Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüch... (0.518.23)
CH - Schweizer Bundesrecht

Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See 3

Abgeschlossen in Genf am 12. August 1949 Von der Bundesversammlung genehmigt am 17. März 1950⁴ Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 31. März 1950 In Kraft getreten für die Schweiz am 21. Oktober 1950 ¹ AS 1951 207 ; BBl 1949 II 1181 ² Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ³ Siehe auch die Zusatzprot. I und II vom 8. Juni 1977 ( SR 0.518.521 ./522 ). ⁴ AS 1951 175
Die unterzeichneten Bevollmächtigten der Regierungen, die an der vom 21. April bis 12. August 1949 in Genf versammelten diplomatischen Konferenz zur Revision des X. Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907⁵ betreffend die Anwendung der Grundsätze des Genfer Abkommens von 1906 auf den Seekrieg vertreten waren, haben folgendes vereinbart:
⁵ [BS 11 522]

Kapitel I Allgemeine Bestimmungen

Art. 1
Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, das vorliegende Abkommen unter allen Umständen einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen.
Art. 2
Ausser den Bestimmungen, die bereits in Friedenszeiten zu handhaben sind, ist das vorliegende Abkommen in allen Fällen eines erklärten Krieges oder jedes anderen bewaffneten Konflikts anzuwenden, der zwischen zwei oder mehreren der Hohen Vertragsparteien entsteht, und zwar auch dann, wenn der Kriegszustand von einer dieser Parteien nicht anerkannt wird.
Das Abkommen ist auch in allen Fällen vollständiger oder teilweiser Besetzung des Gebietes einer Hohen Vertragspartei anzuwenden, selbst wenn diese Besetzung auf keinen bewaffneten Widerstand stösst.
Wenn eine der im Konflikt befindlichen Mächte am vorliegenden Abkommen nicht beteiligt ist, bleiben die daran beteiligten Mächte in ihren gegenseitigen Beziehun­gen gleichwohl durch das Abkommen gebunden. Sie sind aber durch das Abkom­men auch gegenüber dieser Macht gebunden, wenn diese dessen Bestimmungen annimmt und anwendet.
Art. 3
Im Falle eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter aufweist und der auf dem Gebiet einer der Hohen Vertragsparteien entsteht, ist jede der am Konflikt beteiligten Parteien gehalten, wenigstens die folgenden Bestimmungen anzuwenden:
1. Personen, die nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschliess­lich der Mitglieder der bewaffneten Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die infolge Krankheit, Verwundung, Gefangen­nahme oder irgendeiner anderen Ursache ausser Kampf gesetzt wurden, sol­len unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt werden, ohne jede Benachteiligung aus Gründen der Rasse, der Farbe, der Religion oder des Glaubens, des Geschlechts, der Geburt oder des Vermögens oder einem ähnlichen Grunde.
Zu diesem Zwecke sind und bleiben in bezug auf die oben erwähnten Perso­nen jederzeit und jedenorts verboten: a. Angriffe auf Leib und Leben, namentlich Mord jeglicher Art, Ver­stümmelung, grausame Behandlung und Folterung;
b. die Gefangennahme von Geiseln;
c. Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich erniedrigende und entwürdigende Behandlung;
d. Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil eines ordnungsmässig bestellten Gerichtes, das die von den zivilisierten Völ­kern als unerlässlich anerkannten Rechtsgarantien bietet.
2. Die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen sollen geborgen und gepflegt werden.
Eine unparteiische humanitäre Organisation, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, kann den am Konflikt beteiligten Parteien ihre Dienste anbieten.
Die am Konflikt beteiligten Parteien werden sich anderseits bemühen, durch beson­dere Vereinbarungen auch die andern Bestimmungen des vorliegenden Abkommens ganz oder teilweise in Kraft zu setzen.
Die Anwendung der vorstehenden Bestimmungen hat auf die Rechtsstellung der am Konflikt beteiligten Parteien keinen Einfluss.
Art. 4
Bei Kriegshandlungen zwischen den Land‑ und Seestreitkräften der am Konflikt beteiligten Parteien sind die Bestimmungen dieses Abkommens nur auf die an Bord befindlichen Streitkräfte anwendbar.
Die an Land gesetzten Streitkräfte sind sofort dem Genfer Abkommen vom 12. Au­gust 1949⁶ zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaff­neten Kräfte im Felde unterstellt.
⁶ SR 0.518.12
Art. 5
Die neutralen Mächte haben die Bestimmungen dieses Abkommens sinngemäss auf Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige sowie auf die Angehörigen des Sanitäts‑ und Seelsorgepersonals der bewaffneten Kräfte der am Konflikt beteiligten Parteien anzuwenden, die in ihr Gebiet aufgenommen oder dort interniert werden, ebenso auf die geborgenen Gefallenen.
Art. 6
Ausser den in den Artikeln 10, 18, 31, 38, 39, 40, 43 und 53 ausdrücklich vorgese­henen Vereinbarungen können die Hohen Vertragsparteien besondere Vereinbarun­gen über jede Frage treffen, deren Sonderregelung ihnen zweckmässig erscheint. Keine besondere Vereinbarung darf die Lage der Verwundeten, Kranken und Schiff­brüchigen sowie der Angehörigen des Sanitäts‑ und Seelsorgepersonals, wie sie durch das vorliegende Abkommen geregelt ist, beeinträchtigen oder die Rechte beschränken, die ihnen das Abkommen einräumt.
Die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen sowie die Angehörigen des Sani­täts‑ und Seelsorgepersonals geniessen die Vorteile dieser Vereinbarungen so lange, als das Abkommen auf sie anwendbar ist, vorbehaltlich ausdrücklicher gegenteiliger Bestimmungen, die in den oben genannten oder in späteren Vereinbarungen enthal­ten sind und vorbehaltlich günstigerer Massnahmen, die durch die eine oder andere der am Konflikt beteiligten Parteien hinsichtlich dieser Personen ergriffen worden sind.
