Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen (0.454)
CH - Schweizer Bundesrecht

Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen

Abgeschlossen in Strassburg am 10. März 1976 Von der Bundesversammlung genehmigt am 26. November 1979³ Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 24. September 1980 In Kraft getreten für die Schweiz am 25. März 1981 (Stand am 16. April 2008) ¹ AS 1981 218 ; BBl 1979 II 109 ² Gemeinsame deutsche Übersetzung des französischen Originaltextes, der sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung befindet. ³ Art. 1 Abs. 1 Bst. b des BB vom 26. Nov. 1979 ( AS 1981 217 )
Die Mitgliedstaaten des Europarats, die dieses Übereinkommen unterzeichnen,
von der Erwägung geleitet, dass es wünschenswert ist, gemeinsame Bestimmungen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen, insbesondere in modernen Intensivhaltungssystemen, anzunehmen,
sind wie folgt übereingekommen:

Kapitel I Allgemeine Grundsätze

Art. 1
Dieses Übereinkommen bezieht sich auf die Haltung, Pflege und Unterbringung von Tieren, insbesondere von Tieren in modernen Intensivhaltungssystemen. «Tiere» im Sinne dieses Übereinkommens sind Tiere, die zur Erzeugung von Nahrungsmitteln, Wolle, Häuten oder Fellen oder zu anderen landwirtschaftlichen Zwecken gezüchtet oder gehalten werden, und «moderne Intensivhaltungssysteme» im Sinne dieses Übereinkommens sind Systeme, in denen überwiegend technische Einrichtungen verwendet werden, die vornehmlich automatisch betrieben werden.
Art. 2
Jede Vertragspartei wendet die in den Artikeln 3–7 niedergelegten Grundsätze des Tierschutzes an.
Art. 3
Jedes Tier muss unter Berücksichtigung seiner Art und seiner Entwicklungs‑, Anpassungs‑ und Domestikationsstufe entsprechend seinen physiologischen und ethologischen Bedürfnissen nach feststehenden Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen untergebracht, ernährt und gepflegt werden.
Art. 4
1.  Das artgemässe und durch feststehende Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse belegte Bewegungsbedürfnis eines Tieres darf nicht so eingeschränkt werden, dass dem Tier vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.
2.  Ist ein Tier dauernd oder regelmässig angebunden, angekettet oder eingesperrt, so ist ihm der seinen physiologischen und ethologischen Bedürfnissen gemässe und den feststehenden Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechende Raum zu gewähren.
Art. 5
Beleuchtung, Temperatur, Feuchtigkeit, Luftzirkulation, Belüftung und andere Umweltbedingungen wie Gaskonzentration oder Lärmintensität am Unterbringungsplatz eines Tieres müssen – unter Berücksichtigung seiner Art und seiner Entwicklungs‑, Anpassungs- und Domestikationsstufe – seinen physiologischen und ethologischen Bedürfnissen gemäss den feststehenden Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen.
Art. 6
Ein Tier darf nicht so ernährt werden, dass ihm vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, und die Nahrung darf keine Stoffe enthalten, die vermeidbare Leiden oder Schäden verursachen.
Art. 7
1.  Befinden und Gesundheitszustand der Tiere sind in ausreichenden Zeitabständen gründlich zu prüfen, um ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen, d.h. bei Tieren in modernen Intensivhaltungssystemen mindestens einmal täglich.
2.  Die technischen Einrichtungen moderner Intensivhaltungssysteme sind mindestens einmal täglich gründlich zu prüfen; jeder festgestellte Mangel ist möglichst unverzüglich zu beheben. Kann ein Mangel nicht sogleich behoben werden, so sind umgehend die zur Wahrung des Wohlbefindens der Tiere notwendigen vorläufigen Massnahmen zu treffen.

