Schieds- und Vergleichsvertrag zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten... (0.193.413.36)
CH - Schweizer Bundesrecht

Schieds- und Vergleichsvertrag zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika

Abgeschlossen am 16. Februar 1931 Von der Bundesversammlung genehmigt am 25. September 1931³ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 23. Mai 1932 In Kraft getreten am 23. Mai 1932 ¹ BS 11 381; BBl 1931 I 931 ² Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ³ AS 48 289
Der Schweizerische Bundesrat und der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika,
im Bewusstsein der von der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika übernommenen Verpflichtung, die Beilegung aller Streitigkeiten, die zwischen ihnen entstehen sollten, welcher Art und welchen Ursprungs sie auch immer seien, nicht anders als mit friedlichen Mitteln anzustreben; von dem Wunsche erfüllt, das Bekenntnis der beiden Länder zum Grundsatze zu erneuern, wonach alle Streitigkeiten rechtlicher Natur zwischen ihnen einer unparteiischen Entscheidung zu unterwerfen sind, und im Bestreben, die Aufrichtigkeit des Verzichtes auf den Krieg als Mittel der nationalen Politik in den Beziehungen zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika zu bekunden,
sind übereingekommen, einen Schieds- und Vergleichsvertrag abzuschliessen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
die, nachdem sie sich ihre Vollmachten mitgeteilt und sie in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:
Art. I
Jede zwischen den vertragschliessenden Teilen entstehende Streitigkeit irgendwelcher Art soll, falls die gewöhnlichen diplomatischen Mittel versagen, einem Schiedsgerichtsverfahren oder einem Vergleichsverfahren unterworfen werden, je nachdem, was die vertragschliessenden Teile alsdann beschliessen werden.
Art. II
Jede Streitigkeit, die auf diplomatischem Wege nicht beigelegt werden kann und die von den vertragschliessenden Teilen nicht tatsächlich schiedsgerichtlich ausgetragen wird, soll zur Untersuchung und zum Bericht einer in der hiernach vorgeschriebenen Weise gebildeten ständigen Vergleichskommission unterbreitet werden.
Art. III
Die ständige Vergleichskommission wird aus fünf Mitgliedern bestehen und ist sobald als möglich nach dem Austausch der Ratiflikationsurkunden zu diesem Vertrage zu bilden. Jeder der vertragschliessenden Teile wird zwei Mitglieder ernennen, das eine aus seinen eigenen Angehörigen, das andere aus den Angehörigen eines dritten Staates. Die vertragschliessenden Teile bezeichnen im Einvernehmen miteinander das fünfte Mitglied, das nicht einer ihrer Angehörigen sein darf und das von Rechts wegen Vorsitzender der Kommission ist. Kommt es zu keiner Verständigung über die Wahl des Vorsitzenden der Kommission, so erfolgt seine Ernennung in der in den Absätzen 4, 5 und 6 von Artikel 45 des am 18. Oktober 1907⁴ im Haag geschlossenen Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vorgeschriebenen Weise.
Solange kein Fall vor der Kommission hängig ist, steht es jederzeit im Belieben eines jeden der vertragschliessenden Teile, irgendeines der von ihm ernannten Mitglieder der Kommission abzuberufen und einen Nachfolger zu ernennen. Der Vorsitzende der Kommission kann auf Begehren des einen vertragschliessenden Teils jederzeit abberufen werden, solange kein Fall vor der Kommission hängig ist, wobei aber, falls der Vorsitzende gemäss dem in den Absätzen 4, 5 und 6 von Artikel 45 des am 18. Oktober 1907⁵ im Haag geschlossenen Abkommens zur fried­lichen Erledigung internationaler Streitfälle vorgeschriebenen Verfahren bezeichnet worden ist, vor Ablauf einer Frist von zwei Jahren seit seiner Ernennung kein Ab­berufungs­begehren gestellt werden darf. Sitze, die aus irgendeinem Grunde frei werden, sind sobald als möglich in der für die ursprüngliche Ernennung vorgesehenen Weise wieder zu besetzen.
Die Mitglieder der Vergleichskommission sollen für die Zeit, die sie der Prüfung einer der Kommission vorgelegten Streitigkeit widmen, angemessen entschädigt werden. Jeder der vertragschliessenden Teile trägt seine eigenen Kosten und die Kosten der Kommission zu gleichem Anteile.
⁴ SR 0.193.212
⁵ SR 0.193.212
Art. IV
Sind die vertragschliessenden Teile übereingekommen, eine Streitigkeit dem Vergleichsverfahren zu unterwerfen, so wird diese bei der Kommission durch Begehren eines der vertragschliessenden Teile an den Vorsitzenden anhängig gemacht.
