Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französisc... (0.747.221.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik betreffend die Schifffahrt auf dem Genfersee

Abgeschlossen am 7. Dezember 1976 Von der Bundesversammlung genehmigt am 27. Februar 1978³ In Kraft getreten durch Briefwechsel am 1. Januar 1979 ¹ AS 1978 1987 ; BBl 1977 II 557 ² Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ³ AS 1978 1986
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Französischen Republik,
in der Absicht, die Regelung der Schifffahrt auf dem Genfersee der Entwicklung der Technik und den neuen Anforderungen anzupassen, haben folgendes vereinbart:

I. Allgemeine Bestimmungen

Art. 1
1.  Die für die Schifffahrt auf dem Genfersee geltenden Vorschriften sind in diesem Abkommen und im zugehörigen Schifffahrtsreglement für den Genfersee⁴, hiernach Reglement genannt, aufgeführt.
2.  Nach Anhören der in Art. 12 dieses Abkommens genannten Gemischten Kommission können die beiden Regierungen durch Notenaustausch im Reglement zweckmässig erscheinende Änderungen anbringen.
⁴ SR 0.747.221.11
Art. 2
Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten sorgen aufgrund der durch dieses Abkommen, das Reglement und die nationale Gesetzgebung gegebenen Befugnisse für Ordnung und Sicherheit der Schifffahrt.
Art. 3
Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten treffen Massnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung der durch die Schifffahrt verursachten Verunreinigung von Wasser und Luft sowie des Lärms gemäss den zu diesem Zweck abgeschlossenen Abkommen, dem Reglement und den nationalen Gesetzgebungen.

II. Bestimmungen über die Schiffe

Art. 4
1.  Im Sinne dieses Abkommens gelten als Schiffe Fahrzeuge jeglicher Art, die der Beförderung auf dem Wasser oder im Wasser dienen.
2.  Bau, Ausrüstung und Besatzung der Schiffe müssen den Bestimmungen des Reglementes und den Vorschriften der an ihrem Standort geltenden nationalen Gesetzgebung genügen.
3.  Das Reglement bestimmt die für die Zulassung auf dem Genfersee notwendigen Ausweise und Kennzeichen der Schiffe, deren Länge über alles mehr als 2,50 m beträgt, ausgenommen der Paddelboote und der Rennruderboote.
4.  Die von beiden Vertragsstaaten erteilten Ausweise und Kennzeichen gelten auf dem ganzen Genfersee.
5.  Für Schiffe, die weder in der Schweiz noch in Frankreich einen Standort haben, ist jener Vertragsstaat zuständig, auf dessen Gebiet das Schiff in den Genfersee gelangt.
6.  Wird der gewöhnliche Standort eines Schiffes vom Gebiet eines Vertragsstaates in das Gebiet des andern verlegt, so sind neue Ausweise und Kennzeichen zu erteilen.
Art. 5
Jeder Vertragsstaat kann in Anwendung seiner eigenen Gesetzgebung für Schiffe, die auf seinem Gebiet registriert oder immatrikuliert sind, die Erteilung der Ausweise und der Kennzeichen vom Abschluss einer Haftpflichtversicherung abhängig machen, welche den Personen‑ und Sachschaden deckt, der sich durch die Verwendung des Schiffes oder das Schleppen von Sportgeräten ergeben kann.

III. Bestimmungen über die Schiffsführer

Art. 6
1.  Die Führung der Schiffe unterliegt der nationalen Gesetzgebung der Vertragsstaaten, wobei jedoch für die Führung eines Schiffes mit Motor, dessen Lei­stung mehr als 10 PS beträgt, ein Ausweis erforderlich ist.
2.  Der Ausweis wird von dem Vertragsstaat erteilt, auf dessen Gebiet der Führer seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher Wohnsitz, so wird der Ausweis von demjenigen Vertragsstaat erteilt, auf dessen Gebiet sich das Schiff befindet oder zu Wasser gelangt. Für Änderungen oder den Entzug des Ausweises ist nur der­jenige Vertragsstaat zuständig, der ihn erteilt hat.
3.  Der Führerausweis gilt auf dem ganzen See.