Art. 7
Die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen sowie die Angehörigen des Sani­täts‑ und Seelsorgepersonals können in keinem Falle, weder teilweise noch vollstän­dig, auf die Rechte verzichten, die ihnen das vorliegende Abkommen und gegebe­nenfalls die im vorhergehenden Artikel genannten besonderen Vereinbarungen ein­räumen.
Art. 8
Das vorliegende Abkommen ist unter der Mitwirkung und Aufsicht der Schutz­mächte anzuwenden, die mit der Wahrnehmung der Interessen der am Konflikt beteiligten Parteien betraut sind. Zu diesem Zwecke können die Schutzmächte neben ihren diplomatischen oder konsularischen Vertretern Delegierte unter ihren eigenen Staatsangehörigen oder unter Staatsangehörigen anderer neutraler Mächte bezeich­nen. Diese Delegierten müssen von der Macht genehmigt werden, bei der sie ihre Mission auszuführen haben.
Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen die Aufgabe der Vertreter oder Dele­gierten der Schutzmächte in grösstmöglichem Masse erleichtern.
Die Vertreter oder Delegierten der Schutzmächte dürfen keinesfalls die Grenzen ihrer Aufgabe, wie sie aus dem vorliegenden Abkommen hervorgeht, überschreiten; insbesondere haben sie die zwingenden Sicherheitsbedürfnisse des Staates, in dem sie ihre Aufgabe durchführen, zu berücksichtigen. Nur aus zwingender militärischer Notwendigkeit kann ihre Tätigkeit ausnahmsweise und zeitweilig eingeschränkt werden.
Art. 9
Die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens bilden kein Hindernis für die humanitäre Tätigkeit, die das Internationale Komitee vom Roten Kreuz oder irgendeine andere unparteiliche humanitäre Organisation mit Einwilligung der am Konflikt be­teiligten Parteien ausübt, um die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen sowie die Angehörigen des Sanitäts‑ und Seelsorgepersonals zu schützen und ihnen Hilfe zu bringen.
Art. 10
Die Hohen Vertragsparteien können jederzeit vereinbaren, die durch das vorliegende Abkommen den Schutzmächten übertragenen Aufgaben einer Organisation anzu­vertrauen, die alle Garantien für Unparteilichkeit und erfolgreiche Arbeit bietet.
Wenn Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige sowie Angehörige des Sanitäts‑ und Seelsorgepersonals aus irgendeinem Grunde nicht oder nicht mehr von einer Schutzmacht oder einer in Absatz 1 vorgesehenen Organisation betreut werden, hat der Gewahrsamsstaat einen neutralen Staat oder eine solche Organisation zu ersu­chen, die Funktionen zu übernehmen, die das vorliegende Abkommen den Schutz­mächten überträgt, die von den am Konflikt beteiligten Parteien bezeichnet werden.
Sollte ein Schutz auf diese Weise nicht gewährleistet werden können, so hat der Gewahrsamsstaat entweder eine humanitäre Organisation, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, zu ersuchen, die durch das vorliegende Abkommen den Schutzmächten zufallenden humanitären Aufgaben zu übernehmen, oder aber unter Vorbehalt der Bestimmungen dieses Artikels die Dienste anzunehmen, die ihm eine solche Organisation anbietet.
Jede neutrale Macht oder jede Organisation, die von der betreffenden Macht einge­laden wird oder sich zu diesem Zwecke zur Verfügung stellt, soll sich in ihrer Tätig­keit der Verantwortung gegenüber der am Konflikt beteiligten Partei, welcher die durch das vorliegende Abkommen geschützten Personen angehören, bewusst blei­ben und ausreichende Garantien dafür bieten, dass sie in der Lage ist, die betreffen­den Funktionen zu übernehmen und sie mit Unparteilichkeit zu erfüllen.
Von den vorstehenden Bestimmungen kann nicht durch eine besondere Verein­barung zwischen Mächten abgewichen werden, von denen die eine, wenn auch nur vorübergehend, gegenüber der anderen oder deren Verbündeten infolge militärischer Ereignisse und besonders infolge einer Besetzung des gesamten oder eines wichti­gen Teils ihres Gebietes, in ihrer Verhandlungsfreiheit beschränkt wäre.
Wo immer im vorliegenden Abkommen die Schutzmacht erwähnt wird, bezieht sich diese Erwähnung ebenfalls auf die Organisationen, die sie im Sinne dieses Artikels ersetzen.
Art. 11
In allen Fällen, in denen die Schutzmächte es im Interesse der geschützten Personen als angezeigt erachten, insbesondere in Fällen von Meinungsverschiedenheiten zwi­schen den am Konflikt beteiligten Parteien über die Anwendung oder Auslegung der Bestimmungen des vorliegenden Abkommens, sollen sie zur Beilegung des Streit­falles ihre guten Dienste leihen.
Zu diesem Zwecke kann jede der Schutzmächte, entweder auf Einladung einer Partei oder von sich aus, den am Konflikt beteiligten Parteien eine Zusammenkunft ihrer Vertreter und im besondern der für das Schicksal der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen sowie der Angehörigen des Sanitäts‑ und Seelsorgepersonals ver­antwortlichen Behörden vorschlagen, gegebenenfalls auf einem passend gewählten neutralen Gebiet. Die am Konflikt beteiligten Parteien sind verpflichtet, den ihnen zu diesem Zwecke gemachten Vorschlägen Folge zu geben. Die Schutzmächte kön­nen, wenn nötig, unter Zustimmung der am Konflikt beteiligten Parteien eine einer neutralen Macht angehörende oder vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz delegierte Persönlichkeit vorschlagen, die zu ersuchen ist, an dieser Zusammenkunft teilzunehmen.

