Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Serbien 3 (0.353.981.8)
CH - Schweizer Bundesrecht

Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Serbien 3

Abgeschlossen am 28. November 1887 Von der Bundesversammlung genehmigt am 23. März 1888⁴ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 21. Juni 1888 In Kraft getreten am 5. Juli 1888 ¹ BS 12 149; BBl 1888 I 33 III 733 ² Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ³ Der Vertrag ist nicht mehr anwendbar auf die jugoslawischen Nachfolgestaaten Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Mazedonien, Serbien und Slowenien, da diese sowohl das Europäische Übereink. vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen ( SR 0.351.1 ) als auch das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dez. 1957 ( SR 0.353.1 ) ratifiziert haben. ⁴ AS 10 676
Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Seine Majestät der König von Serbien,
in der Absicht, einen Vertrag über die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern abzuschliessen, haben als ihre Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
welche, nach Auswechslung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, nachstehende Artikel vereinbart haben:
Art. I
Die Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und die Regierung Seiner Majestät des Königs von Serbien verpflichten sich gegenseitig, auf das von einer der beiden Regierungen an die andere gestellte Begehren alle Individuen, mit Ausnahme der eigenen Staatsangehörigen, auszuliefern, welche wegen eines der nachstehend aufgezählten Verbrechen oder Vergehen als Urheber oder Mitschuldige in Untersuchung gezogen oder von den kompetenten Gerichten verurteilt worden sind und sich aus dem Königreich Serbien nach der Schweiz oder aus der Schweiz nach Serbien geflüchtet haben:
1. Mord;
2. Verwandtenmord;
3. Kindesmord;
4. Vergiftung;
5. Totschlag;
6. Abtreibung der Leibesfrucht;
7. Bigamie;
8. Notzucht; gewaltsamer Angriff auf die Schamhaftigkeit; ohne Gewalt verübter Angriff auf die Schamhaftigkeit gegen Kinder oder vermittelst Kinder beiderlei Geschlechtes unter 14 Jahren; Verletzung der Sittlichkeit durch gewerbsmässige Förderung, Erleichterung oder Begünstigung der Sitten­losigkeit oder Ausschweifung von Minderjährigen des einen oder andern Geschlechtes zur Befriedigung der Leidenschaften anderer;
9. Entführung von Minderjährigen;
10. Wegnahme, Verheimlichung, Unterdrückung, Vertauschung oder Unterschiebung von Kindern; Aussetzung oder Verlassen von Kindern;
11. absichtliche Körperverletzung, die den Tod oder eine Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von mehr als 20 Tagen, die Verstümmelung, die Amputation oder die Unbrauchbarkeit eines Gliedes, Erblindung, Verlust eines Auges oder andere bleibende Gebrechen zur Folge hatte;
12. Bedrohung von Personen oder Eigentum, wenn sie in der Schweiz mit Zuchthaus oder Gefängnis und in Serbien mit dem Tode, mit Zuchthaus oder Gefängnis bestraft wird;
13. Verletzung der persönlichen Freiheit und des Hausrechtes durch Privatpersonen;
14. vorsätzliche Brandstiftung;
15. Diebstahl, Raub, Erpressung, betrügerische Unterschlagung;
16. Prellerei, Vertrauensmissbrauch und ähnliche Betrügereien;
17. Amtsmissbrauch, Veruntreuung durch öffentliche Beamte und Bestechung von öffentlichen Beamten, Experten oder Schiedsrichtern;
18. Münzfälschung, inbegriffen das Nachahmen und Verändern von Münzen, das Ausgeben und Inverkehrsetzen von nachgemachten oder veränderten Münzen; Nachahmung oder Verfälschung von Staatspapieren oder Bank­noten, von öffentlichen oder privaten Wertschriften; Ausgabe oder Inverkehrsetzung von derartigen falschen oder verfälschten Papieren, Noten oder Wertschriften; Schriftenfälschung oder Fälschung von telegrafischen Depeschen und Gebrauch solcher nachgeahmter, fabrizierter oder verfälschter Depeschen, Papiere, Banknoten oder Wertschriften; Nachahmung oder Verfälschung von Siegeln, Stempeln, Marken und Poinçons, mit Ausnahme solcher, die Privaten oder Handelsleuten angehören; Gebrauch von nachgeahmten oder verfälschten Siegeln, Stempeln, Marken und Poinçons und Missbrauch echter Siegel, Stempel, Marken und Poinçons;