Kapitel II Ausführliche Bestimmungen für die Durchführung

Art. 8
1.  Innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens wird ein Ständiger Ausschuss eingesetzt.
2.  Jede Vertragspartei hat das Recht, einen Vertreter für diesen Ausschuss zu benennen. Jeder Mitgliedstaat des Europarates, der nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist, hat das Recht, sich durch einen Beobachter im Ausschuss vertreten zu lassen.
3.  Der Generalsekretär des Europarates beruft den Ständigen Ausschuss ein, sobald er es für notwendig hält und immer dann, wenn die Mehrheit der Vertreter der Vertragsparteien oder der Vertreter der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als Vertragspartei die Einberufung beantragt.
4.  Der Ständige Ausschuss ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit der Vertreter der Vertragsparteien auf einer Sitzung anwesend ist.
5.  Der Ständige Ausschuss fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen; dagegen ist Einstimmigkeit der abgegebenen Stimmen erforderlich für
a) die Annahme von Empfehlungen nach Artikel 9 Absatz 1;
b) Beschlüsse über die Zulassung von Beobachtern mit Ausnahme der in Absatz 2 genannten;
c) Die Annahme des in Artikel 13 genannten Berichts; dieser Bericht kann gegebenenfalls abweichende Meinungen enthalten.
6.  Vorbehaltlich dieses Übereinkommens gibt sich der Ständige Ausschuss eine Geschäftsordnung.
Art. 9
1.  Dem Ständigen Ausschuss obliegen die Ausarbeitung und Annahme von Empfehlungen an die Vertragsparteien, die ins einzelne gehende Bestimmungen für die Anwendung der in Kapitel I niedergelegten Grundsätze enthalten; diese Bestimmungen müssen sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse über die einzelnen Tierarten stützen.
2.  Zwecks Erfüllung seiner in Absatz 1 genannten Aufgaben verfolgt der Ständige Ausschuss die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschung und neuer Tierhaltungsverfahren.
3.  Jede Empfehlung wird als solche sechs Monate nach ihrer Annahme durch den Ständigen Ausschuss wirksam, sofern dieser nicht eine längere Frist festsetzt. Nach dem Wirksamwerden einer Empfehlung muss jede Vertragspartei sie entweder anwenden oder dem Ständigen Ausschuss durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Notifikation mitteilen, aus welchen Gründen sie nicht oder nicht mehr in der Lage ist, die Empfehlung anzuwenden.
4.  Haben zwei oder mehr Vertragsparteien oder die Europäische Wirtschafts­gemeinschaft als Vertragspartei nach Absatz 3 ihre Entscheidung notifiziert, eine Empfehlung nicht oder nicht mehr anzuwenden, so wird die Empfehlung unwirksam.
Art. 10
Der Ständige Ausschuss erleichtert erforderlichenfalls die gütliche Beilegung von Schwierigkeiten, die sich zwischen den Vertragsparteien aus der Durchführung dieses Übereinkommens ergeben könnten.
Art. 11
Der Ständige Ausschuss kann auf Ersuchen einer Vertragspartei ein Gutachten zu jeder Frage des Tierschutzes erstatten.
Art. 12
Jede Vertragspartei kann einzelne oder mehrere Gremien benennen, die der Ständige Ausschuss zur Unterstützung seiner Arbeit um Auskünfte und Ratschläge ersuchen kann. Die Vertragsparteien teilen dem Generalsekretär des Europarates Namen und Anschrift dieser Gremien mit.
Art. 13
Der Ständige Ausschuss unterbreitet dem Ministerkomitee des Europarates drei Jahre nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens und danach alle drei Jahre einen Bericht über seine Tätigkeit und über die Wirkungsweise des Übereinkommens, wobei er, falls er es für erforderlich hält, Vorschläge zur Änderung des Übereinkommens beifügt.