Kapitel II Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige

Art. 12
Die Angehörigen der bewaffneten Kräfte und die übrigen im folgenden Artikel angeführten Personen, die sich zur See befinden und verwundet, krank oder schiffbrü­chig sind, sollen unter allen Umständen geschont und geschützt werden, wobei der Ausdruck «Schiffbruch» auf jede Art von Schiffbruch anzuwenden ist, unter wel­chen Umständen immer er sich ereignet, einschliesslich der Notwasserung von Flug­zeugen auf dem Meere oder deren Absturz in das Meer.
Sie sollen durch die am Konflikt beteiligte Partei, in deren Gewalt sie sich befinden, mit Menschlichkeit behandelt und gepflegt werden, ohne jede Benachteiligung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der Staatsangehörigkeit, der Religion, der politischen Meinung oder aus irgendeinem ähnlichen Grunde. Streng verboten ist jeder Angriff auf Leib und Lebendieser Personen und besonders, sie umzubringen oder auszurotten, sie zu foltern, an ihnen biologische Versuche vorzunehmen, sie vor­sätzlich ohne ärztliche Hilfe oder Pflege zu lassen oder sie eigens dazu geschaffenen Ansteckungs‑ oder Infektionsgefahren auszusetzen.
Nur dringliche medizinische Gründe rechtfertigen eine Bevorzugung in der Reihen­folge der Behandlung.
Frauen sollen mit aller ihrem Geschlechte geschuldeten Rücksicht behandelt wer­den.
Art. 13
Dieses Abkommen findet auf Schiffbrüchige, Verwundete und Kranke zur See fol­gender Kategorien Anwendung:
1. Angehörige von bewaffneten Kräften einer am Konflikt beteiligten Partei, ebenso Angehörige von Milizen und Freiwilligenkorps, die zu diesen bewaffneten Kräften gehören;
2. Angehörige anderer Milizen und Freiwilligenkorps, einschliesslich solcher von organisierten Widerstandsbewegungen, die zu einer am Konflikt betei­ligten Partei gehören und ausserhalb oder innerhalb ihres eigenen Gebietes, auch wenn dasselbe besetzt ist, tätig sind, sofern diese Milizen oder Freiwil­ligenkorps, einschliesslich der organisierten Widerstandsbewegungen: a. an ihrer Spitze eine für ihre Untergebenen verantwortliche Person haben;
b. ein bleibendes und von weitem erkennbares Zeichen tragen;
c. die Waffen offen tragen;
d. bei ihren Operationen die Gesetze und Gebräuche des Krieges einhal­ten;
3. Angehörige regulärer bewaffneter Kräfte, die sich zu einer von der Gewahr­samsmacht nicht anerkannten Regierung oder Behörde bekennen;
4. Personen, die den bewaffneten Kräften folgen, ohne ihnen direkt anzugehö­ren, wie zivile Besatzungsmitglieder von Militärflugzeugen, Kriegsberichter­statter, Heereslieferanten, Angehörige von Arbeitseinheiten oder von Dien­s­ten, die mit der Fürsorge für die bewaffneten Kräfte betraut sind, sofern dieselben von den bewaffneten Kräften, die sie begleiten, zu ihrer Tätigkeit ermächtigt wurden;
5. Besatzungsmitglieder der Handelsmarine, einschliesslich der Kapitäne, Steuer­­männer und Schiffsjungen, sowie Besatzungen der Zivilluftfahrt der am Konflikt beteiligten Parteien, welche auf Grund anderer Bestimmungen des internationalen Rechts keine günstigere Behandlung geniessen;
6. die Bevölkerung eines unbesetzten Gebietes, die beim Herannahen des Fein­des aus eigenem Antrieb die Waffen gegen die Invasionstruppen ergreift, ohne zur Bildung regulärer Streitkräfte Zeit gehabt zu haben, sofern sie die Waffen offen trägt und die Gesetze und Gebräuche des Krieges einhält.
Art. 14
Jedes Kriegsschiff einer kriegführenden Partei kann die Auslieferung der Verwun­deten, Kranken oder Schiffbrüchigen verlangen, die sich an Bord von militärischen Lazarettschiffen, von Lazarettschiffen der Hilfsgesellschaften oder privater Personen sowie von Handelsschiffen, Jachten und Booten gleich welcher Nationalität befin­den, sofern der Gesundheitszustand der Verwundeten und Kranken dies gestattet und das Kriegsschiff über die für eine hinreichende Pflege nötigen Einrichtungen verfügt.
Art. 15
Wenn Verwundete, Kranke oder Schiffbrüchige an Bord eines neutralen Kriegs­schiffes oder eines neutralen Militärluftfahrzeuges genommen werden, ist, wenn es das Völkerrecht erfordert, dafür zu sorgen, dass sie nicht mehr an Kriegshandlungen teilnehmen können.
Art. 16
Unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 12 werden Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige eines Kriegführenden, wenn sie in Feindeshand geraten, Kriegs­gefangene und die die Kriegsgefangenen betreffenden Regeln des Völkerrechtes sind auf sie anzuwenden. Es liegt im Ermessen des Gefangennehmenden, sie je nach Um­ständen festzuhalten oder sie nach einem Hafen seines Landes, nach einem neutralen oder selbst nach einem Hafen des Gegners zu geleiten. Im letztern Falle dürfen die so in ihre Heimat zurückgekehrten Kriegsgefangenen während der Dauer des Krie­ges keinen Dienst mehr leisten.