19. falsches Zeugnis und falsche Expertise;
20. Meineid;
21. Verleitung von Zeugen zu falschem Zeugnis und von Experten zu falscher Expertise;
22. gerichtliche Verleumdung;
23. betrügerischer Bankrott;
24. absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von beweglichem oder unbeweglichem Eigentum; Zerstörung von öffentlichen Urkunden oder andern öffentlichen Papieren;
25. in strafbarer Absicht verübte Beschädigung von Eisenbahnen, Dampf­maschinen, Telegrafenapparaten oder Telegrafenlinien;
26. Komplott zur Ausübung von Gesetzesübertretungen, die in diesem Vertrage vorgesehen sind;
27. Verheimlichung von Gegenständen, welche durch ein in diesem Vertrage vorgesehenes Verbrechen oder Vergehen erlangt worden sind.
Die Auslieferung soll auch wegen Versuches oben aufgezählter Verbrechen bewilligt werden, sofern diese Handlungen nach der Gesetzgebung der beiden kontrahierenden Parteien als Verbrechen strafbar sind.
Art. II
Das Auslieferungsbegehren muss immer auf diplomatischem Wege gestellt werden.
Art. III
Personen, die wegen einer der im Artikel I aufgezählten Handlungen angeklagt sind, müssen provisorisch verhaftet werden, wenn auf diplomatischem Wege ein von der zuständigen Behörde ausgestellter Verhaftbefehl oder eine andere gleich wirksame Urkunde beigebracht wird.
Die provisorische Verhaftung soll ebenfalls stattfinden auf die durch die Post oder durch den Telegrafen gemachte Anzeige, dass ein Verhaftsbefehl bestehe, immerhin unter der Bedingung, dass diese Anzeige, wenn sich der Angeklagte nach dem Königreich Serbien geflüchtet hat, dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, oder, wenn der Angeklagte sich nach der Schweiz geflüchtet hat, dem Bundespräsidenten in gehöriger Form auf diplomatischem Wege zugekommen sei.
Wenn das Verhaftsbegehren einer Gerichts‑ oder Verwaltungsbehörde des einen der beiden Staaten auf direktem Wege zugekommen ist, so hängt die Anordnung der Verhaftung von dem Ermessen dieser Behörde ab; sie soll aber jedenfalls ohne Verzug alle zur Herstellung der Identität der Person und zur Beibringung der Beweise für die eingeklagte Handlung zweckdienlichen Verhöre vornehmen und, wenn sich Schwierigkeiten ergeben, dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten oder dem Bundespräsidenten über die Beweggründe, welche sie veranlasst haben, die verlangte Verhaftung zu verschieben, Bericht erstatten.
Die provisorische Verhaftung soll in der Form und nach den Regeln vollzogen werden, welche die Gesetzgebung des Landes, an welches jenes Ansuchen gestellt worden ist, vorschreibt; sie soll aber aufhören, wenn nach 30 Tagen, von dem Moment der Vollziehung an gerechnet, der hierum angegangenen Regierung nicht das Auslieferungsbegehren gemäss den Vorschriften des Artikels II zugestellt worden ist.
Art. IV
Die Auslieferung wird nur bewilligt auf die Beibringung eines verurteilenden Erkenntnisses oder eines gegen den Angeschuldigten nach den gesetzlichen Formen des requirierenden Staates erlassenen Verhaftsbefehles oder endlich einer jeden andern Urkunde, die einem solchen Verhaftsbefehl gleichsteht und zugleich die Natur und die Schwere des eingeklagten Verbrechens sowie den Zeitpunkt, in welchem es begangen worden ist, angibt.
Diese Akten sollen, soweit möglich, das Signalement des auszuliefernden Individuums sowie eine Abschrift der auf die eingeklagte Handlung anwendbaren Straf­bestimmungen enthalten.
Wenn über die Frage Zweifel entsteht, ob das Verbrechen oder Vergehen, welches Gegenstand der Verfolgung ist, unter die Bestimmungen dieses Vertrages fällt, so werden nähere Aufschlüsse begehrt werden, nach deren Prüfung die Regierung, an welche das Auslieferungsbegehren gerichtet ist, darüber entscheidet, ob demselben Folge zu geben sei.