Unter Vorbehalt entgegenstehender Vereinbarung tritt die Kommission an dem von ihrem Vorsitzenden bezeichneten Orte zusammen.
Die Kommission kann die Regeln ihres Verfahrens selber festsetzen. In Ermangelung solcher Regeln hat sie möglichst das Verfahren zu befolgen, das in den Artikeln 18 bis und mit 34 des am 18. Oktober 1907⁶ im Haag geschlossenen Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vorgesehen ist.
Die Kommission wird ihren Bericht innerhalb eines Jahres nach dem Tage erstatten, wo sie in dem Streitfall angerufen worden ist, es wäre denn, dass die vertragschliessenden Teile diese Frist im gemeinsamen Einverständnis verkürzten oder verlängerten. Der Bericht soll in drei Ausfertigungen verfasst werden; jeder Regierung ist eine Ausfertigung auszuhändigen; die dritte wird von der Kommission bei ihren Akten zurückbehalten.
Die vertragschliessenden Teile verpflichten sich, der Kommission alle für ihre Untersuchung und ihren Bericht nötigen Mittel und Erleichterungen zu verschaffen.
Die vertragschliessenden Teile behalten sich das Recht vor, hinsichtlich des Gegen­standes der Streitigkeit nach freiem Ermessen zu handeln, nachdem der Bericht der Kommission ihnen vorgelegt worden ist.
⁶ SR 0.193.212
Art. V
Die vertragschliessenden Teile verpflichten sich, jede Streitigkeit über einen Anspruch rechtlicher Natur, die zwischen ihnen entstanden sein sollte oder entstehen würde, dem Schiedsgerichtsverfahren zu unterwerfen, vorausgesetzt, dass sie auf diplomatischem Wege nicht beigelegt werden kann oder nicht infolge der Überweisung an die gemäss den Artikeln II und III dieses Vertrags gebildete ständige Vergleichskommission tatsächlich geschlichtet wird.
Art. VI
Die Bestimmungen des Artikels V können nicht angerufen werden bei irgendwelcher Streitigkeit, deren Gegenstand
a. in die ausschliessliche Zuständigkeit eines der beiden vertragschliessenden Teile fällt;
b. in die Interessen dritter Staaten eingreift;
c. von der Aufrechterhaltung der gewöhnlich als Monroe-Doktrin bezeichneten herkömmlichen Haltung der Vereinigten Staaten von Amerika in amerikanischen Fragen abhängt oder in die Aufrechterhaltung dieser Doktrin eingreift;
d. von der Beobachtung der gemäss dem Völkerbundsvertrage⁷ von der Schweiz übernommenen Verpflichtungen abhängt oder in die Beobachtung dieser Verpflichtungen eingreift.
⁷ Der Völkerbund wurde aufgelöst durch Beschluss seiner Versammlung vom 18. April 1946 (BB1 1946 II 1233).
Art. VII
Das Schiedsgericht, dem die rechtlichen Streitigkeiten zu unterbreiten sind, wird von den vertragschliessenden Teilen von Fall zu Fall eingesetzt werden. Doch wird mangels anderer Vereinbarung der Ständige Schiedshof, der durch das am 18. Oktober 1907⁸ geschlossene Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle im Haag eingesetzt worden ist, als solches Schiedsgericht gelten. Die Beschlüsse über das Schiedsgericht werden in jedem einzelnen Falle den Gegenstand einer besonderen Vereinbarung bilden, die nötigenfalls die Organisation des Schieds­gerichts regeln, seine Befugnisse umschreiben, den Streitpunkt oder die Streitpunkte bezeichnen und die zu entscheidende Frage bestimmen wird.
Diese besondere Vereinbarung soll in jedem Falle für die Schweiz gemäss der Bundesverfassung⁹ und für die Vereinigten Staaten von Amerika vom Präsidenten nach Anhörung und mit Zustimmung des Senats geschlossen werden.
⁸ SR 0.193.212
⁹ SR 101
Art. VIII
Dieser Vertrag soll von der Schweiz gemäss der Bundesverfassung¹⁰ und vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika nach Anhörung und mit Zustimmung des Senats ratifiziert werden.
Die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Washington ausgetauscht werden, und der Vertrag wird am Tage des Austausches der Ratiflikationsurkunden in Kraft treten. Er wird sodann in Kraft bleiben, solange er nicht infolge voraus­gegangener einjähriger Kündigung durch einen der vertragschliessenden Teile an den andern endet.
¹⁰ SR 101

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag in doppelter Ausfertigung, jede in französischer und englischer Sprache, wobei die beiden Texte in gleicher Weise massgebend sind, unterzeichnet und mit ihrem Siegel versehen.
Geschehen in Washington am 16. Februar neunzehnhunderteinunddreissig.

Marc Peter

Henry L. Stimson

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