Art. 17
Die mit Zustimmung der lokalen Behörde in einem neutralen Hafen an Land gebrachten Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen müssen von der neutralen Macht, wenn zwischen ihr und den kriegführenden Mächten keine gegenteilige Ver­einbarung getroffen wurde, so bewacht werden, dass sie, wenn es das Völkerrecht erfordert, nicht mehr an Kriegshandlungen teilnehmen können.
Die Hospitalisierungs‑ und Internierungskosten gehen zu Lasten derjenigen Macht, von der die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen abhängen.
Art. 18
Nach jedem Kampfe haben die am Konflikt beteiligten Parteien unverzüglich alle zu Gebote stehenden Massnahmen zu treffen, um die Schiffbrüchigen, Verwundeten und Kranken aufzusuchen und zu bergen, sie vor Beraubung und Misshandlung zu schützen und ihnen die notwendige Pflege zu sichern, und um die Gefallenen auf­zusuchen und deren Ausplünderung zu verhindern.
Wenn immer es die Umstände gestatten, sollen die am Konflikt beteiligten Parteien örtliche Abmachungen für die Evakuierung zur See von Verwundeten und Kranken aus einer belagerten oder eingekreisten Zone treffen, sowie für den Durchzug von Sanitäts‑ und Seelsorgepersonal sowie von Sanitätsmaterial nach dieser Zone.
Art. 19
Die am Konflikt beteiligten Parteien haben möglichst bald sämtliche Anhaltspunkte für die Identifizierung der in ihre Gewalt geratenen Schiffbrüchigen, Verwundeten, Kranken und Gefallenen der Gegenpartei zu verzeichnen. Diese Ermittlungen sollen, wenn möglich, folgendes enthalten:
a. Angabe der Macht, von der sie abhängen;
b. militärische Einteilung oder Matrikelnummer;
c. Familienname;
d. den oder die Vornamen;
e. Geburtsdatum;
f. alle anderen auf der Identitätskarte oder der Erkennungsmarke enthaltenen Angaben;
g. Ort und Datum der Gefangennahme oder des Todes;
h. Angaben über Verwundungen, Krankheit oder Todesursache.
Die oben erwähnten Angaben müssen so rasch als möglich der in Artikel 122 des Genfer Abkommens vom 12. August 1949⁷ über die Behandlung der Kriegsgefan­genen vorgesehenen Auskunftstelle übermittelt werden, die sie ihrerseits durch Vermittlung der Schutzmacht oder der Zentralstelle für Kriegsgefangene an die Macht weiterleitet, von der diese Gefangenen abhängen.
Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen gehörig beglaubigte Todesurkunden oder Gefallenenlisten ausfertigen und diese einander auf dem im vorhergehenden Absatz erwähnten Weg zukommen lassen. Sie sollen auch die Hälften der doppelten Erken­nungsmarken oder, wenn diese einfach sind, die ganzen, sowie Testamente und andere für die Familien der Gefallenen wichtige Schriftstücke sowie Geldbeträge und allgemein alle bei den Gefallenen gefundenen Gegenstände von eigentlichem oder gerühlsmässigem Wert sammeln und einander durch Vermittlung derselben Stelle gegenseitig zukommen lassen. Diese sowie die nicht identifizierten Gegen­stände sollen in versiegelten Paketen versandt werden und von einer Erklärung, die alle zur Identifizierung des verstorbenen Besitzers notwendigen Einzelheiten enthält, sowie von einem vollständigen Verzeichnis des Paketinhaltes begleitet sein.
⁷ SR 0.518.42
Art. 20
Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen dafür sorgen, dass der Versenkung der Gefallenen, die, soweit es die Umstände irgendwie gestatten, einzeln vorgenommen werden soll, eine sorgfältige und, wenn möglich, ärztliche Leichenschau vorangeht, die den Tod feststellen, die Identität abklären und einen Bericht darüber ermögli­chen soll. Wurde eine doppelte Erkennungsmarke getragen, so soll deren Hälfte auf der Leiche bleiben.
Werden Gefallene an Land gebracht, so sind die Bestimmungen des Genfer Abkommens vom 12. August 1949⁸ zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde auf sie anzuwenden.
⁸ SR 0.518.12
Art. 21
Die am Konflikt beteiligten Parteien können sich an die Hilfsbereitschaft der Kapi­täne neutraler Handelsschiffe, Jachten oder Boote wenden, damit diese Verwundete, Kranke oder Schiffbrüchige an Bord nehmen und pflegen und Gefallene bergen.
Die Schiffe jeder Art, welche diesem Aufruf Folge leisten, sowie jene, die unaufge­fordert Verwundete, Kranke oder Schiffbrüchige aufnehmen, sollen einen besondern Schutz sowie Erleichterungen für die Ausübung ihrer Hilfstätigkeit geniessen.
Sie dürfen auf keinen Fall wegen eines solchen Transportes aufgebracht werden; sofern ihnen aber keine gegenteiligen Zusicherungen gemacht wurden, bleiben sie für etwa begangene Neutralitätsverletzungen der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt.