Die in einer andern Sprache abgefassten Schriftstücke müssen von gehörig beglaubigten deutschen oder französischen Übersetzungen begleitet sein.
Art. V
Die Auslieferung für die im Artikel I genannten gemeinen Verbrechen findet auch dann statt, wenn die eingeklagte Handlung vor dem Inkrafttreten dieses Vertrages verübt wurde.
Art. VI ⁵
Die politischen Verbrechen und Vergehen sowie die rein militärischen Delikte sind von dem gegenwärtigen Vertrage ausgeschlossen.
Es ist ausdrücklich festgesetzt, dass ein Individuum, dessen Auslieferung gewährt worden ist, in keinem Falle wegen eines vor seiner Auslieferung begangenen politischen oder rein militärischen Vergehens noch wegen irgendeiner mit einem derartigen Verbrechen oder Vergehen zusammenhängenden Handlung verfolgt oder bestraft werden darf.
⁵ Siehe auch die schweizerische Note hiernach.
Art. VII
Die Auslieferung wird verweigert werden, wenn seit der eingeklagten Handlung oder der Untersuchung oder der Verurteilung nach den Gesetzen desjenigen Landes, in welches der Angeklagte sich geflüchtet hat, die Verjährung der Strafe oder der Anklage eingetreten ist.
Art. VIII
Wenn das Individuum, dessen Auslieferung verlangt wird, in dem Lande, wohin es sich geflüchtet hat, wegen einer dort begangenen strafbaren Handlung in Unter­suchung gezogen oder verurteilt ist, so kann seine Auslieferung bis zur Verurteilung und bis zur Vollziehung der Strafe verschoben werden.
Ist es in dem gleichen Lande wegen privatrechtlicher Verbindlichkeiten, die es gegenüber von Privatpersonen eingegangen hat, verfolgt oder verhaftet, so soll die Auslieferung dennoch stattfinden; es bleibt aber der beschädigten Partei vorbehalten, ihre Rechte vor der zuständigen Behörde geltend zu machen.
Wird die Auslieferung des gleichen Individuums von zwei Staaten wegen verschiedener Verbrechen verlangt, so entscheidet die Regierung, an welche die beiden Auslieferungsbegehren gestellt worden sind, darüber, an welchen Staat das Individuum zuerst ausgeliefert werden soll. Bei diesem Entscheide ist Rücksicht zu nehmen auf die grössere Strafbarkeit der eingeklagten Handlung oder auf die grössere Leichtigkeit, mit welcher der Verfolgte, sofern Grund hiezu vorhanden ist, von einem Land zum andern überliefert werden kann, um für die eine Anklage nach der andern vor Gericht gestellt zu werden.
Art. IX
Das ausgelieferte Individuum kann auf Grund eines andern Verbrechens oder Vergehens als desjenigen, welches die Auslieferung begründet hat, weder verfolgt noch bestraft werden, selbst dann nicht, wenn dieses andere Verbrechen oder Vergehen der Auslieferung vorausgegangen und im gegenwärtigen Vertrage vorgesehen ist.
Jedoch kann in einem solchen Falle das betreffende Individuum in Untersuchung gezogen und in Anklagezustand versetzt werden, wenn die ausliefernde Regierung ihre Zustimmung erteilt. Der letzteren Regierung steht es hierbei auch zu, die Vor­legung eines der im Artikel IV des gegenwärtigen Vertrages genannten Schriftstücke zu verlangen.
Dieser Zustimmung bedarf es indessen nicht, wenn der Angeschuldigte von sich aus vor Gericht gestellt zu werden oder seine Strafe anzutreten verlangt, oder wenn er nicht innerhalb eines Monates das Gebiet des Landes, an welches er ausgeliefert worden ist, verlassen hat.
Unter allen Umständen ist die Zustimmung der Regierung, welche die Auslieferung bewilligt hat, für die Beurteilung von strafbaren Handlungen, die gleichzeitig mit dem eingeklagten Verbrechen oder Vergehen, für welches die Auslieferung bewilligt wurde, verfolgt werden, nicht erforderlich, wenn jene Handlungen mit dem eingeklagten Verbrechen oder Vergehen in Verbindung stehen und entweder einen erschwerenden Umstand bilden oder sonstwie die Hauptanklage beeinflussen.