IV. Bestimmungen über den Schiffsverkehr

Art. 7
1.  Der Schiffsverkehr untersteht den Bestimmungen dieses Abkommens und des Reglementes.
Die nationalen Gesetzgebungen können für Schiffe im Dienst des Staates, für die gewerbsmässige Schifffahrt und für die Schiffsvermietung besondere Vorschriften vorsehen.
2.  Alle nautischen Veranstaltungen, die sowohl auf dem schweizerischen wie auf dem französischen Gewässerteil stattfinden, dürfen erst nach Zustimmung der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten durchgeführt werden.
3.  Das Stilliegen der Schiffe in Ufernähe und in den Häfen sowie die Benützung der Landestege und Anlegestellen unterliegt der Gesetzgebung der Vertragsstaaten.
4.  Die zuständigen Behörden jedes Vertragsstaates können im Interesse der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung die Schifffahrt vorübergehend einschränken oder verbieten. Solche Massnahmen sind möglichst bald wieder aufzuheben.
Verbote und Einschränkungen sind den Schifffahrtstreibenden durch geeignete Bekanntmachungen oder Signale zur Kenntnis zu bringen.
5.  Dauernde Einschränkungen der Schifffahrt oder der Zulassung bestimmter Schiffe oder bestimmter Antriebsarten, insbesondere solche, die der Umweltschutz erfordert, werden nach Anhören der in Artikel 12 dieses Abkommens vorgesehenen gemischten Kommission von den Vertragsstaaten gemeinsam beschlossen.

V. Besondere Bestimmungen für Schiffe im regelmässigen Linienverkehr

Art. 8
1.  Schiffe im regelmässigen Linienverkehr sind solche von Unternehmungen, die einen öffentlichen Dienst nach veröffentlichtem Fahrplan versehen.
2.  Die Schiffe im regelmässigen Linienverkehr fahren auf einem Kurs, von dem sie ohne Grund nicht abweichen dürfen. Andere Schiffe dürfen ihre Fahrt nicht behindern.
3.  Die Schiffe im regelmässigen Linienverkehr dürfen Reisende nur an den zu diesem Zweck eingerichteten Landestellen ein‑ und aussteigen lassen.
Art. 9
Unternehmungen, deren Schiffe im regelmässigen Linienverkehr zwischen der Schweiz und Frankreich eingesetzt sind, haben den zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten ihre Fahrplanentwürfe mindestens zwei Monate vor ihrem Inkrafttreten zu unterbreiten. Die von der zuständigen nationalen Behörde genehmigten Fahrpläne sowie deren Änderungen während der Saison sind auf den Schiffen und in allen bedienten Häfen und Landestellen anzuschlagen.
Art. 10
Die Unternehmungen des öffentlichen Schiffsverkehrs sind verpflichtet, die mit der Aufsicht betrauten Vertreter der Behörden zur Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit unentgeltlich zu befördern.

Vl. Bestimmungen über Häfen und Landestellen

Art. 11
1.  Die Zugänge zu den Häfen und die Umgebung von Landestellen sind freizuhalten.
2.  Das Landen der Schiffe darf nicht behindert werden.
3.  An Landestellen des öffentlichen Schiffsverkehrs, die entsprechend signalisiert sind, dürfen andere Schiffe nicht anlegen.

VII. Gemischte beratende Kommission

Art. 12
1.  Mit dem Inkrafttreten dieses Abkommens wird eine gemischte beratende Kommission gebildet.
2.  Jeder Vertragsstaat bezeichnet die Mitglieder seiner Delegation, jedoch nicht mehr als fünf. Die Kommission gibt sich selbst ihre Geschäftsordnung.
3.  Die Kommission hat namentlich folgende Obliegenheiten:
a. Überwachung der Durchführung dieses Abkommens;
b. Vorbereiten von Vorschlägen zuhanden der Vertragsstaaten betreffend Ände­rungen des Reglementes gemäss Art. 1 Absatz 2 dieses Abkommens;
c. Erleichterung der Beziehungen zwischen den mit dem Vollzug der Vorschrift­en dieses Abkommens und des Reglementes betrauten Behörden der Vertrags­staaten;
d. Beheben von Schwierigkeiten, die sich aus der Durchführung dieses Abkommens und des Reglementes ergeben durch Vorschläge zuhanden der Vertrags­staaten.
4.  Die Einberufung der Kommission erfolgt nach Verständigung beider Delega­tionsleiter. Die Delegationsleiter führen abwechslungsweise den Vorsitz.