Kapitel III Lazarettschiffe

Art. 22
Die militärischen Lazarettschiffe, d.h. die Schiffe, die von den Mächten einzig und allein dazu erbaut und eingerichtet worden sind, um den Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen Hilfe zu bringen, sie zu pflegen und zu befördern, dürfen unter kei­nen Umständen angegriffen oder aufgebracht werden, sondern sind jederzeit zu schonen und zu schützen, sofern ihre Namen und ihre besonderen Merkmale zehn Tage vor ihrem Einsatz den am Konflikt beteiligten Parteien mitgeteilt wurden.
Unter den besonderen Merkmalen, die in der Anzeige enthalten sein müssen, sind die Anzahl der Bruttoregistertonnen, die Länge vom Heck zum Bug sowie die Anzahl der Masten und Schornsteine zu verstehen.
Art. 23
An der Küste gelegene Anstalten, die Anspruch auf den Schutz des Genfer Abkom­mens vom 12. August 1949⁹ zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde haben, dürfen nicht vorn Meer aus ange­griffen oder beschossen werden.
⁹ SR 0.518.12
Art. 24
Die von nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes, von offiziell anerkannten Hilfsgesellschaften oder von Privatpersonen eingesetzten Lazarettschiffe sollen den gleichen Schutz geniessen wie die militärischen Lazarettschiffe und dürfen nicht aufgebracht werden, wenn die am Konflikt beteiligte Partei, von der sie abhängen, einen amtlichen Ausweis für sie ausgestellt hat und sofern die Bestimmungen von Art. 22 über die Anzeige eingehalten wurden.
Diese Schiffe müssen eine Bescheinigung der zuständigen Behörde darüber bei sich führen, dass sie während der Ausrüstung und beim Auslaufen ihrer Aufsicht unter­stellt waren.
Art. 25
Die von nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes, von offiziell anerkannten Hilfsgesellschaften oder von Privatpersonen neutraler Länder eingesetzten Lazarett­schiffe sollen den gleichen Schutz geniessen wie die militärischen Lazarettschiffe und dürfen nicht aufgebracht werden, sofern sie sich mit vorgängiger Einwilligung ihrer eigenen Regierung und mit Ermächtigung einer am Konflikt beteiligten Partei der Aufsicht dieser Partei unterstellt haben und sofern die Bestimmungen von Arti­kel 22 über die Anzeige eingehalten wurden.
Art. 26
Der in den Artikeln 22, 24 und 25 vorgesehene Schutz soll sich auf die Lazarett­schiffe aller Tonnagen und auf ihre Rettungsboote erstrecken, wo immer sie tätig sind. Um jedoch die grösstmögliche Annehmlichkeit und Sicherheit zu gewährlei­sten, sollen sich die am Konflikt beteiligten Parteien bemühen, für die Beförderung von Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen auf weite Entfernungen und auf hoher See nur Lazarettschiffe von mehr als 2000 Bruttotonnen einzusetzen.
Art. 27
Unter den gleichen Voraussetzungen, wie sie in den Artikeln 22 und 24 vorgesehen sind, sollen auch die von einem Staat oder von offiziell anerkannten Hilfsgesell­schaften eingesetzten Küstenrettungsboote, soweit es die Erfordernisse der Opera­tionen gestatten, geschont und geschützt werden.
Dasselbe soll soweit möglich auch für die feststehenden Küstenanlagen gelten, die ausschliesslich von diesen Booten für ihre humanitäre Tätigkeit benützt werden.
Art. 28
Findet an Bord von Kriegsschiffen ein Kampf statt, so sollen die Lazarette nach Möglichkeit geachtet und verschont werden. Diese Schiffslazarette und ihre Ausrü­s­tung bleiben den Kriegsgesetzen unterworfen, dürfen aber ihrer Bestimmung nicht entzogen werden, solange sie für Verwundete und Kranke notwendig sind. Gleich­wohl kann der Befehlshaber, der sie in seiner Gewalt hat, im Falle dringender militä­rischer Notwendigkeit darüber verfügen, wenn er zuvor die Betreuung der darin gepflegten Verwundeten und Kranken sichergestellt hat.
Art. 29
Jedes Lazarettschiff, das in einem Hafen liegt, der in die Gewalt des Feindes gerät, ist berechtigt, auszulaufen.
Art. 30
Die in den Artikeln 22, 24, 25 und 27 bezeichneten Schiffe und Boote sollen den Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen ohne Unterschied der Staatsangehörig­keit Hilfe und Beistand gewähren.
Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, diese Schiffe und Boote zu keinerlei militärischen Zwecken zu benützen.
Diese Schiffe und Boote dürfen in keiner Weise die Bewegungen der Kämpfenden behindern.
Während des Kampfes und nach demselben handeln sie auf ihre eigene Gefahr.
Art. 31
Die am Konflikt beteiligten Parteien haben auf den in den Artikeln 22, 24, 25 und 27 bezeichneten Schiffen und Booten das Kontroll‑ und Durchsuchungsrecht. Sie können die Hilfe dieser Schiffe und Boote ablehnen, ihnen befehlen, sich zu entfer­nen, ihnen einen bestimmten Kurs vorschreiben, die Verwendung ihrer Funk‑ und aller andern Nachrichtengeräte regeln und sie bei Vorliegen besonders schwerwie­gender Umstände sogar für eine Höchstdauer von sieben Tagen, vom Zeitpunkt des Anhaltens an gerechnet, zurückhalten.
Sie können vorübergehend einen Kommissar an Bord geben, dessen ausschliessliche Aufgabe darin besteht, die Ausführung der gemäss den Bestimmungen des vorher­gehenden Absatzes erteilten Befehle sicherzustellen.
Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen soweit wie möglich ihre den Lazarett­schiffen erteilten Befehle in einer für den Kapitän des Lazarettschiffes verständ­lichen Sprache in deren Bordbuch eintragen.
Die am Konflikt beteiligten Parteien können einseitig oder durch eine besondere Vereinbarung neutrale Beobachter an Bord ihrer Lazarettschiffe geben, die die genaue Einhaltung der Bestimmungen dieses Abkommens festzustellen haben.
Art. 32
Die in den Artikeln 22, 24, 25 und 27 bezeichneten Schiffe und Boote werden bei einem Aufenthalt in neutralen Häfen nicht als Kriegsschiffe behandelt.
Art. 33
In Lazarettschiffe umgewandelte Handelsschiffe dürfen während der ganzen Dauer der Feindseligkeiten keiner andern Bestimmung zugeführt werden.
Art. 34
Der den Lazarettschiffen und Schiffslazaretten gebührende Schutz darf nur aufhö­ren, wenn diese ausserhalb ihrer humanitären Aufgaben zur Begehung von Hand­lungen verwendet werden, die den Feind schädigen. Immerhin darf ihnen der Schutz erst entzogen werden, nachdem eine Warnung, die, soweit angängig, eine angemes­sene Frist setzt, unbeachtet geblieben ist.
Insbesondere dürfen Lazarettschiffe für ihre Sendungen mit Funk‑ oder irgendwel­chen andern Nachrichtengeräten keinen Geheimkode besitzen oder verwenden.
Art. 35
Folgende Umstände gelten nicht als Begründung für den Entzug des Schutzes, der den Lazarettschiffen oder Schiffslazaretten gebührt:
1. wenn das Personal dieser Schiffe oder Lazarette bewaffnet ist und von sei­nen Waffen zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zu seiner eigenen Verteidi­gung oder zur Verteidigung seiner Verwundeten und Kranken Gebrauch macht;
2. wenn sich an Bord Apparate befinden, die ausschliesslich für die Sicherung der Navigation oder der Nachrichtenübermittlung bestimmt sind;
3. wenn sich an Bord von Lazarettschiffen oder in Schiffslazaretten Handwaf­fen und Munition vorfinden, die den Verwundeten, Kranken und Schiffbrü­chigen abgenommen und der zuständigen Dieststelle noch nicht abgeliefert worden sind;
4. wenn sich die humanitäre Tätigkeit der Lazarettschiffe und der Schiffslaza­rette oder ihres Personals auf verwundete, kranke oder schiffbrüchige Zivil­personen erstreckt;
5. wenn Lazarettschiffe ausschliesslich für sanitätsdienstliche Zwecke bestimmtes Material und Personal in grösserem Ausmass befördern, als für sie üblicherweise erforderlich ist.

Kapitel IV Sanitätspersonal

Art. 36
Das geistliche, ärztliche und Lazarettpersonal von Lazarettschiffen und deren Besat­zung sollen geschont und geschützt werden; es darf während der Zeit seines Dien­stes auf diesen Schiffen nicht gefangengenommen werden, gleichgültig ob Verwun­dete und Kranke an Bord sind oder nicht.
Art. 37
Wenn das geistliche, ärztliche und Lazarettpersonal, das mit der ärztlichen oder see­lischen Betreuung der in den Artikeln 12 und 13 bezeichneten Personen befasst ist, in Feindeshand gerät, soll es geschont und geschützt werden; es kann seine Tätigkeit solange fortsetzen, als es die Pflege der Verwundeten und Kranken erfordert. Es muss danach zurückgesandt werden, sobald der Oberbefehlshaber, in dessen Gewalt es sich befindet, dies für möglich erachtet. Beim Verlassen des Schiffes kann es sein persönliches Eigentum mit sich nehmen.
Wenn es sich jedoch infolge der gesundheitlichen oder seelischen Bedürfnisse der Kriegsgefangenen als notwendig erweist, einen Teil dieses Personals zurückzuhal­ten, sollen alle Massnahmen getroffen werden, um es möglichst bald an Land zu set­zen.
Bei seiner Landung soll das zurückgehaltene Personal den Bestimmungen des Gen­fer Abkommens vom 12. August 1949¹⁰ zur Verbesserung des Loses der Verwunde­ten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde unterstellt werden.
¹⁰ SR 0.518.12