Kapitel III Schlussbestimmungen

Art. 14
1.  Dieses Übereinkommen liegt für die Mitgliedstaaten des Europarates und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations‑, Annahme‑ oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarates hinterlegt.
2.  Dieses Übereinkommen tritt sechs Monate nach Hinterlegung der vierten Ratifikations‑, Annahme‑ oder Genehmigungsurkunde durch einen Mitgliedstaat des Europarates in Kraft.
3.  Für jede Unterzeichnerpartei, die das Übereinkommen nach dem in Absatz 2 genannten Zeitpunkt ratifiziert, annimmt oder genehmigt, tritt es sechs Monate nach Hinterlegung ihrer Ratifikations‑, Annahme‑ oder Genehmigungsurkunde in Kraft.
Art. 15
1.  Nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarates zu den ihm geeignet erscheinenden Bedingungen jeden Nichtmitgliedstaat einladen, dem Übereinkommen beizutreten.
2.  Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarates; die Urkunde wird sechs Monate nach ihrer Hinterlegung wirksam.
Art. 16
1.  Jede Vertragspartei kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Übereinkommen Anwendung findet.
2.  Jede Vertragspartei kann bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs‑ oder Beitrittsurkunde oder jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Erklärung dieses Übereinkommen auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken, dessen inter­nationale Beziehungen sie wahrnimmt oder für das sie Vereinbarungen treffen kann.
3.  Jede nach Absatz 2 abgegebene Erklärung kann in bezug auf jedes darin genannte Hoheitsgebiet nach Massgabe des Artikels 17 zurückgenommen werden.
Art. 17
1.  Jede Vertragspartei kann dieses Übereinkommen durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Notifikation für sich kündigen.
2.  Die Kündigung wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.
Art. 18
Der Generalsekretär des Europarates notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und jeder Vertragspartei, die nicht Mitglied des Rates ist,
a) jede Unterzeichnung,
b) jede Hinterlegung einer Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs‑ oder Beitrittsurkunde;
c) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens nach seinen Artikeln 14 und 15;
d) jede Empfehlung nach Artikel 9 Absatz 1 und den Zeitpunkt, zu dem sie wirksam wird;
e) jede nach Artikel 9 Absatz 3 eingegangene Notifikation;
f) jede nach Artikel 12 eingegangene Mitteilung;
g) jede nach Artikel 16 Absätze 2 und 3 eingegangene Erklärung;
h) jede nach Artikel 17 eingegangene Notifikation und den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.
Geschehen zu Strassburg am 10. März 1976 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarates hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarates übermittelt allen Unterzeichnerparteien und allen beitretenden Parteien beglaubigte Abschriften.
(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich des Übereinkommens am 21. August 2008 ⁴

⁴ Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereichs findet sich auf der Internetseite des EDA (http://www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation
Beitritt (B)

Inkrafttreten

Belgien

13. September

1979

14. März

1980

Bosnien und Herzegowina

29. Dezember

1994 B

30. Juni

1995

Bulgarien

20. Juli

2004

21. Januar

2005

Dänemark*

28. Januar

1980

29. Juli

1980

Deutschland

  9. März

1978

10. September

1978

Europäische Gemeinschaft
(EG/EU/EWG)

18. Oktober

1988

19. April

1989

Finnland*

  2. Dezember

1991

  3. Juni

1992

Frankreich

10. Januar

1978

10. September

1978

Griechenland*

12. November

1984

13. Mai

1985

Irland

  7. April

1986

  8. Oktober

1986

Island

19. September

1989

20. März

1990

Italien

  7. Februar

1986

  8. August

1986

Kroatien

14. September

1994 B

15. März

1995

Lettland

  5. Juni

2007

  6. Dezember

2007

Litauen

  2. März

2004

  3. September

2004

Luxemburg

19. Januar

1979

20. Juli

1979

Malta

26. März

1991

27. September

1991

Mazedonien

30. März

1994 B

  1. Oktober

1994

Montenegro

  6. Juni

2006 N

  6. Juni

2006

Niederlande*

21. April

1981

22. Oktober

1981

Norwegen

25. Februar

1980

26. August

1980

Österreich

22. Dezember

1992

23. Juni

1993

Polen

20. Februar

2008

21. August

2008

Portugal

20. April

1982

21. Oktober

1982

Schweden

  7. Dezember

1977

10. September

1978

Schweiz

24. September

1980

25. März

1981

Serbien

28. Februar

2001 B

29. August

2001

Slowenien

20. Oktober

1992 B

21. April

1993

Spanien

  5. Mai

1988

  6. November

1988

Tschechische Republik

23. September

1998

24. März

1999

Ungarn

30. März

2004

  1. Oktober

2004

Vereinigtes Königreich*

  8. Januar

1979

  9. Juli

1979

Guernsey

  8. Januar

1979

  9. Juli

1979

Insel Man

13. Dezember

2001

13. Dezember

2001

Zypern

15. April

1977

10. September

1978

*

Vorbehalte und Erklärungen siehe hiernach.

Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht.
Die französischen und englischen Texte können auf der Internet-Seite des Europarates: http://conventions.coe.int/Treaty/FR/v3DefaultFRE.asp eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern bezogen werden.

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