Art. X
Die beiden vertragschliessenden Staaten verpflichten sich, die Verbrechen und Vergehen, welche durch ihre Bürger gegen die Gesetze des andern Staates begangen worden sind, nach Massgabe ihrer Gesetzgebung zu verfolgen, wenn der letztere Staat ein bezügliches Begehren stellt und diese Verbrechen oder Vergehen im Artikel I des gegenwärtigen Vertrages vorgesehen sind.
Seinerseits verpflichtet sich der Staat, auf dessen Begehren ein Bürger des andern Staates verfolgt und beurteilt wurde, das nämliche Individuum wegen der gleichen Handlung nicht ein zweites Mal zu verfolgen, es sei denn, das Individuum habe die Strafe, zu der es allenfalls in seiner Heimat verurteilt wurde, nicht verbüsst.⁶
⁶ Berichtigung der in der AS veröffentlichten Übersetzung gemäss Originaltext.
Art. XI
Wenn das Auslieferungsbegehren begründet ist, so sollen alle sequestrierten Gegen­stände, welche geeignet sind, das Verbrechen oder Vergehen zu konstatieren, sowie diejenigen Gegenstände, welche vom Diebstahl herrühren, der die Auslieferung begehrenden Regierung zugestellt werden, gleichviel, ob die Auslieferung infolge Verhaftung des Angeklagten wirklich stattfinden kann oder ob letzteres nicht möglich ist, indem der Angeklagte oder der Verurteilte sich aufs neue geflüchtet hat oder gestorben ist.
Ebenso sollen alle Gegenstände ausgeliefert werden, die der Angeklagte in dem Lande, in das er sich geflüchtet, versteckt oder in Verwahrung gegeben hat und die später aufgefunden werden.
Immerhin bleiben die Rechte vorbehalten, welche dritte, in die Untersuchung nicht verwickelte Personen auf die im gegenwärtigen Artikel bezeichneten Gegenstände erworben haben.
Art. XII
Die Kosten der Verhaftung, der Gefangenhaltung, der Überwachung, der Verpflegung und des Transportes der Ausgelieferten oder der Zustellung der im Artikel XI erwähnten Gegenstände hat der requirierte Staat zu tragen, soweit sie auf seinem Gebiete entstanden sind.
Art. XIII
Der Transit des von einem andern Staate ausgelieferten Individuums durch die Gebiete der kontrahierenden Staaten wird auf diplomatisches Gesuch und gestützt auf die nötigen Ausweise dafür, dass es sich nicht um ein politisches oder rein militärisches Verbrechen handle, bewilligt, insofern jenes Individuum nicht dem Lande angehört, durch welches es transitieren muss.
Der Transport soll mit der grösstmöglichen Beförderung, unter Überwachung von Agenten desjenigen Landes, bei welchem ein solcher Transit nachgesucht wird, und auf Kosten derjenigen Regierung, welche die Auslieferung verlangt, vollzogen werden.
Art. XIV
Wenn im Laufe eines Strafverfahrens eine der beiden Regierungen die Abhörung von Zeugen, welche in dem andern Staate wohnen, oder die Vornahme einer andern Untersuchungshandlung für nötig erachtet, so soll zu diesem Zwecke dem andern Staate auf diplomatischem Wege ein Rogatorium (Requisitorial) eingesandt, und es soll demselben ungesäumt Folge gegeben werden gemäss den Gesetzen dieses Landes.
Die in einer andern Sprache abgefassten Schriftstücke müssen von gehörig beglaubigten deutschen oder französischen Übersetzungen begleitet sein.
Die beiden Regierungen verzichten auf jede Reklamation, welche zum Zwecke hätte, die Rückerstattung der Kosten, welche durch den Vollzug des Rogatoriums entstehen, zu verlangen, es wäre denn, dass es sich um Ausgaben für Kriminal‑, Handels‑ oder gerichtlich‑medizinische Expertisen handelte.
Ebenso kann keinerlei Ersatzforderung gestellt werden für Kosten gerichtlicher Handlungen, die von Beamten des einen oder andern Staates freiwillig vorgenommen worden sind zum Zwecke der Verfolgung oder Feststellung von strafbaren Handlungen, die auf dem Gebiete ihrer Staaten von einem Fremden begangen worden sind, der später in seinem Heimatlande in Untersuchung gezogen wird.
Art. XV
