Vertrag betreffend die Erledigung der Neuenburger Angelegenheit (0.193.11)
CH - Schweizer Bundesrecht

Vertrag betreffend die Erledigung der Neuenburger Angelegenheit

Abgeschlossen am 26. Mai 1857 Von der Bundesversammlung genehmigt am 12. Juni 1857² Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 16. Juni 1857 In Kraft getreten am 16. Juni 1857 (Stand am 16. Juni 1857) ¹ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ² AS V 545
Ihre Majestäten der Kaiser von Österreich, der Kaiser von Frankreich, die Königin des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland, der Kaiser aller Reussen,
von dem Wunsche beseelt, den allgemeinen Frieden vor Störung zu bewahren und zu diesem Ende die internationale Stellung des Fürstentums Neuenburg und der Grafschaft Valangin mit den Forderungen der Ruhe Europas in Einklang zu bringen haben, nachdem Seine Majestät der König von Preussen, Fürst von Neuenburg und Graf von Valangin, seine Absicht kundgegeben hat, zu oben erwähntem Zwecke den Wünschen Seiner Alliierten entgegenzukommen, die Schweizerische Eidgenossenschaft eingeladen, sich mit den vorgenannten Majestäten über die geeignetesten Bestimmungen zur Erreichung dieses Zweckes zu verständigen.
Demzufolge sind Ihre genannten Majestäten und die Schweizerische Eidgenossenschaft dahin übereingekommen einen Vertrag abzuschliessen, und haben zu Ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
welche, nach vorheriger Mitteilung ihrer in gehöriger Ausfertigung befundenen Vollmachten, über folgende Artikel übereingekommen sind:
Art. 1
Seine Majestät der König von Preussen willigt ein, auf ewige Zeiten für sich, seine Erben und Nachfolger auf die Souveränitätsrechte zu verzichten, welche ihm der Artikel 23 des am 9. Juni 1815 in Wien abgeschlossenen Vertrags auf das Fürstentum Neuenburg und die Grafschaft Valangin einräumt.
Art. 2
Der Staat Neuenburg, fortan sich selbst angehörend, fährt fort, ein Glied der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu bilden, mit den gleichen Rechten wie die übrigen Kantone und gemäss dem Artikel 75 des obgedachten Vertrags.
Art. 3
Der Schweizerischen Eidgenossenschaft bleiben alle Kosten zur Last, welche ihr durch die Ereignisse im September 1856 verursacht worden sind. Der Kanton Neuenburg kann nur wie jeder andere Kanton und nach Verhältnis seines Geldkontingentes angehalten werden, zur Deckung derselben beizutragen.
Art. 4
Die Ausgaben, mit welchen der Kanton Neuenburg belastet bleibt, werden auf alle Einwohner nach dem Grundsatze genauer Verhältnismässigkeit verteilt, ohne dass auf dem Wege einer Ausnahmesteuer oder auf irgendeine andere Weise eine Klasse oder Kategorie von Familien oder Personen ausschliesslich oder vorzüglich damit belastet werden dürfen.
Art. 5
Für alle politischen und militärischen Verbrechen und Vergehen, welche zu den letzten Ereignissen in Beziehung stehen, wird volle und gänzliche Amnestie erteilt, und zwar zugunsten aller Neuenburger, Schweizer oder Fremden, und namentlich auch zugunsten der Milizen, welche sich durch Entfernung ins Ausland der Waffenpflicht entzogen haben.
Eine kriminelle oder korrektionelle Klage, eine Klage auf Schadenersatz kann weder durch den Kanton Neuenburg noch durch irgendeine Korporation oder Person gegen diejenigen angehoben werden, welche unmittelbar oder mittelbar an den September‑Ereignissen teilgenommen haben.
Die Amnestie soll sich gleichfalls auf alle politischen und Pressvergehen erstrecken, welche vor den September‑Ereignissen stattgefunden haben.
Art. 6
Die Einkünfte der Kirchengüter, die im Jahr 1848 dem Staatsvermögen einverleibt worden sind, können ihrer ursprünglichen Bestimmung nicht entfremdet werden.
Art. 7
Die Kapitalien und Einkünfte der frommen Stiftungen, der gemeinnützigen Privatanstalten sowie das vom Baron von Pury der Bürgerschaft von Neuenburg vermachte Vermögen werden gewissenhaft respektiert; sie werden den Absichten der Stifter und den Stiftungsurkunden gemäss aufrechterhalten und können niemals ihrem Zwecke entfremdet werden.
Art. 8
Gegenwärtiger Vertrag soll ratifiziert und die daherigen Ratifikationen in der Frist von drei Wochen oder früher, wenn es geschehen kann, ausgewechselt werden. Die Auswechslung wird in Paris stattfinden.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die betreffenden Bevollmächtigten denselben unterzeichnet und ihre Wappensiegel beigedruckt.
So geschehen in Paris, den 26. Mai 1857.

Kern

Hübner

A. Walewski

Couley

C. M. De Hatzfeldt

Cte. Kisseleff

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