Kapitel V Sanitätstransporte

Art. 38
Die zu diesem Zweck gecharterten Schiffe sind berechtigt, ausschliesslich für die Pflege der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte oder für die Verhü­tung von Krankheiten bestimmtes Material zu befördern, sofern ihre Fahrbedingun­gen der feindlichen Macht mitgeteilt und durch diese genehmigt wurden. Der feind­lichen Macht bleibt das Recht vorbehalten, sie anzuhalten, aber nicht, sie aufzubrin­gen oder das mitgeführte Material zu beschlagnahmen.
Auf Grund einer Abmachung zwischen den am Konflikt beteiligten Parteien können neutrale Beobachter zur Kontrolle des mitgeführten Materials an Bord gebracht werden. Zu diesem Zweck muss dieses Material leicht zugänglich sein.
Art. 39
Sanitätsluftfahrzeuge, d.h. ausschliesslich für die Wegschaffung von Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen und für die Beförderung von Sanitätspersonal und ‑material verwendete Luftfahrzeuge, sollen von den am Konflikt beteiligten Parteien nicht angegriffen, sondern geschont werden, solange sie in Höhen, zu Stunden und auf Routen fliegen, die von allen am Konflikt Beteiligten ausdrücklich vereinbart wurden.
Sie sollen neben den Landesfarben deutlich sichtbar das in Artikel 41 vorgesehene Schutzzeichen auf den untern, obern und seitlichen Flächen tragen. Sie sollen mit allen übrigen zwischen den am Konflikt beteiligten Parteien bei Beginn oder im Verlaufe der Feindseligkeiten durch Vereinbarung festgelegten Kennzeichen oder Erkennungsmitteln ausgestattet sein.
Unbeschadet gegenteiliger Vereinbarungen ist das Überfliegen feindlichen oder vom Feinde besetzten Gebietes untersagt.
Die Sanitätsluftfahrzeuge haben jedem Befehl zum Landen oder Wassern Folge zu leisten. Im Falle einer so befohlenen Landung oder Wasserung kann das Luftfahr­zeug mit seinen Insassen nach einer etwaigen Untersuchung den Flug fortsetzen.
Im Falle einer zufälligen Landung oder Wasserung auf feindlichem oder vom Feinde besetztem Gebiet werden die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen sowie die Besatzung des Luftfahrzeuges Kriegsgefangene. Das Sanitätpersonal soll gemäss den Artikeln 36 und 37 behandelt werden.
Art. 40
Sanitätsluftfahrzeuge der am Konflikt beteiligten Parteien können unter Vorbehalt von Absatz 2 das Gebiet neutraler Mächte überfliegen und dort eine Not‑ oder Zwi­schenlandung oder ‑wasserung vornehmen. Sie haben vorher den neutralen Mächten das Überfliegen ihres Gebietes zu melden und jedem Befehl zum Landen oder Was­sern Folge zu leisten. Bei ihrem Flug sind sie vor Angriffen nur geschützt, solange sie in Höhen, zu Stunden und auf Routen fliegen, die zwischen den betreffenden am Konflikt beteiligten Parteien und neutralen Mächten ausdrücklich vereinbart wur­den.
Die neutralen Mächte können jedoch für das Überfliegen ihres Gebietes durch Sanitätsluftfahrzeuge oder für deren Landung auf demselben Bedingungen oder Beschränkungen festsetzen. Diese Bedingungen oder Beschränkungen sollen auf alle am Konflikt beteiligten Parteien in gleicher Weise angewendet werden.
Die mit Zustimmung der lokalen Behörde von einem Sanitätsluftfahrzeug auf neu­tralem Gebiet abgesetzten Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen müssen vom neutralen Staat, wenn zwischen ihm und den am Konflikt beteiligten Parteien keine gegenteilige Vereinbarung getroffen wurde, so bewacht werden, dass sie, wenn es das Völkerrecht erfordert, nicht mehr an Kriegshandlungen teilnehmen können. Die Hospitalisierungs‑ und Internierungskosten gehen zu Lasten derjenigen Macht, von der die Verwundeten, Kranken oder Schiffbrüchigen abhängen.

Kapitel VI Schutzzeichen

Art. 41
Unter der Aufsicht der zuständigen Militärbehörde sollen Fahnen, Armbinden und das gesamte für den Sanitätsdienst verwendete Material mit dem Zeichen des roten Kreuzes auf weissem Grund versehen sein.
Indessen sind für die Länder, die an Stelle des roten Kreuzes den roten Halbmond oder den roten Löwen mit roter Sonne auf weissem Grunde bereits als Erkennungs­zeichen verwenden, diese Schutzzeichen im Sinne dieses Abkommens ebenfalls zugelassen.
Art. 42
Das in den Artikeln 36 und 37 bezeichnete Personal hat, am linken Arm befestigt, eine feuchtigkeitsbeständige, mit dem Schutzzeichen versehene Binde zu tragen, die von der Militärbehörde abzugeben und zu stempeln ist.
Dieses Personal hat ausser der in Artikel 19 erwähnten Erkennungsmarke eine besondere, mit dem Schutzzeichen versehene Identitätskarte auf sich zu tragen. Diese Karte muss feuchtigkeitsbeständig sein und Taschenformat haben. Sie soll in der Landessprache abgefasst sein und mindestens Namen und Vornamen, Geburtsdatum, Dienstgrad und Matrikelnummer des Inhabers enthalten. Sie soll bescheinigen, in welcher Eigenschaft er Anspruch auf den Schutz dieses Abkommens hat. Die Karte soll mit einer Photographie des Inhabers und ausserdem mit seiner Unterschrift oder seinen Fingerabdrücken oder mit beidem versehen sein. Sie soll ferner den Trocken­stempel der Militärbehörde tragen.
In jeder Armee sollen die Identitätskarten einheitlich und in den Armeen der Hohen Vertragsparteien soweit als möglich nach gleichem Muster gestaltet sein. Die am Konflikt beteiligten Parteien können sich an das dem Abkommen beigefügte Muster halten. Bei Beginn der Feindseligkeiten sollen sie einander das von ihnen verwen­dete Muster bekanntgeben. Jede Identitätskarte soll, wenn möglich, in mindestens zwei Exemplaren ausgefertigt werden, wovon eines vom Heimatstaat aufbewahrt wird.
In keinem Fall dürfen dem oben erwähnten Personal die Abzeichen oder die Identi­tätskarte abgenommen oder das Recht zum Tragen seiner Armbinde entzogen wer­den. Bei Verlust derselben hat es Anspruch auf ein Doppel der Karte oder auf Ersatz der Abzeichen.
Art. 43
Die in den Artikeln 22, 24, 25 und 27 bezeichneten Schiffe und Boote sollen auf folgende Weise gekennzeichnet sein:
a. alle ihre äusseren Flächen sollen weiss sein;
b. ein oder mehrere möglichst grosse dunkelrote Kreuze sollen auf beiden Sei­ten des Rumpfes sowie auf die horizontalen Flächen so aufgemalt sein, dass sie die beste Sicht vom Meere und aus der Luft gewährleisten.
Alle Lazarettschiffe sollen sich kenntlich machen, indem sie ihre Landesflagge his­sen und, wenn sie einem neutralen Staat angehören, ebenfalls die Flagge der am Konflikt beteiligten Partei, deren Aufsicht sie sich unterstellt haben. Eine weisse Flagge mit rotem Kreuz soll am Grossmast so hoch wie möglich gehisst werden.
Die Rettungsboote der Lazarettschiffe, die Küstenrettungsboote und alle vom Sani­tätsdienst verwendeten kleinen Boote sollen weiss mit gut sichtbaren dunkelroten Kreuzen bemalt sein; ganz allgemein gilt für sie die oben für Lazarettschiffe vorge­sehene Art der Kennzeichnung.
Die oben erwähnten Schiffe und Boote, die sich bei Nacht und bei beschränkter Sicht den ihnen zustehenden Schutz sichern wollen, sollen im Einvernehmen mit der am Konflikt beteiligten Macht, in deren Gewalt sie sich befinden, die nötigen Mass­nahmen treffen, um ihre Bemalung und ihre Schutzzeichen genügend sichtbar zu machen.
Lazarettschiffe, die auf Grund von Artikel 31 vorübergehend vom Feind zurück­gehalten werden, müssen die Flagge der am Konflikt beteiligten Partei, in deren Dienst sie stehen oder deren Aufsicht sie sich unterstellt haben, einziehen.
Unter Vorbehalt der vorherigen Anzeige an alle interessierten am Konflikt beteilig­ten Parteien können die Küstenrettungsboote, die mit der Zustimmung der Beset­zungsmacht ihre Tätigkeit von einem besetzten Stützpunkt aus fortsetzen, ermächtigt werden, neben der Rotkreuzflagge weiterhin ihre Landesflagge zu hissen, solange sie von ihrem Stützpunkt entfernt sind.
Alle Bestimmungen dieses Artikels über das Zeichen des Roten Kreuzes gelten auch auf die andern in Artikel 41 erwähnten Zeichen.
Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen sich jederzeit bemühen, Vereinbarungen abzuschliessen zwecks Verwendung der modernsten ihnen zur Verfügung stehenden Methoden, die die Kennzeichnung der in diesem Artikel erwähnten Schiffe und Boote erleichtern.
Art. 44
Die in Artikel 43 vorgesehenen Schutzzeichen dürfen sowohl in Friedens‑ als in Kriegszeiten nur zur Bezeichnung oder zum Schutze der darin erwähnten Schiffe verwendet werden, unter Vorbehalt der Fälle, die in einem andern internationalen Abkommen oder durch Vereinbarung zwischen allen interessierten am Konflikt beteiligten Parteien vorgesehen werden.
Art. 45
Die Hohen Vertragsparteien, deren Gesetze zurzeit nicht ausreichend sein sollten, haben die nötigen Massnahmen zu treffen, um jeden Missbrauch der in Artikel 43 vorgesehenen Schutzzeichen jederzeit zu verhindern und zu ahnden.