Wenn in Strafsachen die amtliche Zustellung eines Untersuchungsaktes oder eines Urteils an einen Schweizer oder an einen Angehörigen des Königreiches Serbien notwendig erscheint, so soll das betreffende Aktenstück, sei es auf diplomatischem Wege eingesandt oder dem kompetenten Beamten am Wohnort derjenigen Person, welcher es zugestellt werden soll, direkt übermacht worden, dieser letztern persönlich eingehändigt werden, und zwar auf Verfügung dieses Beamten durch den hiefür speziell zuständigen Angestellten. Ersterer soll dann dem absendenden Beamten das die amtliche Zustellung konstatierende Aktenstück im Original zurückschicken. Diese amtliche Zustellung hat die gleiche Wirkung, als hätte sie in dem Lande stattgefunden, von welchem der Untersuchungsakt oder das Urteil herrührt.
Art. XVI
Wenn im Laufe eines Strafverfahrens das persönliche Erscheinen eines Zeugen notwendig ist, so soll derselbe von seiner Landesregierung eingeladen werden, der an ihn ergangenen Vorladung Folge zu leisten. Wenn der Zeuge erscheinen will, so werden ihm die Kosten für die Reise und den Aufenthalt ausser Hause, von seinem Aufenthaltsorte an gerechnet, nach den in dem Lande, wo die Abhörung stattfinden soll, in Kraft bestehenden Tarifen und Verordnungen vergütet. Auf sein Verlangen können ihm die Gerichtsbeamten seines Wohnortes die Reisekosten ganz oder teilweise vorstrecken, und es werden dieselben dann durch die Regierung, welche die Abhörung verlangt hat, zurückerstattet.
Kein Zeuge, welchem Lande er immer angehöre, der in einem der beiden Länder zitiert worden ist und freiwillig vor dem Richter des andern Landes erscheint, darf für zivil‑ oder strafrechtliche Handlungen oder Verurteilungen, die der Einvernahme vorangegangen sind, oder unter dein Vorwande der Mitschuld an den Handlungen, welche den Gegenstand des Prozesses bilden, in dem er als Zeuge erscheint, verfolgt oder verhaftet werden.
Art. XVII
Wenn im Laufe des in einem der beiden Länder eingeleiteten Strafverfahrens die Konfrontation eines im andern Lande gefangen gehaltenen Verbrechers oder die Beibringung von Beweisstücken oder andern gerichtlichen Akten als nützlich erscheint, so ist das bezügliche Begehren auf diplomatischem Wege zu stellen, und es muss alsdann demselben, insofern ihm keine besondern Umstände entgegen stehen, Folge gegeben werden, unter der Verpflichtung, den betreffenden Verbrecher und die Dokumente wieder zurückzusenden.
Die vertragschliessenden Regierungen verzichten auf jede Ersatzforderung der Kosten, welche durch den Transport und die Rücksendung der zu konfrontierenden Verbrecher und die Versendung und Rückstellung der Beweisstücke und anderer Dokumente auf ihrem betreffenden Gebiete verursacht werden.
Art. XVIII
Die vertragschliessenden Parteien verpflichten sich, alle Strafurteile wegen Verbrechen oder Vergehen jeder Art, welche von den Gerichten des einen der Vertragsstaaten gegen Angehörige des andern ausgesprochen werden, einander mitzuteilen. Diese Mitteilung hat auf diplomatischem Wege durch Übersendung eines Auszuges aus dem rechtskräftig gewordenen Urteile zu erfolgen.
Wenn dieser Auszug in einer andern Sprache abgefasst ist, so soll er von einer gehörig beglaubigten deutschen oder französischen Übersetzung begleitet sein.
Art. XIX
Der gegenwärtige Vertrag ist auf fünf Jahre abgeschlossen, vom Tage der Auswechslung der Ratifikationen an gerechnet, welche sobald als möglich in Wien stattfinden soll.
Er ist vierzehn Tage nach Auswechslung der Ratifikationsurkunden vollziehbar.
Findet sechs Monate vor Ablauf dieser fünf Jahre keine Aufkündung von Seite einer der beiden Regierungen statt, so wird der Vertrag für fünf weitere Jahre gültig sein, und so weiter, von je fünf zu fünf Jahren.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten den vorstehenden Vertrag unterzeichnet, unter Beidrückung ihrer Siegel.
So geschehen zu Wien, in doppelter Ausfertigung, den 28. November (16. November) 1887.

