und auf alle diejenigen linksseitigen Nebenflüsse der Mosel, welche in ihrem Laufe Preussisches und Luxemburgisches Gebiet berühren, keine Anwendung.
Der Königlich Preussischen Regierung bleibt vorbehalten, die Fischereiverhältnisse dieser Gewässer durch Verständigung mit der Grossherzoglich Luxemburgischen Regierung im Sinne dieser Übereinkunft zu regeln.
¹⁰ Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. IV).
Art. VII ¹¹
Zur Hebung des Lachsbestandes im Rheingebiet soll darauf Bedacht genommen werden, dass
1. die natürlichen Laichplätze in den Nebenflüssen den aufsteigenden Lachsen wieder möglichst erschlossen und zugänglich gemacht werden;
2. die Fortpflanzungselemente (Rogen und Milch) der gefangenen Lachse möglichst zu Zwecken der künstlichen Zucht verwendet werden.
¹¹ Siehe hiezu auch das Schlussprotokoll hiernach (Ziff. V).
Art. VIII
Die Regierungen der beteiligten Uferstaaten werden für ihr Gebiet ein Mindestmass feststellen, unter welchem Lachse weder gefangen noch in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Art. IX
Die Regierungen der beteiligten Uferstaaten werden die zum Vollzuge dieser Übereinkunft erforderlichen Vorschriften erlassen und deren Übertretung mit angemessenen Strafen bedrohen, auch das zur Handhabung dieser Vorschriften erforderliche Aufsichtspersonal bestellen.¹²
Durch gegenwärtige Übereinkunft wird die Befugnis der einzelnen Staaten nicht ausgeschlossen, für ihre Gebiete strengere Bestimmungen zum Schutz der Fische zu treffen.¹³
¹² Siehe das BG vom 14. Dez. 1973 über die Fischerei ( SR 923.0 ), die V zum BG vom 8. Dez. 1975 ( SR 923.01 ) , sowie den BRB vom 20. Oktober 1925 betreffend die Verwendung der Lachsgarnfalle im Rhein ( SR 923.42 ).
¹³ Siehe BRB vom 21. Oktober 1927 betreffend die Verlängerung der Lachs-Schonzeit ( SR 923.43 ).
Art. X
Jede Regierung der beteiligten Uferstaaten wird für ihr Gebiet einen Bevollmächtigten bestellen.
Diese Bevollmächtigten werden sich die von ihren Regierungen getroffenen Anordnungen über das Fischereiwesen im Rheingebiet gegenseitig mitteilen und von Zeit zu Zeit zusammenkommen, um über die zur Förderung der Lachsfischerei im Rheingebiet zu ergreifenden Massregeln zu beraten.
Art. XI
Diese Übereinkunft tritt sofort nach ihrer Ratifikation in Kraft, bleibt von diesem Tage an zehn Jahre lang in Wirksamkeit und, wenn sie nicht zwölf Monate vor diesem Zeitpunkt von einer der vertragschliessenden Regierungen gekündigt worden ist, weiter von Jahr zu Jahr bis zum Ablaufe eines Jahres von dem Tage an gerechnet, an welchem die eine oder andere der vertragschliessenden Regierungen die Kündigung erklärt hat.
Art. XII
Die gegenwärtige Übereinkunft soll ratifiziert und die Auswechslung der Ratifikationen soll binnen möglichst kurzer Frist in Berlin bewirkt werden.
Unterschriften
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten die Übereinkunft unterzeichnet und ihr Siegel beigedrückt.
So geschehen zu Berlin, am 30. Juni 1885.
(Es folgen die Unterschriften)
Schlussprotokoll
Bei der heute stattgehabten Unterzeichnung der Übereinkunft zwischen der Schweiz, dem Deutschen Reiche und dem Königreich der Niederlande über die Regelung der Lachsfischerei im Stromgebiete des Rheins wurde das Einverständnis der Bevollmächtigten sämtlicher beteiligten Uferstaaten über folgende Punkte konstatiert:
I.
Auf die in den verlassenen Nebenarmen des Rheins betriebenen Fischereien jeglicher Art sollen die Bestimmungen der Übereinkunft keine Anwendung finden, sofern diese Nebenarme nicht von beiden Seiten mit dem Hauptstrome derartig in Verbindung stehen, dass die Wanderfische jederzeit frei hindurchziehen können.
II.
Den einschränkenden Vorschriften der Artikel II und III der Übereinkunft sollen diejenigen Zug- und Treibnetzfischereien unterworfen werden, welche vorzugsweise auf den Fang von Lachsen gerichtet sind; insbesondere auch
a) die mit Treibnetzen (dreiwandigen Netzen) an bestimmten Stellen betriebenen Fischereien;
b) die in den Niederlanden mittels grosser Zugnetze (einwandiger Netze) unter Anwendung von Dampf- oder Pferdekraft betriebenen, sogenannten «grossen Zegensfischereien»;
c) die vornehmlich auf der Niederländischen und der Preussischen Flussstrecke unter Anwendung von Zugnetzen (einwandigen Netzen), jedoch ohne Anwendung von Dampf- oder Pferdekraft betriebenen, sogenannten «Hand-Zegensfischereien».
III.
Nach Massgabe des vorletzten Absatzes des Artikels III der Übereinkunft soll insbesondere dafür Vorsorge getroffen werden, dass während der Herbstschonzeit nicht der Fang von anderen Wanderfischen, namentlich Schnäpeln (Coregonus oxyrynchus) (Holländisch Houting) zum Vorwande genommen wird, um tatsächlich Lachsfischerei zu betreiben.
IV.
Sobald der Beitritt des Grossherzogtums Luxemburg zu gegenwärtiger Übereinkunft erfolgt sein wird, soll der Artikel VI der Übereinkunft ausser Kraft treten.
V.
In Ausführung der Bestimmungen in Artikel V und VII der Übereinkunft werden die Regierungen der beteiligten Uferstaaten sich die Erhaltung und Vermehrung des Lachsbestandes im Rhein unter ausgiebigster Benutzung der künstlichen Fischzucht angelegen sein lassen.
VI.
Vor der Unterzeichnung der Übereinkunft und des Schlussprotokolls haben die Niederländischen Bevollmächtigten ausdrücklich erklärt, dass die Übereinkunft Seiner Majestät dem Könige der Niederlande zur Ratifikation erst werde vorgelegt werden, nachdem sie von den Generalstaaten genehmigt worden.
Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten Bevollmächtigten das gegenwärtige Protokoll, welches ohne besondere Ratifikation durch die blosse Tatsache des Austausches der Ratifikationen zu der Übereinkunft, auf die es sich bezieht, als von den betreffenden Regierungen genehmigt und bestätigt gelten soll, aufgenommen und dasselbe mit ihrer Unterschrift versehen.
So geschehen zu Berlin, den 30. Juni 1885.
(Es folgen die Unterschriften)
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