Kapitel VII Vollzug des Abkommens

Art. 46
Jede am Konflikt beteiligte Partei hat durch ihre Oberbefehlshaber für die Einzel­heiten der Durchführung der vorstehenden Artikel und für die nicht vorgesehenen Fälle in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen dieses Abkommens vorzusorgen.
Art. 47
Vergeltungsmassnahmen gegen Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Personal, Schiffe oder Material, die unter dem Schutze des Abkommens stehen, sind unter­sagt.

Artikel 48

Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in Friedens‑ und in Kriegszeiten den Wortlaut des vorliegenden Abkommens in ihren Ländern im weitestmöglichen Ausmass zu verbreiten und insbesondere sein Studium in die militärischen und, wenn möglich, zivilen Ausbildungsprogramme aufzunehmen, damit die Gesamtheit der Bevölkerung, insbesondere die bewaffneten Streitkräfte, das Sanitätspersonal und die Feldprediger, seine Grundsätze kennen lernen können.
Art. 49
Die Hohen Vertragsparteien sollen sich gegenseitig durch Vermittlung des Schwei­zerischen Bundesrates und während der Feindseligkeiten durch Vermittlung der Schutzmächte die amtlichen Übersetzungen des vorliegenden Abkommens sowie die Gesetze und Verordnungen zustellen, die sie zur Gewährleistung seiner Anwendung unter Umständen erlassen.

Kapitel VIII Ahndung von Missbräuchen und Übertretungen

Art. 50
Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, alle notwendigen gesetzgeberischen Massnahmen zur Festsetzung von angemessenen Strafbestimmungen für solche Per­sonen zu treffen, die irgendeine der im folgenden Artikel umschriebenen schweren Verletzungen des vorliegenden Abkommens begehen oder zu einer solchen Verlet­zung den Befehl erteilen.
Jede Vertragspartei ist zur Ermittlung der Personen verpflichtet, die der Begehung oder der Erteilung eines Befehls zur Begehung der einen oder andern dieser schwe­ren Verletzungen beschuldigt sind und hat sie ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehö­rigkeit vor ihre eigenen Gerichte zu ziehen. Wenn sie es vorzieht, kann sie sie auch gemäss den in ihrer eigenen Gesetzgebung vorgesehenen Bedingungen zur Aburtei­lung einer andern an der Verfolgung interessierten Vertragspartei übergeben, sofern diese gegen die erwähnten Personen ausreichende Beschuldigungen nachgewiesen hat.
Jede Vertragspartei soll die notwendigen Massnahmen ergreifen, um auch diejeni­gen Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens zu unterbinden, die nicht zu den im folgenden Artikel umschriebenen schweren Verlet­zungen zählen.
Unter allen Umständen müssen die Angeklagten nicht geringere Sicherheiten in bezug auf Gerichtsverfahren und freie Verteidigung geniessen als die in Artikel 105 ff. des Genfer Abkommens vom 12. August 1949¹¹ über die Behandlung der Kriegs­gefangenen vorgesehenen.
¹¹ SR 0.518.42
Art. 51
Als schwere Verletzungen, wie sie im vorhergehenden Artikel erwähnt sind, gelten jene, die die eine oder andere der folgenden Handlungen umfassen, sofern sie gegen Personen oder Güter begangen werden, die durch das Abkommen geschützt sind: vorsätzlicher Mord, Folterung oder unmenschliche Behandlung, einschliesslich biologischer Experimente, vorsätzliche Verursachung grosser Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Integrität oder der Gesundheit, sowie Zerstörung und Aneignung von Gut, die nicht durch militärische Erfordernisse gerechtfertigt sind und in grossem Ausmass auf unerlaubte und willkürliche Weise vorgenommen werden.
Art. 52
Eine Hohe Vertragspartei kann weder sich selbst noch eine andere Vertragspartei von den Verantwortlichkeiten befreien, die ihr selbst oder einer andern Vertrags­partei auf Grund der im vorhergehenden Artikel erwähnten Verletzungen zufallen.
Art. 53
Auf Begehren einer am Konflikt beteiligten Partei soll gemäss einem zwischen den beteiligten Parteien festzusetzenden Verfahren eine Untersuchung eingeleitet werden über jede behauptete Verletzung des Abkommens.
Kann über das Untersuchungsverfahren keine Übereinstimmung erzielt werden, so sollten sich die Parteien über die Wahl eines Schiedsrichters einigen, der über das zu befolgende Verfahren zu entscheiden hat.
Sobald die Verletzung festgestellt ist, sollen ihr die am Konflikt beteiligten Parteien ein Ende setzen und sie so rasch als möglich ahnden.