A.‑O. Aepli

M.‑M. Boghitchévitch

Beilage

Die Serbische Regierung entschloss sich, den Artikel VI in der vorstehenden Fassung anzunehmen, jedoch unter der Bedingung, dass ihr die Schweiz durch eine förmliche Note ihre Erklärung zu diesem Artikel zur Kenntnis bringe. In diesem Sinne wurde der schweizerische Gesandte in Wien ermächtigt, gleichzeitig mit dem Vertrag eine Note zu unterzeichnen und dem serbischen Gesandten zu übergeben, deren Inhalt hiernach abgedruckt ist.

Schweizerische Note

Übersetzung ⁷
Ew. Exzellenz beehre ich mich zur Kenntnis zu bringen, dass der Bundesrat mich beauftragt hat, mit Bezug auf die Verfolgung und Auslieferung von Personen, die eines Verbrechens gegen einen Souverän und dessen Familienglieder sich schuldig gemacht haben, folgende Erklärung Ihnen mitzuteilen:
«Nach diesseitiger Auffassung ist es ein Irrtum zu glauben, es verweigere die Schweiz die Auslieferung derjenigen Personen, die sich eines Verbrechens gegen einen Souverän oder seine Familienglieder schuldig gemacht haben.
Weder der Text der Auslieferungsverträge noch diesseitige Entscheide rechtfertigen eine solche Annahme.
Alle unsere Verträge verpflichten uns zur Auslieferung in den Fällen von Meuchelmord, Mord oder Vergiftung, ohne dass in Bezug auf die Person, gegen welche das Verbrechen begangen wird, irgendein Unterschied gemacht wäre. Der Königsmörder steht auf der gleichen Linie wie der Mörder eines jeden Menschen.
Allerdings machen die Verträge einen Vorbehalt in Bezug auf die Natur des Verbrechens, indem sie bei politischen Verbrechen die Pflicht zur Auslieferung ausschliessen, und es ist klar, dass dieser Vorbehalt auch zutreffen kann, wenn es sich um ein gegen die Person eines Souveräns begangenes Verbrechen handelt. Daraus folgt nun aber keineswegs, dass die Schweiz ein jedes gegen einen Souverän begangenes Verbrechen von vornherein als ein politisches ansehe und unter allen Umständen die Auslieferung verweigere. Nie ist weder von einer politischen noch von einer richterlichen Behörde eine derartige Folgerung aus den Verträgen gezogen worden.
Diese Behörden werden immer im einzelnen Fall untersuchen, ob einem Verbrechen die politische Qualifikation zukomme oder nicht.
Nach diesen Grundsätzen wird es der Schweiz immer möglich sein, ihre Pflicht gegen die übrigen Staaten zu erfüllen. Weiter kann sie aber nicht gehen. Sie kann von der Regel, weiche für die politischen Verbrechen allgemein und überall gilt, nicht eine Ausnahme machen, die stets nur für den Mitkontrahenten und nie für sie selbst zur Anwendung kommen könnte.»
Wien, den 28. November 1887

Der schweizerische Minister:

A.‑O. Aepli

⁷ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung.
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