VIII. Durchführung des Übereinkommens und des Reglementes

Art. 13
1.  Jeder Vertragsstaat trifft auf seinem Gebiet die für den Vollzug dieses Abkommens und des Reglementes erforderlichen Massnahmen.
2.  Ist ein Vertragsstaat in Anwendung dieses Abkommens und des Reglementes nicht befugt, einen Führerausweis oder ein anderes Dokument zu entziehen, so kann er dessen Inhaber das Befahren seines Gebietes verbieten. Er hat den Fall der Behörde zu unterbreiten, die das Dokument ausgestellt hat.
3.  Im Falle der Übertretung von Bestimmungen dieses Abkommens und des Reglements wendet jeder Vertragsstaat unter Vorbehalt der Bestimmungen des vorgehenden Absatzes die nach eigenem Recht vorgesehenen Straf‑ und Verwaltungsmassnahmen an.
4.  Zur Anwendung dieses Abkommens und des Reglements können die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten direkt miteinander verkehren.

IX. Schiedsgerichtsklausel

Art. 14
Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsstaaten über die Auslegung oder den Vollzug dieses Abkommens, welche nicht auf gütlichem Weg erledigt werden können, werden, sofern die Vertragsstaaten nichts anderes vereinbaren, auf Gesuch eines der Staaten, einem Schiedsgericht, gemäss den im Anhang zu diesem Abkommen bestimmten Bedingungen, unterbreitet.

X. Schlussbestimmungen

Art. 15
1.  Dieses Abkommen und das Reglement treten am ersten Tag des dritten Monats nach Austausch der Urkunden, welche die Durchführung der in den beiden Vertragsstaaten erforderlichen verfassungsrechtlichen Verfahren bestätigen, in Kraft.
2.  Jeder Vertragsstaat kann dieses Abkommen jederzeit unter Einhaltung einer einjährigen Frist kündigen.
3.  Durch dieses Abkommen wird das Übereinkommen zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend die Schifffahrt auf dem Lemansee vom 10. September 1902⁵ aufgehoben.
⁵ [BS 13 327]

Unterschriften

Geschehen in Bern, den 7. Dezember 1976 in zwei Urschriften in französischer Sprache.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für die
Regierung der Französischen Republik:

Graber

Lebel

Anhang betreffend das Schiedsverfahren

1.  Sofern die Streitparteien nichts anderes beschliessen, bestimmt sich das Schieds­verfahren nach diesem Anhang.
2.  Das Schiedsgericht setzt sich aus drei Mitgliedern zusammen. Jede Streitpartei bestellt einen Schiedsrichter; die beiden so bestellten Schiedsrichter bestimmen einvernehmlich den dritten Schiedsrichter, der als Obmann des Gerichts tätig wird.
Ist der Obmann nicht binnen zwei Monaten nach Ernennung des zweiten Schieds­richters bestellt worden, so bestellt ihn der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf Antrag der zuerst handelnden Partei.
3.  Hat eine der Streitparteien nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Antrages einen Schiedsrichter bestellt, so kann die andere Partei den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs befassen, der den Obmann des Schiedsgerichts innert weiterer zwei Monate bestellt. Sobald der Obmann ernannt ist, fordert er die Partei, die noch keinen Schiedsrichter bestellt hat, auf, dies binnen zwei Monaten zu tun. Nach Ablauf dieser Frist befasst er den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs, der diese Ernennung innert weiterer zwei Monate vornimmt.
4.  Ist der Präsident des Europäischen Gerichtshofs in den unter Ziffern 2 und 3 erwähnten Fällen verhindert oder ist er Staatsangehöriger einer der Streitparteien, so obliegt die Ernennung des Obmanns oder des Schiedsrichters dem Vizepräsidenten des Gerichtshofs oder dem dienstältesten Mitglied des Gerichtshofs, der nicht verhindert und nicht Staatsangehöriger einer der Streitparteien ist.
5.  Diese Bestimmungen finden sinngemäss bei der Besetzung freiwerdender Stellen Anwendung.
6.  Das Schiedsgericht entscheidet nach den Regeln des Völkerrechts und insbesondere nach den Bestimmungen des vorliegenden Abkommens.
7.  Die Entscheidungen des Schiedsgerichts sowohl in Verfahrens‑ als auch in materiellen Fragen werden mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder getroffen; die Abwesenheit oder die Stimmenthaltung eines von den Parteien bestellten Mitglieds des Gerichts hindert das Gericht nicht, zu entscheiden. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Obmanns den Ausschlag. Die Entscheidungen des Gerichts sind für die Parteien bindend. Diese tragen die Kosten für den von ihnen bestellten Schiedsrichter und übernehmen je zur Hälfte die andern Kosten. Die weiteren Verfahrensfragen regelt das Schiedsgericht selbst.
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