Schlussbestimmungen

Art. 54
Das vorliegende Abkommen ist in französischer und englischer Sprache abgefasst. Beide Texte sind gleicherweise authentisch.
Der Schweizerische Bundesrat wird offizielle Übersetzungen des Abkommens in russischer und spanischer Sprache herstellen lassen.
Art. 55
Das vorliegende Abkommen, welches das Datum des heutigen Tages trägt, kann bis zum 12. Februar 1950 im Namen der Mächte unterzeichnet werden, die an der am 2 1. April 1949 in Genf eröffneten Konferenz vertreten waren, sowie im Namen der Mächte, die an dieser Konferenz nicht vertreten waren, aber am X. Haager Abkom­men vom 18. Oktober 1907¹² betreffend die Anwendung der Grundsätze des Genfer Abkommens von 1906 auf den Seekrieg oder an den Genfer Abkommen von 1864¹³, 1906¹⁴ oder 1929¹⁵ zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Heere im Felde beteiligt sind.
¹² [BS 11 522]
¹³ [AS VIII 520 816]
¹⁴ [BS 11 487]
¹⁵ SR 0.518.11
Art. 56
Das vorliegende Abkommen soll sobald als möglich ratifiziert werden. Die Ratifika­tionsurkunden sollen in Bern hinterlegt werden.
Über die Hinterlegung jeder Ratifikationsurkunde soff ein Protokoll aufgenommen werden. Von diesem soll eine beglaubigte Abschrift durch den Schweizerischen Bundesrat allen Mächten zugestellt werden, in deren Namen das Abkommen unter­zeichnet oder der Beitritt erklärt worden ist.
Art. 57
Das vorliegende Abkommen tritt sechs Monate nach Hinterlegung von mindestens zwei Ratifikationsurkunden in Kraft.
Späterhin tritt es für jede Hohe Vertragspartei sechs Monate nach Hinterlegung ihrer Ratifikationsurkunde in Kraft.
Art. 58
Das gegenwärtige Abkommen ersetzt in den Beziehungen zwischen den Hohen Vertragsparteien das X. Haager Abkommen vom 18. Oktober 1907¹⁶ betreffend die Anwendung der Grundsätze des Genfer Abkommens von 1906 auf den Seekrieg.
¹⁶ [BS 11 522]
Art. 59
Vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an steht das vorliegende Abkommen jeder Macht zum Beitritt offen, in deren Namen es nicht unterzeichnet worden ist.
Art. 60
Der Beitritt soll dem Schweizerischen Bundesrat schriftlich mitgeteilt werden und wird sechs Monate nach dem Zeitpunkt, an dem ihm die Mitteilung zugegangen ist, wirksam.
Der Schweizerische Bundesrat soll den Beitritt allen Mächten zur Kenntnis bringen, in deren Namen das Abkommen unterzeichnet oder der Beitritt erklärt worden ist.
Art. 61
Die den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Situationen verleihen den vor oder nach Beginn der Feindseligkeiten oder der Besetzung hinterlegten Ratiflikationsurkunden und abgegebenen Beitrittserklärungen von den am Konflikt beteiligten Parteien sofortige Wirkung. Der Schweizerische Bundesrat soll die Ratifikationen oder Beitritte der am Konflikt beteiligten Parteien auf dem schnellsten Wege bekannt­geben.
Art. 62
Jeder Hohen Vertragspartei steht es frei, das vorliegende Abkommen zu kündigen.
Die Kündigung ist dem Schweizerischen Bundesrat schriftlich anzuzeigen, der sie den Regierungen aller Hohen Vertragsparteien bekanntgibt.
Die Kündigung wird ein Jahr nach ihrer Anzeige an den Schweizerischen Bundesrat wirksam. Die angezeigte Kündigung bleibt jedoch, wenn die kündigende Macht in einen Konflikt verwickelt ist, so lange unwirksam, als der Friede nicht geschlossen wurde und auf alle Fälle so lange, als die Aktionen nicht abgeschlossen sind, die mit der Freilassung und Heimschaffung der durch das vorliegende Abkommen geschützten Personen in Zusammenhang stehen.
Die Kündigung gilt nur in bezug auf die kündigende Macht. Sie hat keinerlei Wir­kung auf die Verpflichtungen, welche die am Konflikt beteiligten Parteien gemäss den Grundsätzen des Völkerrechts zu erfüllen gehalten sind, wie sie sich aus den unter zivilisierten Völkern feststehenden Gebräuchen, aus den Gesetzen der Mensch­lichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens ergeben.
Art. 63
Der Schweizerische Bundesrat wird das vorliegende Abkommen beim Sekretariat der Vereinten Nationen eintragen lassen. Er wird das Sekretariat der Vereinten Nationen ebenfalls von allen Ratifikationen, Beitritten und Kündigungen, die er in be­zug auf das vorliegende Abkommen erhält, in Kenntnis setzen.
Zu Urkund dessen haben die Unterzeichneten nach Hinterlegung ihrer entsprechen­den Vollmachten das vorliegende Abkommen unterzeichnet.
Gegeben in Genf am 12. August 1949 in französischer und englischer Sprache. Das Original ist im Archiv der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu hinterlegen. Der Schweizerische Bundesrat soll jedem der unterzeichnenden und beitretenden Staaten eine beglaubigte Abschrift dieses Abkommens übermitteln.
(Es folgen die Unterschriften)
Anhang

Geltungsbereich des Abkommens ¹⁷

¹⁷ Siehe Geltungsbereich des Genfer Abkommens zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde ( SR 0.518.12 ).
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